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Drittes Abenteuer



Erscheinung eines kleinen Ungeheuers. Fernere Erlä uterungen ü ber die Schicksale der Prinzessin Gamaheh. Merkwü rdiges Freundschaftsbü ndnis, welches Herr Peregrinus Tyß eingeht, und Aufschluß, wer der alte Herr ist, der in seinem Hause zur Miete wohnt. Sehr wunderbare Wirkung eines ziemlich kleinen mikroskopischen Glases. Unvermutete Verhaftung des Helden der Geschichte.

Wer solche Dinge an einem Abende erfahren hat wie Herr Peregrinus Tyß, ja, wer sich in solcher Stimmung befindet als er, kann ganz unmö glich gut schlafen. Unruhig wä lzte Herr Peregrinus sich auf seinem Lager, und wenn er in das Delirieren geriet, das dem Schlaf vorherzugehen pflegt, so hatte er wieder das kleine holde Wesen in den Armen und fü hlte heiß e glü hende Kü sse auf seinen Lippen. — Dann fuhr er auf und glaubte noch wachend Alines liebliche Stimme zu hö ren. In brü nstiger Sehnsucht wü nschte er, sie mö ge nicht entflohen sein, und doch fü rchtete er wieder, sie werde gleich hineintreten, und ihn verstricken in ein unauflö sliches Netz. Dieser Kampf widersprechender Gefü hle beklemmte seine Brust und erfü llte sie zugleich mit sü ß er, nie gekannter Angst.

»Schlaft nicht, Peregrinus, schlaft nicht, edler Mann, ich muß augenblicklich mit Euch reden! « So lispelte es dicht vor Peregrinus, und immerfort: »schlaft nicht! schlaft nicht! «, bis er endlich die Augen aufschlug, die er geschlossen, nur um die holde Aline deutlicher zu sehen. In dem Schimmer der Nachtlampe gewahrte er ein kleines, kaum spannlanges Ungeheuer, das auf seiner weiß en Bettdecke saß und vor dem er sich im ersten Augenblick entsetzte, dann griff er aber mutig mit der Hand darnach, um sich zu ü berzeugen, ob seine Fantasie ihn nicht tä usche. Doch sogleich war das kleine Ungeheuer spurlos verschwunden.

Konnte die genaue Porträ tierung der schö nen Aline, Dö rtje Elverdink oder Prinzessin Gamaheh — denn daß eine und dieselbe Person sich nur scheinbar in drei Personen zerspaltet, weiß der geneigte Leser schon lä ngst — fü glich unterbleiben, so ist dagegen es durchaus nö tig, ganz genau das kleine Ungeheuer zu beschreiben, das auf der Bettdecke saß und dem Herrn Peregrinus einiges Entsetzen verursachte.

Wie schon erwä hnt, war die Kreatur kaum eine Spanne lang; in dem Vogelkopf staken ein Paar runde glä nzende Augen, und aus dem Sperlingsschnabel starrte noch ein langes spitzes Ding wie ein dü nnes Rapier hervor, dicht ü ber dem Schnabel streckten sich zwei Hö rner aus der Stirne. Der Hals begann dicht unterdem Kopf auch vogelartig, wurde aber immer dicker, so daß er ohne Unterbrechung der Form zum unfö rmlichen Leibe wuchs, der beinahe die Gestalt einer Haselnuß hatte und mit dunkelbraunen Schuppen bedeckt schien, wie der Armadillo. Das Wunderlichste und Seltsamste war aber wohl die Gestaltung der Arme und Beine. Die ersteren hatten zwei Gelenke und wurzelten in den beiden Backen der Kreatur dicht bei dem Schnabel. Gleich unter diesen Armen befand sich ein Paar Fü ß e und denn weiterhin noch ein Paar, beide zweigelenkig, wie die Arme. Diese letzten Fü ß e schienen aber diejenigen zu sein, auf deren Tü chtigkeit die Kreatur sich eigentlich verließ, denn auß erdem daß diese Fü ß e merklich lä nger und stä rker waren als die andern, so trug die Kreatur auch an denselben sehr schö ne goldne Stiefel mit diamantnen Sporen.

War nun, wie gesagt, das kleine Ungeheuer spurlos verschwunden, sowie Peregrinus darnach faß te, so hä tte er gewiß alles fü r Tä uschung seiner aufgeregten Sinne gehalten, wä re nicht gleich unten in der Ecke des Bettes eine leise Stimme hö rbar geworden, die sich also vernehmen ließ: »Mein Himmel, Peregrinus Tyß, sollte ich mich in Euch geirrt haben? Ihr handeltet gestern an mir so edel, und jetzt, da ich Euch meine Dankbarkeit beweisen will, greift Ihr nach mir mit mö rderischer Hand? — Doch vielleicht miß fiel Euch meine Gestalt, und ich tat Verkehrtes, mich Euch mikroskopisch zu zeigen, damit Ihr mich nur gewiß bemerken solltet, welches nicht so leicht ist, als Ihr wohl denken mö chtet. Ebenso wie vorher sitze ich jetzt auf Eurer weiß en Bettdecke, und Ihr seht mich doch ganz und gar nicht. Nehmt's nicht ü bel, Peregrinus, aber Eure Sehnerven sind wahrlich ein wenig zu grob fü r meine schlanke Taille. Doch versprecht mir nur, daß ich bei Euch sicher bin und daß Ihr nichts Feindseliges gegen mich unternehmen wollt, so werde ich Euch nä her kommen und manches erzä hlen, was zu erfahren Euch eben nicht unrecht sein wird. «

»Sagt mir«, erwiderte Peregrinus Tyß der Stimme, »sagt mir nur erst, wer Ihr seid, guter unbekannter Freund, das ü brige wird sich denn wohl finden. Versichern kann ich Euch indessen zum voraus, daß irgend Feindseliges gar nicht in meiner Natur ist und daß ich fortfahren werde, gegen Euch edel zu handeln, wiewohl ich zurzeit gar nicht begreifen kann, auf welche Weise ich schon jetzt Euch meinen Edelmut bewiesen haben sollte. Bewahrt aber doch nur immer Euer Inkognito, denn Euer Anblick ist eben nicht anmutig. «

»Ihr seid«, sprach die Stimme weiter, nachdem sie sich ein wenig ausgerä uspert, »Ihr seid, ich wiederhole es mit Vergnü gen, ein edler Mann, Herr Peregrinus, aber nicht sonderlich tief eingedrungen in die Wissenschaft und ü berhaupt ein wenig unerfahren, sonst hä ttet Ihr mich erkannt auf den ersten Blick. — Ich kö nnte ein wenig prahlerisch reden, ich kö nnte sagen, daß ich einer der mä chtigsten Kö nige sei und ü ber viele, viele Millionen herrsche. Aus angeborner Bescheidenheit und weil auch am Ende der Ausdruck: Kö nig! nicht recht paß lich, will ich es unterlassen. — In dem Volke, an dessen Spitze zu stehen ich die Ehre habe, herrscht nä mlich eine republikanische Verfassung. Ein Senat, der hö chstens aus fü nfundvierzigtausend neunhundert und neunundneunzig Mitgliedern bestehen darf, der leichteren Ü bersicht beim Votieren halber, vertritt die Stelle des Regenten, wer aber an der Spitze dieses Senats steht, fü hrt, weil er in allen Dingen des Lebens zur Meisterschaft gelangt sein muß, wirklich den Namen: Meister! — Ohne weitere Umschweife will ich es Euch denn entdecken, daß ich, der ich hier mit Euch spreche, ohne daß Ihr mich gewahrt, kein anderer bin, als der Meister Floh. — Daß Ihr mein Volk kennet, daran will ich nicht im mindesten zweifeln, denn gewiß habt Ihr, wü rdiger Herr, schon so manchen von meinem Volke mit Euerm eignen Blut erfrischt und gestä rkt. Bekannt muß es darum Euch wenigstens wohl sein, daß mein Volk von einem beinahe unzä hmbaren Freiheitssinn beseelt ist und recht eigentlich aus lauter leichtsinnigen Springinsfelden besteht, die geneigt sind, sich jeder soliden Gestaltung zu entziehen durch fortwä hrendes Hü pfen. Was fü r ein Talent dazu gehö rt, von einem solchen Volk Meister zu sein, werdet Ihr einsehen, Herr Peregrinus, und schon deshalb die gehö rige Ehrfurcht vor mit haben. Versichert mir das, Herr Peregrinus, ehe ich weiterrede. « —

