Romanzen vom Rosenkranz 1 страница
Clemens Brentano
Romanzen vom Rosenkranz
Herausgegeben und eingeleitet von Alphons M. von Steinle Petrus Verlag, Trier, 1912
* Einleitung
In weiter Kammer schlief ich und die Brü der Auf stillen Betten, die der Traum umspielet; Der Amme Lied ertö nte still, und nieder Die Winternacht mit kalten Sternen zielet. Gesegnet seid, ihr ernsten nä cht'gen Scheine, Die ihr mir in die junge Seele fielet! Ich fü hlte ruhig mich, in Frieden klar und reine; Der Brü der Herzen hö rt ich um mich schlagen, Ergö tzt war meine Brust, ich wacht alleine, Hö rt sie im Traum die kindschen Wü nsche klagen. Der eine sprach von Wagen und von Rossen. " Hinan, hinan! " hö rt ich die Schwester sagen, " Ein Auge schließ ich auf der Leiter Sprossen, Daß mich der tiefe Abgrund nicht ergrause. " Sie wuß te nicht, daß beide sie geschlossen. Die andre sprach von ihrem Blumenstrauß e, Wie er schon wieder frisch erblü hen werde; Und die ihr nah: " O tritt die Spitzenkrause Mir nicht so liederlich hin an die Erde! " Doch ferner schlummert einer; heftig bebet Sein Busen, und mit trotziger Gebä rde Spricht er: " Seht hin, Geliebte, seht, es schwebet Der Luftball hoch, ich habe ihn erfunden! " Dann wirft er sich im Bette, hoch erhebet Die Fü ß e er, das Haupt hä ngt er nach unten. Des Fensters Schatten lag gleich einer Leiter Auf seiner Decke; kü nstlich eingewunden Erseufzt er tief und schlummert lä chelnd weiter. Auf eines Mä gdleins Bette glatt gestrichen Erglä nzt zur andern Seite Mondschein heiter; Die weiß en Rö cklein auf dem Stuhle glichen Zwei Engeln, die ihr still zum Haupte wachten. Still war sie, bis der Mond von ihr gewichen; Er senkte sich zur Erde. Sprü nge machen Sah ich ein Kä tzlein schwarz beim letzten Bette; Es spielte mit herumgestreuten Sachen, Ein Strumpfband wars und eine Blumenkette; Und als der Mond am Bett hinaufgeschwebet, Sah ich's, als ob es glü hnde Augen hä tte. Bang hob ich mich, und mir entgegen hebet Das Mä gdlein sich und sprach: " Wie schö n gesungen Hat heut die Amme, noch das Herz mir bebet: Frau Nachtigall, mein Herz ist mir zersprungen. " So sprach das Kind und legte still sich nieder. Ich fü hlte mich mit Weh und Lust durchdrungen, Ein stilles Feuer zog durch meine Glieder. Oft hieß es mich empor nach ihr zu sehen, Und immer hob ihr lockigt Haupt sie wieder. Dann sprach sie Worte, mir nicht zu verstehen, Gebetet war es, und es war gedichtet, Und bis ich sah den Mond mir untergehen, Blieb mir ihr Haupt genü ber aufgerichtet. Dann hö rt ich drauß en — harte Worte klangen, Bis eine milde Stimm den Streit geschlichtet. In unsre Kammer leise kams gegangen, Von Bette schlichs zu Bette, gab uns Kü sse Und segnet uns auf Stirne und auf Wangen. Ich war der letzte. Heiß e Trä nengü sse Fü hlt ich aus Mutteraugen auf mich fließ en. Ich wuß te nicht, warum sie weinen mü sse, Ich traute nicht, den Arm um sie zu schließ en. Und als sie aus der Kammer war geschieden, Da muß ten meine Augen Trä nen gieß en, Da fü hlte ich zuerst den Schmerz hienieden! Ich betete: " Maria, sei gegrü ß et, So viele Trä nen sie geweint! " und schlief in Frieden.
