Хелпикс

Главная

Контакты

Случайная статья





Drei Kameraden 12 страница



Sie sah mich an. »So spä t? «

»Geschä ftlich. Wichtig fü r mich, Lisa. Muß versuchen, jemand noch zu treffen. Sitzt um diese Zeit gewö hnlich im Astoria. «

Keine Frauen sind verstä ndiger fü r so was als Mä dchen wie Lisa. Aber keiner Frau kann man auch so wenig vorlü gen wie ihnen. Lisas Gesicht wurde leer. »Du hast eine andere Frau... «

»Aber Lisa — wir haben uns doch so wenig gesehen — jetzt fast ein Jahr nicht — du kannst dir doch denken... «

»Nein, nein, das meine ich nicht. Du hast eine Frau, die du liebst! Du hast dich verä ndert. Ich spü re es. «

»Ach, Lisa... «

»Doch, doch. Sag's! «

»Ich weiß es selbst nicht. Vielleicht... «

Sie stand eine Weile. Dann nickte sie. »Jaja — natü rlich — ich bin ja auch dumm — wir haben ja auch gar nichts miteinander... « Sie strich sich ü ber die Stirn. »Ich weiß nicht, wie ich dazu komme... « Ihre schmale Gestalt stand dü rftig und zerbrechlich vor mir. Die Brokatschuhe — der Kimono — die langen, leeren Abende, die Erinnerung — »Auf Wiedersehen, Lisa... «

»Du gehst — du bleibst nicht noch etwas? Du gehst — schon? «

Ich wuß te, was sie meinte. Aber ich konnte es nicht. Es war merkwü rdig, aber ich konnte es nicht, ich spü rte das sehr stark. Frü her war das nie so gewesen. Ich hatte keine ü bertriebenen Vorstellungen von Treue. Aber es ging einfach nicht mehr. Ich fü hlte plö tzlich, wie weit ich von all dem schon weg war.

Sie stand im Tü rrahmen. »Du gehst... «Sie lief zurü ck. »Hier, ich weiß, du hast mir Geld hingelegt — unter die Zeitung — ich will es nicht haben — Da — da — ja, geh nur... «

»Ich muß, Lisa. «

»Du kommst nicht wieder... «

»Doch, Lisa... «

»Nein, nein, du kommst nicht wieder — ich weiß es! Du sollst auch nicht wiederkommen! Geh nur, so geh doch... « Sie weinte. Ich ging die Treppe hinunter und sah mich nicht um.

 

Ich ging noch lange durch die Straß en. Es war eine sonderbare Nacht. Ich war sehr wach und konnte nicht schlafen. Ich ging am International vorbei, ich dachte an Lisa und an die Jahre von frü her, an vieles, was ich schon lange vergessen hatte, aber es war weit weg und schien nicht mehr zu mir zu gehö ren. Dann wanderte ich durch die Straß e, wo Pat wohnte. Der Wind wurde stä rker, alle Fenster in ihrem Hause waren dunkel, der Morgen schlich auf grauen Fü ß en die Tü ren entlang, und ich ging endlich nach Hause. Mein Gott, dachte ich, ich glaube, ich bin glü cklich.

 

 

XIII

 

»Die Dame, die Sie immer verstecken«, sagte Frau Zalewski, »brauchen Sie nicht zu verstecken. Sie kann ruhig offen zu Ihnen kommen. Sie gefä llt mir... «

»Sie haben sie ja noch gar nicht gesehen«, erwiderte ich.

»Beruhigen Sie sich nur, ich habe sie gesehen«, erklä rte Frau Zalewski mit Nachdruck. »Ich habe sie gesehen und sie gefä llt mir — sehr gut sogar —, aber das ist keine Frau fü r Sie! «

»So? «

»Nein. Ich hab' mich schon gewundert, wie Sie die in Ihren Kneipen aufgestö bert haben. Aber natü rlich, die verbummeltsten... «

»Wir kommen vom Thema«, unterbrach ich sie.

