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Drei Kameraden 18 страница



Wir hielten. Das Mä dchen kramte in seinem Tä schchen und hielt mir einen Fü nfzigmarkschein hin. Ich zuckte die Achseln. »Kann ich leider nicht wechseln. « Der Portier war herangekommen. »Wieviel macht es? «

fragte das Mä dchen.

»Eins siebzig. «

Sie wandte sich an den Portier. »Wollen Sie es fü r mich auslegen? Kommen Sie, ich gebe es Ihnen an der Kasse zurü ck. «

Der Portier riß die Tü r auf und ging mit ihr zur Kasse. Dann kam er zurü ck. »Da... «

Ich zä hlte nach. »Eins fü nfzig sind das... «

»Quatsch keinen Kä se oder bist du noch grü n? Zwei Groschen Portierstaxe fü rs Wiederkommen. Hau ab! «

Es gab Plä tze, wo man dem Portier ein Trinkgeld gab. Aber man gab es ihm, wenn er einem eine Fuhre besorgte, nicht, wenn man eine brachte. »Dafü r bin ich nicht grü n genug«, sagte ich, »ich kriege eins siebzig. «

»Du kannst was in die Schnauze kriegen«, knurrte er. »Mensch, zieh bloß Leine, ich stehe hier schon lä nger als du. «

Es lag mir nichts an den zwei Groschen. Ich hatte nur keine Lust, mich anschmieren zu lassen. »Quatsch keine Opern und gib den Rest 'raus«, sagte ich.

Der Portier schlug so schnell zu, daß ich mich nicht decken konnte. Ausweichen konnte ich ohnehin auf meinem Bock nicht. Ich prallte mit dem Kopf gegen das Steuerrad. Benommen richtete ich mich auf. Mein Kopf drö hnte wie eine Trommel, und meine Nase tropfte. Der Portier stand vor mir.

»Willst du noch eine, du Wasserleiche? «

Ich schä tzte in der Sekunde meine Chancen ab. Es war nichts zu machen. Der Kerl war stä rker als ich. Um ihn zu erwischen, hä tte ich ihn ü berraschen mü ssen. Vom Bock aus schlagen konnte ich nicht, das hatte keine Kraft. Und bis ich aus dem Wagen kam, hatte er mich dreimal am Boden. Ich sah ihn an. Er blies mir seinen Bieratem ins Gesicht. »Noch ein Ding, und deine Frau ist Witwe. «

Ich sah ihn an. Ich bewegte mich nicht. Ich starrte in dieses breite, gesunde Gesicht. Ich fraß es mit den Augen. Ich sah, wohin ich schlagen muß te, ich war eiskalt zusammengezogen vor Wut. Aber ich rü hrte mich nicht. Ich sah das Gesicht ü berdicht, ü berdeutlich, wie durch ein Vergrö ß erungsglas, riesig, jede Bartstoppel, die rote, rauhe porige Haut...

Ein Schupohelm blitzte. »Was ist hier los? «

Der Portier verzog servil das Gesicht. »Nichts, Herr Wachtmeister. «

Er sah mich an. »Nichts«, sagte ich.

Er blickte von dem Portier zu mir herü ber. »Sie bluten ja. «

»Habe mich gestoß en. «

Der Portier trat einen Schritt zurü ck. In seinen Augen lag ein Grinsen. Er meinte, ich hä tte Angst, ihn anzuzeigen.

»Los, weiterfahren«, sagte der Schupo.

Ich gab Gas und fuhr zum Stand zurü ck.

»Mensch, siehst du aus! « sagte Gustav.

»Das ist nur die Nase«, erwiderte ich und erzä hlte die Geschichte.

»Komm mal mit in die Kneipe«, sagte Gustav. »Ich war nicht umsonst mal Sanitä tsgefreiter. Schweinerei, auf einen sitzenden Mann loszuschlagen. «

Er nahm mich mit in die Kü che der Kneipe, ließ sich Eis geben und bearbeitete mich eine halbe Stunde lang. »Nicht mal 'ne Beule sollst du kriegen«, erklä rte er.

Endlich hö rte er auf. »Na, wie steht's mit dem Schä del? Gut, was? Dann wollen wir keine Zeit verlieren. «

Tommy kam herein. »War das der groß e Portier vom Vineta?

Der ist berü chtigt fü r sein Schlagen. Hat leider noch nie selber Dunst gekriegt. «

»Jetzt kriegt er welchen«, sagte Gustav.

