Romanzen vom Rosenkranz 2 страница
In Bewundrung ganz betrunken Singt das Bö lklein durcheinander, Die Studentlein ohne Ruhe Mit dem Federmantel schlagen.
Oft auch mischt ein frecher Kunde Drein den ungewaschnen Schnabel, Und die Sä nger all im Sturme Fassen, rupfen ihm den Kragen.
Und entflohn zum nahen Turme Lehrt der Star die andern Stare Eines hö hern Standpunkts Schule, Grü ndend auf der Wetterfahne.
Klagt auch, daß die andern drunten Seine Hauptideen stahlen, Macht ein kunterbunt Gemunkel, Lä ß t in alle Welt es tragen.
Doch in den Begeisterungen Weiß die Jungfrau nichts von allem, Sie hat nur vor Gott gesungen, Lauschen gleich die Nachtigallen.
So vergleicht der hohen Schule Er der hohen Linde Schatten, Wo in ü berflü ssgen Zungen Ihm Biondettens Sang verhallet.
Ach! er mö chte hin zum Grunde Stü rzen dieses Baumes Schatten, Oder in den Zweigen ruhend, Die ihm bloß ertö nt, betrachten.
Doch ein Bild von Gottes Mutter Steht auf einsamen Altare Bei der Linde, ihre Kuppel Wö lbet ihm des Tempels Halle.
Ihm zur Seite steht ein Brunnen Einsam wie das Bild, es fallen Leis der Linde Blü ten runter Auf den Spiegel seines Wassers.
Arm ist wohl das Bild an Schmucke, Handel-, wandellos die Straß e, Aber nä chtlich hö rt die Mutter Hell Biondettens sü ß es: Ave!
Und geht sie, im bunten Putze Schimmernd, zu der Bü hne abends, Teilt sie fromm die Flitterblumen Mit Marien, voll der Gnaden.
Auf des Altars ö der Stufe Keimen Blü mlein in dem Grase; Nahe ist das Tor, hier ruhen Gern, sich ordnend, mü de Wandrer.
Denn hier steht ein kü hler Brunnen Einsam wie das Bild, es fallen Leis der Linde Blü ten runter Auf den Spiegel seines Wassers.
Still an des Altares Stufen Kniet Meliore und betrachtet Glaubend, was mit Dä mmerungen Ihm der Schule Geist umnachtet.
Eine Jungfrau kö mmt zum Brunnen; Zu der Stadt trä gt Rosablanke Einen Korb mit Wachs und Blumen, Sprengt die Rosen an mit Wasser.
Sitzt zu ruhn dann auf die Stufen Bei dem Jü ngling am Altare, Ihre zü chtgen Augen wurzeln Bang auf der Gestalt des Mannes.
Die erfrischten Rosen rufen, Und er blickt nach Rosablanken; Wie der Born geweckt die Blumen, Weckt sein Blick die Rosenwange.
Von geheimer Macht bezwungen Spricht die Jungfrau: " Herr, im Garten Bot ich heut dir diese Blumen, Und du hast sie ausgeschlagen.
Grubst dir emsig eine Grube, Und empor schoß eine Schlange; Du gingst in der Grube unter, Ach in mir ist dieser Garten!
Es erschien mir Gottes Mutter Und zertrat die bö se Schlange, Und doch fü hl ich mich verwundet, Da ich lebend dich betrachte! "
Und Meliore spricht verwundert: " Du klagst einem kranken Arzte, Rettung mü ß te ich sonst suchen Vor der Schö nheit meiner Kranken.
Du sagst wahr: Lä ngst ging ich unter In der Wangen Rosengarten, Der Gesang des sü ß ten Mundes War mir eine bunte Schlange.
Aber hier steht Gottes Mutter. Daß sie unser sich erbarme, Lasse um die Stirn ihr duftend Einen Kranz von Rosen prangen! "
Und er sitzet auf den Stufen, Flichten den Kranz mit Rosablanken; Da bricht durch der Linde Dunkel Zu dem Bild Biondettens: Ave!
