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Siebentes Abenteuer



Feindliche Nachstellungen der verbü ndeten Mikroskopisten nebst ihrer fortwä hrenden Dummheit. Neue Prü fungen des Herrn Peregrinus Tyß und neue Gefahren des Meisters Floh. Rö schen Lä mmerhirt. Der entscheidende Traum und Schluß des Mä rchens.

Fehlt es auch ü ber den eigentlichen Ausgang des Kampfes in Leuwenhoeks Zimmer gä nzlich an bestimmten Nachrichten, so steht doch nichts anders zu vermuten, als daß die beiden Mikroskopisten mit Hü lfe des jungen Herrn George Pepusch einen vollstä ndigen Sieg ü ber die bö sen feindlichen Gesellen erfochten haben muß ten. Unmö glich hä tte sonst der alte Swammer bei seiner Rü ckkehr so freundlich, so vergnü gt sein kö nnen, als er es wirklich war. — Mit derselben frohen freudigen Miene trat Swammer oder vielmehr Herr Johannes Swammerdamm am andern Morgen hinein zu Herrn Peregrinus, der noch im Bette lag und mit seinem Schü tzling, dem Meister Floh, in tiefem Gesprä ch begriffen war.

Peregrinus unterließ nicht, sogleich, als er den Herrn Swammerdamm erblickte, sich das mikroskopische Glas in die Pupille werfen zu lassen.

Nach vielen langen und ebenso langweiligen Entschuldigungen seines zu frü hzeitigen Besuchs nahm endlich Swammerdamm Platz dicht an Peregrinus' Bett. Durchaus wollte der Alte nicht zugeben, daß Peregrinus aufstehe und den Schlafrock umwerfe.

In den wunderlichsten Redensarten dankte der Alte dem Peregrinus fü r die groß en Gefä lligkeiten, die er ihm erwiesen und die darin bestehen sollten, daß er ihn nicht allein als Mietsmann in sein Haus aufgenommen, sondern auch erlaubt, daß der Hausstand durch ein junges, bisweilen etwas zu lebhaftes und zu lautes Frauenzimmer vermehrt worden. Ferner aber mü sse er die grö ß te Gefä lligkeit darin finden, daß Peregrinus, nicht ohne selbst Opfer zu bringen, seine (des Alten) Versö hnung mit dem alten Freunde und Kunstkollegen Anton von Leuwenhoek bewirkt habe. So wie Swammerdamm erzä hlte, hatten sich beider Herzen in dem Augenblick zueinander hingeneigt, als sie von dem schö nen Geist und dem Bartscherer ü berfallen wurden und die schö ne Dö rtje Elverdink retten muß ten vor den bö sen Unholden. Die fö rmliche ernstliche Versö hnung der Entzweiten war dann bald darauf erfolgt. — Leuwenhoek hatte den gü nstigen Einfluß, den Peregrinus auf beide gehabt, ebensogut erkannt als Swammerdamm, und den ersten Gebrauch, den sie von dem wiederhergestellten Freundschaftsbunde machten, bestand darin, daß sie gemeinschaftlich das seltsam und wunderbar verschlungene Horoskop des Herrn Peregrinus Tyß betrachteten und soviel als mö glich zu deuten suchten.

»Was«, so sprach Herr Johannes Swammerdamm, »was meinem Freunde Anton von Leuwenhoek allein nicht gelang, das brachten unsre gemeinschaftlichen Krä fte zustande, und so war dieses Experiment das zweite, welches wir trotz aller Hindernisse, die sich uns entgegenstemmten, mit dem glä nzendsten Erfolg unternahmen. «

»Der alberne kurzsichtige Tor«, lispelte Meister Floh, der dicht neben Peregrinus' Ohr auf dem Kopfkissen saß, »noch immer glaubt er, daß durch ihn Prinzessin Gamaheh belebt worden ist. Fü rwahr, ein schö nes Leben ist das, zu dem die Ungeschicklichkeit der blö den Mikroskopisten die Ä rmste gezwungen! «

»Mein bester«, fuhr Swammerdamm fort, der den Meister Floh um so weniger vernommen, als er gerade stark zu niesen genö tigt, »mein bester, vortrefflichster Herr Peregrinus Tyß, Sie sind ein von dem Weltgeist ganz besonders Erkorner, ein Schoß kind der Natur; denn Sie besitzen den wunderbarsten. mä chtigsten Talisman oder, um richtiger und wissenschaftlicher zu sprechen, das herrlichste Tsilmenaja oder Tilsemoht, das jemals, geträ nkt von dem Tau des Himmels, aus dem Schoß der Erde hervorgegangen. Es macht meiner Kunst Ehre, daß ich und nicht Leuwenhoek es herausgebracht, daß dieses glü ckliche Tsilmenaja von dem Kö nige Nacrao abstammt, der lange vor der Sü ndflut in Ä gypten herrschte. — Doch die Kraft des Talismans ruht zurzeit, bis eine gewisse Konstellation eintritt, die ihren Mittelpunkt in Ihrer werten Person findet. Mit Ihnen selbst, bester Herr Tyß, muß und wird sich etwas ereignen, das Ihnen in demselben Augenblick, als die Kraft des Talismans erwacht ist, auch dieses Erwachen erkennen lä ß t. Mag Ihnen Leuwenhoek ü ber diesen schwü rigsten Punkt des Horoskops gesagt haben, was er will, alles ist erlogen, denn er wuß te ü ber jenen Punkt so lange nicht das mindeste, bis ich ihm die Augen geö ffnet. — Vielleicht hat Ihnen, bester Herr Tyß, mein lieber Herzensfreund sogar bange machen wollen vor irgendeiner bedrohlichen Katastrophe, denn ich weiß, er liebt es, Leuten unnü tzerweise Schrecken einzujagen; doch — trauen Sie Ihrem, Sie verehrenden Mietsmann, der, Hand aufs Herz, Ihnen schwö rt, daß Sie durchaus nichts zu befü rchten haben. Gern mö chte ich aber denn doch wissen, ob Sie zurzeit den Besitz des Talismans gar nicht verspü ren und was Sie ü ber die ganze Sache ü berhaupt zu denken belieben? «

Swammerdamm sah bei den letzten Worten mit giftigem Lä cheln dem Herrn Peregrinus so scharf ins Auge, als wolle er seine tiefsten Gedanken durchschauen; das konnte ihm aber freilich nicht so gelingen, als dem Peregrinus mit seinem mikroskopischen Glase. Mittels dieses Glases erfuhr Peregrinus, daß nicht sowohl die gemeinschaftliche Bekä mpfung des schö nen Geistes und des Bartscherers als eben jenes geheimnisvolle Horoskop die Versö hnung der beiden Mikroskopisten herbeigefü hrt. Der Besitz des mä chtigen Talismans, das war es nun, wornach beide strebten. Swammerdamm war, was den gewissen geheimnisvoll verschlungenen Knoten im Horoskop des Herrn Peregrinus betrifft, ebenso in verdrieß licher Dummheit verblieben als Leuwenhoek, doch meinte er, daß in Peregrinus' Innerm durchaus die Spur liegen mü sse, die zur Entdeckung jenes Geheimnisses fü hre. Diese Spur wollte er nun geschickt aus dem Unwissenden herauslocken und ihn dann mit Leuwenhoeks Hü lfe um den Besitz des unschä tzbaren Kleinods bringen, noch ehe er dessen Wert erkannt. Swammerdamm war ü berzeugt, daß der Talisman des Herrn Peregrinus Tyß ganz aus dem Ringe des weisen Salomo gleich zu achten, da er, wie dieser, dem, der ihn besitze, die vollkommene Herrschaft ü ber das Geisterreich verleihe.

Peregrinus vergalt Gleiches mit Gleichem, indem er den alten Herrn Swammerdamm, der ihn zu mystifizieren sich mü hte, selbst mystifizierte. Geschickt wuß te er in solchen verblü mten Redensarten zu antworten, daß Swammerdamm befü rchten muß te, die Weihe habe bereits begonnen und ihm werde sich bald das Geheimnis erschließ en, das zu enthü llen keiner von beiden, weder er noch Leuwenhoek vermocht. —

Swammerdamm schlug die Augen nieder, rä usperte sich und stotterte unverstä ndliche Worte heraus; der Mann befand sich wirklich in gar ü bler Lage, seine Gedanken schnurrten bestä ndig durcheinander: »Teufel — was ist denn das, ist das der Peregrinus, der zu mir spricht? — Bin ich der gelehrte weise Swammerdamm oder ein Esel! « —

Ganz verzweifelt raffte er sich endlich zusammen und begann: »Doch von etwas anderm, verehrtester Herr Tyß, von etwas anderm und, wie es mir vorkommen will, von etwas Schö nem und Erfreulichem! « —

Sowie Swammerdamm nun weiter sprach, hatte er sowohl als Leuwenhoek mit groß er Freude die innige Zuneigung der schö nen Dö rtje Elverdink zu dem Herrn Peregrinus Tyß entdeckt. War nun auch sonst jeder anderer Meinung gewesen, indem jeder geglaubt, Dö rtje mü sse bei ihm bleiben und an Liebe und Heirat sei gar nicht zu denken, so hatten sie sich doch jetzt eines Bessern ü berzeugt. In Peregrinus' Horoskop meinten sie nä mlich zu lesen, daß er durchaus die schö ne und anmutige Dö rtje EIverdink zu seiner Gemahlin erkiesen mü sse, um das fü r alle Konjunkturen seines ganzen Lebens Ersprieß lichste zu tun. Beide zweifelten nicht einen Augenblick, daß Peregrinus nicht in gleicher glü hender Liebe zur holden Kleinen befangen sein solle, und hielten daher die Angelegenheit fü r vö llig abgeschlossen. Swammerdamm meinte noch, daß Herr Peregrinus Tyß ü berdem der einzige sei, der seine Nebenbuhler ohne alle Mü he aus dem Felde schlagen kö nne, und daß selbst die bedrohlichsten Gegner, wie z. B. der schö ne Geist und der Bartscherer, gar nichts gegen ihn ausrichten wü rden.