»Ja, aber von mir«, erwiderte ich.

Gustav sah mich miß mutig an. »Bis du aus dem Wagen 'raus bist... «

»Habe mir schon einen Dreh ausgedacht. Wenn ich's nicht schaffe, kannst du ja immer noch losgehen. «

»Schö n. «

Ich setzte Gustavs Mü tze auf, und wir nahmen auch seinen Wagen, damit der Portier nicht gleich Lunte roch. Sehen konnte er ohnehin nicht viel, dazu war die Straß e zu dunkel.

Wir kamen an. Kein Mensch war auf der Straß e zu sehen. Gustav sprang heraus, einen Zwanzigmarkschein in der Hand.

»Verflucht, kein Kleingeld! Portier, kö nnen Sie wechseln? Eins siebzig macht es? Legen Sie es doch eben aus. «

Er tat, als ginge er zur Kasse. Der Portier nä herte sich mir hustend und schob mir eine Mark fü nfzig hin. Ich hielt die Hand weiter hin.

»Schieb ab... «, knurrte er.

»Rest 'raus, dreckiger Hund! « brü llte ich.

Er stand eine Sekunde wie versteinert. »Mensch«, sagte er dann leise und leckte sich die Lippen, »das wird dir noch monatelang leid tun! « Er holte aus. Der Schlag hä tte mich bewuß tlos gemacht. Aber ich war vorbereitet, drehte und duckte mich, und die Faust sauste mit voller Gewalt auf die scharfe Stahlklaue meiner Andrehkurbel, die ich in der linken Hand versteckt bereitgehalten hatte. Aufheulend sprang der Portier zurü ck und schü ttelte die Hand. Er zischte vor Schmerz wie eine Dampfmaschine und stand ganz frei, ohne Deckung.

Ich schoß aus dem Wagen. »Kennst du mich wieder? « fauchte ich und schlug ihm gegen den Magen.

Er kippte um. »Eins«, begann Gustav von der Kasse her zu zä hlen, »zwei — drei... «

Bei fü nf kam der Portier glasig wieder hoch. Ich sah wie vorher sein Gesicht vor mir, ganz genau, dieses gesunde, breite, dumme, gemeine Gesicht, diesen ganzen gesunden, krä ftigen Kerl, dieses Schwein, das nie kranke Lungen haben wü rde, und ich spü rte plö tzlich roten Qualm im Gehirn und in den Augen, ich sprang los und schlug und schlug, ich schlug alles, was sich in mir aufgespeichert hatte in diesen Tagen und Wochen hinein in dieses gesunde, breite, blö kende Gesicht, bis ich zurü ckgerissen wurde...

»Mensch, du schlä gst ihn ja tot... «, rief Gustav.

Ich sah mich um. Der Portier lehnte blutü berströ mt an der Mauer. Jetzt knickte er zusammen, fiel um und begann langsam wie ein riesiges, glitzerndes Insekt in seiner Uniform auf allen vieren dem Eingang zuzukriechen.

»Der schlä gt so leicht nicht wieder«, sagte Gustav. »Aber los, jetzt tü rmen, bevor jemand kommt! Das war schon schwere Kö rperverletzung. «

Wir warfen das Geld aufs Pflaster, stiegen ein und fuhren ab.

»Blute ich eigentlich auch? « fragte ich, »oder ist das der Portier? «

»Deine Nase wieder«, erklä rte Gustav. »Er hat einen sehr schö nen Linken darauf gelandet. «

»Habe ich gar nicht gemerkt. «

Gustav lachte.

»Weiß t du«, sagte ich, »mir ist jetzt bedeutend besser. «

 

 

XVIII

 

Unser Taxi stand vor der Bar. Ich ging hinein, um Lenz abzulö sen und mir den Schlü ssel und die Papiere zu holen. Gottfried kam mit heraus. »Hast du gute Kasse gehabt? « fragte ich.

»Mä ß ig«, erwiderte er. »Entweder gibt es zuviel Taxis oder zuwenig Leute, die Taxi fahren. Wie war's denn bei dir? «

»Schlecht. Habe die ganze Nacht herumgestanden und nicht mal zwanzig Mark eingenommen. «

»Trü be Zeiten! « Gottfried zog die Brauen hoch. »Na, dann hast du's ja wohl nicht so sehr eilig heute, was? «

»Nein, warum? «

»Kannst mich mal ein Stü ck mitnehmen. «

»Gut. « Wir stiegen ein. »Wo willst du denn hin? « fragte ich.