Und es krö net Gottes Mutter Schon Meliore mit dem Kranze, Und Biondettens Lied verstummet, Bitter weinet Rosablanke.
Ihr zum Herzen hingedrungen Sind die Fluten des Gesanges, Ihr im Busen ist entsprungen Eine Quelle des Verlangens.
Und der Trä nen Flut wird suchen Stets die Fluten des Gesanges, Bis sie einst durch Gottes Wunder Selig ineinander fallen.
Doch nun eilet mit den Blumen Nach dem Kloster Rosablanke, Weil von Schü lern dicht umrungen Apo sich der Linde nahet.
Er mag gern mit seinem Zuge Durch Biondettens Straß e prangen, Und sie bei dem nahen Turme, Wo er hauset, stolz enlassen.
Ernsthaft mit gezogenem Hute Folgt die Schar dem finstern Manne; Vom Altare springt herunter Schnell Meliore, ihn erwartend.
Nahet nach demü tgem Gruß e Ruhig dann dem finstern Manne. " Daß ich heut versä umt die Schule" — Spricht er — " muß ich leider klagen.
Ungeduldig, ohne Ruhe, Konnt ich nicht die Zeit erwarten, Und ging aus, sie aufzusuchen, Aber ich bin irr gegangen. "
Zu ihm spricht mit hö hnscher Zunge Apo, scharf ins Aug ihm fassend: " Und der Irrgang scheint gelungen, Angenehm ist dieser Schatten.
Dieser Baum hegt geistge Zungen. Einen Vogel zu erhaschen, Bist du zum Altar gesprungen, Und doch fü hrst du leere Taschen. " —
" Meister, nein! das Haupt der Mutter Krö nt ich mit dem Rosenkranze, Wä hrend ich, bis du zum Turme Kehretest, deiner hier geharret.
Denn ich wollte dich ersuchen, In der Kü rze mir zu sagen, Was in der versä umten Stunde Mir vom Liebestrank entgangen.
Denn der Tö ne Macht und Wunder Kann ich mir schon deutlich machen; Dieses Baumes geistge Zungen Ü ber mich sind ausgegangen. "
Apo spricht: " Der Tö ne Wunder Lehrte dich der Linde Schatten, Lerne nun von diesem Brunnen Auch die Kunst des Liebestrankes. " —
" Meister, hö chlich ich bewundre, Wie du fein mich hö hnend strafest; Ach! zu tief ist mir der Bunnen, Und der Eimer schö pft nur Wasser.
Auf des Glanzes Spiegel unten Sah ich oft ein Antlitz strahlend Durch die grü nen Zweige funkeln, Aber nimmer steigts zum Rande.
Treulos immer ists verschwunden, Wenn ich weisheitsdurstig nahte. Nur das Bild von Gottes Mutter Weilte ruhig meinen Klagen.
Und so krö nt ich sie mit Blumen, Daß, nach gleichem Preis verlangend, Auch das schö nre Bild des Brunnens Gü tger meiner Andacht achte.
Doch noch immer muß im Durste Ich am kalten Rande schmachten, Mö cht hinab zu einem Kusse Stü rzend mich im Tode baden. " —
" Trage Wasser in den Brunnen. " — Spricht der Meister — " bis zum Rande, Dann magst du die durstge Zunge Bald im kü hlen Spiegel laben. " —
" Meister, was dir nie gelungen", Spricht Meliore, " soll ich wagen? Seit dem Teufel hat die Schule Wasser in den Born getragen.
Doch des Himmels Spiegel unten Ist noch nie heraufgewallet; Von der Schule zu gesunden Will den Blick ich aufwä rts schlagen. "
So sprach er im Jugendmute, Als er fü hlt der Rede Stachel. Apo spricht: " Ich sag dem Kruge: Gehe, bis du brichst, zum Wasser!
Kü hner Knabe, willst du Funken, Fange eh du streichst die Katze! " Zornig geht er dann zum Turme, Und Meliore steht verlachet.