Einige Augenblicke hindurch war es dem Herrn Peregrinus Tyß, als drehe sich in seinem Kopf ein groß es Mü hlrad, von brausenden Wellen getrieben. Dann wurde er aber ruhiger, und es wollte ihn bedü nken, daß die Erscheinung der fremden Dame bei dem Buchbinder Lä mmerhirt ebenso wunderbar als das, was sich jetzt begebe, und dies vielleicht eben nur die richtige Fortsetzung der seltsamsten Geschichte sei, in die er verflochten.

Herr Peregrinus erklä rte dem Meister Floh, daß er ihn schon jetzt seiner seltenen Gaben halber ganz ungemein verehre, und daß er um so begieriger sei, mehr von ihm zu erfahren, als seine Stimme sehr wohlklinge und eine gewisse Zartheit in der Rede seinen feinen zierlichen Kö rperbau verrate.

»Sehr«, fuhr Meister Floh fort, »sehr danke ich Euch, bester Herr Tyß, fü r Eure gute Gesinnung und hoffe Euch bald zu ü berzeugen, daß Ihr Euch in mir nicht geirrt habt. — Damit Ihr erfahrt, bester Mann, welchen Dienst Ihr mir erwiesen habt, ist es indessen nö tig, Euch meine vollstä ndige Biographie mitzuteilen. — Vernehmt also! — Mein Vater war der berü hmte — doch! eben fä llt mir ein, daß Lesern und Hö rern die schö ne Gabe der Geduld merklich ausgegangen ist, und daß aufü hrliche Lebensbesehreibungen, sonst am mehrsten geliebt, jetzt verabscheut werden. Ich will daher, statt grü ndlich zu sein, nur flü chtig und episodisch dasjenige berü hren, was auf meinen Aufenthalt bei Euch sich zunä chst bezieht. Schon weil ich wirklich Meister Floh bin, mü ß t Ihr, teurer Herr Peregrinus, in mir einen Mann von der umfangreichsten Erudition, von der tiefsten Erfahrung in allen Zweigen des Wissens erkennen. Doch! — nicht messen kö nnt Ihr den Grad meiner Wissenschaft nach Euerm Maß stab, da Euch die wunderbare Welt unbekannt ist, in der ich mit meinem Volk lebe. In welches Erstaunen wü rdet Ihr geraten, wenn Euer Sinn erschlossen werden sollte fü r diese Welt, die Euch das seltsamste, unbegreiflichste Zauberreich dü nken wü rde. Eben daher mö get Ihr es auch gar nicht befremdlich finden, wenn alles, was aus jener Welt herstammt, Euch vorkommen wird wie ein verwirrtes Mä rchen, das ein mü ß iges Gehirn ausgebrü tet. Laß t Euch aber dadurch nicht irremachen, sondern traut meinen Worten. — Seht, mein Volk ist euch Menschen in manchen Dingen weit ü berlegen, z. B. was Durchschauen der Geheimnisse der Natur, Stä rke, Gewandtheit, geistige und kö rperliche Gewandtheit betrifft. Doch auch wir haben Leidenschaften, und diese sind, so wie bei euch, gar oft die Quelle vieles Ungemachs, ja gä nzlichen Verderbens. So war auch ich von meinem Volke geliebt, ja, angebetet, mein Meistertum hä tte mich auf die hö chste Stufe des Glü cks bringen kö nnen, verblendete mich nicht eine unglü ckliche Leidenschaft zu einer Person, die mich ganz und gar beherrschte, ohne jemals meine Gattin werden zu kö nnen. Man wirft ü berhaupt unserm Geschlecht eine ganz besondere, die Schranken des Anstandes ü berschreitende Vorliebe fü r das schö ne Geschlecht vor. Mag dieser Vorwurf auch begrü ndet sein, so weiß auf der andern Seite jeder — Doch! — ohne weitere Umschweife! — Ich sah des Kö nigs Sekakis Tochter, die schö ne Gamaheh, und wurde augenblicklich so entsetzlich verliebt in sie, daß ich mein Volk, mich selbst vergaß und nur in der Wonne lebte, auf dem schö nsten Halse, auf dem schö nsten Busen umherzuhü pfen und die Holde mit sü ß en Kü ssen zu kitzeln. Oft haschte sie mit den Rosenfingern nach mir, ohne mich jemals fangen zu kö nnen. Dies dü nkte mir anmutiges Kosen, liebliche Tä ndelei beglü ckter Liebe! — Wie tö richt ist der Sinn eines Verliebten, ist dieser auch selbst der Meister Floh. — Es genü gt zu sagen, daß die arme Gamaheh von dem hä ß lichen Egelprinzen ü berfallen wurde, der sie zu Tode kü ß te; mir wä r' es aber gelungen, die Geliebte zu retten, hä tte sich nicht ein einfä ltiger Prahlhans und ein ungeschickter Tö lpel ohne Beruf in die Sache gemischt und alles verdorben. Der Prahlhans war aber die Distel Zeherit und der Tö lpel der Genius Thetel. — Als sich der Genius Thetel mit der entschlummerten Prinzessin in die Lü fte erhob, klammerte ich mich fest an die Brü ß ler Kanten, die sie gerade um den Hals trug, und war so Gamahehs treuer Reisegefä hrte, ohne von dem Genius bemerkt zu werden. Es geschah, daß wir ü ber zwei Magier wegflogen, die auf einem hohen Turm gerade den Lauf der Gestirne beobachteten. Da richtete der eine dieser Magier sein Glas so scharf auf mich, daß ich schier von dem Schein des magischen Instruments geblendet wurde. Mich ü berfiel ein starker Schwindel, vergebens suchte ich mich festzuhalten, ich stü rzte rettungslos hinab aus der entsetzlichen Hö he, fiel dem beobachtenden Magier gerade auf die Nase, nur meine Leichtigkeit, meine auß erordentliche Gewandtheit erhielt mich am Leben.