»Zum Dom. «

»Was? « fragte ich. »Glaubst du, daß ich mich verhö rt habe? Ich habe Dom verstanden. «

»Nein, mein Sohn, du hast dich nicht verhö rt. Dom ist richtig! «

Ich sah ihn erstaunt an. »Staune nicht, sondern fahre! « sagte Gottfried.

»Na schö n. « Wir fuhren los.

Der Dom lag im alten Teil der Stadt, an einem freien Platz, der von den Hä usern der Geistlichen umgeben war. Ich hielt vor dem Hauptportal. »Weiter«, sagte Gottfried. »Ganz herum. «

Er ließ mich vor einem kleinen Eingang an der Rü ckseite halten und stieg aus. »Viel Vergnü gen«, sagte ich. »Ich nehme an, daß du beichten willst. «

»Komm mal mit«, erwiderte er.

Ich lachte. »Heute nicht. Ich habe heute morgen schon gebetet. Das reicht bei mir fü r den ganzen Tag. «

»Rede keinen Unsinn, Baby! Komm mit. Ich will groß mü tig sein und dir was zeigen. «

Neugierig folgte ich ihm. Wir gingen durch die kleine Eingangstü r und kamen von dort sofort in die Kreuzgä nge. Sie bildeten ein groß es Viereck und bestanden aus langen Bogenreihen, die auf der Innenseite von grauen Granitsä ulen gestü tzt wurden und einen Garten einrahmten. In der Mitte erhob sich ein groß es, verwittertes Kreuz mit der Figur Christi. An den Seiten waren steinerne Reliefbilder der Stationen des schmerzhaften Rosenkranzes aufgestellt. Vor jedem Bilde befand sich eine alte Betbank. Der Garten war verwildert und blü hte ü ber und ü ber.

Gottfried zeigte auf ein paar mä chtige weiß e und rote Rosenbü sche. »Das wollte ich dir zeigen! Erkennst du sie wieder? «

Ü berrascht blieb ich stehen. »Natü rlich erkenne ich sie wieder«, sagte ich. »Also hier hast du geerntet, du alter Kirchenrä uber! «

Pat war vor einer Woche zu Frau Zalewski umgezogen, und Lenz hatte ihr abends durch Jupp einen riesigen Strauß Rosen geschickt. Es war eine solche Menge gewesen, daß Jupp zweimal herunter muß te und jedesmal mit beiden Armen voll wiederkam. Ich hatte mir schon den Kopf zerbrochen, wo Gottfried sie nur herhaben mochte, denn ich kannte sein Prinzip, Blumen niemals zu kaufen. In den stä dtischen Anlagen hatte ich sie nie gesehen.

»Das ist eine Idee! « sagte ich anerkennend. »Darauf soll ein Mensch kommen! «

Gottfried schmunzelte. »Der Garten hier ist eine wahre Goldgrube! « Er legte mir feierlich die Hand auf die Schulter. »Hiermit nehme ich dich als Teilhaber auf! Denke, du kannst es gerade jetzt gut gebrauchen! «

»Wieso gerade jetzt? « fragte ich.

»Weil die stä dtischen Anlagen augenblicklich ziemlich kahl sind. Und die waren ja wohl bisher deine einzige Weide, was? «

Ich nickte.

»Auß erdem«, erklä rte Gottfried weiter, »kommst du jetzt in die Zeit, wo sich der Unterschied zwischen einem Bourgeois und einem Kavalier zeigt. Der Bourgeois wird immer unaufmerksamer, je lä nger er eine Frau kennt. Der Kavalier immer aufmerksamer. « Er machte eine weitlä ufige Handbewegung. »Hiermit kannst du ein geradezu erschü tternder Kavalier werden! «

Ich lachte. »Alles ganz gut, Gottfried«, sagte ich. »Aber wie ist das, wenn man erwischt wird? Man kann hier schlecht ausreiß en, und fromme Leute bezeichnen so was leicht als Schä ndung heiliger Stä tten. «

»Mein lieber Junge«, erwiderte Lenz, »siehst du hier jemand? Seit dem Kriege gehen die Leute in politische Versammlungen, aber nicht in die Kirche. «

Das war richtig. »Aber wie ist es mit den Pastoren? « fragte ich.