Peregrinus erkannte aus Swammerdamms Gedanken, daß die Mikroskopisten wirklich in seinem Horoskop die unabä nderliche Notwendigkeit seiner Vermä hlung mit der kleinen Dö rtje Elverdink gefunden zu haben glaubten. Nur dieser Notwendigkeit wollten sie nachgeben und selbst aus Dö rtjes scheinbarem Verlust den grö ß ten Gewinn ziehen, nä mlich den Herrn Peregrinus Tyß selbst einfangen mitsamt seinem Talisman.

Man kann denken, wie wenig Vertrauen Peregrinus zu der Weisheit und Wissenschaft der beiden Mikroskopisten haben muß te, da beide den Hauptpunkt des Horoskops nicht zu enträ tseln vermochten. Gar nichts gab er daher auf jene angebliche Konjunktur, die die Notwendigkeit seiner Vermä hlung mit der schö nen Dö rtje bedingen sollte, und es wurde ihm nicht im mindesten schwer, ganz bestimmt und fest zu erklä ren, daß er auf Dö rtjes Hand verzichtet, um seinen besten innigsten Freund, den jungen Herrn George Pepusch, der ä ltere und bessere Ansprü che auf den Besitz des holden Wesens habe, nicht zu krä nken, und daß er unter keiner Bedingung der Welt sein gegebenes Wort brechen werde.

Herr Swammerdamm schlug die graugrü nen Katzenaugen, die er so lange zu Boden gesenkt, auf, glotzte den Peregrinus mä chtig an und lä chelte wie die Fuchsschlauheit selbst.

Sei, meinte er dann, der Freundschaftsbund mit George Pepusch der einzige Skrupel, der den Peregrinus abhalte, seinen Gefü hlen freien Raum zu gö nnen, so sei derselbe in diesem Augenblick gehoben; denn eingesehen habe Pepusch, unerachtet er an einigem Wahnsinn leide, daß seiner Vermä hlung mit Dö rtje Elverdink die Konstellation der Gestirne entgegen sei und daß daraus nichts entstehen kö nne als nur Unglü ck und Verderben; deshalb habe Pepusch allen Ansprü chen auf Dö rtjes Hand entsagt und nur erklä rt, daß er mit seinem Leben die Schö nste, die niemanden angehö ren kö nne als seinem Herzensfreunde Tyß, verteidigen wolle gegen den ungeschickten Tö lpel von schö nem Geist und gegen den blutgierigen Bartkratzer.

Den Peregrinus durchfuhren eiskalte Schauer, als er aus Swammerdamms Gedanken erkannte, daß alles wahr, was er gesprochen. Ü bermannt von den seltsamsten widersprechendsten Gefü hlen, sank er zurü ck in die Kissen und schloß die Augen.

Herr Swammerdamm lud den Peregrinus dringendst ein, sich herabzubegeben und selbst aus Dö rtjes, aus Georges Mund die jetzige Lage der Dinge zu vernehmen. Dann empfahl sich derselbe auf ebenso weitlä ufige und zeremoniö se Weise, wie er gekommen.

Meister Floh, derdie ganze Zeit ü ber ruhig auf dem Kopfkissen gesessen, sprang plö tzlich hinauf bis zum Zipfel der Nachtmü tze des Herrn Peregrinus. Da erhob er sich hoch auf den langen Hinterbeinen, rang die Hä nde, streckte sie flehend zum Himmel empor und rief, mit von bittern Trä nen halberstickter Stimme: »Weh mir Ä rmsten! Schon glaubte ich geborgen zu sein, und erst jetzt kommt die gefä hrlichste Prü fung! — Was hilft aller Mut, alle Standhaftigkeit meines edlen Beschü tzers, wenn sich alles, alles gegen mich auflehnt! — Ich gebe mich! — es ist alles aus. «

»Was«, sprach Herr Peregrinus mit matter Stimme, »was lamentiert Ihr so auf meiner Nachtmü tze, lieber Meister? Glaubt Ihr denn, daß Ihr allein zu klagen habt, daß ich mich selbst nicht auch in dem miserabelsten Zustande von der Welt befinde, da ich in meinem ganzen Wesen ganz zerrü ttet und verstö rt bin und nicht weiß, was ich anfangen, ja, wohin ich meine Gedanken wenden soll. Glaubt aber nicht, lieber Meister Floh, daß ich tö richt genug sein werde, mich in die Nä he der Klippe zu wagen, an der ich mit all meinen schö nen Vorsä tzen und Entschlü ssen scheitern kann. Ich werde mich hü ten, Swammerdamms Einladung zu folgen und die verfü hrerische Dö rtje Elverdink wiederzusehen. «

»In der Tat«, erwiderte Meister Floh, nachdem er wieder den alten Platz auf dem Kopfkissen neben dem Ohr des Herrn Peregrinus Tyß eingenommen, »in der Tat, ich weiß nicht, ob ich, so sehr es mir verderblich scheint, Euch doch nicht gerade raten sollte, sogleich zu Swammerdamm hinunterzugehen. Es ist mir, als wenn die Linien Eures Horoskops jetzt immer schneller und schneller zusammenliefen und Ihr selbst im Begriff stü ndet, in den roten Punkt zu treten. — Mag nun das dunkle Verhä ngnis beschlossen haben, was es will, ich sehe ein, daß selbst ein Meister Floh solchem Beschluß nicht zu entgehen vermag und daß es ebenso albern als unnü tz sein wü rde, von Euch meine Rettung zu verlangen. — Geht hin, seht sie, nehmt ihre Hand, ü berliefert mich der Sklaverei, und damit alles geschehe, wie es die Sterne wollen, ohne daß Fremdes sich einmische, so macht auch keinen Gebrauch von dem mikroskopischen Glase. «

»Scheint«, sprach Peregrinus, »scheint doch sonst, Meister Floh, Euer Herz stark, Euer Geist fest, und doch seid Ihr jetzt so kleinmü tig, so verzagt! Aber mö get Ihr sonst auch so weise sein wie Ihr wollt, ja, mag Clemens des Siebenten hochberü hmter Nuntius Rorar Euern Verstand weit ü ber den unsrigen setzen, so habt Ihr doch keinen sonderlichen Begriff von dem festen Willen des Menschen und schlagt ihn wenigstens viel zu geringe an. Noch einmal! — ich breche nicht mein Euch gegebenes Wort, und damit Ihr sehet, wie fest mein Entschluß ist, die Kleine nicht wiederzusehen, werde ich jetzt aufstehen und mich, wie ich es mir schon gestern vorgenommen, zum Buchbinder Lä mmerhirt begeben. «

»O Peregrinus«, rief Meister Floh, »des Menschen Wille ist ein gebrechliches Ding, oft knickt ihn ein daherziehendes Lü ftchen. Welch eine Kluft liegt zwischen dem, was man will, und dem, das geschieht! — Manches Leben ist nur ein stetes Wollen, und mancher weiß vor lauter Wollen am Ende selbst nicht, was er will. — Ihr wollt Dö rtje EIverdink nicht wiedersehen, und wer steht Euch dafü r, daß es geschieht, in dem nä chsten Augenblick, da Ihr diesen Entschluß ausgesprochen? «

Seltsam genug war es wohl, daß wirklich sich begab, was Meister Floh mit prophetischem Geiste vorausgesagt.

Peregrinus stand nä mlich auf, kleidete sich an und wollte, seinem Vorsatz getreu, zum Buchbinder Lä mmerhirt gehen; als er indessen bei Swammerdamms Zimmer vorbeikam, wurde die Tü re weit geö ffnet, und Peregrinus wuß te selbst gar nicht, wie es geschah, daß er plö tzlich an Swammerdamms Arm mitten im Zimmer dicht vor Dö rtje Elverdink stand, die ganz frö hlich und unbefangen ihm hundert Kü sse zuwarf und mit ihrem silbernen Glokkenstimmlein freudig rief: »Guten Morgen, mein herzlieber Peregrinus! «

Wer sich aber noch in dem Zimmer befand, das war Herr George Pepusch, der zum offnen Fenster hinausguckte und ein Liedchen pfiff. Jetzt warf er das Fenster heftig zu und drehte sich um. »Ach, sieh da«, rief er, als gewahre er jetzt erst den Freund Peregrinus, »ach, sieh da! — Du besuchst deine Braut, das ist in der Ordnung und jeder Dritte dabei nur lä stig. Ich werde mich darum auch gleich fortpacken, doch zuvor laß es dir sagen, mein guter Freund Peregrinus, daß George Pepusch jede Gabe verschmä ht, die der barmherzige Freund ihm gleich dem armen Sü nder hinwirft, wie ein Almosen! — Verwü nscht sei deine Aufopferung, ich will dir nichts zu verdanken haben. Nimm sie hin, die schö ne Gamaheh, die dich so innig liebt, aber hü te dich, daß die Distel Zeherit nicht Wurzeln faß t und die Mauern deines Hauses zersprengt. « Georges Ton und ganzes Betragen grenzte an renommistische Brutalitä t, und Peregrinus wurde von dem tiefsten Unmut erfü llt, als er gewahrte, wie sehr ihn Pepusch in seinem ganzen Beginnen miß verstanden. »Nie«, sprach er, ohne jenen Unmut zu bergen, »nie ist es mir in den Sinn gekommen, dir in den Weg zu treten; der Wahnsinn eifersü chtiger Verliebtheit spricht aus dir, sonst wü rdest du bedenken, wie schuldlos ich an allem bin, was du in deiner eignen Seele ausgebrü tet. Verlange nicht, daß ich die Schlange tö ten soll, die du zu deiner Selbstqual nä hrst in deiner Brust! Und daß du es nur weiß t, dir warf ich keine Gabe hin, dir brachte ich kein Opfer, als ich der Schö nsten, vielleicht dem hö chsten Glü ck meines Lebens entsagte. Andere hö here Pflichten, ein unwiderrufliches Wort zwangen mich dazu! « —

Pepusch ballte in wildem Zorn die Faust und erhob sie gegen den Freund. Da sprang aber die Kleine zwischen die Freunde und faß te die Hand des Peregrinus, indem sie lachend rief: »Laß doch nur die geckische Distel laufen, sie hat nichts als wirres Zeug im Kopfe und ist, wie es Distelart ist, starr und stö rrisch, ohne zu wissen, was sie eigentlich will; du bist mein und bleibst es auch, mein sü ß er herzlieber Peregrinus! « —

Damit zog die Kleine den Peregrinus auf das Kanapee und setzte sich ohne weitere Umstä nde auf seinen Schoß. Pepusch rannte, nachdem er sich die Nä gel sattsam zerkaut, wild zur Tü re hinaus.