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Viel war ich krank, kam wenig an die Sonne, Die bunte Decke war mein Frü hlinggarten, Der Mutter Pflege war mir Frü hlingswonne. Ich konnte oft den Abend nicht erwarten, Wenn sie die Wundermä rchen uns gesungen, Daß rings die Kinder in Erstaunen starrten. Und keines ist mir so ins Herz gedrungen, Als von des sü ß en Jesus schweren Leiden, Wie des Herodes Kindermord miß lungen, Maria durch Ä gypten muß te reiten, Und was sie da erfuhr in schweren Nö ten, Da focht ich in Gedanken gen die Heiden. Und sah ihr Blut in allen Abendrö ten. — Oft kam ein alter Diener mich besuchen, Mit krä ftgen Reden meine Zeit zu tö ten, Die Tasche leer vom oft versprochnen Kuchen, Ein Meister im Versprechen und Beteuern, Was oft sich falsch bewä rt; dazu ohn Fluchen Konnt er mit seinen Augen Glaub erneuern. Vom Antichrist tä t er mir prophezeien, Und hat zum Held gen ihn in Abenteuern Vor allem mich mit einem Schlag geweihet, Den scherzhaft er mir auf das Haupt gegeben; Doch meine Seele ihn des Ernstes zeihet; Nichts traf so ernsthaft mich in meinem Leben; Der Antichrist erfü llet mich mit Schrecken, Und tä glich muß t ich vor dem Trü ger beben. Ich sah ihn stets gen mich die Hand ausstrecken: Allmä chtiger, erleuchte meine Tage Und wolle mich vor meinem Feind verstecken! Und da dem Alten ich die Angst so klage, Sprach er: " Wenn du drei Tage ohne Weinen Geduldig bleibst, ich dich zur Kirche trage, Da sollst du dir ein groß er Held erscheinen, Man wird dich singend bei dem Eintritt grü ß en. " Ich glaubte ihm. Bei aller Krankheit Peinen Ließ keine Trä n ich von den Augen fließ en. Und als die Stunde endlich war erschienen, Ward ich geschmü ckt vom Kopf bis zu den Fü ß en. Ich ließ mich stolz, gleich einem Herrn, bedienen; Der Alte selbst trug mich auf seinen Armen Und machte ü bertrieben ernste Mienen. Ich fü hlte mich von Sonnenschein erwarmen, Und als wir uns dem alten Kloster nahten, Gab an der Pforte ich den frommen Armen, Die barhaupt bittend uns entgegentraten, Was ich besaß: sechs neue blanke Heller. Mein Trä ger ging auf wohlbekannten Pfaden; Er zeigte links hinab: " Dies ist dein Keller", Sprach er, " da hast du deine vollen Fä sser Mit allen Sorten besten Muskateller! " Ich glaubte ihm, und mit dem blanken Messer Uns da ein schwarz und weiß er Mö nch begegnet. Der Alte sprach: " Nun sieh, stets kommt es besser! " Und als: " Wer war es? " ich ihm scheu entgegnet — " Dies war dein heilger Pater Kü chenmeister, Was er am Spieß e brä t, das ist gesegnet. Er ist aus Schwaben und Marcellus heiß t er; Er soll den Antichrist zum Spieß e stecken, Er ist ein Zauberer, beschwö ret Geister. " Nun hö rte ich durch blü hnde Gartenhecken Die Orgel aus der Kirche rü hrend klingen; Mich faß te da ein nie gefü hlt Erschrecken. Als endlich zu der Kirche wir eingingen, Des Weihrauchs sü ß e Wolken mich umwallten, An hohen Sä ulen goldne Engel hingen, Der vielen Bilder seltsame Gestalten, So stille und so kü hl die hohen Bogen, Wie