»Den Pastoren sind die Blumen egal, sonst wä re der Garten besser gepflegt. Und der liebe Gott hat hö chstens seinen Spaß dran, wenn du jemand damit eine Freude machst. Der ist gar nicht so. «

»Da hast du recht! « Ich betrachtete die riesigen alten Bü sche. »Fü r die nä chsten Wochen habe ich damit ausgesorgt, Gottfried. «

»Lä nger. Du hast Glü ck. Es ist eine sehr dauerhafte, lange blü hende Rosensorte. Du reichst damit mindestens bis September. Und von da an gibt es hier dann Astern und Chrysanthemen. Komm, ich zeige sie dir auch gleich. «

Wir gingen durch den Garten. Die Rosen dufteten betä ubend. Wie eine summende Wolke flogen Bienenschwä rme von Blü te zu Blü te.

»Sieh dir das an«, sagte ich und blieb stehen. »Wo mö gen die nur herkommen? Mitten in der Stadt? Hier gibt es in der Nä he doch gar keine Bienenkö rbe. Oder glaubst du, daß die Pastoren welche auf ihren Dä chern stehen haben? «

»Nein, Bruder«, erwiderte Lenz. »Die kommen todsicher von irgendeinem Bauernhof. Sie kennen nur eben ihren Weg. « Er zwinkerte mit den Augen. »Wir nicht, was? «

Ich hob die Schultern.

»Vielleicht doch. Wenigstens ein kleines Stü ck. Soweit man es eben kann. Du nicht? «

»Nein. Will's auch gar nicht wissen. Ziele machen das Leben bü rgerlich. «

Ich blickte zum Domturm hinauf. Seidengrü n stand er vor dem blauen Himmel, unendlich alt und ruhig, von Schwalben umflogen.

»Wie still es hier ist«, sagte ich.

Lenz nickte. »Ja, mein Alter, hier merkt man, daß einem eigentlich nur Zeit gefehlt hat, um ein guter Mensch zu werden, was? «

»Zeit und Ruhe«, erwiderte ich. »Ruhe auch. «

Er lachte. »Zu spä t! Jetzt ist es schon so weit, daß man die Ruhe nicht mehr aushaken kö nnte. Also los! Wieder hinein in den Radau! «

Ich setzte Gottfried ab und fuhr zum Stand zurü ck. Unterwegs kam ich am Friedhof vorbei. Ich wuß te, daß Pat jetzt in ihrem Liegestuhl auf dem Balkon lag, und hupte ein paarmal. Aber es zeigte sich nichts, und ich fuhr weiter. Dafü r sah ich ein Stü ck weiter Frau Hasse in einer Art taftseidenem Umhang die Straß e entlangrudern und um die Ecke verschwinden. Ich fuhr ihr nach, um sie zu fragen, ob ich sie irgendwo hinbringen kö nnte. Aber als ich an die Kreuzung kam, sah ich, daß sie in einen Wagen stieg, der hinter der Ecke gehalten hatte. Es war eine etwas klapprige Mercedeslimousine aus dem Jahre 23, die gleich darauf losratterte. Ein Mann mit einer Nase wie ein Entenschnabel und einem auffallend karierten Anzug saß am Steuer. Ich schaute dem Wagen ziemlich lange nach. Das kam also dabei heraus, wenn eine Frau dauernd allein zu Hause saß. Nachdenklich fuhr ich zum Stand und stellte mich in die Reihe der wartenden Taxis.

Die Sonne brü tete auf das Verdeck. Es ging nur langsam vorwä rts. Ich dö ste vor mich hin und versuchte zu schlafen. Doch das Bild von Frau Hasse ging mir nicht aus dem Kopf. Es war etwas ganz anderes, aber schließ lich war Pat auch den ganzen Tag allein.

Ich stieg aus und ging nach vorn zu Gustavs Wagen. »Hier, trink mal«, forderte er mich auf und hielt mir eine Thermosflasche hin.