Noch war ich zu betä ubt, um von des Magiers Nase herabzuhü pfen und mich ganz in Sicherheit zu setzen, als der Unhold, der verrä terische Leuwenhoek (der war der Magier), mich geschickt mit den Fingern erhaschte und sogleich in ein Ruß wurmsches Universal-Mikroskop setzte. Unerachtet es Nacht war und er daher die Lampe anzü nden muß te, war er doch ein viel zu geü bter Beobachter und viel zu tief eingedrungen in die Wissenschaft, um nicht sogleich mich als den Meister Floh zu erkennen. Hoch erfreut, daß ein glü cklicher Zufall ihm diesen vornehmen Gefangenen in die Hä nde gespielt, entschlossen, allen Vorteil daraus zu ziehen, der nur mö glich, schlug er mich Ä rmsten in Ketten, und so begann eine qualvolle Gefangenschaft, aus der ich durch Euch, Herr Peregrinus Tyß, erst gestern vormittags befreit wurde. Mein Besitz gab dem fatalen Leuwenhoek volle Macht ü ber meine Vasallen, die er bald scharenweise um sich her versammelte und mit barbarischer Hä rte eine sogenannte Kultur einfü hrte, die uns bald um alle Freiheit, um allen Genuß des Lebens brachte. Was die Schulstudien und ü berhaupt die Wissenschaften und Kü nste betrifft, so fand Leuwenhoek gar bald zu seinem Erstaunen und Ä rger, daß wir beinahe gelehrter waren als er selbst; die hö here Kultur, die er uns aufzwang, bestand aber vorzü glich darin, daß wir durchaus was werden, wenigstens was vorstellen muß ten. Eben dieses Was-werden, dieses Was-vorstellen fü hrte eine Menge Bedü rfnisse herbei, die wir sonst gar nicht gekannt hatten und die wir nun im Schweiß unseres Angesichts erringen muß ten. Zu Staatsmä nnern, Kriegsleuten, Professoren und was weiß ich alles, schuf uns der grausame Leuwenhoek um. Diese muß ten einhertreten in der Tracht des verschiedenen Standes, muß ten Waffen tragen usw. So entstanden aber unter uns Schneider, Schuster, Friseurs, Sticker, Knopfmacher, Waffenschmiede, Gü rtler, Schwertfeger, Stellmacher und eine Menge anderer Professionisten, die nur arbeiteten, um einen unnö tigen, verderblichen Luxus zu befö rdern. Am allerschlimmsten war es, daß Leuwenhoek nichts im Auge hatte als seinen eignen Vorteil, daß er uns kultivierte Leute den Menschen zeigte und sich Geld dafü r bezahlen ließ. Ü berdies aber kam unsere Kultur ganz auf seine Rechnung, und er erhielt die Lobsprü che, die uns allein gebü hrten. Recht gut wuß te Leuwenhoek, daß mit meinem Verlust auch seine Herrschaft ü ber mein Volk ein Ende hatte, um so fester verschlang er daher den Zauber, der mich an ihn bannte, und um so quä lender war meine unglü ckliche Gefangenschaft. Mit heiß er Sehnsucht dachte ich an die holde Gamaheh und sann auf Mittel, Nachricht von ihrem Schicksal zu erhalten. — Was aber der schä rfste Verstand nicht zu ersinnen vermochte, das fü hrte die Gunst des Zufalls von selbst herbei. — Meines Magiers Freund und Bundesgenosse, der alte Swammerdamm, hatte die Prinzessin Gamaheh in dem Blumenstaube einer Tulpe entdeckt und diese Entdeckung dem Freunde mitgeteilt. Durch Mittel, die ich Euch, guter Herr Peregrinus Tyß, weiter zu entwickeln unterlasse, da Ihr nicht sonderlich viel davon verstehen wü rdet, gelang es dem Herrn, der Prinzessin natü rliche Gestalt wieder herzustellen und sie ins Leben zurü ckzurufen. Am Ende waren aber doch beide hochweise Herren ebenso ungeschickte Tö lpel als der Genius Thetel und die Distel Zeherit. Sie hatten nä mlich im Eifer die Hauptsache vergessen, und so kam es, daß die Prinzessin in demselben Augenblick, als sie zum Leben erwacht, wiederum tot niedersinken wollte. Ich allein wuß te, woran es lag, die Liebe zur schö nen Gamaheh, die in meiner Brust emporgelodert stä rker als jemals, gab mir Riesenkraft; ich zerriß meine Ketten, ich sprang mit einem mä chtigen Satz der Holden auf die Schulter — nur ein einziger kleiner Stich genü gte, das stockende Blut in Wallung zu setzen. Sie lebte! — Nun muß ich Euch aber sagen, Herr Peregrinus Tyß, daß dieser Stich wiederholt werden muß, wenn die Prinzessin in Schö nheit und Jugend fortblü hen soll; sie wü rde entgegengesetzten Falls in wenigen Monaten zusammenschrumpfen zum alten abgelebten Mü tterlein. Deshalb bin ich ihr, das werdet Ihr einsehen, ganz unentbehrlich, und nur aus der Furcht, mich zu verlieren, lä ß t sich der schwarze Undank erklä ren, mit dem Gamaheh meine Liebe lohnte. Sie lieferte mich nä mlich ohne weiteres dem abscheulichen Quä lgeist, dem Leuwenhoek aus, der mich in stä rkere Fesseln schlug, als ich sie je getragen, jedoch zu seinem eignen Verderben. — Trotz aller Vorsicht des alten Leuwenhoek und der schö nen Gamaheh gelang es mir endlich dennoch, in einer unbewachten Stunde aus meinem Kerker zu entspringen. Hinderten mich auch die schweren Reiterstiefel, die ich nicht Zeit hatte von den Fü ß en abzustreifen, sehr an der Flucht, so kam ich doch glü cklich bis in die Bude des Spielsachenkrä mers, bei dem Ihr Waren einkauftet. Nicht lange dauerte es, so trat, zu meinem nicht geringen Schreck, auch Gamaheh in den Laden. Ich hielt mich fü r verloren, Ihr allein konntet mich retten, edler Herr Peregrinus; ich klagte Euch leise meine Not, und Ihr wart gü tig genug, mir eine Schachtel zu ö ffnen, in die ich schnell hineinhü pfte und die Ihr dann ebenso schnell mit Euch nahmet; Gamaheh suchte mich vergebens und erfuhr erst viel spä ter, wie und wohin ich geflü chtet. Sowie ich in Freiheit war, hatte Leuwenhoek auch die Macht ü ber mein Vö lklein verloren. Alle befreiten sich, entschlü pften und ließ en dem Tyrannen zum Hohn Pfefferkö rner, Obstkerne u. d. m. in den Kleidern stecken. Nochmals meinen herzlichen Dank, guter edler Herr Peregrinus, fü r die groß e Wohltat, die Ihr mir erzeigt habt und die ich zu schä tzen weiß wie keiner. Erlaubt, daß ich mich als ein freier Mann wenige Zeit bei Euch aufhalte; ich kann Euch in manchen recht wichtigen Angelegenheiten Eures Lebens so nü tzlich sein, als Ihr es kaum denken mö get. Zwar kö nnte es fü r gefä hrlich zu achten sein, daß Ihr in heftiger Liebe entbrannt seid zu dem holden Wesen -«

»Was sagt Ihr«, unterbrach Peregrinus den kleinen Unsichtbaren, »was sagt Ihr, Meister, ich — ich entbrannt in Liebe? «

