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Drei Kameraden 7 страница



»Nein. «

»Waren Sie mal in der Konfektion? «

»Ja. «

»Sehen Sie, daher der Stil. In was fü r 'ner Branche? «

»Seele«, erwiderte ich, »ich wollte mal Schulmeister werden. «

»Herr Lohkamp«, sagte Blumenthal. »Respekt! Wenn Sie mal ohne Stellung sind, rufen Sie bei mir an. «

Er schrieb einen Scheck aus und gab ihn mir. Ich traute meinen Augen nicht! Vorauszahlung! — ein Wunder! »Herr Blumenthal«, sagte ich ü berwä ltigt, »erlauben Sie mir, zu dem Wagen zwei kristallene Aschenbecher und eine erstklassige Gummifuß matte gratis dreinzugeben. «

»Schö n«, meinte er, »da kriegt der alte Blumenthal auch mal was geschenkt. « Dann lud er mich fü r den nä chsten Tag zum Abendessen ein. Frau Blumenthal lä chelte mir mü tterlich zu.

»Es gibt gefü llten Hecht«, sagte sie weich.

»Eine Delikatesse«, erklä rte ich. »Dann bringe ich Ihnen gleich den Wagen mit. Morgen frü h lassen wir ihn zu. «

 

Ich flog wie eine Schwalbe zurü ck zur Werkstatt. Aber Lenz und Kö ster waren zum Essen gegangen. Ich muß te meinen Triumph noch bezä hmen. Nur Jupp war da. »Verkauft? « fragte er.

»Das mö chtest du wohl wissen, du Strolch«, sagte ich. »Hier, da hast du einen Taler. Bau dir ein Flugzeug dafü r. «

»Also verkauft«, grinste Jupp.

»Ich fahre jetzt zum Essen«, sagte ich, »aber wehe, wenn du den andern was sagst, bevor ich zurü ck bin. «

»Herr Lohkamp«, beteuerte er und wirbelte den Taler durch die Luft, »ich bin ein Grab. «

»So siehst du aus«, sagte ich und gab Gas.

Als ich auf den Hof zurü ckkam, machte Jupp mir ein Zeichen. »Was ist los? « fragte ich. »Hast du den Schnä bel nicht gehalten? «

»Herr Lohkamp! Wie Eisen! « Er grinste. »Nur — der Fordfritze ist drin. «

Ich ließ den Cadillac auf dem Hof stehen und ging in die Werkstatt. Der Bä ckermeister war da und beugte sich gerade ü ber ein Buch mit Farbproben. Er trug einen karierten Gü rtelmantel mit breitem Trauerflor. Neben ihm stand eine hü bsche Person mit hurtigen schwarzen Augen, einem offenen Mä ntelchen mit verrupftem Kaninchenfellbesatz und zu kleinen Lackschuhen. Die schwarze Person war fü r leuchtendes Zinnober; aber der Bä cker hatte gegen Rot Bedenken, weil er doch in Trauer war. Er schlug ein fahles Gelbgrau vor.

»Ach was«, maulte die Schwarze, »ein Ford muß auffallend lackiert sein. Sonst sieht er nach nichts aus. «

Sie schickte verschwö rerische Blicke nach uns aus, zuckte mit den Achseln, als der Bä cker sich bü ckte, verzog den Mund und blinzelte uns zu. Ein munteres Kind! Schließ lich einigten sich beide auf Resedagrü n. Das Mä dchen wollte ein helles Verdeck dazu haben. Doch da wurde der Bä ckermeister stark: Irgendwo sollte die Trauer herauskommen. Er setzte ein schwarzes Lederverdeck durch. Dabei machte er nebenbei noch ein Geschä ft; denn er bekam das Verdeck ja gratis und Leder war teurer als Stoff.

Die beiden gingen. Aber auf dem Hof gab es noch einen Aufenthalt. Die Schwarze hatte den Cadillac kaum erblickt, als sie drauflos schoß. »Sieh mal, Puppi, das ist ein Wagen! Fabelhaft! Das lass' ich mir gefallen! «

Im nä chsten Augenblick hatte sie die Tü r schon offen und saß drin, schielend vor Begeisterung. »Das sind Sitze! Kolossal! Wie Klubsessel! Das ist was anderes als der Ford! «

»Na, komm schon«, sagte Puppi miß mutig.