»Wunderbar kalt! Eigene Erfindung! Kaffee mit Eis. Bleibt stundenlang so bei der Hitze. Ja, Gustav ist praktisch! «

Ich nahm einen Becher und trank ihn aus. »Wenn du so praktisch bist«, sagte ich, »dann erzä hl mir doch mal, wie man einer Frau etwas Unterhaltung verschaffen kann, wenn sie viel allein ist. «

»So was Einfaches! « Gustav sah mich ü berlegen an. »Mensch, Robert! Ein Kind oder ein Hund! Frag mich mal was Schwereres! «

»Ein Hund! « sagte ich ü berrascht, »verflucht ja, ein Hund! Da hast du recht! Mit einem Hund ist man nie allein. «

Ich bot ihm eine Zigarette an. »Hö r mal, hast du zufä llig eine Ahnung von so was? So ein Kö ter muß doch jetzt billig zu kaufen sein. «

Gustav schü ttelte vorwurfsvoll den Schä del. »Aber Robert, du weiß t wahrhaftig noch gar nicht, was du an mir hast! Mein kü nftiger Schwiegervater ist doch zweiter Schriftfü hrer vom Dobermannpinscherverein! Natü rlich kannst du einen Jungrü den haben, umsonst sogar, erstklassige Blutfü hrung. Wir haben da einen Wurf, vierzwei, Groß mutter Siegerin Hertha von der Toggenburg. «

Gustav war ein gesegneter Mensch. Der Vater seiner Braut war nicht nur Dobermannzü chter, sondern auch Gastwirt, Besitzer der Neuen Klause — seine Braut besaß auß erdem eine Plisseeplä tterei. Gustav stand sich dadurch erstklassig. Beim Schwiegervater aß und trank er umsonst, und die Braut wusch und plä ttete seine Hemden. Er hü tete sich zu heiraten. Dann war er es, der sorgen muß te.

Ich erklä rte Gustav, daß ein Dobermann nicht das richtige sei. Er wä re mir zu groß und nicht zuverlä ssig im Charakter. Gustav ü berlegte nur kurz. »Komm mal mit«, sagte er. »Wollen mal spekulieren gehen. Ich weiß da was. Darfst mir nur nicht dazwischenreden. «

»Gut. «

Er fü hrte mich zu einem kleinen Geschä ft. Im Schaufenster standen veralgte Aquarien. In einer Kiste hockten ein paar trü bselige Meerschweinchen. An den Seiten hingen Kä fige mit rastlos herumturnenden Zeisigen, Dompfaffen und Kanarienvö geln.

Ein krummbeiniger kleiner Mann mit einer braunen Strickweste kam uns entgegen. Wä sserige Augen, fahle Haut, ein Leuchtkolben als Nase: Bier- und Schnapstrinker.

»Sag mal, Anton, was macht Asta? « fragte Gustav.

»Zweiter Preis und Ehrenpreis in Kö ln«, erwiderte Anton.

»Gemeinheit! « erklä rte Gustav. »Warum nicht den ersten? « »Den ersten ha'm sie Udo vom Blankenfels gegeben«, knurrte Anton.

»Daß ich nicht meckere! Bei der Hinterhand! «

Im Hintergrund des Ladens klä ffte und winselte es. Gustav ging hinü ber. Er brachte im Genick zwei kleine Terrier heran, links einen schwarzweiß en, rechts einen rotbraunen. Unmerklich zuckte die Hand mit dem rotbraunen. Ich sah ihn an: ja.

Es war ein wunderschö ner, spielerischer Hund. Die Beine gerade, der Kö rper quadratisch, der Kopf viereckig, klug und frech. Gustav ließ beide laufen.

»Komischer Bastard«, sagte er und zeigte auf den Rotbraunen. »Wo hast du denn den her? «

Anton hatte ihn angeblich von einer Dame, die nach Sü damerika gereist war. Gustav brach in ein unglä ubiges Gelä chter aus. Anton zeigte beleidigt einen Stammbaum vor, der bis auf die Arche Noah ging. Gustav winkte ab und interessierte sich fü r den Schwarzweiß en. Anton verlangte hundert Mark fü r den Rotbraunen. Gustav bot fü nf. Ihm gefiel der Urgroß vater nicht. Er mä kelte auch am Schwanz herum. Die Ohren waren ebenfalls nicht richtig. Der Schwarzweiß e, der war tipptopp.

Ich stand in der Ecke und hö rte zu. Plö tzlich griff etwas nach meinem Hut. Erstaunt drehte ich mich um. Ein kleiner Affe saß in der Ecke auf seiner Stange, ein biß chen zusammengekrü mmt, mit gelbem Fell und traurigem Gesicht. Er hatte schwarze, runde Augen und die bekü mmerten Lippen einer alten Frau. Um den Bauch hatte er einen Ledergurt geschlungen, an dem eine Kette befestigt war. Die Hä nde waren klein, schwarz und erschreckend menschlich.