»Das«, sagte sie und stemmte die Arme auf die Hü ften, »ist eine Frau fü r einen Mann in guten, sicheren Verhä ltnissen. Fü r einen reichen Mann, mit einem Wort! «

Rums, dachte ich, da hast du ein Ding weg! Genau das, was dir gefehlt hat. »Das kö nnen Sie von jeder Frau behaupten«, erklä rte ich gereizt.

Sie schü ttelte die grauen Lö ckchen. »Warten Sie ab! Die Zukunft wird mir recht geben. «

»Ach, Zukunft! « Ich warf meine Manschettenknö pfe ä rgerlich auf den Tisch. »Wer rechnet heute noch mit Zukunft! Wozu soll man sich darü ber jetzt schon Gedanken machen! «

Frau Zalewski wiegte bekü mmert das majestä tische Haupt. »Merkwü rdige Menschen seid ihr jungen Leute alle miteinander. Die Vergangenheit haß t ihr, die Gegenwart verachtet ihr, und die Zukunft ist euch gleichgü ltig. Wie soll das nur ein gutes Ende nehmen! «

»Was nennen Sie eigentlich ein gutes Ende? « fragte ich. »Ein Ende kann doch nur gut sein, wenn alles vorher schlecht war. Da ist ein schlechtes Ende viel besser. «

»Das sind jü dische Verdrehungen«, erwiderte Frau Zalewski mit Wü rde und wandte sich entschlossen zur Tü r. Aber als sie die Klinke schon in der Hand hatte, blieb sie wie angenagelt noch einmal stehen.

»Smoking? « hauchte sie erstaunt, »Sie? «

Mit groß en Augen betrachtete sie den Anzug Otto Kö sters, der an der Schranktü r hing. Ich hatte ihn mir geliehen, weil ich abends mit Pat ins Theater wollte. »Jawohl, ich! « sagte ich giftig. »Ihre Kombinationsgabe ist unü bertrefflich, gnä dige Frau... «

Sie sah mich an. Ein ganzes Gewitter von Gedanken ging ü ber ihr dickes Gesicht. Es endete in einem breiten, mitwisserischen Schmunzeln. »Aha! « sagte sie. Und dann noch einmal: »Aha! « Und, schon drauß en, ü ber die Schulter hinweg, genieß erisch und pfiffig, ganz verklä rt, von der ewigen Freude der Frau bei solchen Entdeckungen: »So steht's also! «

»Ja, so steht's, verdammte Hebamme«, knurrte ich hinter ihr her, als ich sicher war, daß sie mich nicht mehr hö rte. Dann schmiß ich wü tend meine neuen Lackschuhe mitsamt dem Karton auf den Boden. Reicher Mann — als ob ich das nicht wü ß te!

 

Ich holte Pat ab. Sie stand in ihrem Zimmer, fertig angezogen, und wartete schon. Es verschlug mir fast den Atem, als ich sie erblickte. Sie trug zum erstenmal, seit ich sie kannte, ein Abendkleid.

Es war ein Kleid aus silbernem Brokat, das von den geraden Schultern schlank und weich herunterfiel. Es schien eng zu sein und war doch so weit, daß es die schö nen langen Schritte Pats nicht hinderte. Vorne war es hochgeschlossen, aber der Rü cken war tief in einem spitzen Winkel ausgeschnitten. In der matten blauen Dä mmerung wirkte Pat darin wie eine silberne Fackel, jä h und ü berraschend verä ndert, festlich und sehr entfernt. Wie ein Schatten tauchte hinter ihr der Geist Frau Zalewskis mit hocherhobenem Finger auf.