Lenz stieß mich an — ich sollte in Aktion treten und versuchen, dem Bä cker den Wagen aufzuhä ngen. Ich sah Gottfried von oben herab an und schwieg. Er stieß stä rker. Ich stieß zurü ck und drehte ihm den Rü cken zu.

Mit Mü he bekam der Bä cker sein schwarzes Juwel endlich aus dem Wagen und zog etwas gekrä nkt und stark verä rgert ab.

Wir sahen dem Paar nach. »Ein Mann von schnellen Entschlü ssen! « sagte ich. »Reparierter Wagen — neue Frau — alle Achtung! «

»Na«, meinte Kö ster, »an der wird er noch Freude haben. «

Kaum waren die beiden um die Ecke, da blubberte Gottfried los. »Bist du denn ganz von Gott verlassen, Robby? Verpaß t so eine Gelegenheit! Das war doch ein Schulbeispiel, wie man anspringen muß! «

»Unteroffizier Lenz«, erwiderte ich, »nehmen Sie die Knochen zusammen, wenn Sie mit einem Vorgesetzten reden! Glauben Sie, ich bin ein Bigamist und verheirate den Wagen zweimal? «

Es war ein groß er Moment, Gottfried dastehen zu sehen. Er machte Augen wie Teller. »Treib keinen Scherz mit heiligen Dingen«, stotterte er.

Ich beachtete ihn gar nicht, sondern wandte mich an Kö ster. »Otto, nimm Abschied von unserm Cadillac-Kinde! Es gehö rt nicht mehr uns. Es wird der Unterhosenbranche fortan Glanz verleihen! Hoffe, daß es ein gutes Leben dort haben wird! Nicht so heldisch wie bei uns — dafü r aber sicherer. «

Ich zog den Scheck heraus. Lenz fiel beinahe auseinander.

»Doch nicht — was? Etwa — bezahlt? « flü sterte er heiser.

»Was dachten Sie Anfä nger denn? « fragte ich und schwenkte den Scheck hin und her. »Ratet! «

»Vier! « rief Lenz mit geschlossenen Augen.

»Vierfü nf«, sagte Kö ster.

»Fü nf«, schrie Jupp von der Pumpe aus herü ber.

»Fü nffü nf«, schmetterte ich.

Lenz riß mir den Scheck aus der Hand. »Unmö glich! Wird bestimmt ungedeckt sein! «

»Herr Lenz«, sagte ich mit Wü rde, »der Scheck ist so sicher, wie Sie unsicher sind! Mein Freund Blumenthal ist fü r die zwanzigfache Summe gut. Mein Freund, verstehen Sie, bei dem ich morgen abend gefü llten Hecht esse. Nehmen Sie sich ein Beispiel daran! Freundschaft schließ en, Vorauszahlung bekommen und zum Abendbrot eingeladen werden: das heiß t verkaufen! So, jetzt kö nnen Sie rü hren! «

Gottfried faß te sich mit Mü he. Er versuchte ein letztes. »Mein Inserat und das Amulett! «

Ich schob ihm die Medaille hin. »Hier hast du deine Hundemarke wieder. Hab' sie ganz vergessen gehabt. «

»Du hast tadellos verkauft, Robby«, sagte Kö ster. »Gottlob, daß wir den Schlitten los sind. Kö nnen den Zaster verdammt gut gebrauchen. «

»Gibst du mir fü nfzig Mark Vorschuß? « fragte ich.

»Hundert. Hast's verdient. «

»Mö chtest du nicht auch meinen grauen Mantel auf Vorschuß dazu haben? « fragte Gottfried mit zugekniffenen Augen.

»Mö chtest du ins Krankenhaus, trauriger, indiskreter Bastard? « fragte ich zurü ck.

»Kinder, wir machen Schluß fü r heute! « schlug Kö ster vor. »Genug fü r einen Tag verdient! Man soll Gott auch nicht versuchen. Wollen mit Karl 'rausfahren und zum Rennen trainieren. «

Jupp hatte lä ngst seine Benzinpumpe im Stich gelassen. Er wischte sich aufgeregt die Hä nde. »Herr Kö ster, dann ü bernehme ich wohl solange hier wieder das Kommando, wie? «

»Nein, Jupp«, sagte Otto lachend, »du kommst mit! «

Wir fuhren zunä chst zur Bank und gaben den Scheck ab. Lenz ruhte nicht, bis er wuß te, daß er in Ordnung war. Dann hauten wir ab, daß die Funken aus dem Auspuff stoben.

