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Zweites Buch 5 страница



Egoismus gegen Egoismus. – Wie Viele schliessen immer noch: »es wä re das Leben nicht auszuhalten, wenn es keinen Gott gä be! «(oder, wie es in den Kreisen der Idealisten heisst: »es wä re das Leben nicht auszuhalten, wenn ihm die ethische Bedeutsamkeit seines Grundes fehlte! «) – folglich mü sse es einen Gott (oder eine ethische Bedeutsamkeit des Daseins) geben! In Wahrheit steht es nur so, dass, wer sich an diese Vorstellungen gewö hnt hat, ein Leben ohne sie nicht wü nscht: dass es also fü r ihn und seine Erhaltung nothwendige Vorstellungen sein mö gen, – aber welche Anmaassung, zu decretiren, dass Alles, was fü r meine Erhaltung nothwendig ist, auch wirklich das ein mü sse! Als ob meine Erhaltung etwas Nothwendiges sei! Wie, wenn Andere umgekehrt empfä nden! wenn sie gerade unter den Bedingungen jener beiden Glaubensartikel nicht leben mö chten und das Leben dann nicht mehr lebenswerth fä nden! – Und so steht es jetzt!

 

91.

 

Die Redlichkeit Gottes. – Ein Gott, der allwissend und allmä chtig ist und der nicht einmal dafü r sorgt, dass seine Absicht von seinen Geschö pfen verstanden wird, – sollte das ein Gott der Gü te sein? Der die zahllosen Zweifel und Bedenken fortbestehen lä sst, Jahrtausende lang, als ob sie fü r das Heil der Menschheit unbedenklich wä ren, und der doch wieder die entsetzlichsten Folgen bei einem Sich‑ vergreifen an der Wahrheit in Aussicht stellt? Wü rde es nicht ein grausamer Gott sein, wenn er die Wahrheit hä tte und es ansehen kö nnte, wie die Menschheit sich jä mmerlich um sie quä lt? – Aber vielleicht ist es doch ein Gott der Gü te, – und er konnte sich nur nicht deutlicher ausdrü cken! So fehlte es ihm vielleicht an Geist dazu? Oder an Beredtsamkeit? Um so schlimmer! Dann irrte er sich vielleicht auch in dem, was er seine» Wahrheit «nennt, und er ist selber dem» armen betrogenen Teufel «nicht so fern! Muss er dann nicht beinahe Hö llenqualen ausstehen, seine Geschö pfe um seiner Erkenntniss willen so, und in alle Ewigkeit fort noch schlimmer, leiden zu sehen und nicht rathen und helfen zu kö nnen, ausser wie ein Taubstummer, der allerhand vieldeutige Zeichen macht, wenn seinem Kinde oder Hunde die schrecklichste Gefahr auf dem Nacken sitzt? – Einem derartig schliessenden und bedrä ngten Glä ubigen wä re wahrlich zu verzeihen, wenn ihm das Mitleiden mit dem leidenden Gott nä her lä ge, als das Mitleiden mit den» Nä chsten«, – denn es sind nicht mehr seine Nä chsten, wenn jener Einsamste, Uranfä nglichste auch der Leidendste, Trostbedü rftigste von Allen ist. – Alle Religionen zeigen ein Merkmal davon, dass sie einer frü hen unreifen Intellectualitä t der Menschheit ihre Herkunft verdanken, – sie alle nehmen es erstaunlich leicht mit der Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen: sie wissen noch Nichts von einer Pflicht Gottes, gegen die Menschheit wahrhaftig und deutlich in der Mittheilung zu sein. – ü ber den» verborgenen Gott «und ü ber die Grü nde, sich so verborgen zu halten und immer nur halb mit der Sprache an's Licht zu kommen, ist Niemand beredter gewesen, als Pascal, zum Zeichen, dass er sich nie darü ber hat beruhigen kö nnen: aber seine Stimme klingt so zuversichtlich, als ob er einmal mit hinter dem Vorhang gesessen hä tte. Er hatte die Witterung einer Unmoralitä t in dem» deus absconditus «und die grö sste Scham und Scheu davor, sich diess einzugestehen: und so redete er, wie Einer, der sich fü rchtet, so laut als er konnte.

 

92.

 

Am Sterbebette des Christenthums. – Die wirklich activen Menschen sind jetzt innerlich ohne Christenthum, und die mä ssigeren und betrachtsameren Menschen des geistigen Mittelstandes besitzen nur noch ein zurechtgemachtes, nä mlich ein wunderlich vereinfachtes Christenthum. Ein Gott, der in seiner Liebe Alles so fü gt, wie es uns schliesslich am besten sein wird, ein Gott, der uns unsere Tugend wie unser Glü ck giebt und nimmt, sodass es im Ganzen immer recht und gut zugeht und kein Grund bleibt, das Leben schwer zu nehmen oder gar zu verklagen, kurz, die Resignation und Bescheidenheit zur Gottheit erhoben, – das ist das Beste und Lebendigste, was vom Christenthum noch ü brig geblieben ist. Aber man sollte doch merken, dass damit das Christenthum in einen sanften Moralismus ü bergetreten ist: nicht sowohl» Gott, Freiheit und Unsterblichkeit «sind ü brig geblieben, als Wohlwollen und anstä ndige Gesinnung und der Glaube, dass auch im ganzen All Wohlwollen und anstä ndige Gesinnung herrschen werden: es ist die Euthanasie des Christenthums.