»Gut, daß ich dich in dem Kleide nicht kennengelernt habe«, sagte ich. »Nie hä tte ich mich an dich herangetraut. «

»Das glaube ich nicht so ohne weiteres, Robby. « Sie lä chelte. »Gefä llt es dir? «

»Es ist geradezu unheimlich! Du bist eine ganz neue Frau darin. «

»Das ist doch nicht unheimlich. Dazu sind Kleider doch da. «

»Mag sein. Mich schmettert es etwas nieder. Du mü ß test dazu einen andern Mann haben. Einen Mann mit viel Geld. «

Sie lachte. »Mä nner mit viel Geld sind meistens scheuß lich, Robby. «

»Aber Geld nicht, was? «

»Nein«, sagte sie, »Geld nicht. «

»Das dachte ich mir. «

»Findest du das denn nicht? «

»Doch«, sagte ich. »Geld macht zwar nicht glü cklich — aber es beruhigt auß erordentlich. «

»Es macht unabhä ngig, Liebling, das ist noch mehr. Aber wenn du willst, kann ich auch ein anderes Kleid anziehen. «

»Ausgeschlossen. Es ist prachtvoll. Von heute ab setze ich die Schneider ü ber die Philosophen! Die Leute bringen Schö nheit ins Leben. Das ist hundertmal mehr wert als klaftertiefe Gedanken! Paß auf, ich werde mich noch in dich verlieben! «

Sie lachte. Vorsichtig sah ich an mir herunter. Kö ster war etwas grö ß er als ich, und ich hatte bei der Hose oben mit Sicherheitsnadeln arbeiten mü ssen, damit sie einigermaß en saß. Gottlob, sie saß.

 

Wir fuhren in einem Taxi zum Theater. Ich war unterwegs ziemlich schweigsam, ohne recht zu wissen, warum. Als wir ausstiegen und ich bezahlte, sah ich wie unter einem Zwang den Chauffeur an. Er hatte ü berwachte, rotgerä nderte Augen, war unrasiert und sah sehr mü de aus. Gleichgü ltig nahm er das Geld. »Gute Kasse heute gehabt? « fragte ich leise.

Er blickte auf. »Es geht«, sagte er abweisend. Er hielt mich fü r irgendeinen Neugierigen.

Einen Augenblick hatte ich das Gefü hl, ich mü ß te mich zu ihm auf den Bock setzen und losfahren — dann drehte ich mich um. Da stand Pat, schmal und biegsam, ü ber dem silbernen Kleid eine kurze silberne Jacke mit weiten Ä rmeln, schö n und erwartungsvoll. »Komm rasch, Robby, es fä ngt gleich an! «

Vor dem Eingang stauten sich die Leute. Es war eine groß e Premiere, das Theater war mit Scheinwerfern bestrahlt, Auto auf Auto glitt heran, Frauen in Abendkleidern stiegen aus, glitzernd von Schmuck, Mä nner in Frä cken, mit rosig ausgepolsterten Gesichtern, lachend, frö hlich, ü berlegen, unbedenklich — und knarrend und ä chzend rumpelte dazwischen die Droschke mit dem mü den Chauffeur davon.

»So komm doch, Robby! « rief Pat und sah mich strahlend und aufgeregt an. »Hast du etwas vergessen? «

Ich warf einen feindseligen Blick auf die Leute ringsum. »Nein —«, sagte ich, »ich habe nichts vergessen. «

Dann ging ich zur Kasse und tauschte die Billetts um. Ich nahm zwei Logenplä tze, obschon sie ein Vermö gen kosteten. Ich wollte nicht, daß Pat mitten unter diesen sicheren Leuten saß, denen alles selbstverstä ndlich war. Ich wollte nicht, daß sie zu ihnen gehö rte. Ich wollte mit ihr allein sein.

 

Es war lange her, daß ich in einem Theater gewesen war. Ich wä re auch nicht hingegangen, wenn Pat es nicht gewollt hä tte. Theater, Konzerte, Bü cher — alle diese bü rgerlichen Gewohnheiten hatte ich fast verloren. Es war nicht die Zeit danach. Die Politik machte genug Theater — die Schieß ereien jeden Abend gaben ein anderes Konzert —, und das riesenhafte Buch der Not war eindringlicher als alle Bibliotheken.