»Es ist nicht anders«, fuhr Meister Floh fort, »denkt Euch mein Entsetzen, meine Angst, als Ihr gestern eintratet mit der Prinzessin in den Armen, ganz erhitzt von wilder Leidenschaft; als sie alle Verfü hrungskü nste anwandte, die ihr leider nur zu sehr zu Gebote stehen, um Euch zu meiner Auslieferung zu bewegen! — Doch! erst da erkannte ich Eure Groß mut in ganzem Umfange, als Ihr standhaft bliebt, als Ihr geschickt so tatet, als wü ß tet Ihr gar nichts von meinem Aufenthalt bei Euch, als verstandet Ihr gar nicht, was die Prinzessin eigentlich von Euch verlange. « »Das«, unterbrach Peregrinus den Meister Floh aufs neue, »das war ja aber auch in der Tat der Fall. Ihr rechnet mir, lieber Meister Floh, Dinge als Verdienst an, die ich gar nicht geahnt habe. Weder Euch, noch das hü bsche Frauenzimmer, das mich aufsuchte bei dem Buchbinder Lä mmerhirt und das Ihr seltsamerweise Prinzessin Gamaheh zu nennen beliebt, habe ich in der Bude gewahrt, wo ich Spielsachen einkaufte. Ganz unbekannt war es mir, daß unter den Schachteln, die ich mitnahm und in welchen ich bleierne Soldaten und ebensolche Jagden vermutete, sich eine leere befand, in der Ihr saß et, und wie in aller Welt hä tte ich es erraten kö nnen, daß Ihr der Gefangene wart, den das anmutige Kind so stü rmisch verlangte. Seid nicht wunderlich, Meister Floh, und laß t Euch Dinge trä umen, von denen keine Ahnung in meiner Seele liegt. «

»Ihr wollt«, erwiderte Meister Floh, »meinen Danksagungen ausweichen auf geschickte Weise, guter Herr Peregrinus, und dies gibt mir zu groß em Trost aufs neue den lebhaften Beweis Eurer uneigennü tzigen Denkungsart. Wiß t, edler Mann! daß Leuwenhoeks, Gamahehs Bemü hungen, mich wieder zu erhaschen, ganz vergeblich bleiben, solange Ihr mir Euern Schutz gewä hrt. Freiwillig mü ß t Ihr mich meinen Peinigern ü bergeben, alle andere Mittel sind fruchtlos. Herr Peregrinus Tyß! Ihr seid verliebt. « —

»O sprecht«, fiel Peregrinus dem Meister ins Wort, »o sprecht doch nur nicht so! — Nennt Liebe nicht eine augenblickliche tö richte Aufwallung, die schon jetzt vorü ber ist! « —

Herr Peregrinus fü hlte, daß Glutrö te ihm ins Antlitz stieg und ihn Lü gen strafte. Er kroch unters Deckbette. »Es ist«, fuhr Meister Flohfort, »es ist gar nicht zu verwundern, daß auch Ihr dem wunderbaren Liebreiz der Prinzessin Gamaheh nicht widerstehen konntet, zumal sie manche gefä hrliche Kunst anwandte, Euch zu fangen. Der Sturm ist noch nicht vorü ber. Manches Zaubermittel, wie es auch wohl andern anmutigen Weibern, die nicht gerade die Prinzessin Gamaheh sind, zu Gebote steht, wird die kleine Boshafte noch aufbieten, um Euch in ihr Liebesnetz zu verstricken. Sie wird sich Eurer so ganz zu bemä chtigen suchen, daß Ihr nur fü r sie, fü r ihre Wü nsche leben sollt, und dann — weh mir! — Es wird darauf ankommen, ob Euer Edelmut stark genug ist, Eure Leidenschaft zu besiegen, ob Ihr es vorziehen werdet, Gamahehs Wü nschen nachzugeben und nicht allein Euern Schü tzling, sondern auch das arme Vö lklein, welches Ihr niedriger Knechtschaft entrissen, aufs neue ins Elend zu stü rzen, oder der bö sen falschen Verlockung eines verfü hrerischen Wesens zu widerstehen und so mein und meines Volkes Glü ck zu begrü nden. — O daß Ihr mir das letztere versprechen wolltet — kö nntet! «

»Meister«, antwortete Herr Peregrinus, indem erdie Bettdecke vom Gesichte wegzog, »lieber Meister, Ihr habt recht, nichts ist gefä hrlicher als die Verlockung der Weiber; sie sind alle falsch, boshaft, sie spielen mit uns wie die Katze mit der Maus, und fü r unsere zä rtlichsten Bemü hungen ernten wir nichts ein als Spott und Hohn. Deshalb stand mir auch sonst der kalte Todesschweiß auf der Stirne, sowie sich nur ein weibliches Wesen nahte, und ich glaube selbst, daß mit der schö nen Aline oder, wie Ihr wollt, mit der Prinzessin Gamaheh es eine besondere Bewandtnis haben muß, unerachtet ich alles, was Ihr mir erzä hlt habt, mit meinem schlichten gesunden Menschenverstande gar nicht begreifen kann und es mir vielmehr zumute ist, als lä ge ich in wirren Trä umen oder lä se in Tausendundeiner Nacht. — Doch, mag dem sein wie ihm wolle, Ihr habt Euch einmal in meinen Schutz begeben, lieber Meister, und nichts soll mich vermö gen, Euch Euern Feinden auszuliefern, die verfü hrerische Dirne will ich gar nicht wiedersehen. Ich verspreche das feierlich und wü rde Euch die Hand darauf reichen, hä ttet Ihr eine dergleichen, die meine zu erfassen und meinen ehrlichen Druck zu erwidern. « —

Damit streckte Herr Peregrinus seinen Arm weit aus ü ber die Bettdecke.

»Nun«, sprach der kleine Unsichtbare, »nun bin ich ganz getrö stet, ganz beruhigt. Habe ich auch keine Hand Euch darzureichen, so erlaubt wenigstens, daß ich Euch in den rechten Daumen steche, teils um Euch meine innige Freude zu bezeugen, teils um unser Freundschaftsbü ndnis noch fester zu besiegeln. «

Herr Peregrinus fü hlte auch in dem Augenblick an dem Daumen der rechten Hand einen Stich, der so empfindlich schmerzte, daß er nur von dem ersten Meister aller Flö he herrü hren konnte.

»Ihr stecht«, rief Peregrinus, »ihr stecht ja wie ein kleiner Teufel. « »Nehmt das«, erwiderte Meister Floh, »fü r ein lebhaftes Zeichen meiner biedern guten Gesinnung. Doch billig ist es, daß ich als Pfand meiner Dankbarkeit Euch eine Gabe zukommen lasse, die zu dem Auß erordentlichsten gehö rt, was die Kunst jemals hervorgebracht hat. Es ist nichts anders als ein Mikroskop, welches ein sehr geschickter, kunstvoller Optiker aus meinem Volk verfertigte, als er noch in Leuwenhoeks Dienste war. Euch wird das Instrument etwas subtil vorkommen, denn in der Tat ist es wohl an einhundertzwanzigmal kleiner als ein Sandkorn, aber der Gebrauch lä ß t keine sonderliche Grö ß e zu. Ich setze das Glas nä mlich in die Pupille Eures linken Auges, und dieses Auge wird dann mikroskopisch. — Die Wirkung soll Euch ü berraschen, ich will daher fü r jetzt darü ber schweigen und Euch nur bitten, daß Ihr mir erlaubt, die Operation vorzunehmen dann, wenn ich ü berzeugt bin, daß Euch das mikroskopische Auge groß e Dienste leisten muß. Und nun schlaft wohl, Herr Peregrinus, Euch ist noch einige Ruhe vonnö ten. «

Peregrinus schlief nun wirklich ein und erwachte erst am hellen Morgen.