** Romanze IV: Rosablanka und Biondetta
Nieder auf Bolognas Gassen Brennt die volle Mittagssonne, Und aus hohen Schloten wallen Weiß des dichten Rauches Wolken.
In den Kellern klimpern Flaschen, Und auf kü hlem Marmorboden Wird mit silbernem Gerassel Schon des Reichen Tisch geordnet.
Suchend hie und da den Schatten, Schleichen von der Klosterpforte Auch die Bettler zu dem Mahle, Mit dem vollen Suppentopfe.
Und der Ochse lauscht am Wagen, Wiederkä uend in der Sonne Einsam auf dem heiß en Markte, Auf das Plä tschern hoher Bronnen.
Aber in der Linde Schatten, Wo die fromme Tä nzrin wohnet, Scheint der Mittag selbst entschlafen An dem lieben, stillen Bronnen.
Leis umgrast von seinem Lamme Auf dem dicht berasten Boden Ruht ein sü ß er, kleiner Knabe, Schlummerglü hnd in goldnen Locken.
Jede Blü te hö r ich fallen, Hö r des Knaben leisen Odem, Und die reine Rosablanke Tritt einher mit ihrem Korbe.
Auf den Stufen des Altares, Wo sie frü h den Kranz geflochten, Ladet sie zum armen Mahle Kindlich ein die Mutter Gottes.
Eine goldne Honigwabe, Auch ein Stü ckchen weiß en Brotes Und die milchgefü llte Flasche Nimmt sie aus dem weiß en Korbe.
Da erwacht der blonde Knabe Und steht harrend bei dem Bronnen, Und es rief ihn Rosablanke: " Komm, ich geb dir Honigbrote! "
Und er nahet mit dem Lamme Freundlich sich der Jungfrau Schoß e, Auch ein Vö glein kommt zu Gaste Von der Linde abgeflogen.
Liebreich lä chelt Rosablanke, Heiß t sie allesamt willkommen, Und es spricht der blonde Knabe: " Du bist mild, o fromme Tochter!
Was du teilest mit den Armen, Das hast du dem Herrn geboten, Der sich deiner wird erbarmen In der Stunde deines Todes! "
Von der Gä ste lautem Danke Ward Biondetta hergelocket, Schaut herab zur offnen Tafel, Will mit ihrer Kunst sie loben.
Leis ergreift sie ihre Harfe, Singet still herabgebogen: " Heil dir, Jungfrau, mit dem Lamme, Mit dem Knaben, mit dem Vogel.
Ü ber deinem frommen Mahle Weile gern das Auge Gottes, Denn so liebe Gä ste saß en Einstens um das Tischlein Josefs.
Herr, dies Mahl laß dir gefallen Zum Gedä chtnis deines Sohnes, Und die arme irdsche Harfe Klinge bald am Himmelstore. "
Als die Worte niederklangen, Saß die Jungfrau stille horchend, Ließ t die Gä ste munter naschen Brot und Honig aus dem Schoß e.
Und Biondetta flü stert sachte: " Mä gdlein, sieh nach deinem Korbe, Denn das Lamm hat mit der Nase Schon das weiß e Tuch erhoben.
Kindisch horchend meiner Harfe, Bist du um dein Brot gekommen: Darf ich dich zu Gaste laden, So tritt ein in meine Pforte! "
Doch nun spricht der blonde Knabe: " Eh du gehest, fromme Tochter, Gib drei Kerzlein mir vom Wachse, Daß ich sie heut abend opfre.
Ich will dir ein Lied auch sagen, Wenn ich wieder zu dir komme, Von dem Knaben und dem Lamme Und drei wundervollen Rosen.
Ich kenn deines Vaters Garten; Will es Gott, so komm ich morgen. " Und sie gibt drei schö n gemalte Kerzen ihm, daß er sie opfre.
Eine rote, eine schwarze: Und er spricht: " Fü r dich, du Fromme, Ist die weiß e hier — drei Farben Will ich fü r drei Rosen opfern! "
Und nun wendet sich der Knabe, Spricht: " Gedenke dieses Morgens, Denk der Schlange und des Mannes, Folge seinen ernsten Worten.