 

 

VIII

 

Ich stand meiner Wirtin gegenü ber. »Wo brennt's? « fragte Frau Zalewski.

»Nirgendwo«, erwiderte ich. »Ich will nur meine Miete bezahlen. « Es war noch drei Tage zu frü h, und Frau Zalewski fiel vor Erstaunen fast um, »Dahinter steckt doch was«, meinte sie argwö hnisch.

»Nicht die Spur«, erwiderte ich. »Kann ich heute abend mal die beiden Brokatsessel aus Ihrem Salon haben? «

Kampfbereit stemmte sie die Arme auf die dicken Hü ften. »Da haben wir es! Gefä llt Ihnen Ihr Zimmer nicht mehr? «

»Doch. Aber Ihre Brokatsessel gefallen mir besser. «

Ich erklä rte ihr, daß ich vielleicht Besuch von einer Kusine bekä me und dazu das Zimmer gern etwas hü bscher haben mö chte. Sie lachte, daß ihr Busen nur so wogte. »Kusine«, wiederholte sie verä chtlich, »und wann kommt die Kusine? «

»Es ist noch gar nicht sicher«, sagte ich, »aber wenn sie kommt, natü rlich frü h, frü habends, zum Essen. Warum soll es ü brigens keine Kusinen geben, Frau Zalewski? «

»Es gibt schon welche«, erwiderte sie, »aber fü r die borgt man keine Sessel. «

»Ich wohl«, behauptete ich, »ich habe sehr viel Familiensinn. «

»So sehen Sie aus! Rumtreiber seid ihr alle miteinander. Die Brokatsessel kö nnen Sie haben. Stellen Sie die roten Plü sch solange in den Salon. «

»Danke schö n. Morgen bringe ich alles zurü ck. Den Teppich auch. «

»Teppich? « Sie drehte sich um. »Wer hat denn hier ein Wort vom Teppich gesagt? «

»Ich. Und Sie auch, eben gerade. «

Sie sah mich entrü stet an. »Der gehö rt doch dazu«, sagte ich. »Die Sessel stehen doch drauf. «

»Herr Lohkamp«, erklä rte Frau Zalewski majestä tisch, »treiben Sie es nicht zu weit! Mä ß igkeit in allem, war ein Wort des seligen Zalewski. Das kö nnten Sie auch mal beherzigen. «

Ich wuß te, daß der selige Zalewski sich trotz dieses Wahlspruches buchstä blich totgesoffen hatte. Seine Frau hatte mir das selbst bei anderen Gelegenheiten oft genug erzä hlt. Aber das machte ihr nichts aus. Sie benü tzte ihren Mann, wie andere Leute die Bibel: zum Zitieren. Und je lä nger er tot war, desto mehr schob sie ihm zu. Er paß te jetzt schon auf alles — wie die Bibel.

 

Ich war dabei, meine Bude auszuschmü cken. Nachmittags hatte ich mit Patrice Hollmann telefoniert. Sie war krank gewesen, und ich hatte sie fast eine Woche nicht mehr gesehen. Jetzt waren wir um acht Uhr verabredet, und ich hatte ihr vorgeschlagen, bei mir zu essen und nachher in ein Kino zu gehen.

Die Brokatsessel und der Teppich wirkten pompö s; aber die Beleuchtung dazu war schrecklich. Ich klopfte deshalb nebenan bei der Familie Hasse, um mir eine Tischlampe auszuleihen. Frau Hasse saß mü de am Fenster. Ihr Mann war noch nicht da. Er arbeitete jeden Tag freiwillig ein bis zwei Stunden lä nger, um nur ja nicht entlassen zu werden. Die Frau hatte etwas von einem kranken Vogel. In ihren schwammigen, alternden Zü gen war immer noch das schmale Gesicht eines Kindes zu erkennen — eines enttä uschten, traurigen Kindes.

Ich brachte mein Anliegen vor. Sie lebte auf und holte mir die Lampe. »Ach ja«, sagte sie seufzend, »wenn ich noch so daran denke, frü her... «

Ich kannte die Geschichte. Sie handelte von den Aussichten, die sie gehabt hä tte, wenn sie Hasse nicht genommen hä tte. Ich kannte dieselbe Geschichte auch in der Fassung Hasses. Da handelte sie von den Aussichten, die er gehabt hä tte, wenn er Junggeselle geblieben wä re. Es war wahrscheinlich die hä ufigste Geschichte der Welt. Auch die aussichtsloseste.