Er vernahm das wohlbekannte Kratzen des Besens der alten Aline, die das Nebenzimmer auskehrte. Ein kleines Kind, das sich irgendeiner Unart bewuß t, kann sich nicht so vor der Rute der Mutter fü rchten, als Herr Peregrinus sich fü rchtete vor den Vorwü rfen des alten Weibes. Leise trat die Alte endlich hinein mit dem Kaffee. Herr Peregrinus schielte durch die Bettgardinen, die er zugezogen, und war nicht wenig ü ber den hellen Sonnenschein verwundert, der auf dem Gesicht der Alten ausgebreitet lag.

»Schlafen Sie noch, lieber Herr Tyß? « so fragte die Alte mit dem sü ß esten Ton, der in ihrer Kehle liegen mochte. Peregrinus erwiderte, ganz ermutigt, ebenso liebreich: »Nein, liebe Aline, setze Sie nur das Frü hstü ck auf den Tisch, ich steige gleich aus dem Bette. «

Als Peregrinus nun aber wirklich aufstand, wares ihm, als wehe der sü ß e Atem des lieblichen Geschö pfs, das in seinen Armen lag, durch das Zimmer; es wurde ihm so heimisch und dabei so ä ngstlich zumute; er hä tte um alles in der Welt wissen mö gen, was aus dem Geheimnis seiner Liebe geworden; denn wie dies Geheimnis selbst war ja das allerliebste Wesen erschienen und verschwunden.

Wä hrend Herr Peregrinus vergeblich versuchte, Kaffee zu trinken und Weiß brot zu genieß en, da ihm jeder Bissen im Munde quoll, trat die Alte hinein und machte sich dies und das zu schaffen, wä hrend sie vor sich hin murmelte: »Wundersam! — Unglaublich! — Was man nicht alles erlebt! — Wer hä tte das gedacht! « —

Peregrinus, der es vor Herzklopfen nicht lä nger aushalten konnte, fragte: »Was ist denn wundersam, liebe Aline? «

»Allerlei, allerlei! « erwiderte die Alte schalkisch lä chelnd, indem sie in ihrem Geschä ft, das Zimmer aufzurä umen, fortfuhr. — Die Brust wollte dem armen Peregrinus zerspringen, und unwillkü rlich rief er mit dem Tone der schmerzlichsten Sehnsucht: »Ach, Aline! «

»Ja, Herr Tyß, hier bin ich, was befehlen Sie? « -So sprach die Alte und stellte sich breit hin vor Peregrinus, als erwarte sie seine Befehle.

Peregrinus starrte in das kupfrige, abscheulich verzerrte Gesicht der Alten, und alle Scheu brach sich an dem tiefen Unwillen, der ihn plö tzlich erfü llte.

»Was ist«, so fragte er mit ziemlich barschem Tone, »was ist aus der fremden Dame geworden, die sich gestern abend hier befand? — Hat Sie ihr die Haustü re aufgeschlossen, hat Sie, wie ich befohlen, fü r einen Wagen gesorgt? Ist die Dame nach ihrer Wohnung gebracht worden? « —

»Tü re aufgeschlossen? « sprach die Alte mit einem fatalen Grinsen, welches aussehen sollte wie schlaues Lä cheln, »Wagen geholt? — Nach Hause gebracht? War alles nicht vonnö ten! Die schö ne Dame, das allerliebste Ding, ist im Hause geblieben, befindet sich noch hier und wird das Haus auch wohl nicht vor der Hand verlassen. «

Peregrinus fuhr auf im freudigen Schreck; die Alte erzä hlte ihm nun, wie, als die Dame die Treppe auf eine Art herabgesprungen, daß ihr Hö ren und Sehen vergangen, unten der alte Herr Swammer in der Tü re seines Zimmers gestanden mit einem mä chtigen Armleuchter in der Hand. Der alte Herr habe unter vielen Verbeugungen, wie es sonst gar nicht seine Art sei, die Dame in sein Zimmer eingeladen, diese sei auch gleich ohne Anstand hineingeschlü pft, und Herr Swammer habe dann die Tü re fest verschlossen und verriegelt.

Viel zu sonderbar sei ihr doch des menschenscheuen Herrn Swammers Beginnen vorgekommen, um nicht ein wenig an der Tü re zu lauschen und durch das Schlü sselloch zu kucken. Da habe dann Herr Swammer mitten im Zimmer gestanden und so beweglich und klä glich zu der Dame gesprochen, daß ihr, der Alten, die Trä nen in die Augen gekommen, unerachtet sie kein einziges Wort verstehen kö nnen, da Herrn Swammers Sprache auslä ndisch gewesen. Nichts anders habe sie glauben kö nnen, als daß der Herr Swammer sich gemü ht, die Dame auf den Weg der Tugend und Gottesfurcht zurü ckzubringen, denn er sei immer mehr in Eifer geraten, bis die Dame auf die Knie gesunken und gar demü tig seine Hand gekü ß t, auch dabei etwas geweint. Sehr freundlich habe aber nun Herr Swammer die Dame aufgehoben, sie auf die Stirne gekü ß t, wobei er sich sehr bü cken mü ssen, und sie dann zu einem Lehnstuhl gefü hrt. Sehr geschä ftig habe Herr Swammer ein Feuer im Kamin gemacht, ein Gewü rz herbeigetragen und, soviel sie wahrnehmen kö nnen, einen Glü hwein zu kochen begonnen. Unglü cklicherweise habe sie, die Alte, jetzt etwas Tabak genommen und stark geniest. Da sei es ihr denn durch alle Glieder gefahren und sie wie vernichtet gewesen, als der Herr Swammer den Arm ausgestreckt nach der Tü re und mit einer furchtbaren Stimme, die Mark und Bein durchdrungen, gerufen: »Hebe dich hinweg, horchender Satan! « — Sie wisse gar nicht, wie sie herauf und ins Bett gekommen. Am Morgen, als sie die Augen aufgeschlossen, habe sie geglaubt, ein Gespenst zu sehen. Denn Herrn Swammer habe sie erblickt vor ihrem Bette in einem schö nen Zobelpelz mit goldnen Schnü ren und Troddeln, Hut auf dem Kopfe, Stock in der Hand.

»Gute Frau Aline«, habe Herr Swammer zu ihr gesprochen, »ich muß in wichtigen Geschä ften ausgehen und werde vielleicht erst nach mehreren Stunden wiederkehren. Sorgen Sie dafü r, daß auf dem Flur des Hauses vor meinem Zimmer kein Gerä usch entstehe oder gar jemand es wage, in mein Gemach eindringen zu wollen. Eine vornehme Dame, und daß Sie es nur wissen, eine fremde, reiche, wunderbar schö ne Prinzessin hat sich zu mir geflü chtet. Ich war in frü herer Zeit, am Hofe ihres kö niglichen Vaters, ihr Informator, deshalb hat sie Zutrauen zu mir, und ich werde und muß sie schü tzen wider alle bö se Angriffe. Ich sage Ihnen das, Frau Aline, damit Sie der Dame die Ehrfurcht beweisen, die ihrem Range gebü hrt. Sie wird, erlaubt es Herr Tyß, Ihre Bedienung in Anspruch nehmen, und Sie sollen, gute Frau Aline, dafü r kö niglich belohnt werden, insofern Sie nä mlich schweigen kö nnen und niemanden den Aufenthalt der Prinzessin verraten. « Damit sei Herr Swammer dann schnell fortgegangen.