Ich blieb stehen und verhielt mich ruhig. Langsam rü ckte der Affe auf seiner Stange nä her. Er sah mich dabei dauernd an, nicht miß trauisch, sondern mit einem merkwü rdigen, verhaltenen Blick. Vorsichtig streckte er schließ lich seine Hand aus. Ich hielt ihm einen Finger hin. Er zuckte zurü ck, dann nahm er ihn. Es war sonderbar, die kü hle Kinderhand zu fü hlen, wie sie meinen Finger umklammerte. Es war, als wolle sich ein armer, stummer, in diesen gekrü mmten Kö rper verschlagener Mensch hinausretten. Man konnte die todtraurigen Augen nicht lange ansehen.

Schnaufend tauchte Gustav aus dem Wald von Stammbä umen wieder auf. »Also abgemacht, Anton, du kriegst einen Dobermannrü den aus Hertha dafü r. Das beste Geschä ft deines Lebens! « Dann wandte er sich zu mir. »Willst du ihn gleich mitnehmen? «

»Was kostet er denn? «

»Nichts. Getauscht gegen den Dobermann, den ich dir vorhin geschenkt habe. Ja, Gustav muß man machen lassen! Gustav ist goldrichtig. «

Wir machten ab, daß ich den Hund spä ter holen sollte, wenn ich mit dem Taxifahren fertig war.

»Weiß t du, was du da gekriegt hast? « fragte Gustav mich drauß en. »Ganz was Rares. Einen Irischen Terrier. Primissima. Ohne jeden Fehler. Und einen Stammbaum dazu, Mann Gottes, den darfst du dir gar nicht ansehen, sonst muß du dich immer erst verbeugen, bevor du das Vieh anredest. «

»Gustav«, sagte ich, »du hast mir einen groß en Gefallen getan. Komm, wir trinken jetzt den ä ltesten Kognak miteinander, den wir auf treiben kö nnen. «

»Heute nicht! « erklä rte Gustav. »Heute muß ich eine sichere Hand haben. Ich gehe abends in meinen Verein kegeln. Versprich mir, daß du mal mitkommst. Alles hochanstä ndige Leute da, ein Oberpostsekretä r sogar. «

»Ich komme«, sagte ich. »Auch wenn der Oberpostsekretä r nicht da ist. «

Kurz vor sechs Uhr fuhr ich in die Werkstatt zurü ck. Kö ster erwartete mich. »Jaffé hat heute nachmittag telefoniert. Du sollst ihn anrufen. «

Ich bekam einen Augenblick keinen Atem. »Hat er was gesagt, Otto? «

»Nein, nichts Besonderes. Nur daß er bis fü nf in seiner Sprechstunde ist. Nachher im Dorotheenkrankenhaus. Du wirst also dort anrufen mü ssen. «

»Gut. «

Ich ging ins Bü ro. Es war warm und stickig, aber ich fror, und der Telefonhö rer zitterte in meiner Hand. »Unsinn«, sagte ich und stü tzte den Arm fest auf den Tisch.

Es dauerte lange, bis ich Jaffé erreichte. »Haben Sie Zeit? « fragte er.

»Ja. «

»Dann kommen Sie doch gleich hier heraus. Ich bin noch eine Stunde da. «

Ich wollte ihn fragen, ob etwas mit Pat passiert sei. Aber ich brachte es nicht fertig. »Gut«, sagte ich, »in zehn Minuten bin ich da. «

Ich legte den Hö rer auf und rief sofort zu Hause an. Das Dienstmä dchen war am Apparat. Ich fragte nach Pat. »Weiß nicht, ob sie da ist«, sagte Frida brummig. »Will mal nachsehen. «

Ich wartete. Mein Kopf war dick und heiß. Es dauerte endlos. Dann hö rte ich ein Scharren und Pats Stimme. »Robby? «

Ich schloß einen Moment die Augen. »Wie geht es, Pat? «

»Gut. Ich hab bis eben auf dem Balkon gesessen und gelesen. Ein aufregendes Buch. «

»So, ein aufregendes Buch«, sagte ich. »Das ist ja schö n. Ich wollte dir nur sagen, daß ich heute ein biß chen spä ter nach Hause komme. Bist du schon fertig mit deinem Buch? « »Nein, ich bin mittendrin. Ein paar Stunden reicht es noch. «

»Bis dahin bin ich lä ngst da. Und nun lies rasch weiter. «

Ich blieb einen Augenblick sitzen. Dann stand ich auf.