Daß sich unser mö g erbarmen, Der du gabst die frischen Rosen, Die zertreten hat die Schlange, Die den Heiland hat geboren! "
Und nun schied er. Tief erbanget Denkt die Jungfrau seiner Worte, Bis Biondetta sie ermahnte Mit der Saiten goldnem Tone.
Ihren Korb nimmt Rosablanke; Wie von lieber Hand gezogen Steigt sie zu Biondettas Kammer Und spricht schü chtern: " Willst du Rosen?
Rosen, rot wie deine Wangen, Kerzen, rein und schlank gezogen, Wie dein klarer Leib gestaltet? " Sprichts und zieht das Tuch vom Korbe.
Kann die Antwort nicht erwarten, Setzt sich nieder an den Boden, Fleht: " O schlage an die Harfe, Singe, singe rein und golden! "
Und Biondetta spricht: " O klare Jungfrau, schö ne Harfe Gottes, Woll an meinem Herzen schlagen Von den Armen lieb umschlossen! "
Und es sinket Rosablanke Ihr ans Herz, und heilig lodert Ü ber sie die Gottesflamme, Daß die Seelen dicht verschmolzen.
Daß von ihren sü ß en Wangen, Von den rot und weiß en Rosen, Von dem Klang verborgner Harfen Heilge Trä nenquellen flossen.
" Hö rst du, hö rst du, wie vom Klange Mir des Herzen Saiten pochen, Wie von gö ttlichem Gesange Sich ein Netz um uns gezogen?
O, wer bist du? meine Arme Haben einen Schatz gehoben; O, wer sind wir, die sich fanden? Sprich, wo wir uns einst verloren? "
Also ward in sü ß en Fragen Ihrer Arme Bund erschlossen, Der mit heimlichen Gewalten Ihrer Seele Bund geschlossen.
" Da ich frü h heut am Altare Einen Rosenkranz geflochten, Fü hlte ich in dem Gesange, Liebe, mich an dich verloren.
Durch die Rosen meines Kranzes Und durch meines Blutes Rosen, Die in Lieb und Andacht wachsen, Flocht ich deine Tö ne golden! " —
" Da ich dich gesehn beim Mahle Mit dem Knaben, Lamm und Vogel, Fü hlte ich ein tief Erbarmen, Daß ich hier so einsam wohne.
Wie ein Himmelsglanz die Kammer Heilgen Mö chen in Visionen Fü llet, also fü llte strahlend Mich Verlangen, Lieb und Hoffen! "
Um sich blicket Rosablanke, Sieht das Stü bchen wohl geordnet, Spiegelblank sind Stuhl und Tafel, Schrank und Wand von edlem Holze.
Reicher Stoff in reichen Falten Schwebet um der Fenster Bogen, Und ein Bilderteppich spannet Augerquickend sich am Boden.
Und wo es erwü nscht, da ragen An den Wä nden, halb erhoben, Kunstgebildete Gestalten: Mensch und Vase schö n geformet.
Marmor, Glas und Alabaster, Erze, Silber, Gold und Bronze, Die Metalle und Kristalle Sprechen, was der Meister wollte.
" Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater, Der dir all dies Gut erworben? Solchen Reichtum zu betrachten, Ist mir fü her nie geworden. " —
" Nur der Welt gehö rt dies alles, " Spricht Biondetta, " aber folge Jetzt mir auch zum eigenen Schatze, Den ich selber mir erworben.
Trete in die enge Kammer, Sieh mein Bett von trocknem Moose, Wo ich mit dem Licht erwache, Mit der Schwalbe Gott zu loben.
Vor dem Fenster schwebt ein Garten Auf der alten Mauerkrone, Wo zwei sü ß e Nachtigallen Meine Lieder wiederholen.
Aber deine Augen fragen, Was das Tü chlein dort verborgen Ü ber meinem Betstuhl halte: Sieh, das Bildnis einer Nonne.