Herr Peregrinus Tyß fragte die Alte, ob es ihr denn nicht gar seltsam vorkomme, daß die Dame, die er, wie er nochmals beteuern kö nne, bei dem Buchbinder Lä mmerhirt in der Kalbä cher Straß e getroffen, eine Prinzessin sein und zu dem alten Herrn Swammer geflü chtet sein solle. Die Alte meinte indessen, sie traue Herrn Swammers Worten mehr noch als ihren eignen Augen und glaube daher, daß alles, was sich bei dem Buchbinder Lä mmerhirt und hier im Zimmer zugetragen, entweder nur zauberisches Blendwerk gewesen oder daß die Angst, die Verwirrung auf der Flucht die Prinzessin zu solchem abenteuerlichen Beginnen vermocht. Ü brigens werde sie ja wohl bald alles von der Prinzessin selbst erfahren.

»Aber«, sprach Herr Peregrinus weiter, eigentlich nur um das Gesprä ch ü ber die Dame fortzusetzen, »aber wo ist Ihr Verdacht, die bö se Meinung geblieben, die Sie gestern von der fremden Dame hegte? «

»Ach«, erwiderte die Alte schmunzelnd, »ach, das ist alles vorbei. Man darf ja nur die liebe Dame recht ansehen, um zu wissen, daß es eine vornehme Prinzessin ist und dabei so engelsschö n, wie nur eine Prinzessin gefunden werden kann. Ich muß te, als Herr Swammer fortgegangen war, ein wenig nachsehen, was die gute Dame macht, und kuckte durch das Schlü sselloch. Da lag die Dame ausgestreckt auf dem Sofa und hatte das Engelskö pfchen auf die Hand gestü tzt, so daß die schwarzen Locken durch die lilienweiß en Fingerchen quollen, welches ganz hü bsch aussah. Und gekleidet war die Dame in lauter Silberzindel, der den niedlichen Busen, die rundlichen Ä rmchen durchschimmern ließ. An den Fü ß chen trug sie goldne Pantoffeln. Einer war herabgefallen, so daß man gewahrte, wie sie keine Strü mpfe angezogen; das bloß e Fü ß chen kuckte unter dem Kleide hervor, und sie spielte mit den Zehen, welches artig anzusehen war. — Doch gewiß liegt die Dame unten noch ebenso wie vorher auf dem Sofa, und wenn es Ihnen gefä llig ist, lieber Herr Tyß, sich an das Schlü sselloch zu bemü hen, so -«

»Was sprichst du«, unterbrach Peregrinus die Alte mit Heftigkeit, »was sprichst du! — soll ich mich hingeben dem verfü hrerischen Anblick, der mich vielleicht hinreiß en kö nnte zu allerlei Torheiten? «

»Mut, Peregrinus, widerstehe der Verlockung! « so lispelte es dicht bei Peregrinus, der die Stimme des Meister Floh erkannte.

Die Alte lä chelte geheimnisvoll und sprach, nachdem sie einige Augenblicke geschwiegen: »Ich will Ihnen nur alles sagen, lieber Herr Tyß, wie mir die ganze Sache vorkommt. — Mag nun die fremde Dame eine Prinzessin sein oder nicht, so viel bleibt gewiß, daß sie sehr vornehm ist und reich und daß Herr Swammer sich ihrer lebhaft annimmt, mithin lange mit ihr bekannt sein muß. Und warum ist die Dame Ihnen nachgelaufen, lieber Herr Tyß? Ich sage, weil sie sich sterblich verliebt hat in Sie, und die Liebe macht ja wohl einen ganz blind und toll und verfü hrt auch wohl Prinzessinnen zu den seltsamsten, unü berlegtesten Streichen. — Eine Zigeunerin hat Ihrer seligen Frau Mutter prophezeit, daß Sie einmal glü cklich werden sollten durch eine Heirat, gerade wann Sie am wenigsten daran dä chten. Das soll nun wahr werden! « —

Und damit begann die Alte aufs neue zu schildern, wie allerliebst die Dame aussä he.

Man kann denken, wie sich Peregrinus bestü rmt fü hlte. »Schweige«, brach er endlich los, »schweige Sie doch nur, Frau Aline, von solchen Dingen. Verliebt in mich sollte die Dame sein! — wie albern, wie abgeschmackt! « »Hm«, sprach die Alte, »wä re das nicht der Fall, so wü rde die Dame nicht so gar jä mmerlich geseufzt, so wü rde sie nicht so gar klä glich gerufen haben: ›Nein, mein lieber Peregrinus, mein sü ß er Freund, du wirst, du kannst nicht grausam gegen mich sein! — Ich werde dich wiedersehen und alles Glü ck des Himmels genieß en! ‹ — Und unsern alten Herrn Swammer, den hat die fremde Dame ganz umgekehrt. Habe ich sonst auß er dem Kronentaler zu Weihnachten auch nur einen einzigen Kreuzer von ihm erhalten? Und diesen schö nen blanken Karolin, den gab er mir heute morgen mit solcher freundlicher Miene, wie er sie sonst gar nicht im Antlitz hat, als Douceur im voraus fü r die Dienste, die ich der Dame leisten werde. Da steckt was dahinter. Was gilt's, Herr Swammer spielt am Ende den Freiwerber bei Ihnen, Herr Tyß! « — Wiederum sprach die Alte von der Liebenswü rdigkeit und Anmut der Dame mit begeisterten Worten, die in dem Munde eines abgelebten Weibes seltsam genug klangen, bis Peregrinus, ganz Feuer und Flamme, aufsprang und wie rasend ausrief: »Mag es gehen, wie es will — hinab, hinab, ans Schlü sselloch! «

Vergebens warnte Meister Floh, der in das Halstuch des verliebten Peregrinus gesprungen war und sich dort in den Schlupfwinkel einer Falte versteckt hatte. Peregrinus vernahm nicht seine Stimme, und Meister Floh erfuhr, was er lä ngst hä tte wissen sollen, nä mlich daß mit dem stö rrigsten Menschen etwas anzufangen ist, nur nicht mit einem Verliebten.

Die Dame lag in der Tat noch ebenso auf dem Sofa, wie die Alte es beschrieben hatte, und Peregrinus fand, daß keine menschliche Sprache hinreiche, den himmlischen Zauber in Worten auszudrü cken, der ü ber der ganzen holden Gestalt ausgebreitet lag. Ihr Anzug, wirklich Silberzindel mit seltsamer bunter Stickerei, war ganz fantastisch und konnte sehr fü glich fü r das Negligé der Prinzessin Gamaheh gelten, das sie in Famagusta vielleicht in dem Augenblick getragen, als der boshafte Egelprinz sie totkü ß te. Wenigstens war der Anzug so reizend und dabei so ü ber alle Maß en seltsam, daß die Idee dazu weder in dem Kopfe des genialsten Theaterschneiders entsprossen, noch in dem Geiste der sublimsten Putzhä ndlerin empfangen zu sein schien. »Ja, sie ist es, es ist Prinzessin Gamaheh! « So murmelte Peregrinus, indem er bebte vor sü ß er Wonne und dü rstendem Verlangen. Als nun aber die Holde aufseufzte: »Peregrinus, mein Peregrinus! « da erfaß te den Herrn Peregrinus Tyß der volle Wahnsinn der Leidenschaft, und nur eine unnennbare Angst, die ihm alle Kraft des Entschlusses raubte, hielt ihn zurü ck, nicht die Tü re mit Gewalt einzustoß en und sich dem Engelsbilde zu Fü ß en zu werfen.