Die Kleine, wiederum in das fabelhafte verfü hrerische Gewand von Silberzindel gekleidet, war ebenso anmutig, ebenso ganz Liebreiz als sonst; Peregrinus fü hlte sich durchströ mt von der elektrischen Wä rme ihres Leibes, und doch wehten ihn dazwischen eiskalte unheimliche Schauer an, wie Todeshauch. Zum erstenmal glaubte er tief in den Augen der Kleinen etwas seltsam Lebloses, Starres zu gewahren, und der Ton ihrer Stimme, ja selbst das Rauschen des wunderlichen Silberzindels, schien ein fremdartiges Wesen zu verraten, dem nimmermehr zu trauen. Es fiel ihm schwer aufs Herz, daß damals, als Dö rtje gerade so gesprochen, wie sie gedacht, sie auch in Zindel gekleidet gewesen; warum er gerade den Zindel bedrohlich fand, wuß te er selbst nicht, aber die Gedanken von Zindel und unheimlicher Wirtschaft verbanden sich von selbst miteinander, so wie ein Traum das Heterogenste vereint und man alles fü r aberwitzig erklä rt, dessen tiefern Zusammenhang man nicht einzusehen vermag. Peregrinus, weit entfernt, das sü ß e Ding zu krä nken mit etwa falschem Verdacht, unterdrü ckte mit Gewalt seine Gefü hle und wartete nur auf einen gü nstigen Moment, sich loszuwickeln und der Schlange des Paradieses zu entfliehen.

»Aber«, sprach Dö rtje endlich, »aber wie kommst du mir heute vor, mein sü ß er Freund, so frostig, so unempfindlich! Was liegt dir im Sinn, mein Leben. «

»Kopfschmerz«, erwiderte Peregrinus so gleichmü tig, als er es nur vermochte, »Kopfschmerz — Grillen — einfä ltige Gedanken — nichts anders ist es, das mich etwas verstö rt, mein holdes Kind. Laß mich ins Freie, und alles ist vorü ber in wenigen Minuten; mich ruft ohnedies noch ein Geschä ft. «

»Es ist«, rief die Kleine, indem sie rasch aufsprang, »es ist alles gelogen, aber du bist ein bö ser Affe, der erst gezä hmt werden muß! « —

Peregrinus war froh, als er sich auf der Straß e befand, doch ganz ausgelassen freudig gebä rdete sich Meister Floh, der in Peregrinus' Halsbinde unaufhö rlich kicherte und lachte und die Vorderhä nde zusammenschlug, daß es hell klatschte.

Dem Peregrinus war diese Frö hlichkeit seines kleinen Schü tzlings etwas lä stig, da sie ihn in seinen Gedanken stö rte. Er bat den Meister Floh ruhig zu sein, denn schon hä tten ihn ernsthafte Leute mit Blicken voll Vorwurfs betrachtet, glaubend, er sei es, der so kichere und lache und nä rrische Streiche treibe auf ö ffentlicher Straß e.

»O ich Tor«, rief aber Meister Floh, in den Ausbrü chen seiner unmä ß igen Freude beharrend, »o ich blö dsinniger Tor, daß ich da an dem Siege zweifeln konnte, wo gar kein Kampf mehr vonnö ten. Ja, Peregrinus, es ist nicht anders, gesiegt hattet Ihr in dem Augenblick, als selbst der Tod der Geliebten Euern Entschluß nicht zu erschü ttern vermochte. Laß t mich jauchzen, laß t mich jubeln, denn alles mü ß te mich trü gen, wenn nicht bald das helle Sonnenlicht aufgehen sollte, das alle Geheimnisse aufklä rt. «

Als Peregrinus an Lä mmerhirts Tü re pochte, rief eine sanfte weibliche Stimme: »Herein! « Er ö ffnete die Tü re, ein Mä dchen, die sich allein in der Stube befand, trat ihm entgegen und fragte ihn freundlich, was ihm zu Diensten stehe?

— Mag es dem geneigten Leser genü gen, wenn gesagt wird, daß das Mä dchen ungefä hr achtzehn Jahre alt sein mochte, daß sie mehr groß als klein und schlank im reinsten Ebenmaß der Glieder gewachsen war, das sie hellbraunes Haar und dunkelblaue Augen und eine Haut hatte, die das zarte Flockengewebe schien von Lilien und Rosen. Mehr als alles dies wollte aber gelten, daß des Mä dchens Antlitz jenes zarte Geheimnis jungfrä ulicher Reinheit, hohen himmlischen Liebreizes aussprach, wie es mancher alte deutsche Maler in seinen Gebilden erfaß t. —

Sowie Peregrinus der holden Jungfrau ins Auge blickte, war es ihm, als habe er in schwerlastenden Banden gelegen, die eine wohltä tige Macht gelö st, und der Engel des Lichts stehe vor ihm, an dessen Hand er eingehen werde in das Reich namenloser Liebeswonne und Sehnsucht. Das Mä dchen wiederholte, indem sie, vor Peregrinus' starrem Blick errö tend, sittsam die Augen niederschlug, die Frage, was dem Herrn beliebe? Mü hsam stotterte Peregrinus heraus: ob der Buchbinder Lä mmerhirt hier wohne? Als nun das Mä dchen erwiderte, daß Lä mmerhirt allerdings hier wohne, daß er aber in Geschä ften ausgegangen, da sprach Peregrinus wirr durcheinander von Einbä nden, die er bestellt, von Bü chern, die Lä mmerhirt ihm verschaffen sollen; zuletzt kam er etwas ins Geleise und gedachte der Prachtausgabe des Ariost, die Lä mmerhirt in roten Maroquin binden sollen, mit reicher goldner Verzierung. Da war es aber, als durchfahre die holde Jungfrau ein elektrischer Funke; sie schlug die Hä nde zusammen und rief, Trä nen in den Augen: »Ach Gott! — Sie sind Herr Tyß! « — Sie machte eine Bewegung, als wolle sie Peregrinus' Hand ergreifen, trat aber schnell zurü ck, und ein tiefer Seufzer schien die volle Brust zu entlasten. Dann ü berstrahlte ein anmutiges Lä cheln der Jungfrau Antlitz wie liebliches Morgenrot, und sie ergoß sich nun in Dank und Segenswü nsche dafü r, daß Peregrinus des Vaters, der Mutter Wohltä ter sei, daß nicht dies allein — nein! — seine Milde, seine Freundlichkeit, die Art, wie er noch zu vorigen Weihnachten die Kinder beschenkt und Freude und Frö hlichkeit verbreitet, ihnen den Frieden, die Heiterkeit des Himmels gebracht. Sie rä umte schnell des Vaters Lehnstuhl ab, der mit Bü chern, Skripturen, Heften, ungebundenen Drucken bepackt war, rü ckte ihn heran und lud mit anmutiger Gastlichkeit den Peregrinus ein, sich niederzulassen. Dann holte sie den sauber gebundenen Ariost hervor, fuhr mit einem leinenen Tuch leise ü ber die Maroquinbä nde und ü berreichte das Meisterwerk der Buchbinderkunst dem Peregrinus mit leuchtenden Blicken, wohl wissend, daß Peregrinus der schö nen Arbeit des Vaters seinen Beifall nicht versagen werde. Peregrinus nahm einige Goldstü cke aus der Tasche, die Holde, dies gewahrend, versicherte schnell, daß sie den Preis der Arbeit nicht wisse und daher keine Bezahlung annehmen kö nne, Herr Peregrinus mö ge es sich aber gefallen lassen, einige Augenblicke zu verweilen, da der Vater gleich zurü ckkommen mü sse. Dem Peregrinus war es, als schmö lze das nichtswü rdige Metall in seiner Hand in einen Klumpen zusammen, er steckte die Goldstü cke schneller wieder ein, als er sie hervorgeholt. Das Mä dchen griff jetzt, als Peregrinus sich mechanisch in Lä mmerhirts breiten Lehnsessel niedergelassen, nach ihrem Stuhl, aus instinktmä ß iger Hö flichkeit sprang Herr Peregrinus auf und wollte den Stuhl heranrü cken, da geschah es aber, daß er statt der Stuhllehne des Mä dchens Hand erfaß te, und er glaubte, als er das Kleinod leise zu drü cken wagte, einen kaum merkbaren Gegendruck zu fü hlen. — »Kä tzchen, Kä tzchen, was machst du! « Mit diesen Worten wandte sich das Mä dchen und hob ein Zwirnknä uel von dem Fuß boden auf, das die Katze zwischen den Vorderpfoten hielt, ein mystisches Gewebe beginnend. Dann faß te sie mit kindlicher Unbefangenheit den Arm des in Himmelsentzü cken versunkenen Peregrinus, fü hrte ihn zum Lehnsessel und bat ihn nochmals, sich niederzulassen, indem sie selbst sich ihm gegenü bersetzte und irgendeine weibliche Arbeit zur Hand nahm. Peregrinus schwankte im Sturm auf einem wogenden Meer. »O Prinzessin! « Das Wort entschlü pfte ihm, selbst wuß te er nicht, wie es geschah. Das Mä dchen schaute ihn ganz erschrocken an, da war es ihm, als habe er gegen die Holde gefrevelt, und er rief mit dem weichsten, wehmü tigsten Ton: »Meine liebste, teuerste Mademoiselle! «

Das Mä dchen errö tete und sprach mit holderjungfrä ulicher Verschä mtheit: »Die Eltern nennen mich Rö schen, nennen Sie mich auch so, lieber Herr Tyß, denn ich gehö re ja auch zu den Kindern, denen Sie so viel Gutes erzeigt und von denen Sie so hoch verehrt werden. «

»Rö schen! « rief Peregrinus ganz auß er sich; er hä tte der holden Jungfrau zu Fü ß en stü rzen mö gen, kaum hielt er sich zurü ck.