Ich hö rte eine Weile zu, erwiderte ein paar Gemeinplä tze und begab mich zu Erna Bö nig, um mir ihr Grammophon zu holen.

Frau Hasse sprach von Erna nur als von der Person nebenan. Sie verachtete sie, weil sie sie beneidete. Ich mochte sie ganz gern. Sie machte sich nichts vor ü ber das Leben und wuß te, daß man sich dranhalten muß te, um ein biß chen von dem zu erwischen, was man so Glü ck nannte. Sie wuß te auch, daß man es doppelt und dreifach bezahlen muß te. Glü ck war die ungewisseste Sache der Welt mit dem hö chsten Preis.

Erna kniete vor ihrem Koffer nieder und suchte mir eine Anzahl Platten heraus. »Wollen Sie Foxtrotts? « fragte sie.

»Nein«, erwiderte ich. »Ich kann nicht tanzen. «

Sie sah erstaunt auf. »Sie kö nnen nicht tanzen? Ja, was machen Sie dann, wenn Sie ausgehen? «

»Ich tanze mit der Gurgel. Das geht auch ganz gut. «

Sie schü ttelte den Kopf. »Ein Mann, der nicht tanzen kann, wä re bei mir abgemeldet. «

»Sie haben strenge, Grundsä tze«, erwiderte ich. »Aber es gibt ja auch noch andere Platten. Sie spielten da neulich eine sehr schö ne — es war eine Frauenstimme mit so einer Art Hawaiimusik... «

»Ah, die ist fabelhaft. ›Wie hab' ich nur leben kö nnen ohne dich... ‹, nicht wahr? «

»Richtig! Was so Schlagerdichtern alles einfä llt! Ich glaube, es sind die einzigen Romantiker, die es noch gibt. «

Sie lachte. »Warum auch nicht? So ein Grammophon ist ja auch wie eine Art Stammbuch. Frü her schrieb man sich Verse ins Album — heute schenkt man sich Grammophonplatten. Wenn ich mich an irgend etwas erinnern will, brauche ich nur die Platte von damals aufzulegen, und schon ist alles wieder da. «

Ich sah auf die Stö ß e von Platten herab, die auf der Erde lagen. »Daran gemessen, Erna, mü ssen Sie einen Haufen Erinnerungen haben. «

Sie stand auf und strich sich das rö tliche Haar zurü ck. »Ja«, sagte sie und schob einen Pack mit dem Fuß beiseite, »aber eine einzige richtige wä re mir lieber... «

Ich packte aus, was ich zum Abendbrot eingekauft hatte, und machte alles zurecht, so gut ich konnte. Aus der Kü che war keine Hilfe fü r mich zu erwarten, dazu stand ich mit Frida zu schlecht. Sie hä tte mir hö chstens etwas umgeworfen. Aber es ging auch so, und bald kannte ich meine alte Bude nicht wieder in ihrem neuen Glanz. Die Sessel, die Lampe, der gedeckte Tisch — ich spü rte, wie eine unruhige Erwartung sich in mir sammelte.

Ich brach auf, obschon ich noch ü ber eine Stunde Zeit hatte. Drauß en wehte der Wind in langen Stö ß en um die Ecken der Hä user. Die Laternen brannten schon. Die Dä mmerung zwischen den Hä usern war blau wie ein Meer. Das International schwamm darin wie ein abgetakeltes Kriegsschiff. Ich machte einen Sprung hinein.

»Hoppla, Robert«, sagte Rosa.

»Was machst du denn hier? « fragte ich. »Willst du nicht auf Tour? «

»Ist noch etwas zu frü h. «

Alois schlich heran. »Einstö ckig? « fragte er.

»Dreistö ckig«, erwiderte ich.

»Gehst ja mä chtig 'ran«, meinte Rosa.

»Brauche etwas Mumm«, sagte ich und kippte den Rum.

»Spielst du was? « fragte Rosa.