Schlecht ist nur das Bild gemalet, Doch in seinen Zü gen wohnet Strenge, die mich liebreich strafet, Liebe, die mich ernsthaft lobet.
Heiliger als alles, alles, Ist mir dieses Bild geworden, Seinen Linnenvorhang achte Hö her ich, als sei er golden.
Aber ü ber deine Wangen Seh ich sanfte Trä nen rollen? " " Kann ich, " saget Rosablanke, " Vor dem Bild nicht weinen wollen?
Denn ich seh auf seinen Wangen Blasser Lilien Kelch erschlossen, Der von Trä nen bittren Grames Bis zum Tode ü berflossen.
Wer hat dir das Bild gemalet, Wer hat dir das Tuch gesponnen, Daß sie lieb dir ü ber alles Und mir auch so lieb geworden? " —
" Was ich weiß, sollst du erfahren, " Spricht Biondetta, " doch zu sorgen Bleibt mir vieles noch heut Abend; Ich muß meinen Putz noch ordnen;
Muß noch stimmen Leir und Harfe Und die Lieder wiederholen, Denn schon mahnet mich der Schatten Meiner Uhr dort an der Sonne. "
Schü chtern fraget Rosablanke: " Hohe Gä ste hat entboten Wohl dein Vater fü r heut Abend, Die so reichen Putz erfordern? " —
" Alles das will ich dir sagen, " Spricht Biondetta, " doch nun folge Mir zu meinem Kleiderschranke, Hilf mir die Gewande ordnen. "
Vor den Blicken Rosablankens Stehn die blanken Tü ren offen: Ach die seltsamen Gewande Und die bunten, reichen Stoffe,
Und die schö nen Blumen, wankend Bei den Sternen silbern, golden, Wie die zarten Federn schwanken # schwonken Um die leichten, duftgen Flore,
Wie die Diamanten strahlen Lachend in rotgoldnen Kronen, Wie die Perlenschnü re fallen Weinend durch des Purpurs Wogen.
Und in blanken Silberpanzern Spiegeln dunkle Seidenrosen, Windend sich um Schwert und Lanze Aus des Goldhelms stolzem Schoß e.
Muschelhut und Pilgerflasche Hä ngt am sarazenschen Bogen, Falsche Stern und Monde prangen Auf des Turbans ü ppgen Wolken.
Flitterschuhe und Sandalen, Bei Kothurn und Goldpantoffeln Und gespornten Schienen, paaren Traulich unten sich am Boden.
" Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater, Der dir all dies Gut erworben? " — " Nur der Welt gehö rt dies alles, Ich bin freier Kü nste Tochter.
Muß auf offner Bü hne tanzen, Bin zur Lust der Welt erzogen; Heute sind es nun sechs Jahre, Daß ich sang die erste Rolle.
Heute sind es zwanzig Jahre, Daß ich bin gefunden worden Als ein Kindlein am Altare, Wo du frü h den Kranz geflochten.
Findelkind Mariens nannte Mich die Tä nzrin, die hier wohnte, Ihr verdank ich Sang und Harfe, Sie ist meine Mutter worden.
Was mit Staunen du betrachtest, Ist das Gut, das sie erworben Und mir gü tig hat gelassen, Als ich sie im Tod verloren.
Da zur Jungfrau ich erwachsen, Ü bernahm ich ihre Rollen, Und sie hat vom offnen Wandel Sich zu Gott zurü ckgezogen.
In dem Kloster zu Sankt Claren Ward sie endlich aufgenommen. Und im heilgen Kleid begraben Als ein Mitglied jenes Ordens.
Sterbend hat sie mir gestanden, Daß ich ihre Findeltochter, Und mir Zeit und Ort gesaget, Da ich bin gefunden worden,
In dem Tü chlein eingeschlagen, Mit dem Bilde jener Nonne, Und dem Ringlein, das ich trage, Am Altare bei dem Bronnen.
