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Romanzen vom Rosenkranz 3 страница



Von dem wilden Sang erwecket,
Kam nun Apo auch zu Sinnen,
Der in seiner Weisheit Netzen
Hing wie eine giftge Spinne.

Und kaum trat er auf die Schwelle,
Nä hert sich der heilgen Linde,
Als ein Lebehoch entgegen
Ihm von allen Lippen dringet.

Aber vor ihm fliegt ein Degen,
Senkrecht in die Erde dringend,
Den Meliore seinem Gegener
Krä ftig aus der Faust legierte.

Und Apone fragt verlegen:
" Wer hat diesen Gruß geschicket? "
Und Meliore spricht: " Vergebet,
Es ist meines Gegners Klinge.

Nicht um Ehre, noch um Leben
Fecht ich hier, bloß um die Klinge:
Diese euch zu Fü ß en legend,
Wä hlt mein Glü ck euch selbst zum Richter.

Und ich reich euch meinen Degen,
Weil ich kann mit beß rer Sitte
Weder rechten hier, noch fechten! "
Spricht Apone — " Werdet stille!

Denn es ist ein schwerer Frevel,
Jetzt Tumulte anzuspinnen,
Da der ganze Staat sich trennet
In zwei feindliche Partien.

Wer jetzt offnen Lä rm erreget,
Gleicht der Krä he, welche pickend
Auf dem hohen Alpenschnee
Anstoß gibt zu den Lawinen,

Die sich wä lzend mä chtig schwellen
Und verderbend niederdringen,
Mit des kalten Eises Decke
Stä dt und Dö rfer ü berrinnend.

Ü bt ihr also meine Lehre,
Die euch auf die stolze Spitze
Hö hrer Anschauung gestellet
Der Natur und der Geschichte?

O, ihr kramt noch im Elenden,
Streitend um gemachte Lichter,
Ihr, die ich so frei gelehret
Mit den Sternen umzuspringen!

Wollt ihr hier die Gieremei
Und die Lambertazzi spielen,
Die blind gen einander fechtend
Tö richt hier ihr Blut vergieß en?

Welcher Jammer kö nnt entstehen,
Wenn, in euern Lä rm sich mischend,
Die argwö hnenden Geschlechter
Sich erblickten und erhitzten?

Und schon seh ich allerwegen
Mü ß ig Volk heran sich ziehen.
Stecket ruhig ein die Degen,
Tretet um mich bei der Linde.

Wer war unter euch zugegen
Und nicht in den Streit verwickelt?
Er soll treulich das Entstehen
Dieses Kampfes mir berichten. "

Aufgefordert naht der Redner,
Beiß t rhetorisch sich die Lippe:
" Meister, deine Weisheit ehrend,
Preis ich selig mein Geschicke,

Daß mir ward ein groß er Lehrer,
Der mich lehrte Frieden stiften.
Frü her schon war mein Bestreben,
Diesen Zwiespalt zu vermitteln.

Doch mir war der Wind entgegen,
Der hier weht durch diese Linde,
Und die reizende Sirene,
Die in diesen Meeren singet.

Er verachtete mein Reden,
Und mit frecher Hand beschimpfte
Jenen er, der von Biondetten
Eine Pause wollt erzwingen.

Aber nicht um eigne Ehre
Hat der Kampf sich so erhitzet;
Herr, es galt um deine Lehre,
Die er traf mit giftgem Witze! "

Also schloß der falsche Gegner. —
Apo spricht: " Nun ins Gesichte
Wiederhole mir die Reden,
Knabe, die du sprachst zum Schimpfe! "

Doch Meliore hat vergessen,
Daß er stehet im Gerichte;
Er gedenket an Biondetten,
Wie sie sang die Totenhymne.

Was sie fromm fü r ihn gebetet,
Als er flehend zu ihr blickte,
Fü hlt er schon als Himmelssegen
Sich durch alle Adern rinnen.

Wie in geisterfü llte Segel
Blickt er ins Gewö lb der Linde,
Freudig stö ß t er ab die Erde,
Hin nach schö nrer Heimat dringend.

Aber wie am Sterbebette
Rechnend gern der Teufel sitzet,
Zerrt ihn nun Apones Rede
Vom Unendlichen zur Ziffer.