 

93.

 

Was ist Wahrheit? – Wer wird sich den Schluss der Glä ubigen nicht gefallen lassen, welchen sie gern machen: »die Wissenschaft kann nicht wahr sein, denn sie leugnet Gott. Folglich ist sie nicht aus Gott; folglich ist sie nicht wahr, – denn Gott ist die Wahrheit. «Nicht der Schluss, sondern die Voraussetzung enthä lt den Fehler: wie, wenn Gott eben nicht die Wahrheit wä re, und eben diess bewiesen wü rde? wenn er die Eitelkeit, das Machtgelü st, die Ungeduld, der Schrecken, der entzü ckte und entsetzte Wahn der Menschen wä re?

 

94.

 

Heilmittel der Verstimmten. – Schon Paulus meinte, ein Opfer sei nö thig, damit die tiefe Verstimmung Gottes ü ber die Sü nde aufgehoben werde: und seitdem haben die Christen nicht aufgehö rt, ihr Missbehagen ü ber sich selber an einem Opfer auszulassen, – sei diess nun die» Welt «oder die» Geschichte «oder die» Vernunft «oder die Freude oder die friedliche Ruhe anderer Menschen, – irgend etwas Gutes muss fü r ihre Sü nde sterben (wenn auch nur in effigie)!

 

95.

 

Die historische Widerlegung als die endgü ltige. – Ehemals suchte man zu beweisen, dass es keinen Gott gebe, heute zeigt man, wie der Glaube, dass es einen Gott gebe, entstehen konnte und wodurch dieser Glaube seine Schwere und Wichtigkeit erhalten hat: dadurch wird ein Gegenbeweis, dass es keinen Gott gebe, ü berflü ssig. – Wenn man ehemals die vorgebrachten» Beweise vom Dasein Gottes «widerlegt hatte, blieb immer noch der Zweifel, ob nicht noch bessere Beweise aufzufinden seien, als die eben widerlegten: damals verstanden die Atheisten sich nicht darauf, reinen Tisch zu machen.

 

96.

 

«In hoc signo vinces. « – So vorgeschritten Europa auch sonst sein mag: in religiö sen Dingen hat es noch nicht die freisinnige Naivitä t der alten Brahmanen erreicht, zum Zeichen, dass in Indien vor vier Jahrtausenden mehr gedacht wurde und mehr Lust am Denken vererbt zu werden pflegte, als jetzt unter uns. Jene Brahmanen nä mlich glaubten erstens, dass die Priester mä chtiger seien, als die Gö tter, und zweitens, dass die Brä uche es seien, worin die Macht der Priester begriffen liege: wesshalb ihre Dichter nicht mü de wurden, die Brä uche (Gebete, Ceremonien, Opfer, Lieder, Metren) als die eigentlichen Geber alles Guten zu preisen. Wie viel Dichterei und Aberglaube hier auch immer dazwischengelaufen sein mag: die Sä tze sind wahr! Einen Schritt weiter: und man warf die Gö tter bei Seite, – was Europa auch einmal thun muss! Noch einen Schritt weiter: und man hatte auch die Priester und Vermittler nicht mehr nö thig, und der Lehrer der Religion der Selbsterlö sung, Buddha, trat auf: – wie ferne ist Europa noch von dieser Stufe der Cultur! Wenn endlich auch alle Brä uche und Sitten vernichtet sind, auf welche die Macht der Gö tter, der Priester und Erlö ser sich stü tzt, wenn also die Moral im alten Sinne gestorben sein wird: dann kommt – ja was kommt dann? Doch rathen wir nicht herum, sondern sehen wir zunä chst zu, dass Europa nachholt, was in Indien, unter dem Volke der Denker, schon vor einigen Jahrtausenden als Gebot des Denkens gethan wurde! Es giebt jetzt vielleicht zehn bis zwanzig Millionen Menschen unter den verschiedenen Vö lkern Europa's, welche nicht mehr» an Gott glauben«, – ist es zu viel gefordert, dass sie einander ein Zeichen geben? Sobald sie sich derartig erkennen, werden sie sich auch zu erkennen geben, – sie werden sofort eine Macht in Europa sein und, glü cklicherweise, eine Macht zwischen den Vö lkern! Zwischen den Stä nden! Zwischen Arm und Reich! Zwischen Befehlenden und Unterworfenen! Zwischen den unruhigsten und den ruhigsten, beruhigendsten Menschen!

 

Zweites Buch

 

 



  

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