unsre Schritte in den Hallen schallten, Die Orgeltö ne jubilierend zogen, Und wie die Mö nche zu den Stü hlen schlichen — So wunderbar hat nie mein Herz geflogen. Der Alte machte mir des Kreuzes Zeichen, Mit Weihewasser er mich tü chtig sprengte, Befahl mir dann, zu horchen und zu schweigen. Die Seele sich in meine Ohren drä ngte. Als laut im Chor sie meinen Namen sagen, Entzü cken sich mit tiefer Angst vermengte. Die Worte mir wie Feu'r zur Seele klangen: " |O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria! |" Ein ewiges Gefü hl hab ich empfangen. Ruft man mich Clemens, sprech ich still: " |o pia! | In meiner letzten Stund dich mein erbarme; |O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria, | Empfange meine Seel in deine Arme! "
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Schon siebenmal war Weihnacht mir erschienen Mit ihres Kinderschatzes frommen Glanz; Ich konnte lesen und die Messe dienen. Die Erde stand in Frü hlingsfreude ganz; Des lustgen Pfingstfests Feier zu begehen Schmü ckt man die Kinder mit dem Blumenkranz. Zur Kirche sah man tausend Kinder gehen; Es teilt die Firmung dort der Bischof aus, Daß sie bestä tigt in dem Glauben stehen. In Feierkleidern trat ich aus dem Haus Und zog mit vielen Kindern zu der Weihe, Wie sie geschmü ckt mit einem Blumenstrauß. Am Chore kniend in der langen Reihe Hab ich vom Bischof da das Ö l empfangen Auf meine Sirne, Gott mir Kraft verleihe! Den Backenstreich empfingen meine Wangen, Daß ich gedenke an den ernsten Tag, An dem zur Kirch ich neu bin eingegangen. Derb und empfindlich schien bei mir der Schlag; Er sah in mir wohl jenes irdsche Wanken, Das zu bestimmen noch ich kaum vermag. Ich trat erschü ttert aus den heilgen Schranken, Und meine Stirn umschlang ein blaues Band. Jedoch in mir, da schwankten die Gedanken, Denn mir zur Seite an dem Altar stand Ein kleines Mä gdlein, das mich tief gerü hret; Ich faß te heftig ihre kleine Hand Und habe sie zwei Schritte wohl gefü hret. Da sprach mein Fü hrer: " Laß das Mä gdlein stehn! Dergleichen Spiel allhier sich nicht gebü hret. " Sie schied von mir, ich muß te weitergehn; Verschlungen ward dies Kind mir von der Menge, Und nimmer hab ich wieder es gesehn. Von Sehnsucht wird noch jetzt die Brust mir enge; Ich suche jetzt wohl noch nach jenem Kinde, Und immer mehr tritt mirs aus dem Gedrä nge. Traf mich des Priesters Hand dort nicht gelinde, So traf mich schä rfer noch mit seinem Pfeil Der kleine Cupido mit seiner Binde. Des Priesters Schlag rü hrt mich nur kurze Weil, Und nie genas ich von der Liebe Wunden; Der Tod empfä ngt den Kranken noch nicht heil. Du zartes Mä gdlein, dir mir dort verschwunden, Siehst du auf Erden noch das sü ß e Licht, Hast du gelebt und hast du Leid empfunden, Begegnet dir dies dunkele Gedicht: Nimm hin den Gruß und Dank, du Namenlose, Im irdschen Traum du himmlisches Gesicht! Und schlä fst du schon in unsrer Mutter Schoß e, So falle dir aus meinem ernsten Kranz Ein Opfer auf das Grab: die weiß e Rose!