" Meister, was Ihr habt begehret,
Laß t mich gü tig nochmals wissen,
Sagt mir's schnelle, denn die Schwelle
Meines irdschen Hauses zittert. "

Apo spricht: " Was meiner Ehre,
Meiner Lehre du zum Schimpfe
Sprachst, des Streites freche Quelle,
Sollst du in den Bart mir spritzen! "

Und Meliore spricht: " Vollendet
Hatte Guido grad, der Bildner,
Ein Gemä lde voller Schrecken
Und zur Schau es ausgestellet.

Wie Aglaure und die Schwestern
Wild vom Wahnsinn sind ergriffen,
Kniend um den Korb Athenes,
Den sie treulos aufgerissen.

Giftig aus dem Korbe strecken,
Um das Kind Erechtheus ringelnd,
Sich zwei Schlangen, und Entsetzen
Packt die tö richten Geschwister.

Um den Busen will sich Herfe
Gü rtend eine Schlange winden,
Und es steigt ihr Haar zu Berge,
Denn das Tier hä ngt an dem Kinde.

Und Aglaurens Fä uste treffen
Rasend ihre eigne Stirne,
Wä hrend Krampf die Fü ß e hebet
Und zu wilden Sprü ngen zwinget.

Und Pandrosa zuchtvergessen
Hat sich das Gewand zerrissen;
Antlitz, Busen, Schoß und Lende
Sind ein Spiegel der Erynnen.

Hinter ihnen steht Athene,
Ernst in Marmor gottgebildet;
Bö sen Fluges Vö gel schweben
Um der fernen Tempel Zinnen.

Still und mannigfach erreget
Hatten wir dies Bild umringet,
Bis, sich ja nicht zu vergessen,
Einer alle schnell erinnert:

" Jedes Kunstwerk, das vollendet",
Sprach er und zog hoch die Stirne,
" Muß, um klar sich auszusprechen, # wird niemals beendet
Stehen auf ewigen Begriffen.

Doch, wie ich mich auch mag setzen,
Vor und in und nach dem Bilde,
Seh ich tot nur vor mir stehen
Dieses Werk des alten Pinsels. —

Ei, der zweite ihm entgegnet,
Mit der Schlange bei dem Kinde
Ist wohl auf das Leid des Herren
Und den Sü ndenfall gestichelt. —

Mit den tö richten drei Schwestern
Meinet er, sprach dann der dritte,
Juden, Christen, Sarazenen
Streitend um die wahre Kirche. —

Und der vierte nun versetzte:
Die drei Tugenden der Christen
Sind es, die sich toll gebä rden:
Glaube, Hoffnung und die Liebe: —

Und ein fü nfter sprach: Ich sehe
Hier entsetzt die Charitinnen
Vor dem dreigeeinten Helden
In angstvoller Flucht begriffen. —

Ach, was kö nnen, sprach der sechste,
Juden, Sarazenen, Christen
Und die Grazien hier erhellen,
Die doch selbst Allegorien!

Mir sind es die drei Essenzen,
Die das Wesen Gottes bilden,
Im Begriffe eins zu werden
In dem Wahnsinne der Christen.

Und der siebente wollt sehen
Die drei Punkte Syllogismi,
Denen Abä lard das Wesen
Der Dreieinigkeit verglichen.

Ja, sprach dann der achte frecher,
Sie sehn drein wie Heloise,
Die den Mittelsatz entbehret,
Weil den Nachsatz er vermisset.

Doch mir sinds drei Fakultä ten,
Theologen, Mediziner
Und Juristen, sie umgeben
Tief erschreckt Apones Wiege. —

Und noch schlimmrer Rede Frevel
Stand ich vor dem Schreckensbilde
Mehr als durch es selbst entsetzet,
Doch ich wiederhol sie nimmer!

Und nun trat von seiner Schwelle
Guido selbst heraus zum Bilde;
Kahl, ein Greis, in seiner Rechten
Hielt er eines Messers Klinge.

Und er sprach: Mit frecher Rede
Habt ihr mir das Herz zerrissen!
Hat die rä chende Athene
Euch, Gesellen, auch ergriffen?