Heute sind es zwanzig Jahre; Freitag nachts, als aus der Oper Einsam sie nach Haus gegangen, Nahm sie auf mich von dem Boden.
Hat mit mir sich in der Kammer Mutterheimlich eingeschlossen, Und von den gemalten Wangen Liebesträ nen auf mich flossen.
Da sie sterbend mir dies sagte, Fragt ich: wer hat mich geboren? Doch sie konnte mirs nicht sagen, Ihre Lippe war verschlossen.
Ihre Blicke, aufgeschlagen, Sahen nach dem Bild der Nonne, Und auf ihre bleichen Wangen Kalte Trä nen niederflossen,
Die noch traurig darauf standen Als ich ihr das Aug geschlossen; Und so sind mit ihr mir Armen Beide Mü tter mir gestorben:
Die mich hilflos muß te lassen Als sie mich zum Lichte geboren, Die mich treu in ihre Arme Als ein Kind hat aufgenommen.
Heute nun zum letzten Male Will ich tanzen in der Oper, Will ich meine Wangen malen Meiner Lehrerin zum Lobe,
In der Kü nste bunter Flamme Ihrem Leben noch dies Opfer, Und dann fromm die jungen Tage Opfern ihrem selgen Tode. "
Alles hö ret Rosablanke, Dinge, die sie nie vernommen, Ü ber manches mö cht sie fragen, Stü nd der Schrank nicht vor ihr offen.
Lange steht sie vor den Masken, Wie umgafft von fremden Volke; Kindisch wagt sie nicht zu fragen, Wer die Augen ausgestochen.
Doch fragt sie bei Armors Larve, Der ein Band von leichtem Flore Um die Augen war gefaltet: " Ist ihm auch das Aug genommen? " —
" Da ich einstens trug die Larve, Sprach Apone unterm Volke: Wer darf deine Mutter tadeln, Wenn du spielst des Vaters Rolle!
Da erglü hten meine Wangen, Durch die Maskenö ffnung rollten Heiß e Trä nen, und die Farben Um die Augen her verloschen.
Darum hab ich mit dem Bande Diesen Schaden schnell verborgen, Und blieb ferner an dem Abend Von dem Toren unverspottet.
Aber nun sollst du die Haare Mir fü r heute Abend ordnen, Wie um eine Silbernadel Du die deinen hast geflochten.
Willst du mir die Zö pfe machen? Ich knie nieder an den Boden, Und indessen sollst du sagen, Wer dein Vater, wo du wohnest. "
Und sie flicht Biondettens Haare, Windet sie in feste Knoten, Wä hrend sie vom Rosengarten Spricht und von dem Vater Kosme.
Wie im Traume heut die Schlange Gegen sie emporgeschossen, Wo der ernste Mann gegraben, Der versunken in den Boden.
Wie dann spä ter am Altare Sie ihn wieder angetroffen: " Ach, da hö rt ich deine Harfe, Hab mit ihm den Kranz geflochten!
Und jetzt hat der blonde Knabe Mit dem Lamme und dem Vogel Zu bedenken ernst ermahnet, Was der ernste Mann gesprochen.
Ach, ich bin mit Angst umfangen! Mich umdrä ngen diesen Morgen Jener Mann, der Knab, die Schlange, Du, dein Glanz, das Bild der Nonne!
Beten will ich noch heut Abend, Beten, recht von Herzen, morgen An der armen Mutter Grabe, Die mich sterbend hat geboren.
Auch sie ruhet bei Sankt Claren; Ich hab morgen angeordnet Ihre Messe, eh es taget; Willst auch du hin beten kommen?
Aber halte fest, du wankest! Sieht, jetzt durch den Flechtenknoten Steck ich meine Silbernadel, Bleib der Geberin gewogen! "
Und Biondetta spricht: " Die Nadel Will ich heut ins Herz mir stoß en, Wenn ich auf des Spieles Bahnen Mich dem schö nsten Tode opfre.
Wenn die Fluten des Gesanges Weltlich alle sind zerronnen, Wenn die Schwingungen des Tanzes Alle nieder sind gezogen.