Die Rä nge und das Parkett waren ganz besetzt. Es wurde sofort dunkel, als wir unsere Plä tze gefunden hatten. Nur der Widerschein der Rampenlichter wehte durch den Raum. Voll begann die Musik und hob alles auf, daß es schwebte.

Ich schob meinen Stuhl in die Ecke der Loge zurü ck. So brauchte ich weder die Bü hne noch die bleichen Kö pfe der Zuschauer zu sehen. Ich hö rte nur die Musik und sah Pats Gesicht.

Die Musik verzauberte den Raum. Sie war wie Sü dwind, wie eine warme Nacht, wie ein gebauschtes Segel unter Sternen, ganz und gar unwirklich, diese Musik zu »Hoffmanns Erzä hlungen«. Sie machte alles weit und farbig, der dunkle Strom des Lebens schien in ihr zu rauschen, es gab keine Schwere mehr, keine Grenzen, es gab nur noch Glanz und Melodie und Liebe, und man konnte einfach nicht begreifen, daß drauß en Not und Qual und Verzweiflung herrschten, zur gleichen Zeit, wo es diese Musik gab.

Pats Gesicht war geheimnisvoll vom Licht der Bü hne beschienen. Sie war ganz hingegeben, und ich liebte sie, weil sie sich nicht an mich lehnte und nicht nach meiner Hand griff, ja, mich nicht einmal ansah, sondern gar nicht an mich zu denken und mich ganz vergessen zu haben schien. Ich haß te es, wenn man die Dinge vermischte, ich haß te dieses kuhhafte Zueinanderstreben, wenn die Schö nheit und die Gewalt eines groß en Werkes ü ber einen hereinbrach, ich haß te die schwimmenden Blicke der Liebespaare, dieses stumpfselige Sichanschmiegen, dieses unanstä ndige Schafsglü ck, das nie ü ber sich hinaus ergriffen werden konnte, ich haß te dieses ganze Gerede vom Einswerden in der Liebe, denn ich fand, man konnte gar nicht genug zwei sein und sich gar nicht oft genug voneinander entfernen, um sich wieder zu begegnen. Nur wer immer wieder allein war, kannte das Glü ck des Beieinanderseins. Alles andere zerstö rte das Geheimnis der Spannung. Und was riß stä rker in die magischen Bezirke der Einsamkeit als der Aufruhr des Gefü hls, die Hingabe an eine Erschü tterung, die Gewalt der Elemente, der Sturm, die Nacht, die Musik? Und die Liebe.

 

Das Licht flammte auf. Ich schloß einen Augenblick die Augen. Woran hatte ich da nur gedacht? Pat wandte sich um. Ich sah, daß die Leute zu den Tü ren drä ngten. Es war groß e Pause.

»Willst du nicht hinausgehen? « fragte ich.

Pat schü ttelte den Kopf.

»Gott sei Dank! Ich hasse es, sich da drauß en gegenseitig zu beglotzen. «

Ich machte mich auf, um ihr ein Glas Orangensaft zu holen. Das Bü fett war stark belagert. Musik macht viele Leute merkwü rdig hungrig. Die warmen Wü rstchen verschwanden, als wä re der Hungertyphus ausgebrochen.

Als ich mit meinem Glas in der Loge ankam, stand jemand hinter Pats Stuhl. Sie hatte den Kopf zurü ckgewendet und sprach lebhaft mit ihm. »Das ist Herr Breuer, Robert«, sagte sie. Herr Ochse, dachte ich, und sah ihn miß vergnü gt an. Robert hatte sie gesagt, nicht Robby. Ich stellte das Glas auf die Brü stung und wartete darauf, daß der Mann ging. Er hatte einen fabelhaft geschnittenen Smoking an. Aber er schwä tzte von der Regie und der Besetzung und blieb. Pat wandte sich mir zu. »Herr Breuer hat gefragt, ob wir nachher nicht in die Kaskade gehen wollen. «

»Wenn du gern mö chtest«, sagte ich.