Wiß t, ich war in tiefster Seele
Lang ob dieser Zeit ergrimmet,
Welche zu entblö ß en strebet,
Was Gott keusch verhü llt will wissen.

Dieses schä ndlichen Entdeckens
Strafe wollte ich hier schildern,
Und ihr treibt denselben Frevel
Mir vor meinem zü chtgen Bilde!

Doch ich folg des Herren Lehre:
Gibt dein Aug dir Ä rgernisse
Reiß es aus, tritts an die Erde!
Liebes Bild, ich muß dich richten. —

Und nun riß er mit dem Messer
Zü rnend durch des Bildes Mitte,
Und zertrat mit bittren Trä nen
Wild sein mü hsam Werk mit Fü ß en.

Seiner lachten noch die Frechen,
Dem das Liebste sie entrissen;
Das traf tief ihn in der Seele,
Und er stand in Trä nen zitternd.

Und das Messer aus der Rechten
Muß t liebkosend ich ihm winden,
Daß er nicht zum Mö rder werde,
Schmeichelnd in das Haus ihn zwingen.

Seine Axt, die in der Ecke
Stand — er ist zugleich ein Zimmrer —
Muß t die Tochter schnell verstecken,
Als ich ä ngstlich ihr gewinket.

Denn er war so tief erreget,
Daß er gä nzlich schien von Sinnen
Und die Tochter kaum erkennte,
Vor ihm auf den Knien liegend.

Und er schrie: O Himmel, sende
Mir die Bä ren, die zerrissen
Jene Buben, den Propheten
Ob des nackten Hauptes schimpfend;

Denn mit Lachen seine Fenster
Jene gottlos noch umringten,
Und die Laden vorzulegen
Wollten sie mich schmä hend hindern.

Schrieen scherzend: Freund, wir sehen
Uns dir heut sehr tief verpflichtet,
Weil du fü r uns einen Bä ren
Angebunden beim Philister! —

Da ich nun hinausgetreten,
Derb die Schmach mir zu verbitten,
Fragte mich dort jener Gegner
Hö hnend mit dem frechen Witze:

Lag das Findelkind Biondette
Auch in solchen Schlangenwindeln,
Weil du, gleich den tollen Schwestern,
Sinnlos wardst, sie anzublicken? —

Alle lachten Beifall gebend.
Fassen konnte ich mich nimmer,
Und ich trat ihm wild entgegen,
Sprach zu ihm mit scharfer Stimme:

Schä m der Rede dich! Athene
Schä mte auch sich dieses Kindes,
Denn sein Vater war, du Frecher,
Frech und wie dein Gleichnis hinkend!

Willst du deutelnd schä rfer treffen,
Sprich: Des Teufels Hirngespinste,
Die mein Lehrer Weisheit nennet,
Sah ich in Erechteus Windeln!

Denn im trunkenem Erfrechen
Will sie sich mit Gott vermischen,
Und empfangen von der Erde
Gleicht sie wohl dem Drachenkinde.

Gleicht das trü be Wortgefechte,
Das die Schule um uns stricket,
Nicht dem Korb, in dem sich's dehnet,
Wenn die Schlangen aufwä rts dringen?

Springt der Decke, und ihr stehet
Auf dem Standpunkt: den Alciden
Glaubt ihr in dem Korb zu sehen,
Wie er Schlangen wü rgt im Schilde!

Schreit auch wohl: " Ich will vergessen,
Daß im Spiegel dies gebildet,
Daß ich selbst ein Gott hier stehe,
Der sich auf sich selbst besinnet!

Und den letzten Flug erhebend
Zu den Gö ttern aufzudringen,
Bringt, den Gnadenstoß zu geben,
Euch der Teufel gar von Sinnen.

Euch steht nur das Haar zu Berge,
Und dies nennt ihr reines Wissen;
Nennts der Isis Schleier heben,
Hebt ihr schamlos euern Kittel!

Wie durchs Maul und um die Kehle
Schlechte Gaukler Viper schlingen,
Zieht der Teufel eure Seelen
Sich durchs Maul philosophierend.