Ich schü ttelte den Kopf. »Keine Lust heute. Zu windig, Rosa. Was macht das Kleine? «

Sie lä chelte mit all ihren Goldzä hnen. »Unberufen, gut. Morgen gehe ich wieder hin. Habe diese Woche gute Kasse gehabt; den alten Bö cken steckt das Frü hjahr schon in den Knochen. Da bringe ich ihr ein neues Mä ntelchen mit. Rote Wolle. «

»Rote Wolle ist der letzte Modeschrei. «

»Du bist ein Kavalier, Robby. «

»Wenn du dich da man nicht irrst. Komm, trink eins mit. Anisette, was? «

Sie nickte. Wir stieß en an. »Sag mal, Rosa, was hä ltst du eigentlich von der Liebe? « fragte ich. »Du verstehst doch was davon. «

Sie brach in ein schallendes Gelä chter aus. »Hö r auf damit«, sagte sie dann. »Liebe! Ach, mein Arthur — wenn ich an den Lumpen denke, werde ich immer noch schwach in den Knien. Will dir was sagen, Robby, im Ernst gesprochen: Das menschliche Leben ist zu lang fü r die Liebe. Einfach zu lang. Das hat mir mein Arthur erklä rt, als er abgehauen ist. Und das stimmt. Liebe ist wunderbar. Aber einem ist sie immer zu lang. Und der andere, der sitzt dann da und stiert. Stiert wie wahnsinnig. «

»Klar«, sagte ich. »Aber ohne Liebe ist man doch eigentlich auch bloß 'ne Leiche auf Urlaub. «

»Mach's wie ich«, erwiderte Rosa, »schaff dir ein Kind an. Da hast du was zum Lieben und hast deine Ruhe dabei. «

»Nicht dumm«, sagte ich. »Hat mir grade noch gefehlt. «

Rosa wiegte trä umerisch den Kopf. »Was hab' ich von meinem Arthur fü r Schlä ge gekriegt — und trotzdem, wenn er jetzt hier 'reinkä me, die Melone so schief nach hinten auf dem Kopf —, Mensch, Junge, ich bibbere schon, wenn ich dran denke. «

»Wollen eins auf Arthurs Wohl trinken. «

Rosa lachte. »Der Hurenbock soll leben! Prost! «

Wir tranken aus. »Wiedersehen, Rosa. Gutes Geschä ft heute abend! « »Danke! Wiedersehen, Robby! «

 

Die Haustü r klappte. »Hallo«, sagte Patrice Hollmann, »so tief in Gedanken? «

»Nein, gar nicht! Aber wie geht es Ihnen? Sind Sie wieder gesund? Was haben Sie denn gehabt? «

»Ach, nichts Besonderes. Erkä ltet und ein biß chen Fieber. «

Sie sah gar nicht krank und angegriffen aus, Im Gegenteil, — ihre Augen waren mir noch nie so groß und strahlend erschienen, ihr Gesicht war ein wenig gerö tet, und ihre Bewegungen waren geschmeidig wie bei einem schmalen, schö nen Tier.

»Sie sehen prachtvoll aus«, sagte ich. »Ganz gesund! Wir kö nnen eine Menge unternehmen. «

»Das wä re schö n«, erwiderte sie. »Aber heute geht es nicht. Ich kann heute nicht. «

Ich starrte sie verstä ndnislos an. »Sie kö nnen nicht? «

Sie schü ttelte den Kopf. »Leider nicht. «

Ich begriff immer noch nicht. Ich glaubte, sie hä tte sich das mit meiner Bude anders ü berlegt und wollte nur nicht bei mir essen.

»Ich habe schon bei Ihnen angerufen«, sagte sie, »damit Sie nicht vergebens kä men. Aber Sie waren schon weggegangen. «

Jetzt verstand ich endlich. »Sie kö nnen wirklich nicht? Den ganzen Abend nicht? « fragte ich.

»Heute nicht. Ich muß irgendwohin. Leider habe ich es auch erst vor einer halben Stunde erfahren. «

»Kö nnen Sie das denn nicht verschieben? «

»Nein, das geht nicht. « Sie lä chelte. »Es ist so etwas wie eine geschä ftliche Sache. «

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Mit allem hatte ich gerechnet, nur damit nicht. Ich glaubte ihr kein Wort. Geschä ftliche Sache — sie sah nicht nach geschä ftlichen Sachen aus! Wahrscheinlich war es nur eine Ausrede. Sicher sogar. Was konnte man abends schon fü r geschä ftliche Besprechungen haben? So was machte man vormittags! Und man erfuhr es auch nicht erst eine halbe Stunde vorher. Sie wollte einfach nicht, das war alles.