Rö schen erzä hlte nun, indem sie ruhig fortarbeitete, wie seit derzeit, als die Eltern durch den Krieg in die bitterste Dü rftigkeit geraten, sie von einer Base in einem benachbarten kleinen Stä dtchen aufgenommen, wie diese Base vor wenigen Wochen gestorben und wie sie dann zu den Eltern zurü ckgekehrt.

Peregrinus hö rte nur Rö schens sü ß e Stimme, ohne viel von den Worten zu verstehen, und er ü berzeugte sich erst, daß er nicht selig trä ume, als Lä mmerhirt ins Zimmer trat und ihn mit dem herzlichsten Willkommen begrü ß te. Nicht lange dauerte es, so folgte auch die Frau mit den Kindern, und wie denn in des Menschen unergrü ndlichem Gemü t Gedanken, Regungen, Gefü hle in seltsamen bunten Gewirr durcheinanderlaufen, so geschah es, daß Peregrinus selbst in der Ekstase, die ihn einen niegeahnten Himmel schauen ließ, plö tzlich daran dachte, wie der murrkö pfische Pepusch sein Beschenken der Lä mmerhirtschen Kinder getadelt. Es war ihm sehr lieb, auf Befragen zu vernehmen, daß keins von den Kindern sich den Magen am Naschwerk verdorben, und die freundlich feierliche Art, ja der gewisse Stolz, womit sie nach dem hohen Glasschrank, der das glä nzende Spielzeug enthielt, heraufblickten, zeigte, daß sie die letzte Bescherung fü r etwas Auß erordentliches hielten, das wohl niemals wiederkehren dü rfte. —

Die ü belgelaunte Distel hatte also ganz unrecht.

»O Pepusch«, sprach Peregrinus zu sich selbst, »dein verstö rtes, zerrissenes Gemü t durchdringt kein reiner Lichtstrahl der wahrhaften Liebe! « — Damit meinte Peregrinus nun wieder wohl mehr, als ein beschertes Naschwerk und Spielzeug. — Lä mmerhirt, ein sanfter, stiller, frommer Mann, sah mit sichtlicher Freude auf Rö schen, die geschä ftig aus- und eingegangen, Butter und Brot herbeigebracht und nun an einem kleinen Tischchen in der entfernten Ecke des Zimmers dem Geschwister stattliche Butterstollen bereitete. Die muntern Jungen drä ngten sich dicht an die liebe Schwester, und wenn sie in verzeihlicher kindischer Begier das Maul etwas weiter aufsperrten, als gerade nö tig, so tat das der hä uslichen ldylle doch keinen sonderlichen Eintrag.

Den Peregrinus entzü ckte des holden Mä dchens Beginnen, ohne daß ihm dabei Werthers Lotte und ihre Butterbrote in den Sinn kamen.

Lä mmerhirt nä herte sich dem Peregrinus und begann halb leise von Rö schen zu reden, was sie fü r ein frommes gutes liebes Kind sei, der der Himmel auch die Gabe ä uß erer Schö nheit verliehen, und wie er nur Freude an dem holden Kinde zu erleben hoffe. Was, setzte er hinzu, indem sein Gesicht sich in Wonne verklä rte, was ihm aber so recht im innersten Herzen wohl tue, sei, daß Rö schen sich auch zur edlen Buchbinderkunst hinneige und seit den wenigen Wochen, wä hrend sie sich bei ihm befinde, in feiner zierlicher Arbeit ungemein viel profitiert habe, so daß sie bereits viel geschickter sei als mancher Lü mmel von Lehrbursche, der Jahre hindurch Maroquin und Gold vergeude und die Buchstaben schief und krumm stelle, daß sie aussä hen wie betrunkene Bauern, die aus der Schenke torkeln.

Ganz zutraulich flü sterte der entzü ckte Vater dem Peregrinus ins Ohr: »Es muß heraus, Herr Tyß, es drü ckt mir sonst das Herz ab, ich kann mir nicht helfen. — Wissen Sie wohl, daß mein Rö schen den Schnitt des Ariosto vergoldet hat? «

Sowie Peregrinus dies vernahm, griff er hastig nach den saubern Maroquinbä nden, als mü sse er sich des Heiligtums bemä chtigen, ehe ein feindlicher Zufall es ihm raube. Lä mmerhirt hielt das fü r ein Zeichen, daß Peregrinus fort wolle, und bat ihn, es sich noch einige Augenblicke in der Familie gefallen zu lassen. Eben dies erinnerte aber den Peregrinus, daß er doch endlich sich losreiß en mü sse. Er zahlte schnell die Rechnung, und Lä mmerhirt reichte ihm wie gewö hnlich die Hand zum Abschiede, die Frau tat dasselbe und auch Rö schen! — Die Jungen standen in der offnen Tü re, und damit der Liebestorheit ihr Recht geschehe, riß Peregrinus im Hinausschreiten dem Jü ngsten das Restchen Butterstolle aus der Hand, an dem er eben kaute, und rannte wie gehetzt die Treppe hinab.

»Nun, nun«, sprach der Kleine ganz verdutzt, »was ist denn das? Hä tt' es mir ja sagen kö nnen, der Herr Tyß, wenn er hungrig war, hä tt' ihm ja gern meine ganze Stolle gegeben! « -

Schritt vor Schritt ging Herr Peregrinus Tyß nach Hause, die schweren Quartanten mü hsam unter dem Arm fortschleppend und mit verklä rtem Blick einen Bissen des Butterstollenrestes nach dem andern auf die Lippe nehmend, als genö sse er himmlisches Manna.

»Der ist nunmehro auch ü bergeschnappt! « sagte ein vorü bergehender Bü rger. Es war dem Mann nicht zu verdenken, daß er dergleichen von Peregrinus dachte.

Als Peregrinus Tyß ins Haus trat, kam ihm die alte Aline entgegen und winkte mit Gebä rden, die Angst und Besorgnis ausdrü ckten, nach dem Zimmer des Herrn Swammerdamm. Die Tü re stand offen, und Peregrinus gewahrte Dö rtje Elverdink, die erstarrt auf einem Lehnstuhl saß und deren zusammengeschrumpftes Gesicht einer Leiche zu gehö ren schien, die bereits im Grabe gelegen. Ebenso erstarrt, ebenso leichenä hnlich saß en vor ihr auf Lehnstü hlen Pepusch, Swammerdamm und Leuwenhoek. »Ist das«, sprach die Alte, »ist das eine tolle gespenstische Wirtschaft hier unten! So sitzen die drei unseligen Menschen schon den ganzen lieben Tag ü ber und essen nichts und trinken nichts und reden nichts und holen kaum Atem! « —

Dem Peregrinus wollte zwar, ob des in der Tat etwas schauerlichen Anblicks halber, einiges Entsetzen anwandeln, indessen wurde, indem er die Treppe hinaufstieg, das gespenstische Bild von dem wogenden Meer der Himmelsträ ume verschlungen, in dem der entzü ckte Peregrinus schwamm, seit dem Augenblick, als er Rö schen gesehen. — Wü nsche, Trä ume, selige Hoffnungen strö men gern ü ber in dasbefreundete Gemü t; aber gab es fü r den armen Peregrinus jetzt ein anderes, als das ehrliche des guten Meisters Floh? — Dem wollte er nun sein ganzes Herz ausschü tten, dem wollte er von Rö schen alles erzä hlen, was sich eigentlich gar nicht so recht erzä hlen ließ. Doch er mochte so viel rufen, so viel locken, als er wollte, kein Meister Floh ließ sich sehen, er war auf und davon. In der Falte der Halsbinde, wo sonst Meister Floh bei Ausgä ngen sich beherbergt, fand Peregrinus bei sorgfä ltigerem Nachsuchen ein kleines Schä chtelchen, worauf die Worte standen:

»Hierin befindet sich das mikroskopische Gedankenglas. Seht Ihr mit dem linken Auge scharf in die Schachtel hinein, so sitzt Euch das Glas augenblicklich in der Pupille; wollt Ihr es wiederheraus haben, so dü rft Ihr nur, das Auge in die Schachtel hineinhaltend, die Pupille sanft drü cken, und das Glas fä llt auf den Boden der Schachtel. — Ich arbeite in Euern Geschä ften und wage viel dabei, doch fü r meinen lieben Schutzherrn tue ich alles, als

Euer dienstwilligster Meister Floh. «  

 

 