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Getrennet lebte fern ich von den Meinen In strenger und unmü tterlicher Zucht. Denk ich der Zeit, seh ich sich mir versteinen Die Tage in des Lebens Blumenflucht, Wie kleine Gä rten zwischen steilen Mauern, Die nie ein Sonnenstrahl hat heimgesucht, Wo kalte Marmorkinder einsam trauern, Die wilder Buchs und Salbei trü b umkreist. Ihr kennet wohl des Knaben einsam Trauern! Ich fü hlte elend mich und tief verwaist. Du, Schwester, die die trü ben Tage teilte, Du fü hltest auch, was fremde Pflege heiß t. Den Genius, der frü h bei mir verweilte, Den sah ich dort zuerst, als unerkannt Er mir das junge Herz begeisternd heilte. Da schmü ckt ich mich mit einem blauen Band, Und fesselt mich mit goldpapiernen Ketten, Trug einen Schä ferstab in kindscher Hand Und auf der Brust geweihte Amuletten. Ein alter Scherbenhü gel war mein Thron; Ich sprach: " Wer will den armen Sklaven retten? " Fü rst, Schä fer war ich, und verlorner Sohn, Und sehnt mich zu den zarten Wolkenschafen, Die durch den Himmel ü berm Haupt mir flohn. So war ich einst begeistert dort entschlafen. Schon stiegen die Gestirne aus dem Blau, Die gü tig mich mit ihrem Segen trafen; Es spiegelte der Traum sich in dem Tau, Der meine Stirne kü hlend schon benetzte; Er fü hrte mich auf eine stille Au, Wo eine Kinderschar sich laut ergö tzte. Fremd schienen sie; ich stand an einem Baum, Zu dem ich scheu mich endlich niedersetzte. O seliger, o himmelvoller Traum! Ich sah hinauf. Aus deinem Himmel, Linde, Zog nieder eines weiß en Kleides Saum, Und nieder stieg ein Kind aus dem Gewinde Der Zweige, die es neidisch mir versteckt, Ein Ebenbild von jenem Firmungskinde. Sehnsü chtig hatte ich die Arme ausgestreckt, Da kamen sie, dich boshaft mir zu rauben, Die Unverstä nd'gen haben mich geweckt. Nie blü ht ihr wieder mir, ihr Jugendlauben, Im Fackelschimmer nie betrogner Lust! Die Liebe starb, die Hoffnung und der Glauben. Was fü llet jetzt die narbenvolle Brust? Verbrannt das Herz! wie knirscht die tote Kohle! Das habt ihr stillen Trä nen wohl gewuß t. Zur Stube muß t ich, harte Worte holen, Zur Strafe bü ß t ich ein mein Abendbrot, Als hä tte ich, was Gott mir gab, gestohlen: Des selgen Traumes tiefes Abendrot. Da war mein Herz im Innersten ergrimmet, Ich fü hlte recht, was mir zum Dasein not: Ein Himmel blau, in dem die Hoffnung schwimmet, Ein Schmerz in meiner freien starken Hand, Die ihn nach ihren Melodien stimmet. Und alles dies, was da zuerst ich fand, Ward mit Moralien und trocknen Blicken Zertrü mmert mir, was niemals ich verstand. Entschuldigend erzä hlt ich mein Entzü cken; Da lachte man den armen Trä umer aus, Den Scherbenkö nig, drehte mir den Rü cken; Und als ich weinte, bracht man mich hinaus Zum dunklen Gartensaal voll Malereien, Der immer mich erfü llet hat mit Graus. Es schienen da in traurig langen Reihen Die Bilder von den Schatten ü berbebt, Die mondumspielte Rebenlauben streuen. Den Richter sah ich, der das Schwert erhebt, Vor Salomon das Kindlein zu zerspalten; Es schwankt das Laub, er zuckt, er scheint belebt. Ich schauderte und konnte mich nicht halten Und kniete nieder vor Mariens Bild. Die Hä nde hab ich innig da gefalten Und flehte kindisch zu der Mutter mild: " O, Mutter Gottes, hilf dem armen Kinde! " Da deckte sie mich mit allgü tgem Schild; Mein Schmerz zerfloß im Beten hin gelinde, Es senkte nieder sich der ernste Traum, Ich schlummert ein im Schatten jener Linde.
* Romanzen vom Rosenkranz ** Romanze I: Rosablankens Traum
" Bitte fü r uns arme Sü nder Jetzt und in dem Tode, Amen! "
Spricht sie — und vom Stern der Frü he Weissagt auch die fromme Schwalbe, Und des Traumes schwü len Flü gel Spannt sie ü ber Rosablanken.
Auf der goldnen Locke Fü lle, Schwer vom blanken Nacken wallend, Sinkt ihr schlummernd Haupt zurü cke, Himmelsspiegel wird die Wange.