Und ihr kö nnet nicht mehr beten
Und ihr kö nnet nicht mehr dichten.
Die die Schlange hat zertreten,
Ist barmherzig, Gott ist Richter! —

Also habe ich geredet,
Zwar erregt, doch wohl bei Sinnen,
Und sie drä ngten mit dem Degen
Mich bis zu der heilgen Linde,

Wo ich zu Biondettens Ehre,
Aber nicht zu Eurem Schimpfe,
Ruhig bliebt bei meiner Rede.
Meister, nun seid Ihr der Richter! "

Und Apone zornbeweget
Spricht mit falscher Kä lte: " Immer
Betend, horchend, fechtend, redend
Finde ich dich bei der Linde!

Jacopone, dein gelehrter
Bruder, lehrt dich wohl die Schliche;
Er kann auch die Worte drehen
In der Kirch und vor dem Richter.

Er, der die Parteien hetzet,
Um sie kü nstlicher zu schlichten,
Als wenn ich ein Bein verrenkte,
Um es wieder einzurichten.

Ihn, der naseweis sich stellet
In der Fraktionen Mitte, # Faktionen
Werden einst die Schweine fressen
Weil er sich der Kleie mischet.

Du bist von ihm angestecket,
Dem juristischen Philister,
Der verachtend meine Lehre
Im lateinschen Stalle mistet.

Doch die Gieremei werden
Einst verfluchen seine Listen,
Und die Lambertazzi werden
Einst bereuen seine Pfiffe.

Und ihr Streit wird dann erst enden,
Wenn in seines Herzens Mitte
Ihre Klingen sich begegnen,
Einen ewgen Frieden stiftend! "

Und Meliore spricht: " O Lehrer,
Ü bel bleibst du bei der Klinge;
Um mich bitterer zu treffen,
Willst du meinen Bruder schimpfen!

Ungerechter, den gerechten
Bruder du statt meiner schimpfest,
Denn du trä ffst auf den Unrechten,
Schimpftest du ihm zu Gesichte!

Um das Recht mit Spott zu treffen,
Willst die Rechte du beschmitzen,
Doch ich rä che den Gerechten,
Deines Beispiels mich bedienend.

Du sprachst, unser Streit sei Frevel,
Weil er leicht das Volk erhitze,
Und im Zorne wirst du selber
Jener Anstoß der Lawine!

Ob dem reinen Glanz des Schnees
Leicht ein dunkler Rab erbittert,
Und den bö sen Schnabel wetzend,
Stö ß t er nieder die Lawine!

Schmä hst du meines Bruders Ehre,
Dieser Musenalpe Zierde,
Sonnenglä nzend auf dem ewgen
Eispalaste der Juristen,

Schmä hst du ewige Gesetze,
Der Gesellschaft Urgranite,
Dann schimpfst du den Kern der Erde,
Der zum Licht dringt in Gebirgen! " —

" Ja, ich schmä he, " sprach der Lehrer,
" Die Pandektentitel-Flicker
Und die unfruchtbaren Rechte,
Kahl wie deine Urgranite!

Die sich immer kahl vererben,
So wie ö der Berge Gipfel,
Von Geschlechte zu Geschlechte
Ihre alten Knoten schlingend.

Und wie magst du diese Zwerge
In papiernen Nestern nistend,
Noch vergleichen mit den Bergen,
Die juristischen Philister? "

Und Meliore spricht: " Die Zwerge,
Ja sie wohnen in Gebirgen,
Schmieden dort die starken Schwerte,
Eitle Riesen zu bezwingen.

Aus der Tiefe mit den Bergen
Wä chst das Eisen auf zum Lichte,
Und von ihnen wiederkehret
Alles zu der Tiefe wieder.

So steigt nieder von den Bergen
Die Natur, und ihren Gipfeln
Sind die weiten Sü ndflutmeere,
Ist der Zorn zuerst entwichen.

So steigt nieder von den Bergen
Die Geschichte: auf der Spitze
Sinai gab Gott Gesetze
Mosen fü r die Israliten.

Wenn die Erde lä ngst verwelket,
Steht noch das Granitgerippe,
Und des Wassers Flut begegnend
Heulet drum das Spiel der Winde.