Wenn die Saiten meiner Harfe Weltlich alle sind gebrochen, Denk ich deiner, Rosablanke, Dient die Nadel mir zum Dolche!
Und das Ringlein, das ich trage, Das mit mir gefunden worden, Nimm es hin zur Gegengabe! Also bin ich dir gewogen!
Aber wä hl auch aus dem Schranke Irgend ein Gewand dir, Holde! Zur Erinnrung dieses Tages Zeige es dem Vater Kosme.
Morgen will ich Sankt Claren Zu der Totenmesse kommen, Und dann dir zum Rosengarten Deines ernsten Vaters folgen. "
Lange wä hlet Rosablanke Welch Gewand sie nehmen sollte, Und Biondetta singt zur Harfe, Ihre Rolle wiederholend:
" Lebet wohl, ihr falschen Farben, Eitler Trä nen Regenbogen, Sterne, die mit falschem Glanze Dienten einem Flittermonde!
Meine Trä nen sollen wachsen, Daß sie mit den bittern Wogen Ganz mein Irdsches ü berwallen, Bis die Schuld ist hingenommen.
Aus dem Argen in die Arche Geh ich, eine Tochter Noä, Kleide mich in schwarzer Farbe, Wie der Rabe ausgeflogen.
Kleide schwarz mich gleich dem Raben, Der als Bote ausgeflogen, Und so traurig auf den Wassern Schwebte, bis sie abgenommen.
Schleire mich mit weiß er Farbe Gleich der Taube, die als Bote Wiederkehrte mit dem Blatte, Das dem Friedensbaum entsprossen.
Sei gegrü ß t, du Tag der Gnade! Durch den Friedensbogen Gottes Will ich zu den Vä tern wallen Auf der Opferflamme Wolken. "
Also sang sie. Rosablanke Wä hlt das Rö cklein einer Nonne, Weiß den Schleier, schwarz den Mantel, Wie die beiden Friedensboten.
Da sie dies im Korb bewahret, Und ihn auf das Haupt gehoben, Singen scheidend sie zusammen, Wie Biondetta angehoben:
" Lebet wohl, ihr falschen Farben, Eitler Trä nen Regenbogen, Sterne, die mit falschem Glanze Dienten einem Flittermonde! "
** Romanze V: Guidos Bild
Welch Getü mmel in der Ferne, Welche wilde, freche Stimmen? Ach, ich hö re Degen wetzen, Hö re bö se Klingen klirren!
Nä her, nä her um die Ecke, Ganz von Fechtenden umringet, Weicht Meliore, mit dem Degen Hebt er kü nstlich auf die Stiche.
" Freistatt! " ruft er dann befehlend, Springend nach Mariens Bilde, " Diese Zuflucht mü ß t ihr ehren! " Und sein mutger Ruf gelinget.
Denn ein Angesehner stellet Sich an seiner Gegner Spitze. " Wackre Knaben, meine Herren, Lassen Sie uns hier besinnen,
Fromm und hö flich unsre Degen Senken und fein salutieren, Hö flich schö ner Frauen wegen, Fromm vor dem Marienbilde!
Daß Meliore eingestehe, Daß uns Zucht und Sitte bindet, Wie fü r Wissenschaft gesehen Er die raschen Klingen blinken.
Darum will ich mit ihm reden, Unsern Streit nun auszumitteln! " Sprichts's und tritt dem Feind entgegen, Den die ganze Schar umzingelt.
Doch an den Altar gelehnet, Lauscht Meliore auf zur Linde, Er hat allen Streit vergessen, Denn er hö rt Biondettens Stimme.
Jener aber spricht: " Mein Bester, Keine Wahrheit ist zu finden Hier in diesem bunten Leben, Darum laß t uns Frieden stiften!