»Otto«, sagte ich, »kann ich Karl mal haben? «

»Natü rlich. Wenn du willst, fahre ich mit. Ich habe hier nichts zu tun. «

»Ist nicht nö tig. Es ist weiter nichts. Ich habe schon zu Hause angerufen. «

Welch ein Licht, dachte ich, als Karl auf die Straß e hinausschoß, welch ein wunderbares Abendlicht ü ber den Dä chern! Wie voll und sü ß das Leben ist!

Ich muß te ein paar Minuten auf Jaffé warten. Eine Schwester fü hrte mich in ein kleines Zimmer, in dem alte Zeitschriften umherlagen. Ein paar Blumentö pfe mit Rankengewä chsen standen auf der Fensterbank. Es waren immer dieselben Zeitschriften in braunen Umschlä gen und immer dieselben traurigen Rankengewä chse; man fand sie nur in Wartezimmern von Ä rzten und Krankenhä usern.

Jaffé kam herein. Er trug einen schneeweiß en Mantel, der noch die Plä ttkniffe zeigte. Aber als er sich zu mir setzte, sah ich an der Innenseite des rechten Ä rmels einen ganz kleinen hellroten Blutspritzer. Ich hatte in meinem Leben viel Blut gesehen — aber dieser winzige Fleck wirkte auf einmal beklemmender auf mich als noch so viele blutgeträ nkte Verbä nde. Meine zuversichtliche Stimmung erlosch.

»Ich habe Ihnen versprochen zu sagen, wie es mit Frä ulein Hollmann steht«, sagte Jaffé.

Ich nickte und sah auf die Tischdecke. Sie hatte ein buntes Plü schmuster. Ich starrte auf die ineinander geschachtelten Sechsecke und hatte das verrü ckte Gefü hl, daß alles gut gehen wü rde, wenn ich nur aushaken und nicht blinzeln mü ß te, ehe Jaffé weitersprach.

»Sie war vor zwei Jahren sechs Monate im Sanatorium.

Wissen Sie das? «

»Nein«, sagte ich und sah weiter auf die Tischdecke.

»Es hatte sich danach gebessert. Ich habe sie jetzt genau untersucht. Sie muß diesen Winter unbedingt noch einmal hin. Sie kann nicht hier in der Stadt bleiben. «

Ich blickte noch immer auf die Sechsecke. Sie verschwammen und begannen zu tanzen. »Wann muß sie fort? « fragte ich.

»Im Herbst. Spä testens Ende Oktober. «

»Es war also keine vorü bergehende Blutung? «

»Nein. «

Ich hob die Augen. »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen«, fuhr Jaffé fort, »daß diese Krankheit ganz unberechenbar ist. Vor einem Jahr schien sie zu stehen, die Verkapselung war eingetreten, und es war anzunehmen, daß sie geschlossen blieb. Ebenso, wie sie jetzt wieder aufgebrochen ist, kann sie ü berraschend wieder zum Stillstand kommen. Ich sage das nicht so daher — es ist wirklich so. Ich selbst habe merkwü rdige Heilungen erlebt. «

»Verschlimmerungen auch? «

Er sah mich an. »Das auch, natü rlich. «

Er begann mir die Einzelheiten zu erklä ren. Beide Lungenflü gel waren angegriffen, der rechte weniger, der linke stä rker. Dann unterbrach er sich und klingelte nach der Schwester.

»Holen Sie einmal meine Mappe. «

Die Schwester brachte sie. Jaffé nahm zwei groß e Fotografien heraus. Er zog die knisternden Umschlä ge herab und hielt sie gegen das Fenster. »So sehen Sie es besser. Hier haben wir die Rö ntgenbilder. «

Ich sah die Wirbel eines Rü ckens auf der durchscheinenden grauen Platte, die Schulterblä tter, die Schlü sselbeine, die Gelenkpfannen der Oberarme und die flachen Bogen der Rippen. Aber ich sah mehr als das — ich sah ein Skelett. Dunkel und gespenstisch hob es sich von den fahlen, ineinander verfließ enden Schatten der Aufnahme ab. Ich sah das Skelett von Pat. Das Skelett von Pat.

Jaffé zeichnete mit der Pinzette einzelne Linien und Verfä rbungen auf der Platte nach und erklä rte sie. Er merkte nicht, daß ich gar nicht mehr hinblickte. Die Grü ndlichkeit des Wissenschaftlers war ü ber ihn gekommen. Schließ lich wandte er sich mir zu. »Haben Sie es verstanden? «

»Ja«, sagte ich.