So auch stehen die Gesetze,
Wenn die Staaten rings versinken
Und unzä hlige Geschlechter
An dem alten Recht sich bilden. "

Apo spricht: " Das Recht so kennend,
Wirst du das Gesetz auch wissen,
Daß Bologna Repetenten
Nie erkennt ungraduieret.

Und du hast das kaum Erlernte
Dennoch mir hier repetieret;
Du kurzä rmiger Geselle,
Wisse, daß du delirierest!

Denn die Kerkerstrafe stehet
Auf dem offnen Disputieren
Von Studenten gegen jeden,
Den die hö hern Wü rden zieren. " —

" Ja, ich kenne die Gesetze, "
Spricht Meliore, " und die Pflichten
Eines Christen, daß er rede
Den Verkehrten ins Gewissen. " —

" Predge weiter, " sprach der Lehrer,
" Und entpflichte dich, mein Christe,
Daß ich dem Gesetz dich gebe
Ungestö rt in deinen Pflichten! "

Und Meliore sprach: " Ich nenne
Jene Berge, euch Gewitter;
Euer dunkelmaulend Wesen
Ist nur dunkel, um zu blitzen.

Seit die Welt im Zirkel gehet,
Kü hlet sich das Wetter blitzend,
Doch, als sei's das erst und letzte,
Blä ht sich jegliches Gewitter.

Nur daß man die Sterne heller
Sehe auf der Berge Gipfel,
Lasset ihr, euch selbst verwetternd,
Euren trü ben Schwall verwittern.

Und wo werdet ihr dan stehen,
Wann zuletzt der ewge Richter
Nach den ewigen Gesetzen
Euch und jene kommt zu richten?

Die geschimpfet auf die Recht,
Werden stehen auf der Linken,
Da wo Gottes Affen stehen,
Die gefallnen Engel hinkend.

Die unzä hligen Systeme
Frevelnder Philosophien
Werden flehen, bei den Hexen
Auf den Besen aufzusitzen.

Ihr Allfresser, wo des ersten
Magen noch der zweite frisset,
Wenn ihm selbst schon aufgefressen
Seinen Magen hat der dritte!

Ja, der Teufel wird den letzten
Noch zertrennen in der Mitte,
Daß das Maul den Leib kann fressen;
So wird sich die Kete schließ en!

Meister, du hast diese Schwerter
In der Schule selbst geschliffen,
Hö hre Anschauung mich lehrend
Der Natur und der Geschichte. " —

Aber zu dem Volk gewendet
Ruft Apone: " Holla, Sbirren,
Diesen Jü ngling fü hrt zum Kerker! "
Und Meliore wird umringet.

Nochmals blickt er nach Biondetten,
Folget freudig dann den Sbirren,
Als sollt er zur Hochzeit gehen,
Denn er hö ret ihre Stimme.

Und zu seinem Turme kehret
Apo wird, finstern Blickes;
Brach er gleich den Speer der Rede,
Haftet tö dlich doch der Splitter.

Freudig nichtig, gleich Raketen,
Luftgetragen auf den Stimmen
Hö rt er noch ein Vivat brennen,
Und der Schwarm verliert sich singend.

Leise Lü fte hö r ich wehen,
Schü chtern kehren zu der Linde
Auch die Vö gel, und es treten
Aus dem Haus die beiden Kinder.

Rosablanka und Biondette
Grü ß en sich mit stummen Winken;
Da sich ihre Wege trennen,
Lassen sie die Blicke sinken.

** Romanze VI: Pietro

Sieh, es schü rzet Rosablanke
Sich ihr Rö cklein vor dem Tore,
Rü ckt den Korb, daß er nicht wanke,
Sich bequemer auf dem Kopfe.

Ganz befangen in Gedanken
Und erfü llt mit neuer Sorge
Eilet durch das Feld die Schlanke
Wie auf traumbeschwingter Sohle.

Hö ret nicht den " Guten Abend",
Den der Wandrer ihr geboten,
Und erwidert kaum das Amen
Auf ein: Jesus sei gelobet!

Aber an den letzten Garten
Steht des Gä rtners Fenster offen:
" Rosablanke, Rosablanke! "
ruft er ihr mit freudgem Tone.

" Willst du so vorü ber wandeln?
Nimm vorlieb; hier sind Melonen,
Feigen, Ananas, Orangen,
Alle bloß fü r dich gebrochen!