— Hier gä b' es nun fü r einen tü chtigen handfesten Romanschreiber, der mit starker, kielbewaffneter Hand alles menschliche Tun und Treiben zusammenarbeitet nach Herzenslust, die erwü nschteste Gelegenheit, den heillosen Unterschied zwischen Verliebtsein und Lieben, nachdem solcher theoretisch genugsam abgehandelt, praktisch darzutun durch Peregrinus' Beispiel. Viel ließ e sich da sagen vom sinnlichen Triebe, von dem Fluch der Erbsü nde und von dem himmlischen Prometheusfunken, der in der Liebe die wahrhafte Geistergemeinschaft des diversen Geschlechts entzü ndet, die den eigentlichen notwendigen Dualismus der Natur bildet. Sollte nun auch besagter Prometheusfunken nebenher die Fackel des Ehegottes anstecken wie ein tü chtiges hellbrennendes Wirtschaftslicht, bei dem es sich gut lesen, schreiben, stricken, nä hen lä ß t, sollte auch eine frö hliche Nachkommenschaft sich ebensogut die Mä ulchen gelegentlich mit Kirschmus beschmieren als jede andere, so ist das hienieden nun einmal nicht anders. Ü berdem nimmt sich eine solche himmlische Liebe als erhabene Poesie sehr gut aus, und als das Beste darf in der Tat gerü hmt werden, daß diese Liebe kein leeres Hirngespinst, sondern daß wirklich etwas daran ist, wie viele Leute bezeugen kö nnen, denen es mit dieser Liebe bald gut, bald schlimm ergangen. —

Der geneigte Leser hat es aber lä ngst erraten, daß Herr Peregrinus Tyß in die kleine Dö rtje sich bloß beträ chtlich verliebt hatte, daß aber erst in dem Augenblick, da er Lä mmerhirts Rö schen, das holde liebe Engelsbild erblickte, die wahre himmlische Liebe hell aufloderte in seiner Brust.

Wenigen Dank wü rde aber gegenwä rtiger Referent des tollsten, wunderlichsten aller Mä rchen einernten, wenn er, sich steif und fest an den Paradeschritt der daherstolzierenden Romanisten haltend, nicht unterlassen kö nnte, hier die jedem regelrechten Roman hö chst nö tige Langeweile sattsam zu erregen. Nä mlich dadurch, daß er bei jedem Stadium, das das Liebespaar, nach gewö hnlicher Weise, zu ü berstehen hat, sich gemä chliche Ruh' und Rast gö nnte. Nein! laß uns, geliebter Leser, wie wackre, rü stige Reiter auf mutigen Rennern daherbrausend und alles, was links und rechts liegt, nicht achtend, dem Ziel entgegeneilen. — Wir sind da! — Seufzer, Liebesklagen, Schmerz, Entzü cken, Seligkeit, alles einigt sich in dem Brennpunkt des Augenblicks, da das holde Rö schen, das reizende Inkarnat holder Jungfrä ulichkeit auf den Wangen, dem ü berglü cklichen Peregrinus Tyß gesteht, daß sie ihn liebe, ja, daß sie es gar nicht sagen kö nne, wie so sehr, wie so ü ber alle Maß en sie ihn liebe, wie sie nur in ihm lebe, wie er allein ihr einziger Gedanke, ihr einziges Glü ck sei.

Der finstere arglistige Dä mon pflegt in die hellsten Sonnenblicke des Lebens hineinzugreifen mit seinen schwarzen Krallen; ja! durch den finstern Schatten seines unheilbringenden Wesens jenen Sonnenschein zu verdunkeln ganz und gar. So geschah es, daß in Peregrinus bö se Zweifel aufstiegen, ja, daß ein gar bö ser Argwohn sich regte in seiner Brust.

»Wie? « schien eine Stimme ihm zuzuflü stern, »wie? auch jene Dö rtje Elverdink gestand dir ihre Liebe, und doch war es schnö der Eigennutz, von dem beseelt sie dich verlocken wollte, die Treue zu brechen und Verrä ter zu werden an dem besten Freunde, an dem armen Meister Floh? Ich bin reich, man sagt, daß ein gewisses gutmü tiges Betragen, eine gewisse Offenheit, von manchem Einfalt genannt, mir die zweideutige Gunst der Menschen und auch wohl gar der Weiberverschaffen kö nne; und diese, die dir nun ihre Liebe gesteht -«

Schnell griff er nach dem verhä ngnisvollen Geschenk des Meister Floh, er brachte das Schä chtelchen hervor und war im Begriff, es zu ö ffnen, um sich das mikroskopische Glas in die Pupille des rechten Auges zu setzen und so Rö schens Gedanken zu durchschauen.

Er blickte auf, und das reine Himmelsazur der schö nsten Augen leuchtete in seine Seele hinein. Rö schen, seine innere Bewegung wohl bemerkend, sah ihn ganz verwundert und beinahe besorglich an.

Da war es ihm, als durchzucke ihn ein jä her Blitz, und das vernichtende Gefü hl der Verderbtheit seines Sinnes zermalmte sein ganzes Wesen.

»Wie? « sprach er zu sich selbst, »in das himmelreine Heiligtum dieses Engels willst du eindringen, in sü ndhaftem Frevel? Gedanken willst du erspä hen, die nichts gemein haben kö nnen mit dem verworfenen Treiben gemeiner, im Irdischen befangener Seelen? Verhö hnen willst du den Geist der Liebe selbst, ihn mit den verruchten Kü nsten bedrohlicher unheimlicher Mä chte versuchend? «

Er hatte mit Hast das Schä chtelchen in seine Tasche verborgen, es war ihm, als habe er eine Sü nde begangen, die er nie, nie werde abbü ß en kö nnen.

Ganz aufgelö st in Wehmut und Schmerz, stü rzte er dem erschrockenen Rö schen zu Fü ß en, rief: er sei ein Frevler, ein sü ndiger Mensch, der der Liebe eines engelreinen Wesens, wie Rö schen, nicht wert sei, badete sich in Trä nen.

Rö schen, die nicht begreifen konnte, welcher finstere Geist ü ber Peregrinus gekommen, sank zu ihm nieder, umfaß te ihn, indem sie weinend lispelte: »Um Gott, mein geliebter Peregrinus, was ist dir! was ist dir geschehen? welcher schlimme Feind stellt sich zwischen uns; o komm, o komm, setze dich ruhig zu mir nieder! «

Peregrinus ließ sich schweigend, keiner willkü rlichen Bewegung fä hig, von Rö schen sanft in die Hö he ziehen.

Es war gut, daß das alte, etwas zerbrechliche Kanapee wie gewö hnlich mit broschierten Bü chern, fertigen Einbä nden und einem nicht geringen Vorrat von allerlei Buchbinderutensilien bepackt war; so daß Rö schen manches wegrä umen muß te, um Platz fü r sich und den zerknirschten Herrn Peregrinus Tyß zu gewinnen. Er bekam dadurch Zeit, sich zu erholen, und sein groß er Schmerz, seine herzzerreiß ende Wehmut lö ste sich auf in das mildere Gefü hl verü bter, jedoch wohl zu sü hnender Unbill.

War er zuvor, was seine Gesichtszü ge betrifft, dem trostlosen Sü nder zu vergleichen, ü ber den das Verdammungsurteil unwiderruflich ausgesprochen, so sah er jetzt nur noch ein wenig einfä ltig aus. Solches Aussehen ist aber bei derlei Umstä nden jedesmal ein gutes Prognostikon.

Als nun beide, Rö schen und Herr Peregrinus Tyß, zusammen auf besagtem gebrechlichem Kanapee des ehrsamen Buchbindermeisters Lä mmerhirt saß en, begann Rö schen mit niedergeschlagenen Augen und halb beschä mtem Lä cheln: »Ich mag wohl erraten, mein Geliebter, was dein Gemü t so plö tzlich bestü rmt. Gestehen will ich es dir, man hat mir allerlei Wunderliches von den seltsamen Bewohnern deines Hauses erzä hlt. Die Nachbarinnen, — nun du weiß t, wie Nachbarinnen sind, die schwatzen und schwatzen gar gern und wissen oft nicht selbst einmal, was; — ja, diese bö sen Nachbarinnen haben mir erzä hlt, in deinem Hause sei ein gar wunderbares Frauenzimmer, die manche gar fü r eine Prinzessin hielten und die du selbst, in der Christnacht, in dein Haus getragen. Der alte Herr Swammer habe sie freilich als seine entflohene Nichte bei sich aufgenommen, aber die Person stelle dir nach mit seltsamen Verlockungen. Doch das ist beileibe noch nicht das Schlimmste, denke dir, mein geliebter Peregrinus, die alte Muhme geradeü ber, du kennst sie wohl, die alte Frau mit der spitzen Nase, die so freundlich hinü bergrü ß t, wenn sie dich sieht, und von der du einmal sagtest, als du sie sonntags in ihrem bunten stoffenen Ehrenkleide nach der Kirche ziehen sahst, — ich muß noch lachen, wenn ich daran denke, — es wolle dich gemahnen, als wandle ein Feuerlilienstrauch ü ber die Straß e, diese miß trauische Muhme hat mir allerlei Bö ses in den Kopf setzen wollen.

So freundlich sie dich auch grü ß t, so hat sie mich doch stets vor dir gewarnt und nichts Geringeres behauptet, als daß in deinem Hause Satanskü nste getrieben wü rden und daß die kleine Dö rtje gar nichts anderes sei als ein kleines verkapptes Teufelchen, welches, um dich zu verlocken, in Menschengestalt umherwandle, und zwar in gar anmutiger und verfü hrerischer.

Peregrinus! mein holder, geliebter Peregrinus, sieh mir ins Auge, du wirst keine Spur des leisesten Argwohns finden, ich habe dein reines Gemü t erkannt, niemals hat dein Wort, dein Blick nur einen verfinsternden Hauch auf den hellen klaren Spiegel meiner Seele geworfen.