»Was ist denn? « fragte er.

»Nichts«, erwiderte ich. »Ich kann das nur nicht gut sehen. «

»Ach so. « Er rü ckte an seiner Brille. Dann schob er die Fotografien wieder in die Hü llen zurü ck und musterte mich forschend. »Machen Sie sich keine unnü tzen Gedanken. «

»Das tue ich nicht. Aber es ist ein gottverdammtes Elend! Millionen Menschen sind gesund! Warum dieser eine nicht? «

Jaffé schwieg eine Weile.

»Darauf kann niemand eine Antwort geben«, sagte er dann.

»Ja«, erwiderte ich, plö tzlich furchtbar erbittert und ganz taub vor Wut, »darauf kann niemand eine Antwort geben! Natü rlich nicht! Auf das Elend und das Sterben kann niemand eine Antwort geben! Verflucht! Nicht einmal tun kann man etwas dagegen! «

Jaffé sah mich lange an. »Entschuldigen Sie«, sagte ich. »Aber ich kann mir nichts vormachen. Das ist das Verfluchte. «

Er sah mich immer noch an. »Haben Sie etwas Zeit? « fragte er.

»Ja«, sagte ich. »Genug. «

Er stand auf. »Ich muß jetzt meine Abendvisite machen. Ich mö chte, daß Sie mitkommen. Die Schwester wird Ihnen einen weiß en Mantel geben. Fü r die Patienten gelten Sie dann als mein Assistent. «

Ich wuß te nicht, was er wollte; aber ich nahm den Mantel, den die Schwester mir hinhielt.

Wir gingen die langen Korridore entlang. Durch die breiten Fenster fiel rosig der Schein des Abends. Es war ein weiches, gedä mpftes, ganz unwirklich schwebendes Licht. Ein paar Fenster standen offen. Der Geruch von blü henden Linden wehte herein.

Jaffé ö ffnete eine Tü r. Stickiger, fauler Geruch schlug uns entgegen. Eine Frau mit wunderbarem Haar in der Farbe von altem Gold, auf dem das Licht in hellen Reflexen schimmerte, hob matt die Hand. Die Stirn war edel und schmal an den Schlä fen. Unter den Augen aber begann ein Verband. Er reichte bis zum Munde. Jaffé lö ste ihn vorsichtig. Ich sah, daß die Frau keine Nase mehr hatte. Sie hatte an ihrer Stelle eine krustige, schmierige rote Wunde mit zwei Lö chern darin. Jaffé legte den Verband wieder darü ber.

»Gut«, sagte er freundlich und wendete sich zum Gehen.

Er schloß die Tü r hinter sich. Ich blieb einen Augenblick drauß en stehen und sah in das weiche Licht des Abends.

»Kommen Sie! « sagte Jaffé und ging mir voran in das nä chste Zimmer. Das heiß e Rasseln und Keuchen eines schwer Fiebernden drang uns entgegen. Es war ein Mann mit bleifarbenem Gesicht, in dem sonderbar grelle rote Flecken standen. Der Mund war aufgerissen, die Augen quollen hervor, und die Hä nde fuhren ruhelos auf der Decke hin und her. Der Mann war bewuß tlos. Die Fiebertafel zeigte durchgehend vierzig Grad. Eine Schwester saß am Bett und las. Sie legte das Buch weg und stand auf, als Jaffé hereintrat. Er blickte auf die Tafel und schü ttelte den Kopf. »Doppelte Lungenentzü ndung und Rippenfellentzü ndung. Wehrt sich seit einer Woche wie ein Stier. Rü ckfall. War schon fast gesund. Zu frü h gearbeitet. Frau und vier Kinder. Aussichtslos. « Er horchte die Brust ab und prü fte den Puls. Die Schwester half ihm. Dabei fiel ihr Buch zur Erde. Ich hob es auf und sah, daß es ein Kochbuch war. Der Mann im Bett kratzte unaufhö rlich mit den spinnenartigen Hä nden ü ber die Decke. Es war der einzige Laut im Zimmer. »Bleiben Sie die Nacht hier, Schwester«, sagte Jaffé. Wir gingen hinaus. Die rosige Dä mmerung drauß en war farbiger geworden. Sie erfü llte den Korridor jetzt wie eine Wolke.



  

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