Schü chtern um die rosgen Fü ß e Ihr der Tau die Traumflut sammelt, Und der West mit kü hlem Flü stern Dunkle Schlummersegel spannet.
Und der Traum spielt, sie berü ckend, Auf der Wimpern goldnen Strahlen, Die zum Schlummer sind entzü cket In des Morgensternes Glanze.
Und es kreuziget die Sü ß e Fromm gewohnt sich Stirn und Wange, Legt in Gottes Hand die Zü gel Der nachtwandelnden Gedanken.
Von den lichtergrauten Hü geln Nieder zu des Tales Garten Durch die Nebelwege dü ster Sieht sie einen Jü ngling wallen.
Zu des Gartens Rosengrü ften, Wo die Dü fte schlummernd schwanken, Eilet Rosablanka schü chtern; Jener folget ihrem Pfade,
Wandelt ernsthaft durch die Tü re, In der Rechten einen Spaten, Und sie wagt nicht, ihn zu grü ß en, Also hell und finster war er.
Und sie pflü ckt gebü ckt in Zü chten Sü ß e Blü mlein, die noch schlafen, Die unschuldgen, ohne Sü nde, Ohne Taufe, ihm zum Kranze.
Da sie scheu den Kranz schon rü ndet, Steht vor ihr der trü be Wandrer, Spricht: " Wohl selig sind die Blü ten, Die du tö tetest im Schlafe;
Selig in der Nacht gepflü cket, Die in Unschuld sind empfangen, Die nicht traf der Fluch der Sü nde, Starben selig vor dem Apfel.
Aber uns tut not zu bü ß en, Denn das Weib ward durch die Schlange Zu dem Gottesraub verfü hret, Den sie teilte mit dem Manne.
Und so hat der Herr erzü rnet An die Erde uns gebannet; In der Mutter muß ich wü hlen Nach dem gö ttlichen Erbarmen.
Mit dem Fleische ist die Sü nde Aus der Erde aufgegangen; In der Mutter muß ich wü hlen, Bis der Vater sich erbarmet! "
Und vor Rosablankens Fü ß en Fing der Ernste an zu graben, Und da er die Gruft erwü hlet, Hat die Erde ihn umfangen.
Mit ihm zu der Erden Grü ften Sinken auch des Tales Schatten; Aus den Grü nden zu den Hü geln Tritt die Nebelwoge wachsend.
Trü b getü rmt auf dü stern Fü ß en Schwankt der Riese auf am Walde, Schwingt die Nacht auf seinen Rü cken, Kalt die Nebelfä uste ballend.
Trü gend rü stet sich der Lü gner Mit dem Sonnengott zum Kampfe, Der auf goldnen Flü gelfü ß en Flammet aus dem Ozeanen.
Seinen Spiegel stellt er lü gend In der Dü nste giftgem Walle Antichristisch ihm genü ber; Jeder wache, nicht zu fallen!
Wo der Traum in irdschen Grü nden Barg den Mann, will Rosablanke Ganz in tiefer Angst entzü cket Ihren Blumenkranz begraben.
Aber ihr entgegen zü ngelnd Reckt sich eine bunte Schlange, Und mit heilgem Mut gerü stet Betet bebend Rosablanke:
" Sei verflucht, du Geist der Lü gen, Dich zertrat des Weibes Samen; O Maria, sei gegrü ß et, Mutter Gottes, voller Gnaden!
Amen! " und aus Himmelsflü ssen Gieß t sich aus ein Meer des Glanzes: __Maris Stella__ sei gegrü ß et, __Semper virgo, ave, salve! __
Und der Jungfrau Heldenfü ß e Traten auf das Haupt der Schlange; Kindisch ihre Schuld zu sü hnen Gibt dem Kranz ihr Rosablanke.
Aber auf des Tales Hü geln Glü ht die Sonne, und es wallen Schon die Bienen nach den Blü ten, Und es eilt die fromme Schwalbe,
Kü hlt des Traumes schwü len Flü gel Auf dem Spiegel klarer Wasser, Und beträ ufelt mit dem Flü gel Weckend Rosablankens Wange.