Ich vertraue dir, ich vertraue dem Gedanken der Seligkeit, die ü ber uns kommen wird, wann ein festes Band uns verknü pft, und die mir sü ß e Trä ume voll Liebe und Sehnsucht verkü ndet! Peregrinus! mö gen auch finstre Geister ü ber dich beschlossen haben, was sie wollen, ihre Macht scheitert, gebrochen an deinem frommen Wesen, das fest und stark ist in Liebe und unwandelbarer Treue.

Was soll, was kann eine Liebe verstö ren wie die unsrige; verbanne jeden Zweifel, unsre Liebe ist der Talisman, vor dem die mä chtigen Gestalten fliehen. « —

Dem Peregrinus kam Rö schen in diesem Augenblick vor wie ein hö heres Wesen, jedes ihrer Worte wie Trost des Himmels. Ein unbeschreiblich Gefü hl der reinsten Wonne durchströ mte sein Innres, wie milder sü ß er Frü hlingshauch. Er war nicht mehr der Sü nder, der vermeß ne Frevler, fü r den er sich gehalten, er glaubte mit Entzü cken zu erkennen, daß er wert sei der Liebe der holdesten, engelreinsten Jungfrau.

Der Buchbinder Lä mmerhirt kehrte mit seiner Familie von einem Spaziergang zurü ck.

Dem Peregrinus, so wie dem sü ß en Rö schen, strö mte das Herz ü ber, und Herr Peregrinus verließ beim Einbruch der Nacht die enge Wohnung des himmelhoch erfreuten Buchbinders und seiner guten Alten, die vor lauter Wonne und Freude ein wenig mehr schluchzten als gerade nö tig, als glü cklicher, seliger Brä utigam.

Alle glaubwü rdige und sehr authentische Notizen, aus denen diese wundersame Geschichte entnommen, stimmen darin ü berein, und der hundertjä hrige Kalender bestä tigte es, daß gerade in der Nacht, da Herr Peregrinus Tyß als glü cklicher Brä utigam nach Hause kam, der Vollmond sehr hell und freundlich schien, so daß der ganze Roß markt sich in seinem Silberglanz gar anmutig geputzt hatte. Natü rlich scheint es, daß Herr Peregrinus Tyß, statt die Ruhe zu suchen, sich ins offene Fenster legte, um, wie es Liebenden ziemlich ist und wohl ansteht, in den Mond kuckend, noch ein wenig den Gedanken an seine holde Geliebte nachzuhä ngen.

Mag es nun aber auch bei dem geneigten Leser, vorzü glich aber bei den geneigten Leserinnen, dem Herrn Peregrinus Tyß zum offenbaren Nachteil gereichen, der Wahrheit muß ihr Recht geschehen, und es darf nicht verschwiegen bleiben, daß Herr Peregrinus, trotz seiner Seligkeit, zweimal so ü bermä ß ig und so laut gä hnte, daß ein etwas angetrunkener Markthelfer, der gerade ü ber die Straß e taumelte, ihm laut zurief: »Na! Er da oben mit der weiß en Nachtmü tze, freß Er mich nur nicht auf! « Dies war nun die genü gende Ursache, warum Herr Peregrinus Tyß ganz unwillig das Fenster zuwarf, so daß die Scheiben klirrten. Man will sogar behaupten, daß er wä hnend dieses Akts laut genug gerufen: »Grober Schlingel!! « Doch kann dies durchaus nicht verbü rgt werden, da solches mit seiner sanften Gemü tsart und Seelenstimmung ganz unverträ glich scheint. Genug! Herr Peregrinus Tyß warf das Fenster zu und begab sich zur Ruhe. Das Bedü rfnis des Schlafes schien indessen durch jenes unmä ß ige Gä hnen beseitigt zu sein. Gedanken und Gedanken durchkreuzten sein Gehirn, und vorzü glich lebhaft trat ihm die ü berstandene Gefahr vor Augen, da eine finstere Macht ihn zu einem versuchten Gebrauch des mikroskopischen Glases verlocken wollen, doch nun erst ging es ihm auch deutlich auf, daß Meister Flohs verhä ngnisvolles Geschenk, habe er es selbst auch gut damit gemeint, doch in jedem Betracht ein Geschenk sei, das der Hö lle angehö re.

»Wie? « sprach er zu sich selbst, »ein Mensch, der die geheimsten Gedanken seiner Brü der erforscht, bringt ü ber den diese verhä ngnisvolle Gabe nicht jenes entsetzliche Verhä ngnis, welches den ewigen Juden traf, der durch das bunteste Gewü hl der Welt ohne Freude, ohne Hoffnung, ohne Schmerz, in dumpfer Gleichgü ltigkeit, die das Caput mortuum der Verzweiflung ist, wie durch eine unwirtbare trostlose Einö de wandelte?

Immer aufs neue hoffend, immer aufs neue vertrauend und immer wieder bitter getä uscht, wie kann es anders mö glich sein, als daß Miß trauen, bö ser Argwohn, Haß, Rachsucht der Seele sich festnisten und jede Spur des wahrhaft menschlichen Prinzips, das sich ausspricht in mildem Vertrauen, in frommer Gutmü tigkeit, wegzehren muß? Nein! dein freundliches Gesicht, deine glatten Worte sollen mich nicht tä uschen, du, in dessen tiefem Innern vielleicht unverdienter Haß gegen mich verborgen; ich will dich fü r meinen Freund halten, ich will dir Gutes erzeigen, wie ich nur kann, ich will dir meine Seele erschließ en, weil es mir wohl tut, und das bittere Gefü hl des Augenblicks, wenn du mich enttä uschest, ist gering zu achten gegen die Freuden eines schö nen vergangenen Traumes. Und selbst die wahrhaften Freunde, die es wirklich gut meinen — wie wandelbar ist des Menschen Gemü t! Kann nicht selbst ein bö ses Zusammentreffen widerwä rtiger Umstä nde, eine Miß stimmung, von der Unbill des launischen Zufalls erzeugt, in der Seele dieser Freunde einen vorü bergehenden feindseligen Gedanken hervorbringen?

Und diesen Gedanken — erfaß t das unglü ckselige Glas, finsteres Miß trauen erfü llt das Gemü t, und im ungerechtesten Zorn, in wahnsinniger Betö rtheit, stoß ' ich auch den wahren Freund von der Brust, und immer tiefer und tiefer bis in die Wurzel des Lebens friß t das tö tende Gift des bö sen Grolls, der mich mit allem Sein hienieden entzweit, mich mir selbst entfremdet.

Nein! Frevel, ruchloser Frevel ist es, sich wie jener gefallene Engel des Lichts, der die Sü nde ü ber die Welt brachte, gleichstellen zu wollen der ewigen Macht, die das Innere des Menschen durchschaut, weil sie es beherrscht.

Fort, fort mit der unseligen Gabe! «

Herr Peregrinus Tyß hatte das kleine Schä chtelchen, worin das mikroskopische Glas befindlich, ergriffen, und war im Begriff, es mit aller Gewalt gegen die Stubendecke zu schleudern.

Plö tzlich saß Meister Floh in seiner mikroskopischen Gestalt, gar hü bsch und anmutig anzuschauen, mit gleiß endem Schuppenpanzer und den schö nsten polierten goldenen Stiefeln, dicht vor dem Herrn Peregrinus Tyß auf der Bettdecke. »Halt! « rief er, »halt, Verehrtester! beginnt kein unnü tzes Zeug! Eher wü rdet Ihr ein Sonnenstä ubchen vernichten, als dieses kleine unvertilgbare Glas auch nur einen Fuß breit fortschaffen, solange ich in der Nä he bin. Ü brigens hatte ich mich, ohne daß Ihr es merktet, schon beim ehrlichen Buchbindermeister Lä mmerhirt, wie gewö hnlich, in der Falte Eurer Halsbinde versteckt und war daher Zeuge alles dessen, was sich begeben. Ebenso habe ich Euer jetziges erbauliches Selbstgesprä ch mit angehö rt und manche Lehre daraus gezogen.

Zuvö rderst habt Ihr jetzt erst Euer, von der wahrhaften Liebe rein beseeltes Gemü t, in der glä nzendsten Glorie, wie einen mä chtigen Strahl aus Euerm Innern hervorblitzen lassen, so daß, wie ich glaube, der hö chste entscheidende Moment sich naht.

Dann habe ich auch eingesehen, daß, in Rü cksicht des mikroskopischen Glases, ich in groß em Irrtum befangen war. Glaubt es mir, verehrtester, geprü ftester Freund, ohnerachtet ich nicht das Vergnü gen habe, ein Mensch zu sein wie Ihr, sondern nur ein Floh, wiewohl kein simpler, sondern ein graduierter, meiner glorreichen Meisterschaft halber, so verstehe ich mich dennoch sehr gut auf das menschliche Gemü t und auf das Tun und Treiben der Menschen, unter denen ich ja bestä ndig hausiere. Manches Mal kommt mir dies Treiben sehr possierlich, beinahe albern vor; nehmt das nicht ü bel, Verehrtester, ich sage das nur als Meister Floh. Ihr habt recht, mein Freund, es wä re ein garstiges Ding und kö nnte unmö glich zu Gutem fü hren, wenn ein Mensch dem andern so mir nichts dir nichts durch das Gehirn schaute; dem unbefangenen heitern Floh ist indessen diese Gabe des mikroskopischen Glases durchaus nicht im mindesten bedrohlich.

Ihr wiß t es, verehrtester und bald, will es das Geschick, glü ckseligster Herr Peregrinus, meine Nation ist leichten, ja leichtfertigen, mutigen Sinnes, und man kö nnte sagen, sie bestehe aus lauter jugendlich kecken Springinsfelden.

Dabei kann ich meinesteils mich aber einer gar besondern Lebensklugheit berü hmen, die euch weisen Menschenkindern gemeinhin abzugehen pflegt. Das heiß t, ich habe nie etwas getan im ungeschicklichen Moment. Stechen ist nun einmal das Hauptbedingnis meines Seins; aber stets habe ich zu rechter Zeit und an rechter Stelle gestochen. Laß t Euch das zu Herzen gehen, ehrlicher treuer Freund!