Herr Breuer erklä rte, man kö nne vielleicht etwas tanzen. Er war sehr hö flich und gefiel mir eigentlich ganz gut. Er hatte nur diese unangenehme Eleganz und Leichtigkeit, von der ich glaubte, daß sie auf Pat wirken mü sse, und die ich selbst nicht besaß. Plö tzlich — ich traute meinen Ohren nicht — hö rte ich, daß er Pat mit du ansprach. Obschon es hundert belanglose Grü nde dafü r gab, hä tte ich den Mann am liebsten in den Orchesterraum geworfen.

Es klingelte. Die Musiker stimmten die Instrumente. Die Geigen huschten Flageolettlä ufe. »Also abgemacht, wir treffen uns am Ausgang«, sagte Breuer und ging endlich.

»Was ist das fü r ein Strolch? « fragte ich. »Das ist kein Strolch, das ist ein netter Mensch. Ein alter Bekannter. «

»Gegen alte Bekannte habe ich was«, sagte ich.

»Liebling«, erwiderte Pat, »hö r lieber zu. «

Kaskade, dachte ich und ü berschlug mein Geld, verfluchte Neppbude! — Ich ging in einer finsteren Neugier mit. Dieser Breuer hatte mir zu Frau Zalewskis Unkenrufen noch gefehlt. Er wartete schon auf uns am Eingang.

Ich rief ein Taxi an. »Lassen Sie doch«, sagte Breuer, »mein Wagen hat Platz genug. «

»Gut«, sagte ich. Es wä re lä cherlich gewesen, etwas anderes zu machen. Aber es ä rgerte mich trotzdem.

Pat kannte Breuers Wagen. Es war ein groß er Packard. Er stand schrä g gegenü ber auf dem Parkplatz. Sie ging geradewegs darauf zu.

»Er ist ja anders lackiert«, sagte sie und blieb vor ihm stehen.

»Ja, grau«, erwiderte Breuer. »Gefä llt er dir so besser? «

»Viel besser. «

Breuer wandte sich an mich. »Und Ihnen? Mö gen Sie die Farbe? «

»Ich weiß ja nicht, wie er frü her war«, sagte ich.

»Schwarz. «

»Schwarz sieht sehr gut aus. «

»Gewiß. Aber Abwechslung muß auch mal sein! Na, zum Herbst gibt's einen neuen. «

Wir fuhren zur Kaskade. Das war ein sehr elegantes Tanzlokal mit einer ausgezeichneten Kapelle. »Scheint ganz besetzt zu sein«, sagte ich erfreut, als wir am Eingang standen.

»Schade«, sagte Pat.

»Ach, das machen wir schon«, erklä rte Breuer und verhandelte mit dem Geschä ftsfü hrer. Er schien hier gut bekannt zu sein, denn tatsä chlich bekamen wir einen Tisch herangebracht, ein paar Stü hle dazu, und ein paar Minuten spä ter saß en wir an der besten Stelle des ganzen Raumes, von der man die Tanzflä che voll ü bersehen konnte. Die Kapelle spielte einen Tango. Pat lehnte sich ü ber die Brü stung.

»Ach, ich habe schon lange nicht getanzt. «

Breuer stand auf. »Wollen wir? «

Sie sah mich strahlend an. »Ich werde inzwischen was bestellen«, sagte ich.

»Gut. «

Der Tango dauerte lange. Pat sah beim Tanzen ab und zu herü ber und lä chelte mir zu. Ich nickte zurü ck, fü hlte mich aber nicht besonders. Sie sah wunderbar aus und tanzte groß artig. Leider tanzte Breuer ebenfalls gut, und beide sahen ausgezeichnet zusammen aus. Sie tanzten, als ob sie schon oft miteinander getanzt hä tten. Ich bestellte mir einen groß en Rum. Die beiden kamen zurü ck. Breuer begrü ß te ein paar Leute, und ich war einen Augenblick mit Pat allein.