Und da Liebe nur im Sterben Kann gefunden" … " Stille, stille! " Spricht Meliore, " ach, es wehet Auch kein Lü ftchen in der Linde! " —
" Willst du's kurz? " fragt dann der Redner. Und Meliore spricht ergimmet: " Schweigt sie, magst du ewig reden, Schweige ewig, wenn sie singet! "
Jener spricht, zurü ck sich wendend: " Schweigen sollen wir, sie singet! " Aber in dem Kreis erheben Heftig schreiend sich die Stimmen:
" Er soll gleich zurü ck jetzt nehmen, Was er Apo sprach zum Schimpfe; Laß t uns mit dem Degen wetzend Ü berlä rmen seine Dirne! "
Und ein frecherer Geselle Schreit hinauf: " Ha! schweig sie stille, Heilge Jungfrau, um die Wette Wollen wir mit ihr eins singen! "
Aber wü tend an der Kehle Packt Meliore ihn und ringet An den Boden hin den Frevler, Und es heben sich die Klingen.
Alle dringen ihm entgegen; Auf den Altar fliehend springet Nun Meliore, sich das Leben In der heilgen Freistatt fristend.
" Seinen Mantel werfe jeder Nieder, der zu fechten willens, Jedes Klinge will ich messen, Dem ich Ehre abgeschnitten;
Und da vor so vielen Gegnern Ich wohl keine Rettung finde, Darum laß t zu Gott mich beten Nur noch wenge Augenblicke! "
Eine tiefe Stille ehret Seine Bitte, und er kniet; Und von zwö lfen breiten elfe Ihre Mä ntel um die Linde.
Wie zwei aufgeschreckte Rehe In gehemmter Flucht erzitternd Stehn die Jungfraun stumm am Fenster, Niederblickend durch die Linde.
Als Meliore sie ersehen Ruft er aufwä rts: " Wenn ich sinke, Liebesengel, Todesengel, Bete fü r mich, wenn ich sinke! "
Und nun springt er an die Erde, Seinen Rü cken deckt die Linde, Zierlich grü ß t er mit dem Degen Jeden in dem weiten Ringe.
Doch zuerst tritt ins Gefecht Den er niederwarf im Grimme, Und in tiefen Ä ngsten schwebend Stehn die Jungfrauen und singen:
" Gott und Vater, soll er sterben, Lasse seinen Zorn sich stillen, Daß er mö ge Heil erwerben Um Herrn Jesu Leiden willen!
Gott und Sohn! Schirm den Gerechten, Decke ihn mit deinem Schilde, Lasse ihn mit Ehren fechten Hier vor deiner Mutter Bilde!
Heilger Geist, das Herz erhelle Ihm, dem frommen Schwertumklirrten, Daß der bö se Feind nicht stelle Schlingen dem im Streit Verwirrten!
Und Maria, Mutter, helfe, Daß er seinen Judas finde, Denn hier stehen wieder zwö lfe, Wie bei deinem heilgen Kinde! " —
" Gleiche Rechte, gleiche Rechte! " Ruft der Gegner, " Brü der singet! Hat er sich Musik bestellet, Laß t mir auch ein Lied erklingen! "
Und es bricht aus vollen Kehlen Ein Gesang mit wildem Grimme; An den stillen Mauern brechen Widergellend sich die Stimmen:
" Blanke Jungfern, blanke Degen Muß man kü ssen, muß man schwingen; Der Schwertfeger weiß zu fegen, Sind sie rostig, unsre Klingen!
Wenn der Metzger Messer wetzet, Muß sein Weib ein Lied ihm singen, Und das Kalb, vom Hund gehetzet, Hilft sie leichter ihm bezwingen.
Wetzt, ihr Brü der, wetzt die Degen, Weil die schö ne Jungfer singet, Weil das Kalb sie uns entgegen Singend aus dem Stalle bringet.
Blanke Jungfern, blanke Degen, Muß man kü ssen, muß man schwingen; Der Schwertfeger weiß zu fegen, Sind sie rostig, unsre Klingen! "
Und schon mehret sich die Menge, Hergelockt aus allen Winkeln, Und es drohet aus der Ferne Schon der schwere Tritt der Sbirren.
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