Ich empfange nun das Euch zugedachte Geschenk, welcher weder das Prä parat von Menschen, Swammerdamm genannt, noch der sich selbst in kleinlicher Miß gunst verzehrende Leuwenhoek besitzen konnte, aus Euren Hä nden zurü ck und werde es getreu bewahren. Jetzt, mein verehrtester Herr Tyß, ü berlaß t Euch dem Schlummer. Bald werdet Ihr in ein trä umerisches Delirium verfallen, in welchem der groß e Moment sich kundtut. Zu rechter Zeit bin ich wieder bei Euch. «

Meister Floh verschwand, und der Glanz, den er verbreitet, verlö schte in der tiefen finstren Nacht des Zimmers, dessen Vorhä nge fest zugezogen.

Es geschah, wie Meister Floh gesagt hatte.

Herr Peregrinus Tyß wä hnte bald, er liege an dem Ufer eines rauschenden Waldbachs und vernehme das Sä useln des Windes, das Flü stern der Gebü sche, das Summen von tausend Insekten, die ihn umschwirrten. Dann war es, als wü rden seltsame Stimmen vernehmbar, und deutlicher und immer deutlicher, so daß Peregrinus zuletzt Worte zu verstehen glaubte.

Doch nur ein verwirrtes sinnbetö rendes Geschwä tz drang in sein Ohr.

Endlich begann eine dumpfe feierliche Stimme, die jedoch immer heller und heller erklang, folgende Worte:

»Unglü cklicher Kö nig Sekakis, der du das Verstä ndnis der Natur verschmä htest, der du, verblendet von dem bö sen Zauber des arglistigen Dä mons, den falschen Teraphim erschautest, statt des wahrhaften Geistes.

An jenem verhä ngnisvollen Orte, auf Famagusta, in tiefem Schacht der Erde verborgen, lag der Talisman, doch da du dich selbst vernichtet, gab es kein Prinzip, seine erstarrte Kraft zu entzü nden.

Vergebens opfertest du deine Tochter, die schö ne Gamaheh, vergebens war die Liebesverzweiflung der Distel Zeherit; doch auch ohnmä chtig und wirkungslos blieb der Blutdurst des Egelprinzen. Gezwungen wurde selbst der tö lpische Genius Thetel, die sü ß e Beute fahren zu lassen, denn so mä chtig war noch, o Kö nig Sekakis, dein halberloschener Gedanke, daß du die Verlorne wiedergeben konntest dem Urelement, dem sie entsprossen.

Wahnsinnige Detailhä ndler der Natur, daß euch die Arme in die Hä nde fallen muß te, da ihr sie in dem Blumenstaub jener verhä ngnisvollen Harlemer Tulpe entdecktet! Daß ihr sie quä len muß tet mit euren abscheulichen Versuchen, in kindischem Ü bermut wä hnend, ihr vermö chtet durch eure schnö den Kü nste das zu bewirken, was nur durch die Kraft jenes schlummernden Talismans geschehen kann!

Und auch dir, Meister Floh, mocht' es nicht vergö nnt sein, das Geheimnis zu durchschauen, da deinem klaren Blick doch nicht die Kraft innewohnte, einzudringen in die Tiefe der Erde und den erstarrten Karfunkel zu erspä hen.

Die Gestirne zogen daher, durchkreuzten sich auf ihrer Bahn in wunderbaren Schwingungen, und furchtbare Konstellationen erzeugten das Staunenswerte, das dem blö den Auge des Menschen Unerforschliche. Doch kein siderischer Konflikt weckte den Karfunkel; denn nicht geboren wurde das menschliche Gemü t, das den Karfunkel hegen und pflegen mü ß te, damit er in der Erkenntnis des Hö chsten in der menschlichen Natur erwache zu freudigem Leben — doch endlich! —

Das Wunder ist erfü llt, der Augenblick ist gekommen. -

Ein heller flackernder Schein fuhr bei Peregrinus' Augen vorü ber. Er erwachte halb aus der Betä ubung und — gewahrte zu seinem nicht geringen Erstaunen den Meister Floh, der in seiner mikroskopischen Gestalt, jedoch in den schö nsten faltenreichen Talar gehü llt, eine hochauflodernde Fackel in den Vorderpfö tchen haltend, emsig und geschä ftig in dem Zimmer auf und nieder hü pfte und dabei feine gellende Tö ne ausstieß.

Herr Peregrinus wollte sich ganz aus dem Schlafe ermuntern, doch plö tzlich zuckten tausend feurige Blitze durch das Gemach, das bald von einem einzigen glü henden Feuerballe erfü llt schien.

Da durchzog aber ein milder aromatischer Duft das wilde Feuer, das bald wegloderte und zum sanften Mondesschimmer wurde.

Peregrinus fand sich wieder auf einem prä chtigen Throne stehend, in den reichen Gewä ndern eines indischen Kö nigs, das funkelnde Diadem auf dem Haupte, die bedeutungsvolle Lotosblume statt des Szepters in der Hand. Der Thron stand in einem unabsehbaren Saal errichtet, dessen tausend Sä ulen schlanke, himmelhohe Zedern waren.

Dazwischen erhoben aus dunklem Gesträ uch die schö nsten Rosen, sowie wundervolle sü ß duftende Blumen jeder Art, ihre Hä upter empor, wie in dü rstender Sehnsucht nach dem reinen Azur, das, durch die verschlungenen Zweige der Zedern glä nzend, wie mit liebenden Augen hinabblickte.

Peregrinus erkannte sich selbst, er fü hlte, daß der zum Leben entzü ndete Karfunkel glü he in seiner eigenen Brust.

Im fernsten Hintergrund bemü hte sich der Genius Thetel, in die Lü fte zu steigen, doch erreichte er nicht die halbe Hö he der Zedernstä mme, sondern plumpte schmachvoll zur Erde nieder.

Hier kroch aber der garstige Egelprinz in widerwä rtigen Krü mmungen hin und her und suchte sich auf ekelhafte Weise bald dick aufzublasen, bald sich lang zu ziehen, und dabei stö hnte er: »Gamaheh — doch mein! «

In der Mitte des Saals saß en auf kolossalen Mikroskopen Leuwenhoek und Swammerdamm und schnitten gar klä gliche, jä mmerliche Gesichter, indem sie sich vorwurfsvoll wechselweise zuriefen: »Seht Ihr, das war der Punkt im Horoskop, dessen Bedeutung Ihr nicht herausbringen konntet. Auf ewig ist uns der Talisman verloren! « Dicht an den Stufen des Thrones schienen aber Dö rtje Elverdink und George Pepusch nicht sowohl zu schlummern, als in tiefer Ohnmacht versunken.

Peregrinus oder — wir kö nnen ihn jetzt allenfalls so nennen — Kö nig Sekakis, schlug den Kö nigsmantel, dessen Falten seine Brust bedeckten, zurü ck, und aus seinem Innern schoß der Karfunkel, wie Himmelsfeuer, blendende Strahlen durch den weiten Saal.

Mit einem dumpfen Geä chze zerstä ubte der Genius Thetel, indem er sich eben aufs neue in die Hö he schwingen wollte, in unzä hlige farblose Flocken, die, wie vom Sturme gejagt, sich im Gebü sche verloren.

Mit dem entsetzlichen Tone des herzzerschneidendsten Jammers krü mmte sich der Egelprinz zusammen, verschwand in der Erde, und man vernahm ein unwilliges Brausen, als nehme sie den hä ß lichen unwillkommenen Flü chtling nur ungern auf in ihren Schoß. Leuwenhoek und Swammerdamm waren von den Mikroskopen herab in sich selbst zusammengesunken, und man vernahm aus ihrem angstvollen Stö hnen und Ä chzen, aus ihren bangen Todesseufzern, daß eine harte Qual sie erfaß t.

Aber Dö rtje Elverdink und George Pepusch, oder wie sie hier besser zu benennen, die Prinzessin Gamaheh und die Distel Zeherit, waren aus ihrer Ohnmacht erwacht und hingekniet vor dem Kö nige, zu dem sie in sehnsü chtigen Seufzern zu flehen schienen. Doch senkten sie den Blick zur Erde, als vermochten sie nicht den Glanz des strahlenden Karfunkels zu ertragen.

Sehr feierlich sprach nun Peregrinus:

»Aus schnö dem Ton und den Federflocken, die ein einfä ltiger, schwerfä lliger Strauß verloren, hatte dich der bö se Dä mon zusammengeknetet, dich, der du die Menschen tä uschen solltest als Genius Thetel, deshalb vernichtete dich der Strahl der Liebe, dich leeres, wirres Phantom, und du muß test zerstä uben in das gehaltlose Nichts.

Und auch du, blutdü rstiges Ungetü m der Nacht, verhaß ter Egelprinz, muß test vor dem Strahl des glü henden Karfunkeis entfliehen in den Schoß der Erde.

Aber ihr arme Betö rten, unglü cklicher Swammerdamm, beklagenswerter Leuwenhoek, euer ganzes Leben war ein unaufhö rlicher ununterbrochener Irrtum. Ihr trachtetet die Natur zu erforschen, ohne die Bedeutung ihres innersten Wesens zu ahnen.

Ihrwagtet es, einzudringen in ihre Werkstatt und ihre geheimnisvolle Arbeit belauschen zu wollen, wä hnend, daß es euch gelingen werde, ungestraft die furchtbaren Geheimnisse jener Untiefen, die dem menschlichen Auge unerforschlich, zu erschauen. Euer Herz blieb tot und starr, niemals hat die wahrhafte Liebe euer Wesen entzü ndet, niemals haben die Blumen, die bunten leichtgeflü gelten Insekten, zu euch gesprochen mit sü ß en Worten. Ihr glaubtet die hohen heiligen Wunder der Natur in frommer Bewunderung und Andacht anzuschauen, aber indem ihr in freveligem Beginnen die Bedingnisse jener Wunder bis in den innersten Keim zu erforschen euch abmü htet, vernichtetet ihr selbst jene Andacht, und die Erkenntnis, nach der ihr strebtet, war nur ein Phantom, von dem ihr getä uscht wurdet, wie neugierige, vorwitzige Kinder.