Ich war auf eine geradezu kindische Weise enttä uscht. Jetzt spü rte ich erst, wie sehr ich mich auf den Abend gefreut hatte. Ich ä rgerte mich darü ber, daß ich so enttä uscht war, und ich wollte nicht, daß sie es merkte. »Also schö n«, sagte ich, »dann ist nichts zu machen. Auf Wiedersehen. «

Sie sah mich forschend an. »So eilig ist es nicht. Ich bin erst um neun verabredet. Wir kö nnen noch etwas Spazierengehen. Ich war die ganze Woche nicht drauß en. «

»Gut«, sagte ich widerstrebend. Ich fü hlte mich plö tzlich mü de und leer.

Wir gingen die Straß e entlang. Der Abend war klargeworden, und die Sterne standen zwischen den Dä chern. Wir kamen an einer Rasenanlage vorbei, auf der im Schatten ein paar Bü sche standen. Patrice Hollmann blieb stehen. »Flieder«, sagte sie, »es riecht nach Flieder! Aber das ist doch ganz unmö glich, es ist ja noch zu frü h. «

»Ich rieche auch nichts«, erwiderte ich.

»Doch! « Sie beugte sich ü ber das Gelä nder.

»Es ist eine Daphne indica, meine Dame«, kam eine rauhe Stimme aus dem Dunkel.

Ein stä dtischer Gartenarbeiter mit einer Mü tze mit einem Messingschild lehnte da an einem Baum. Er kam etwas schwankend heran. Ein Flaschenhals blinkte aus seiner Tasche. »Wir ha'm sie heute gesetzt«, erklä rte er unter mä chtigem Schluckauf. »Drü ben steht sie. «

»Danke schö n«, sagte Patrice Hollmann und wandte sich mir zu. »Riechen Sie es immer noch nicht? «

»Doch, jetzt rieche ich was«, antwortete ich widerwillig.

»Guten, alten Kornschnaps. «

»Prima geraten! « Der Mann im Schatten rü lpste gewaltig.

Ich spü rte ganz gut den sü ß en, schweren Duft, der durch die weiche Dunkelheit schwamm; aber ich hä tte es um alles in der Welt nicht zugegeben.

Das Mä dchen lachte und dehnte sich in den Schultern. »Wie schö n das ist, wenn man so lange im Zimmer gewesen ist! Zu schade, daß ich fort muß! Dieser Binding — immer eilig und im letzten Moment —, er hä tte wirklich die Sache auf morgen verlegen kö nnen! «

»Binding? « fragte ich. »Sie sind mit Binding verabredet? «

Sie nickte. »Mit Binding und noch jemand. Auf diesen Jemand kommt es an. Ernsthaft geschä ftlich. Kö nnen Sie sich das denken? «

»Nein«, erwiderte ich, »das kann ich mir nicht denken. «

Sie lachte und sprach weiter. Aber ich hö rte nicht mehr zu. Binding — das war mir wie ein Blitz in die Knochen gefahren. Ich dachte nicht daran, daß sie ihn viel lä nger kannte als mich, ich sah nur ü berlebensgroß und strahlend seinen Buick, seinen teuren Anzug und sein Portemonnaie vor mir auftauchen. Meine arme, brave, geschmü ckte Bude! Was hatte ich mir da nur eingebildet! Die Hassesche Lampe, die Zalewskischen Sessel! Das Mä dchen paß te ja ü berhaupt nicht zu mir! Was war ich denn schon? Ein Fuß gä nger, der sich mal einen Cadillac geborgt hatte, eine tä ppische Schnapsdrossel, nichts weiter! So was war an jeder Straß enecke zu finden. Ich sah bereits den Portier der »Traube« vor Binding salutieren, ich sah helle, warme, gepflegte Rä ume, Zigarettengewö lk und elegante Leute, ich hö rte Musik und Gelä chter, Gelä chter ü ber mich. Zurü ck, dachte ich, rasch zurü ck! Eine Ahnung, eine Hoffnung — was war schon viel gewesen! Es war sinnlos, sich darauf einzulassen. Nichts wie zurü ck!

»Wir kö nnen uns morgen abend treffen, wenn Sie wollen«, sagte Patrice Hollmann.

»Morgen abend habe ich keine Zeit«, erwiderte ich.

»Oder ü bermorgen oder irgendwann in dieser Woche. Ich habe in den nä chsten Tagen nichts vor. «

»Es wird schwierig sein«, sagte ich. »Wir haben heute einen eiligen Auftrag bekommen, da mü ssen wir wahrscheinlich die ganze Woche durch bis nachts arbeiten. «

Es war Schwindel, aber ich konnte nicht anders. Es steckte plö tzlich zuviel Wut und Beschä mung in mir.