Der geneigte Leser weiß bereits, was es mit den zauberischen Reizen, mit der ü berirdischen Schö nheit der kleinen Dö rtje Elverdink fü r eine Bewandtnis hat. Der Herausgeber kann versichern, daß, nachdem er ebenfalls durch das Schlü sselloch gekuckt und die Kleine in ihrem fantastischen Kleidchen von Silberzindel erblickt hatte, er weiter nichts sagen konnte, als daß Dö rtje Elverdink ein ganz liebenswü rdiges, anmutiges Pü ppchen sei.

Da aber kein junger Mann sich zum erstenmal in einanderes Wesen verliebt hat als in ein ü berirdisches, in einen Engel, dem nichts gleichkommt auf Erden, so sei es dem Herrn Peregrinus auch erlaubt, Dö rtje Elverdink fü r ein dergleichen zauberisches ü berirdisches Wesen zu halten. —

»Nehmt Euch zusammen, denkt an Euer Versprechen, werter Herr Peregrinus Tyß. — Niemals wolltet Ihr die verfü hrerische Gamaheh wiedersehen, und nun! — Ich kö nnte Euch das Mikroskop ins Auge werfen, aber Ihr mü ß t ja auch ohne dasselbe gewahren, daß die boshafte Kleine Euch lä ngst bemerkt hat, und daß alles, was sie beginnt, trü gerische Kunst ist, Euch zu verlocken. Glaubt mir doch nur, ich meine es gut mit Euch! « — So lispelte Meister Floh in der Falte des Halstuchs; solch bange Zweifel aber auch in Peregrinus' Innerm aufstiegen, doch konnte er sich nicht losreiß en von dem bezaubernden Anblick der Kleinen, die den Vorteil, sich unbemerkt glauben zu dü rfen, gut zu benutzen und, mit verfü hrerischen Stellungen wechselnd, den armen Peregrinus ganz auß er sich selbst zu setzen verstand.

Herr Peregrinus Tyß stü nde vielleicht noch an der Tü re des verhä ngnisvollen Gemachs, hä tte es nicht stark gelä utet und hä tte die Alte ihm nicht zugerufen, daß der alte Herr Swammer zurü ckkehre. Peregrinus flog die Treppe hinauf, in sein Zimmer. — Hier ü berließ er sich ganz seinen Liebesgedanken, mit eben diesen Gedanken kamen aber jene Zweifel zurü ck, die Meister Flohs Mahnungen in ihm erregt hatten. Es hatte sich recht eigentlich ein Floh in sein Ohr gesetzt, und er geriet in allerlei beunruhigende Betrachtungen.

»Muß ich«, dachte er, »muß ich nicht wirklich daran glauben, daß das holde Wesen die Prinzessin Gamaheh, die Tochter eines mä chtigen Kö nigs ist? Bleibt dies aber der Fall, so muß ich es fü r Torheit, fü r Wahnsinn halten, nach dem Besitz einer so erhabenen Person zu streben. Dann aber hat sie auch ja selbst die Auslieferung eines Gefangenen verlangt, von dem ihr Leben abhinge, und stimmt dies genau mit dem ü berein, was mir Meister Floh gesagt, so kann ich auch beinahe nicht daran zweifeln, daß alles, was ich auf Liebe zu mir deuten dü rfte, vielleicht nur ein Mittel ist, mich ihrem Willen ganz zu unterwerfen. Und doch! — sie verlassen — sie verlieren, das ist Hö lle, das ist Tod! « —

Herr Peregrinus Tyß wurde in diesen schmerzlichen Betrachtungen durch ein leises bescheidenes Klopfen an der Tü re gestö rt.

Wer hereintrat, war niemand anders, als der Mietsmann des Herrn Peregrinus. — Der alte Herr Swammer, sonst ein zusammengeschrumpfter menschenscheuer, mü rrischer Mann, schien plö tzlich um zwanzig Jahre jü nger geworden zu sein. Die Stirne war glatt, das Auge belebt, der Mund freundlich; er trug statt der hä ß lichen schwarzen Peruque natü rliches weiß es Haar und statt des dunkelgrauen Oberrocks einen schö nen Zobelpelz, wie ihn Frau Aline beschrieben.

Mit einer heitern, ja freudigen Miene, die ihm sonst ganz und gar nicht eigen, trat Herr Swammer dem Peregrinus entgegen. Er wü nsche nicht, sprach Herr Swammer, seinen lieben Herrn Wirt in irgendeinem Geschä ft zu stö ren; seine Pflicht als Mieter erfordere es aber, gleich am Morgen dem Hauswirt anzuzeigen, daß er in der Nacht genö tigt worden, ein hilfloses Frauenzimmer bei sich aufzunehmen, das sich der Tyrannei eines bö sen Oheims entziehen wolle und daher wohl einige Zeit in dem Hause zubringen werde, wozu es indessen der Erlaubnis des gü tigen Wirts bedü rfe, um die er hiemit ansuche.

Unwillkü rlich fragte Peregrinus, wer denn das hü lflose Frauenzimmer sei, ohne daran zu denken, daß dies in der Tat die zweckmä ß igste Frage war, die er tun konnte, um die Spur des seltsamen Geheimnisses zu verfolgen.

»Es ist«, erwiderte Herr Swammer, »es ist recht und billig, daß der Hauswirt wisse, wen er in seinem Hause beherbergt. Erfahren Sie also, verehrter Herr Tyß, daß das Mä dchen, das sich zu mir geflü chtet, niemand anders ist, als die hü bsche Hollä nderin Dö rtje Elverdink, Nichte des berü hmten Leuwenhoek, der, wie Sie wissen, hier die wunderbaren mikroskopischen Kunststü cke zeigt. Leuwenhoek ist sonst mein Intimus, aber ich muß bekennen, daß er ein harter Mann ist und die arme Dö rtje, die noch dazu mein Patchen, miß handelt auf arge Weise. Ein stü rmischer Auftritt, der sich gestern abend ereignete, zwang das Mä dchen zur Flucht, und daß sie bei mir Trost und Hü lfe suchte, scheint natü rlich. «

»Dö rtje Elverdink«, sprach Peregrinus halb trä umend, »Leuwenhoek! — vielleicht ein Abkö mmling des Naturforschers Anton von Leuwenhoek. der die berü hmten Mikroskope verfertigte? «