** Romanze II: Kosme und Rosablanka
Auf des Fensters Efeuranken Spielt der Strahl der jungen Sonne, Und des Laubes Schatten schwankend Weckt den greisen Vater Kosme.
Schlummerstille ist die Kammer Rosablankens, als er horchet, Und er trä gt den Krug zum Bache, Fü llet ihn mit frischem Borne.
Aus dem Wasserspiegel mahnet Ihn des Alters ernster Bote; " Du wirst bald die Schuld bezahlen! " Spricht des Hauptes Silberlocke.
Betend senkt er in dem Schatten Seine Stirne an den Boden; Mit ihm betet auch das Wasser und des Gartens heilge Rose.
Und des Tales Sä nger alle, Blumen, Bä ume, hohe Wolken, Schallend, wachend, atmend, wandelnd, Opfern fromm der goldnen Sonne.
Aber zu der Kinder Lallen Weint der graue Bü ß er Kosme, Denn um seine Hü tte wachsen Weiß e, rote, gelbe Rosen.
Schamvoll, schuldvoll ü berschwankend Wiegt die rote, blutge Rose — Ach, sie treffen ihn gleich Stacheln — Stumm zwei Knospen an der Sonne!
Abgewendet von dem Alten Unterm Zorn der dunklen Dornen Lä ß t die gelbe Rose wanken Trä nenschwere Trauerglocken.
Und die weiß e Rose, zagend, Gleicht dem Geiste einer Nonne, Bleicht den Schleier weinend, wachend Ewig unter Mond und Sonne.
Jetzt auch zu dem Bache wandelt Rosablanka, wä hrend Kosme Betend liegt; mit kü hlem Wasser Netzt sie Wange, Brust und Locke,
Ihre Stimme noch umfangen Von des Traumes Nebelkrone, Und die Augen scheu umflattert Von der Sonnenbilder Flocken.
Doch des Wassers Spiegel mahnet Zu dem frommen Wunsch die Fromme: " Kö nnte alle Schuld ich zahlen Mit der goldnen Flut der Locken! "
Ihre Worte hö rt der Alte, Und spricht zu ihr: " Fromme Tochter, Sei gesegnet an dem Tage, Da du bist zum Licht geboren!
Aber bleich sind deine Wangen, Und die Augen trü b umfloret? " — " Vater, schwere Trä ume brachte Diesen Morgen mir Aurore.
Ü berm Haupte bang gespannet Schwankt und droht des Traumes Bogen, Den zerbrochen mir die Schwalbe, Niederträ ufelnd einen Tropfen. " —
" War es Feuer, war es Wasser, Rosablanka, was dir drohte? War erwü hlet dir der Garten? Bebte unter dir der Boden? " —
" Ja, es waren Trä nen, Vater, Und es war die Glut der Rosen, Und um gö ttliches Erbarmen Ward erwü hlt des Gartens Boden. " —
" Wehe! wehe! Rosablanka, Der gewü hlet in dem Boden, Fand er gö ttliches Erbarmen Oder blieb sein Werk verloren? " —
" Er ging unter still ermahnend, Ü ber ihm ist aufgeschossen Eine bunte, schö ne Schlange, Dringend hin nach meinen Rosen. "
" Wehe! wehe! Rosablanka, Gabst du hin die heilgen Rosen? Hat die bunte, schö ne Schlange Dich mit bunter Luft betrogen? "
" Von dem Himmeln kam gegangen Die den Heiland hat geboren; Sie zertrat das Haupt der Schlange Und ich gab ihr hin die Rosen. " —
" Sei gesegnet, Rosablanke, Fü r die Worte voller Trostes! Daß sich mein der Herr erbarme Mag ich nun in Demut hoffen. " —
Tiefbeweglich sprach der Alte, Und es wagte nicht die Fromme Nach der Rede Sinn zu fragen, Sie sah schü chtern an den Boden.
Aber zu der Hü tte wandeln Beide nun, und Vater Kosme Spricht: " Nun gehe zu dem Garten, Fü lle deinen Schoß mit Rosen,
Wä hrend ich die Honigwaben Und das Wachs, das diese Woche Ich zu Kerzen zog und malte, Dir in deinen Korb geordnet.