Lange hab ich dein geharret;
Die mit dir zum Markte zogen,
Sind schon lang zurü ckgewandert.
Wo hast du so lang verzogen? "

Und die Jungfrau spricht, sich sammelnd:
" Bald hä tt ich mein Wort gebrochen,
Aber lieber mirs erlasse,
Denn es sinket schon die Sonne!

Ä ngstlicher, als du geharret,
Harret mein der Vater Kosme.
Sieh, wie lange schon die Schatten!
Wä re ich den Berg erst oben!

Sei Geleitsmann deinem Gaste,
Ich will deine Gü te loben! "
Also bittet Rosablanke;
Jener greift nach seinem Korbe,

Fü llt ihn unten mit Orangen,
Legt die zarten Feigen oben,
Hä ngt zur Schulter ihn am Stabe,
Tritt heraus und schließ t die Pforte.

Und er spricht zur Seite wandelnd:
" Zü rnen hä tt ich mit dir sollen,
Sehnlich hab ich dein geharret,
Und nun ist auch dies verloren!

Dies ist ihrer Schritte Schallen,
Glaubt ich, wenn mein Herz so pochte,
Blickte ä ngstlich durch die Kammer
Ob auch alles sei geordnet.

Und wenn ich dann wieder dachte:
Sie versprach dirs nur zum Hohne,
Fü hlt das Herz ich lauter schlagen
Als den Tritt der leichten Sohlen.

Wer mir bot den guten Abend,
War an mir zum Lü gner worden,
Und die schnellen Stunden standen
Boshaft still an meiner Pforte. "

Also sprach er. Trä nen drangen
Ihm ins Aug, geheime Boten
Zü chtger Flamme, die gefangen
Lag bis jetzt im Jugendstolze.

Doch dies fü hlt nicht Rosablanke.
Ungeschickt zu seinem Troste
Spricht sie: " Gib mir die Orangen,
Die du fü r mich abgebrochen! "

Nimmt die goldne Frucht und danket.
Mutiger spricht er: " O Holde,
Wolltest du mit gleichem Danke
Nehmen, was du selbst gebrochen!

Was vertraulich bei dem Mahle
Ich, dein Wirt, dir bieten wollte,
Dieses Herz muß auf der Straß e
Scheu und unstet ich dir opfern.

Mich ernä hret wohl mein Garten;
Um Bologna aller Orten
Siehst du keinen so gewartet
Und so vorteilhaft geordnet.

Und, verzeih, ich muß es sagen;
Also hab ich ihn erzogen
In dem heimlichen Verlangen,
Daß du drinnen mö gest wohnen.

Wä rst du mit hineingegangen,
Unter bunten Blumenkronen
Eine Kö nigin, empfangen
Hä tt ich dich mit dieser Krone! "

Und nun setzt er Rosablanken
Auf das Haupt die Blumenkrone,
Die er in dem Korb bewahret,
Ruhend auf den Frü chten oben.

Und die Jungfrau in Gedanken
Gehet mit bekrä nzten Locken
Ihm zur Seite durch den Abend,
Gleichend einer stummen Flore.

Pietro aber spricht: " Dein Vater
Kö nnte dann bei uns auch wohnen,
Und er wä re nie verlassen,
Eines blieb ihm stets zum Troste.

Und an manchem schö nen Abend
Kö mmt mein Bruder Jacopone,
Der an Weisheit hochgeachtet,
In den Garten, sich erholend.

Und zur Freundin wirst du haben
Rosarosen, seine fromme
Stille Gattin; dir gefallen
Wird mein Bruder auch, Meliore. "

Aber stumm bleibt Rosablanke,
Und der Jü ngling spricht betroffen:
" Schweige nicht, o laß mich Armen
Nicht in zweifelhaftem Troste.

Seit als Gä rtner deinem Vater
Ich gepflegt die roten Rosen,
Trag ich heimlich, Rosablanke,
Weiß er Rosen bittre Dornen.

Ich versetzte ihm im Garten
Weiß e, rote, gelbe Rosen
Und begehrt am letzten Abend
Eine weiß e mir zum Lohne.