»Wie lange kennst du den Knaben schon? « fragte ich.

»Schon lange. Warum? «

»Ach, nur so. Warst du oft mit ihm hier? «

Sie sah mich an. »Ich weiß es nicht mehr, Robby. «

»Das weiß man doch«, sagte ich hartnä ckig, obschon ich wuß te, was sie damit meinte.

Sie schü ttelte den Kopf und lä chelte. Ich liebte sie sehr in diesem Augenblick. Sie wollte mir zeigen, daß alles vergessen sei, was gewesen war. Aber in mir bohrte etwas, das ich selbst lä cherlich fand und das ich trotzdem nicht los wurde. Ich stellte mein Glas auf den Tisch.

»Kannst es ruhig sagen. Ist ja nichts dabei. «

Sie sah mich wieder an. »Glaubst du, daß wir sonst hier wä ren? « fragte sie.

»Nein«, sagte ich beschä mt.

Die Kapelle begann wieder zu spielen. Breuer kam heran.

»Ein Blues«, sagte er zu mir. »Wunderbar. Wollen Sie ihn nicht tanzen? «

»Nein! « erwiderte ich. — »Schade. «

»Du solltest es einmal versuchen, Robby«, sagte Pat.

»Lieber nicht. «

»Aber warum denn nicht? « fragte Breuer.

»Ich mache mir nichts draus«, erwiderte ich unfreundlich. »Habe es auch nie gelernt. Keine Zeit dafü r gehabt. Aber tanzen Sie doch ruhig, ich unterhalte mich hier schon. «

Pat zö gerte. »Aber Pat —«, sagte ich, »es macht dir doch so viel Spaß. «

»Das schon — aber unterhä ltst du dich auch wirklich? «

»Und wie! « Ich zeigte auf mein Glas. »Das ist auch eine Art von Tanzen. «

Sie gingen. Ich winkte dem Kellner und trank mein Glas aus. Dann saß ich am Tisch herum und zä hlte die Salzmandeln. Neben mir saß der Schatten Frau Zalewskis.

Breuer brachte ein paar Leute mit an den Tisch. Zwei hü bsche Frauen und einen jü ngeren Mann, der einen ganz kahlen, kleinen Kopf hatte. Nachher kam noch ein vierter dazu. Alle leicht wie Kork, geschmeidig und sicher. Pat kannte sie alle vier.

Ich fü hlte mich schwer wie ein Klotz. Bisher war ich mit Pat immer allein gewesen. Zum erstenmal sah ich jetzt Leute, die sie von frü her her kannte. Ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Sie bewegten sich leicht und ungezwungen, sie kamen aus einem Leben, in dem alles glattging, in dem man nichts sah, was man nicht sehen wollte, sie kamen aus einer anderen Welt. Wä re ich allein dagewesen, oder mit Lenz oder Kö ster, ich hä tte mich gar nicht darum gekü mmert und es wä re mir egal gewesen. Aber Pat war dabei, Pat kannte sie, und dadurch wurde alles schief, es legte mich lahm und zwang mich zu vergleichen.

Breuer schlug vor, in ein anderes Lokal zu gehen. »Robby«, sagte Pat im Hinausgehen, »wollen wir nicht lieber nach Hause gehen? «

»Nein«, sagte ich, »wozu? «

»Es ist doch langweilig fü r dich. «

»Nicht die Spur. Warum sollte es langweilig sein? Im Gegenteil! Und dir macht es doch Spaß. «

Sie sah mich an, sagte aber nichts.