Nach Bologna muß t du wandern, Eh noch hö her steigt die Sonne, Dort verkaufe deine Ware Bei den schwarz und weiß en Nonnen.
Zwanzig Soldi nur an barem Gelde nehme ich vom Kloster; Was dir bleibt von deinem Wachse, Tausche ein um weiß e Brote.
Bringe mir auch Purpurfarbe, Einen Gran geriebnen Goldes, Und Ultramarin zwei Asse Aus dem Kram am rö mschen Tore.
In dem Kloster zu Sankt Claren Gibt dem Meß ner zwanzig Soldi, Daß er morgen, eh es taget Eine Seelenmesse ordne.
Morgen sind es zwanzig Jahre Daß die Mutter dir gestorben. Herr, dich ihrer Seel' erbarme Durch die Mutter deines Sohnes!
Ew'ge Ruhe gibt den Armen, Die der Erde Schoß bewohnen. " — Amen! betet Rosablanke, Und geht weinend nach den Rosen.
Da sie kehret, hat der Alte Ihr den Korb schon wohlgeordnet, Drü berhin ein Tuch gespannet, Darauf gieß t sie aus die Rosen.
" Was dir bleibet, Rosablanke, Gib den Armen oder opfre; Gehe in Gottes Namen. " — Und sie gehet mit dem Korbe.
Kosme schließ t das Tor des Gartens Und der Hü tte kleine Pforte, Riegelt ein sich in der Kammer, Wä re gern allein verschlossen.
Aber nicht am Tor des Gartens, Nicht an seiner Hü tte Pforte, Noch der Kammer, hö rt den Hammer Er des strengen Glä ubgers pochen.
In den Buß en wohnt der Mahner Alter Sü nde, und die Rose Mahnt am Fenster, und die Schwalbe, Seiner Armut Gast, mahnt Kosme.
Und die fromme Rosablanke, Die mit goldner Flut der Locken Mö chte alle Schuld bezahlen, Ist der strengste Glä ubger Kosmes.
Zu der Hü tte letzter Kammer Schleichet bang der alte Kosme, Dort hä lt er den Schatz des Jammers Sich im festen Schrank verschlossen.
Eine Locke blonder Haare, Die Gewande einer Nonne Nimmt er weinend aus dem Kasten, Und dann eine schwere Rolle.
Er befestigt sie am Rande, Und es rollet zu dem Boden Ein Gemä lde, das der Maler Unvollendet, halb entworfen.
Unten auf dem Meer der Schatten Schwankt, umwogt von dunklen Wolken, Ohne Steuer, ohne Flagge, Bleich der Kahn des halben Mondes.
An den Seiten aufwä rts wallen Opfersä ulen grauer Wolken, Die den Regenbogen tragen, Des Triumphes Friedenspforte.
Um des Tores Bogen ranken Engel sich, aus rotem Golde, Und von ihren Hä nden fallen Purpurrote Morgenrosen.
Wo sie zu dem Monde fallen Scheinet er von blankem Golde Eine Sichel, die am Abend Rosen streute fü r Auroren.
Aber nä chtlich hat die Schlange Um die Sichel sich gerollet. O erscheine, Herr des Gartens, Tritt den Lü gner an den Boden!
Denn inmitten dieser Tafel Ist noch kaum ein Strich gezogen, Gleich des Blinden Auge starret, Gott erharrend, hin der Bogen.
Jä hrlich nur an diesem Tage Weint vor dem Gewand der Nonne Und der Locke goldner Haare, Bü ß t vor diesem Bilde Kosme.
Wie, an heilgen Jahrestagen Nur, die Kirche die Kleinode, Die Reliquien des Schatzes Auftut, zu der Frommen Troste,
So auch liegt der Schatz des Jammers Jä hrlich vor dem Bü ß er offen Da geboren Rosablanke, Da die Mutter ihr gestorben.