Da gabst du von deinem Stamme
Mir ein Zweiglein, dicht in Moose
Hü llt ich's, trug's zu meinem Garten,
Stellt es in den besten Boden.

Schonend ist der Sonne Wagen
Ü ber dieses Reis gezogen,
Segnend hat des Mondes Schale
Guten Tau zu ihm gegossen.

Hoch bei goldnen Pomeranzen
Rankt sie aus den grü nen Wolken,
Deines Namens Sternbild strahle
Gü nstig meinem Horizonte!

Paradiesisch blü ht der Garten,
Seit die Rose bei mir wohnet,
Und ich gleich dem ersten Manne,
Eh das Weib geschaffen worden. "

Aber Rosablanke dachte
Nun des Traums von diesem Morgen,
" Pietro, " sprach sie, " eine Schlange
Rankt um deinen Baum die Rose!

Und der Herr hat sie geschaffen
Aus der sehnsuchtvollen Woge
Seines Busens; des Entschlafnen
Herz entstieg die Traumgeborne.

Die Orange wird zum Apfel,
Und der Apfel wird zum Tode,
Willst du schließ en in die Arme,
Die dir in dem Herzen wohnet.

Heute frü h in meinem Garten
Grub er traurig bei den Rosen
Nach dem gö ttlichen Erbarmen,
Das er mit dem Weib verloren.

Und die bunte, bö se Schlange
Drang zu mir und meinen Rosen,
Doch Mariens Fü ß e traten
Nieder diese Schuld des Todes.

Nimm zurü cke die Orange,
Die du mir vom Baum gebrochen,
Denn ich teile keinen Apfel
Weil der Herr um mich gestorben. "

Also redet Rosablanke.
Pietro schweigt, und tief betroffen
Legt der Jü ngling die Orange
Zu den andern in dem Korbe.

Schweigend gehn sie nun zusammen
Bis zu der Kapelle oben,
Und des Abends Zaubergarten
Schwankt vor ihrem Aug entrollet.

Aus den Tä lern wä chst der Schatten,
Und es betet schon die Sonne
Ihren Abendsegen, schwankend
Auf des Waldes goldnen Kronen.

Durch des Himmels Grü nde wallen
Wolkenschafe, goldgeflocket;
In dem Abendmeere badend
Trinken sie die Purpurwoge.

Und zum Rosengarten wandelt
Sich zu baden nun die Sonne,
Einen Mantel webt im Schatten
Ihr die Nacht aus grauem Flore.

Als sie schwebet ob dem Bade,
Gleicht es einem Feueropfer,
Sie dem Phö nix, der mit Flammen
Sich verjü nget in dem Tode.

Aber rings aus Luft erstarren
Hohe Purpurburgen, golden
Wundervolle Inseln wachsen
Aus des Ä thers glü hnden Wogen.

Und die Inseln werden Drachen
Und die Burgen all Sankt George
Und der Sonne Strahlen Lanzen,
Gen die Drachen blank erhoben.

Aber ewig sich verwandelnd,
Wo sie aufeinander stoß en,
Ziehn sie eine Bucht kristallen
Um der Sonne Bad voll Rosen.

Wie ein Schä fer scheu und schmachtend,
Lauschend schleicht auf leichten Sohlen
Zu der sprö den Hirtin Bade,
Zieht der Mond schon hinter Wolken.

Nieder zuckt sie gleich Dianen;
Jungfrä ulich erglü hnd im Zorne
Spritzt empor sie Goldkristalle,
Birgt den Schoß im Wellenschoß e.

Und der Mond, den Tropfen trafen,
Steht gehö rnt gleich Aktä one,
Und zu Sternen rings erstarren
Um ihn her die goldnen Tropfen.

Mahnend zieht die Nacht den Mantel
Vor des Unterganges Tore,
Und die Herzen fü hlen alle,
Wer verloren, wer gewonnen.

Seine Schmerzen nicht mehr fassend,
Spricht nun Pietro: " Deine Rosen,
Sonne, sind im Abendgarten
All verblutet an den Dornen.

Paris gab den goldnen Apfel
Liebend hin der Schaumgebornen,
Aber mir ward ausgeschlagen
Die Granate, scheu geboten!