Toren! euch gibt der Strahl des Karfunkels keinen Trost, keine Hoffnung mehr. «

»Ha, ha! noch ist wohl Trost, noch ist wohl Hoffnung, die Alte begibt sich zu den Alten, das ist 'ne Liebe, das ist 'ne Treue, das ist 'ne Zä rtlichkeit. Und die alte ist nun wirklich eine Kö nigin und fü hrt ihr Swammerdä mmchen, ihr Leuwenhoekchen in ihr Reich, und da sich schö ne Prinzen und zupfen Silberfaden und Goldfaden und Seidenflickchen aus und verrichten andere gescheute und sehr nü tzliche Dinge. «

So sprach die alte Aline, die plö tzlich in wunderlichen Kleidern angetan, welche beinahe dem Anzuge der Kö nigin von Golkonda in der Oper glichen, zwischen beiden Mikroskopisten stand. Diese waren aber auf solche Weise zusammengeschrumpft, daß sie kaum noch eine Spanne hoch zu sein schienen. Die Kö nigin von Golkonda nahm die Kleinen, welche merklich ä chzten und stö hnten, an ihre Brust und liebkoste und hä tschelte sie wie kleine Bü bchen, indem sie ihnen mit tä ndelnden Worten freundlich zusprach. Darauf legte die Kö nigin von Golkonda ihre niedlichen Pü ppchen in zwei kleine sehr zierlich aus dem schö nsten Elfenbein geschnitzte Wiegen und wiegte sie, indem sie dabei sang:

 

»Schlaf, mein Kindchen, schlaf,

Im Garten gehn zwei Schaf,

Ein schwarzes und ein weiß es« usw.

 

Wä hrend dies geschah, knieten die Prinzessin Gamaheh und die Distel Zeherit noch immer auf den Stufen des Throns.

Da sprach Peregrinus: »Nein! Verstorben ist der Irrtum, der dein Leben verstö rte, du geliebtes Paar. Kommt an meine Brust, Geliebte! Der Strahl des Karfunkels wird euer Herz durchdringen, und ihr werdet die Seligkeit des Himmels genieß en. « Mit einem Laut freudiger Hoffnung erhoben sich beide, die Prinzessin Gamaheh und die Distel Zeherit, und Peregrinus drü ckte sie fest an sein flammendes Herz.

Sowie er sie ließ, fielen sie sich in hohem Entzü cken in die Arme; — verschwunden war die Leichenblä sse von ihrem Antlitz, und frisches jungendliches Leben blü hte auf ihren Wangen, leuchtete aus ihren Augen.

Meister Floh, der so lange wie ein zierlicher Trabant an der Seite des Thrones gestanden, nahm plö tzlich seine natü rliche Gestalt an und sprang, indem er laut gellend rief: »Alte Liebe rostet nicht! « mit einem tü chtigen Satz hinein in Dö rtjes Nacken.

Doch o Wunder, in demselben Augenblick lag auch Rö schen, in hoher unbeschreiblicher Anmut holder Jungfrä ulichkeit prangend, ü berstrahlt von dem Glanz der reinsten Liebe, wie ein Cherub des Himmels, an Peregrinus' Busen

Da rauschten die Zweige der Zedern, und hö her und freudiger erhoben die Blumen ihre Hä upter und gleitende Paradiesvö gel schwangen sich durch den Saal, und sü ß e Melodien strö mten aus den dunklen Bü schen, und wie aus weiter Ferne hallte jauchzender Jubel, und ein tausendstimmiger Hymnus der ü berschwenglichen Lust erfü llte die Lü fte, und in der heiligen Weihe der Liebe regten sich die hö chsten Wonnen des Lebens und spü hten und loderten empor, reines Ä therfeuer des Himmels! -

 

Herr Peregrinus Tyß hatte in der Nä he der Stadt ein gar schö nes Landhaus gekauft, und hier sollte an einem Tage seine, sowie die Hochzeit seines Freundes George Pepusch mit der kleinen Dö rtje Elverdink, gefeiert werden.

Der geneigte Leser erlä ß t es mir wohl, den Hochzeitsschmaus zu beschreiben, sowie genau zu sagen, wie sich ü brigens allen an dem festlichen Tage begeben.

Gerne ü berlasse ich es auch den schö nen Leserinnen, den Anzug der beiden Brä ute so zu ordnen, wie das Bild davon ihrer Fantasie gerade vorschwebt. Zu bemerken ist nur, daß Peregrinus und sein holdes Rö schen die heitre kindliche Unbefangenheit selbst, George und Dö rtje dagegen tief in sich gekehrt waren und Blick in Blick gesenkt, nur sich zu schauen, zu fü hlen, zu denken schienen.

 

Es war Mitternacht, als plö tzlich der balsamische Geruch der groß blumigen Fackeldistel den ganzen weiten Garten, das ganze Landhaus durchdrang.

Peregrinus erwachte aus dem Schlaf, er glaubte tief klagende Melodien einer hoffnungslosen Sehnsucht zu vernehmen, und ein seltsames ahnendes Gefü hl bemeisterte sich seiner.

Es war ihm, als reiß e sich ein Freund gewaltsam von seinem Busen.

Am andern Morgen wurde das zweite Brautpaar, nä mlich George Pepusch und Dö rtje Elverdink, vermiß t, und man erstaunte nicht wenig, als man wahrnahm, daß sie das Brautgemach gar nicht betreten.

Der Gä rtner kam in diesem Augenblick ganz auß er sich herbei und rief: er wisse gar nicht, was er davon denken solle, aber ein seltsames Wunder sei im Garten aufgegangen.

Die ganze Nacht habe er vom blü henden Cactus grandiflorus geträ umt und nun erst die Ursache davon erfahren. Man solle nur kommen und schauen.

Peregrinus und Rö schen gingen herab in den Garten. In der Mitte eines schö nen Bosketts war eine hohe Fackeldistel emporgeschossen, die ihre im Morgenstrahl verwelkte Blü te hinabsenkte, und um diese Blü te schlang sich liebend eine lila- und gelbgestreifte Tulpe, die auch den Pflanzentod gestorben.

»O meine Ahnung«, rief Peregrinus, indem ihm die Stimme vor tiefer Wehmut bebte, »o meine Ahnung, sie hat mich nicht getä uscht! Der Strahl des Karfunkels, der mich zum hö chsten Leben entzü ndete, gab dir den Tod, du durch seltsame Verschlingungen eines geheimnisvollen Zwiespalts dunkler Mä chte verbundenes Paar.

Das Mysterium ist erschlossen, der hö chste Augenblick alles erfü llten Sehnens war auch der Augenblick deines Todes. «

Auch Rö schen schien die Bedeutung des Wunders zu ahnen, sie bü ckte sich zu der armen gestorbenen Tulpe herab und vergoß hä ufige Trä nen.

»Ihr habt ganz recht«, sprach Meister Floh (der plö tzlich in seiner anmutigen mikroskopischen Gestalt auf der Fackeldistel saß ), »ja, Ihr habt ganz recht, wertester Herr Peregrinus; es verhä lt sich alles so, wie Ihr da eben gesprochen habt, und ich verlor nun meine Geliebte auf immer. «

Rö schen hatte sich beinahe ü ber das kleine Ungetü m entsetzt, da Meister Floh sie aber mit solchen klugen freundlichen Augen anblickte und Herr Peregrinus so vertraulich mit ihm tat, so faß te sie ein Herz, schaute ihm dreist ins kleine niedliche Antlitz und gewann um so mehr Zutrauen zu der kleinen sonderbaren Kreatur, als Peregrinus ihr zuflü sterte: »Das ist mein guter lieber Meister Floh«.

»Mein bester Peregrinus«, sprach nun Meister Floh sehr zä rtlich, »meine holde liebe Frau, ich muß euch nun verlassen und zurü ckkehren zu meinem Volke, doch werde ich euch treu und freundlich gewogen bleiben immerdar, und ihr sollt meine Gegenwart auf euch ergö tzliche Weise verspü ren. Lebt wohl, lebt beide herzlich wohl! Alles Glü ck mit euch! «

Meister Floh hatte wä hrend dieser Zeit seine natü rliche Gestalt angenommen und war spurlos verschwunden. —

Wirklich soll sich auch Meister Floh in der Familie des Herrn Peregrinus Tyß stets als ein guter Hausgeist bewiesen haben und vorzü glich tä tig gewesen sein, als nach Jahresfrist ein kleiner Peregrinus das holde Paar erfreute. Da hat Meister Floh am Bette der holden Frau gesessen und der Wä rterin in die Nase gestochen, wenn sie eingeschlafen, ist in die miß ratene Krankensuppe hinein- und wieder herausgesprungen usw.

Gar hü bsch war es aber von dem Meister Floh, daß er der Tyß schen Nachkommenschaft am Christtage es nie an den zierlichsten, von den geschicktesten Kü nstlern seines Volkes ausgearbeiteten Spielsä chelchen fehlen ließ, so aber den Herrn Peregrinus Tyß auf gar angenehme Weise an jene verhä ngnisvolle Weihnachtsbescherung erinnerte, die gleichsam das Nest der wunderbarsten, tollsten Ereignisse zu nennen.

 

Hier brachen plö tzlich alle weiteren Notizen ab, und die wundersame Geschichte von dem Meister Floh nimmt ein frö hliches und erwü nschtes

Ende

 



  

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