Die in schwerer Schuld empfangen, Die in schwerer Schuld gestorben, Und es ist der Sü nde Vater Rosablankas Vater Kosme.
Bis in tiefer Reue Flammen Der Verzweiflung Erz geschmolzen, Weinet Kosme in der Kammer Vor dem Bild und Kleid der Nonne.
Und als in des Bü ß ens Asche, Wie der Blick geschmolznen Goldes, Hoffnung ihm entgegenlachet, Geht bereiten er das Opfer.
Er gieß t aus gebleichtem Wachse, Das im Mittagsstrahl zerflossen, Eine hohe Totenfackel, Einer Schlange gleich geformet.
Malt sie an mit bunten Farben, Schmü ckt sie auch mit Punkten Goldes; Brennen soll sie am Altare Bei der Totenmesse morgen.
Und so hat er still gemalet, Bis zum Garten ging des Mondes Blanke Sichel, und des Abends Rosen streute fü r Auroren.
** Romanze III: Meliore und Apone
Ruhig steht mit seinem Buche Schon Meliore auf der Straß e, Vor dem Haus der hohen Schule auf die Mitgenossen harrend.
Er bedenkt die tiefsten Punkte, Die Apone vorgetragen, Wü nscht ihm eine leichtre Zunge Und sich schä rfere Gedanken.
Daß die Welt aus Gott entsprungen, Und doch nicht von ihm erschaffen; Daß Gott sei im Mittelpunkte, Wo auch nichts sei und doch alles —
Dieses scheint ihm hö chstens dunkel; Aber da er Apo fragte, Sprach der Lehrer: " Es war dunkel, Da das Licht noch war im Schaffen.
Bildend in den Kreaturen, Hatte es nicht Zeit zu strahlen; Also sei es dir kein Wunder, Daß es noch bei dir nicht taget.
Fü hlst du erst die Macht des Dunkels, Dann magst du nach Licht recht schmachten, Nur der Durstgen Wü nschelrute Wird auf kü hle Brunnen schlagen.
Ist es mir erst recht gelungen Euch ins Dunkle einzufangen, Dann zu sehn des Lichtes Wunder, Mö gt ihr selbst ins Aug euch schlagen. " —
Und so gab er sich zur Ruhe, Wollte nicht mehr weiter fragen, Ließ ergeben sich hinunter In der Weisheit Stollen fahren.
Harmoniam der Naturen, Welche auf smaragdner Tafel Nach der Sü ndflut aufgefunden Zara, in Hermetis Grabe,
Und der Dinge Signaturen Hat schon Apo vorgetragen, Und beinahe ists schon dunkel, Daß man sich ins Aug mö cht schlagen.
Aber heute in der Stunde Wird er hohe Dinge sagen, Von der Tö ne Macht und Wunder Und der Kunst des Liebestrankes.
O, daß er die ganze Stunde Lehrte von dem Liebestranke, Denn Meliore kennt die Wunder Harfenklanges und Gesanges.
Denn es schlug die Liebeswunden Ihm Biondettas Wunderharfe, Die um Tanz und Sang und Tugend Man die heilge Tä nzrin nannte.
Doch nun hö rt an dem Turme Eine Viertelstunde schlagen, Und durchs Fenster in der Schule Apos Stimme lehrend schallen.
Da er so versä umt die Stunde Von der Kunst des Liebestrankes, Will er eilen zu dem Brunnen, Wo der Trank lebendig wallet.
Trunken schlugen seine Pulse, Da er ihrer Wohnung nahet; Wie durch dunkle Grü fte, rufend Sich, verwandte Quellen wandeln,
Sich in ewiger Unruh suchen, Aber fest in Stein gefangen, Murmelnd ungeduldig sprudeln, Kö nnen nicht zusammenfallen.
An Biondettens Fenster duftet Einer blü hnden Linde Schatten, In den Zweigen gehn zur Schule Gern die sü ß en Nachtigallen.
Lauschen in den Dä mmerungen Auf der Jungfrau Sang und Harfe, Wenn die Meisterin verstummet Wiederholen sie es lallend.
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