Und die Sonne gleicht dem Apfel,
Paris gleicht dem Silbermonde,
Und das Meer des Unterganges
Der entschleierten Dione.

Aber ach, meine Granate
Gleicht den Ä pfeln von Gomorrha,
Innen voll von giftger Asche,
Auß en lustig und voll Wohnne.

Und es drohet mir die blanke
Todessichel dort des Mondes,
Wie in meinem armen Garten
Tö dlich steht die weiß e Rose! " —

" Pietro! " spricht nun Rosablanke,
" Umschaun hat der Herr verboten,
Sahst du in den Abendflammen
Sodom und Gomorrha lodern.

Gab zurü ck ich dir den Apfel,
Denk getrö stet meiner Worte:
Keinen Apfel mit dem Manne
Teil ich; Jesus ist gestorben!

Lasse sinken all dies Trachten,
Lasse sinken diese Sonne,
Lasse wachsen diese Schatten!
Sinkt zur Ruhe, wä chst zum Troste!

Sieh, die Kerne der Granate,
Die verglichen du der Sonne,
Sind als Sterne aufgegangen,
Leuchtend zu den Ewgen Lobe.

Betend sollst du nun betrachten,
Wie gehü tet von dem Monde
Sie wie Gottes Lä mmer wandern,
Und du sollst nicht trauern wollen.

Trauern nicht um die Granate,
Trauern nicht um eine Rose,
Trauern nicht um Rosablanke,
Die dem Himmel sich verlobet! "

Und nun nimmt sie die Gewande
Von Biondetten aus dem Korbe,
Legt sie an und fromm verwandelt
Steht sie eine weiß e Nonne.

Pietro spricht: " Leb wohl, zum Garten
Kehre ich, die Hochzeitskrone
Pfleg ich dir, dir muß sie tragen
weiß e Rosen, mir die Dornen! "

Und zur Erde kniet er jammernd,
Aus den dunklen Augen flossen
Trä nen heiß, und seine Arme
Hielt er schmerzemporgehoben.

Aber in den Bü schen raschelt's,
Und die Jungfrau spricht: " Es kommen
meine Freunde, ausgegangen
Sind die Hirsche, mich zu holen.

Beten werd ich noch heut abend,
Daß die kü hlen Tauestropfen
Diese Nacht dein Herz erlaben,
Und dich ruhig seh der Morgen. "

Pietro spricht: " Es wird die Flamme
In der Nacht noch wilder lodern,
Bü ß end streue meine Asche
Sich ins falbe Haar Aurore! "

Doch sie schreitet zu dem Walde:
" Jesus Christus sei gelobet! "
Pietro spricht ein leises Amen,
Und der Mond tritt aus den Wolken.

** Romanze VII: Kosmes Buß e I

Allem Tagewerk sei Frieden,
Keine Art erschallt im Wald,
Alle Farbe ist geschieden,
Und es raget die Gestalt.

Tauberauschte Blumen schließ en
Ihrer Kelche sü ß en Kranz,
Und die schlummertrunknen Wiesen
Wiegen sich in Traumes Glanz.

Wo die wilden Quellen zielen
Nieder von dem Felsenrand,
Ziehn die Hirsche frei und spielen
Freudig in dem blanken Sand.

In der Dü fte Schwermut wiegen
Sich die Rosen in den Schlaf,
Das Geheimnis ruht verschwiegen,
Das sie in den Busen traf.

Und es wandeln, die sich lieben,
Flü sternd auf dem selgen Pfad,
Wo sie gestern Scherze trieben,
Zu des Meeres Glanzgestad.

Die Sirene stimmet wieder
Ihre giften Lieder an,
Und die Herzen tauchen nieder
In untiefen sü ß en Wahn.

Denn es schied die Sonne wieder
In der ewgen Flammen Pracht,
Und es hebt die dunklen Glieder
Abermals die alte Nacht.

Und die Erde aufgeriegelt
Sendet ihren Geist heran,
Um das Haupt schwebt sternbesiegelt
Ihm der blaue Weltenplan.

Und des Waldes dunkle Riesen
Drä ngen sich ums enge Tal,
Und durch ihre Kronen gieß en
Sterne geisterhaften Strahl.



  

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