Wir ü berquerten den Platz und gingen die Straß e am Friedhof entlang. Aus der Richtung des International sah ich Rosa herankommen. Ihre hohen Stiefel glä nzten. Ich hä tte abbiegen kö nnen und hä tte es sonst auch wohl getan — aber jetzt ging ich geradeaus weiter, ihr entgegen. Rosa sah an mir vorü ber, als wä ren wir todfremd. Das war selbstverstä ndlich; keines dieser Mä dchen kannte einen auf der Straß e, wenn man nicht allein war. »Tag, Rosa«, sagte ich.

Sie sah erst mich, darauf Patrice Hollmann verdutzt an, nickte dann hastig und ging verwirrt weiter. Ein paar Schritte hinter ihr kam Fritzi, die Handtasche schlenkernd, mit sehr roten Lippen und wiegenden Hü ften. Sie schaute gleichgü ltig durch mich hindurch wie durch eine Fensterscheibe. »Grü ß Gott, Fritzi«, sagte ich.

Sie neigte den Kopf wie eine Kö nigin und verriet durch nichts ihr Erstaunen; aber ich hö rte sie schneller gehen, als sie vorbei war — sie wollte mit Rosa den Fall besprechen. Ich hä tte immer noch in eine Nebenstraß e abbiegen kö nnen, denn ich wuß te, daß auch die andern noch kamen — es war gerade die Zeit des ersten groß en Patrouillenganges. Aber ich ging in einer Art Trotz geradeaus weiter — warum sollte ich ihnen aus dem Wege gehen; ich kannte sie ja viel besser als das Mä dchen neben mir mit seinem Binding und seinem Buick. Sollte sie es ruhig sehen — grü ndlich sogar.

Sie kamen alle, die lange Laternenreihe entlang — Wally, die Schö ne, blaß, schmal, elegant, Lina mit dem Holzbein, die stä mmige Erna, Marion, das Kü ken, Margot mit den roten Backen, der schwule Kiki im Fehmantel und zum Schluß Mimi, die Groß mutter mit den Krampfadern, die aussah wie ein ruppiger Uhu. Ich grü ß te alle, und als wir dann noch an Muttchen mit dem Wurstkessel vorü berkamen, schü ttelte ich ihr herzlich die Hand.

»Sie haben viele Bekannte hier«, sagte Patrice Hollmann nach einer Weile.

»Solche ja«, erwiderte ich bockig.

Ich merkte, daß sie mich ansah. »Ich glaube, wir mü ssen jetzt umkehren«, sagte sie.

»Ja«, erwiderte ich, »das glaube ich auch. «

Wir standen vor der Haustü r. »Leben Sie wohl«, sagte ich, »und viel Vergnü gen noch. «

Sie antwortete nicht. Mit ziemlicher Mü he brachte ich meine Augen von dem Klingelknopf an der Tü r los und sah sie an. Und wahrhaftig — ich traute meinen Blicken nicht —, da stand sie, und anstatt grü ndlich eingeschnappt zu sein, zuckte es um ihren Mund, ihre Augen flimmerten, und dann lachte sie, herzlich und unbekü mmert, sie lachte mich einfach aus. »Sie Kindskopf«, sagte sie, »o Gott, was sind Sie noch fü r ein Kindskopf! «

Ich starrte sie an. »Na ja... «, sagte ich dann, »immerhin« — und bekam auf einmal Sinn fü r die Situation — »Sie finden mich wohl etwas idiotisch, was? «

Sie lachte. Rasch machte ich einen Schritt vor und zog sie fest an mich, mochte sie denken, was sie wollte. Ihr Haar streifte meine Wange, ihr Gesicht war dicht vor mir, ich spü rte den schwachen Pfirsichgeruch ihrer Haut — dann nä herten sich ihre Augen, und ich fü hlte plö tzlich ihre Lippen auf meinem Mund — Sie war fort, ehe ich richtig wuß te, was los war.

 

Ich ging zurü ck und kam an Muttchens Wurstkessel vorbei.

»Gib mir mal eine groß e Bockwurst«, sagte ich strahlend.

»Mit Senf? « fragte Muttchen in ihrer sauberen, weiß en Schü rze.