»Daß unser Leuwenhoek«, erwiderte Herr Swammer lä chelnd, »ein Abkö mmling jenes berü hmten Mannes sei, kann man so eigentlich nicht sagen, da er der berü hmte Mann selbst und es nur eine Fabel ist, daß er vor beinahe hundert Jahren in Delft begraben worden. Glauben Sie das, bester Herr Tyß, sonst kö nnten Sie wohl noch gar daran zweifeln, daß ich, unerachtet ich mich der Kü rze halber und um nicht ü ber Gegenstä nde meiner Wissenschaft jedem neugierigen Toren Rede stehen zu mü ssen, jetzt Swammer nenne, der berü hmte Swammerdamm bin. Alle Leute behaupten, ich sei im Jahr 1680 gestorben, aber sie bemerken, wü rdiger Herr Tyß, daß ich lebendig und gesund vor Ihnen stehe, und daß ich wirklich ich bin, kann ich jedem, auch dem Einfä ltigsten aus meiner Biblia naturae demonstrieren. Sie glauben mir doch, werter Herr Tyß? «

»Mir ist«, sprach Peregrinus mit einem Ton, der von seiner innern Verwirrung zeugte, »mir ist seit ganz kurzer Zeit so viel Wunderbares geschehen, daß ich, wä re nicht alles deutliche Sinneswahrnehmung, ewig daran zweifeln wü rde. Aber nun glaube ich an alles, sei es auch noch so toll und ungereimt! — Es kann sein, daß Sie der verstorbene Herr Johann Swammerdamm sind und daher als Revenant mehr wissen als andere gewö hnliche Menschen; was aber die Flucht der Dö rtje Elverdink oder der Prinzessin Gamaheh, oder wie die Dame sonst heiß en mag, betrifft, so sind Sie im gewaltigen Irrtum. — Erfahren Sie, wie es damit herging. «

Peregrinus erzä hlte nun ganz ruhig das Abenteuer, das er mit der Dame bestanden, von ihrem Eintritt in Lä mmerhirts Stube an bis zu ihrer Auf nahme in Herrn Swammers Zimmer.

»Mir scheint«, sprach Herr Swammer, als Peregrinus geendigt, »mir scheint, als wenn das alles, was Sie mir zu erzä hlen beliebt haben, nichts sei als ein merkwü rdiger, jedoch ganz angenehmer Traum. Ich will das aber dahingestellt sein lassen und Sie um Ihre Freundschaft bitten, deren ich vielleicht gar sehr bedü rfen werde. Vergessen Sie mein mü rrisches Betragen und lassen Sie uns einander nä hertreten. Ihr Vater war ein einsichtsvoller Mann und mein herzlichster Freund, aber was Wissenschaft, tiefen Verstand, reife Urteilskraft, geü bten richtigen Lebensblick betrifft, so tut es der Sohn dem Vater zuvor. Sie glauben gar nicht, wie ich Sie hochschä tzen mein bester wü rdigster Herr Tyß. « —

»Jetzt ist es Zeit«, lispelte Meister Floh, und in dem Augenblick fü hlte Peregrinus in der Pupille des linken Auges einen geringen schnell vorü bergehenden Schmerz. Er wuß te, daß Meister Floh ihm das mikroskopische Glas ins Auge gesetzt, doch fü rwahr, diese Wirkung des Glases hatte er nicht ahnen kö nnen. Hinter der Hornhaut von Herrn Swammers Augen gewahrte er seltsame Nerven und Ä ste, deren wunderlich verkreuzten Gang er bis tief ins Gehirn zu verfolgen und zu erkennen vermochte, daß es Swammers Gedanken waren. Die lauteten aber ungefä hr: »Hä tte ich doch nicht geglaubt, daß ich hier so wohlfeilen Kaufs davonkomme, daß ich nicht besser ausgefragt werden wü rde. War aber der Herr Papa ein beschrä nkter Mensch, auf den ich niemals etwas gab, so ist der Sohn noch verwirrteren Sinnes, dem ein groß er Besitz kindischer Albernheit zugegeben. Erzä hlt mir der Einfaltspinsel die ganze Begebenheit mit der Prinzessin und setzt nicht voraus, daß sie mir schon selbst alles erzä hlt hat, da mein Beginnen mit ihr ein frü heres vertrauliches Verhä ltnis notwendig voraussetzte. — Aber was hilft's, ich muß schö n mit ihm tun, weil ich seiner Hü lfe bedarf. Er ist unbefangen genug, mir alles zu glauben, ja wohl in einfä ltiger Gutmü tigkeit meinem Interesse manches Opfer zu bringen, wofü r er keinen andern Dank ernten wird, als daß ich ihn, wenn alles gut abgelaufen und Gamaheh wieder mein ist, hinterm Rü cken derb auslache. «

»War es«, sprach Herr Swammer, indem er dicht herantrat an Herrn Peregrinus, »war es mir doch, als sä ß e ein Floh auf Ihrer Halsbinde, werter Herr Tyß! « — Die Gedanken lauteten: »Alle Wetter, das war doch wirklich Meister Floh! — das wä re ja ein verfluchter Querstreich, wenn Gamaheh sich nicht geirrt hä tte. «

Schnell trat Peregrinus zurü ck, indem er versicherte, daß er den Flö hen gar nicht gram sei.

»So«, sprach Herr Swammer, sich tief verbeugend, weiter, »so empfehle ich mich fü rs erste ganz ergebenste mein lieber wertester Herr Tyß. «

Die Gedanken lauteten: »Ich wollte, daß dich der schwarzgefiederte Satan verschlinge, du verdammter Kerl! « —

Meister Floh nahm dem ganz in Erstaunen versunkenen Peregrinus das mikroskopische Glas aus der Pupille und sprach dann: »Ihr habt nun, lieber Herr Peregrinus, die wunderbare Wirkung des Instruments, das wohl in der ganzen Welt seinesgleichen nicht findet, erkannt und werdet einsehen, welche Ü bermacht es Euch ü ber die Menschen gibt, wenn Euch ihre innersten Gedanken offen vor Augen liegen. Trü get Ihr aber bestä ndig dies Glas im Auge, so wü rde Euch die stete Erkenntnis der Gedanken zuletzt zu Boden drü cken, denn nur zu oft wiederholte sich die bittre Krä nkung, die Ihr soeben erfahren habt. Stets werde ich, wenn Ihr Euer Haus verlasset, bei Euch sein, entweder in der Halsbinde, im Jabot, oder sonst an einem schicklichen bequemen Orte sitzen. Wollt Ihr nun die Gedanken dessen wissen, der mit Euch spricht, so dü rft Ihr nur mit dem Daumen schnippen, und augenblicklich habt Ihr das Glas im Auge. «

Herr Peregrinus Tyß, den unü bersehbaren Nutzen dieser Gabe begreifend, wollte sich eben in die heiß esten Danksagungen ergieß en, als zwei Abgeordnete des hohen Rats eintraten und ihm ankü ndigten, daß er eines schweren Vergehens angeklagt sei, und daß diese Anklage vorlä ufige Haft und Beschlagnahme seiner Papiere zur Folge haben mü sse.

Herr Peregrinus schwur hoch und teuer, daß er sich auch nicht des geringsten Verbrechens bewuß t sei. Einer der Abgeordneten meinte aber lä chelnd, daß vielleicht in wenigen Stunden seine vö llige Unschuld aufgeklä rt sein werde, bis dahin mü sse er sich aber den Befehlen der Obrigkeit fü gen.

Was blieb dem Herrn Peregrinus Tyß ü brig, als in den Wagen zu steigen und sich nach dem Gefä ngnis transportieren zu lassen.

Man kann denken, mit welchen Empfindungen er an Herrn Swammers Zimmer vorü berging.

Meister Floh saß in der Halsbinde des Gefangenen.



  

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