»Mit sehr viel Senf, Muttchen! «

Ich aß die Wust genieß erisch im Stehen auf und ließ mir aus dem International von Alois dazu ein Glas Bier herausreichen.

»Der Mensch ist ein komisches Wesen, Muttchen, was? « fragte ich.

»Das kannst du wohl glauben«, erwiderte sie eifrig. »Kommt da gestern ein Herr, iß t zwei Wiener mit Senf, und nachher kann er sie nicht bezahlen. Schö n, es war spä t, kein Mensch sonst da, was sollte ich machen, das kennt man ja, ich lasse ihn laufen. Und stell dir vor, heute kommt er wieder und bezahlt die Wiener und gibt mir noch ein Trinkgeld. «

»Eine Vorkriegsnatur, Muttchen. Wie steht das Geschä ft denn sonst? «

»Schlecht! Gestern sieben Paar Wiener und neun Bockwü rste. Weiß t du, wenn ich die Mä dchen nicht hä tte, wä re ich schon lä ngst fertig. « Die Mä dchen waren die Huren, die Muttchen unterstü tzten, wo sie nur konnten. Wenn sie einen Freier gekapert hatten und es war irgendwie mö glich, dann brachten sie ihn bei Muttchens Wurstkessel vorbei, um vorher noch eine Bockwurst zu essen, damit die alte Frau etwas verdiente.

»Jetzt wird's ja bald wä rmer«, erzä hlte Muttchen weiter, »aber im Winter, in der Nä sse und in der Kä lte — da kann man anziehen, was man will, man holt sich was weg. «

»Gib mir noch eine Bockwurst«, sagte ich, »ich habe so eine Lust am Leben. Und wie steht's zu Hause? «

Sie sah mich mit ihren wasserhellen kleinen Augen an. »Immer dasselbe. Neulich hat er das Bett verkauft. «

Muttchen war verheiratet. Vor zehn Jahren war ihr Mann beim Aufspringen auf eine fahrende Untergrundbahn abgestü rzt und ü berfahren worden. Man hatte ihm beide Beine abnehmen mü ssen. Das Unglü ck hatte eine merkwü rdige Wirkung auf ihn gehabt. Er schä mte sich vor seiner Frau als Krü ppel so sehr, daß er nicht mehr mit ihr schlief. Im Krankenhaus hatte er sich auß erdem an Morphium gewö hnt. Das brachte ihn rasch herunter, er geriet in homosexuelle Kreise, und bald trieb sich der Mann, der fü nfzig Jahre normal gewesen war, nur noch mit schwulen Jungens herum. Vor denen schä mte er sich nicht, weil sie Mä nner waren. Bei Frauen war er ein Krü ppel, der glaubte, Ekel und Mitleid zu erregen — das ertrug er nicht —, bei Mä nnern war er nur ein Mensch, der Unglü ck gehabt hatte. Um sich das Geld fü r die Jungens und fü r das Morphium zu verschaffen, nahm er Muttchen weg, was er fand, und verkaufte, was zu verkaufen war. Aber Muttchen hielt zu ihm, obschon er sie oft prü gelte. Sie stand mit ihrem Sohn jede Nacht bis morgens um vier Uhr an ihrem Wurstkessel. Tagsü ber wusch sie Wä sche und scheuerte Treppen. Sie war dauernd unterleibskrank und wog neunzig Pfund; aber man sah sie nie anders als freundlich. Sie glaubte, daß es ihr noch ganz gut ginge. Manchmal kam der Mann, wenn er sich elend fü hlte, zu ihr und weinte. Das waren ihre schö nsten Stunden.

»Hast du deinen feinen Posten noch? « fragte sie mich.

Ich nickte. »Ja, Muttchen. Ich verdiene jetzt gut. «

»Sieh man zu, daß du ihn hä ltst. «

»Werde schon aufpassen, Muttchen. «

Ich kam nach Hause. Auf dem Vorplatz stand, wie von Gott gerufen, das Dienstmä dchen Frida. »Sie sind ein sü ß es Kind«, sagte ich, denn ich hatte Lust, etwas Gutes zu tun.

Sie machte ein Gesicht, als hä tte sie Essig getrunken.

»Im Ernst! « fuhr ich fort. »Was hat das ewige Streiten fü r Zweck! Das Leben ist kurz, Frida, und voller Zufä lle und Gefahren. Heute muß man zusammenstehen. Wollen uns vertragen! «



  

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