Ich fing an zu trinken. Nicht, wie vorher, sondern richtig. Der Mann mit dem kahlen Kopf wurde aufmerksam. Er fragte, was ich denn trä nke. »Rum«, sagte ich. »Grog? « fragte er. »Nein, Rum«, sagte ich. Er probierte es auch und verschluckte sich. »Donnerwetter«, sagte er anerkennend, »das muß man gewohnt sein. « Auch die beiden Frauen wurden jetzt aufmerksam. Pat und Breuer tanzten. Pat sah oft herü ber. Ich sah nicht mehr hin. Ich wuß te, daß es unrecht war, aber es war plö tzlich ü ber mich gekommen. Es ä rgerte mich auch, daß die andern auf mein Trinken aufmerksam wurden. Ich hatte keine Lust, ihnen damit zu imponieren wie ein Gymnasiast. Ich stand auf und ging an die Bar. Pat erschien mir ganz fremd. Sollte sie zum Teufel gehen mit ihren Leuten! Sie gehö rte dazu. Nein, sie gehö rte nicht dazu. Doch!

Der Kahlkopf kam mir nach. Wir tranken mit dem Mixer einen Wodka. Mixer sind immer ein Trost. Man versteht sich in der ganzen Welt mit ihnen, ohne reden zu mü ssen. Auch dieser war gut. Nur der Kahlkopf war schwach. Er wollte sich aussprechen. Eine gewisse Fifi lag ihm auf der Seele. Aber das gab sich bald. Er erzä hlte mir, Breuer sei in Pat seit Jahren verliebt. »So? « sagte ich. Er kicherte. Ich brachte ihn mit einer Prä rie Oyster zum Schweigen. Aber mir blieb im Schä del, was er gesagt hatte. Ich ä rgerte mich, daß es mir etwas machte. Und ich ä rgerte mich, daß ich nicht mit der Faust auf den Tisch schlug. Aber irgendwo spü rte ich eine kalte Lust zum Zerstö ren in mir, die sich nicht gegen andere wendete. Nur gegen mich.

Der Kahlkopf lallte bald und verschwand. Ich blieb sitzen. Plö tzlich spü rte ich eine harte, feste Brust an meinem Arm. Es war eine der Frauen, die Breuer herangebracht hatte. Sie setzte sich dicht neben mich. Ihre schrä gen, graugrü nen Augen streiften mich langsam. Es war ein Blick, nach dem eigentlich nichts mehr zu sagen war — nur etwas zu tun. »Wunderbar, so trinken zu kö nnen«, sagte sie nach einer Weile. Ich schwieg. Sie streckte eine Hand nach meinem Glase aus. Die Hand war wie eine Eidechse, glitzernd von Schmuck, trocken und sehnig. Sie bewegte sich sehr langsam, als krö che sie. Ich wuß te, was los war. Mit dir werde ich rasch fertig, dachte ich. Du unterschä tzt mich, weil du siehst, daß ich ä rgerlich bin. Aber du irrst dich. Mit Frauen werde ich schon fertig — es ist die Liebe, mit der ich nicht fertig werde. Es ist das Unerfü llbare, das mich traurig macht.

Die Frau begann zu sprechen. Sie hatte eine brü chige, etwas glä serne Stimme. Ich merkte, wie Pat herü bersah. Ich kü mmerte mich nicht darum. Aber ich kü mmerte mich auch nicht um die Frau neben mir. Ich hatte das Gefü hl, durch einen glatten, bodenlosen Schacht zu gleiten. Es hatte nichts mit Breuer und den Leuten zu tun. Es hatte nicht einmal etwas mit Pat zu tun. Es war das finstere Geheimnis, daß die Wirklichkeit die Wü nsche weckt, aber sie nie befriedigen kann; daß die Liebe in einem Menschen beginnt, aber nie in ihm endet; und daß alles dasein kann: ein Mensch, die Liebe, das Glü ck, das Leben — und daß es auf eine furchtbare Weise immer zuwenig ist und immer weniger wird, je mehr es scheint. Ich blickte verstohlen zu Pat hinü ber. Da ging sie in ihrem silbernen Kleid, jung und schö n, eine helle Flamme Leben, ich liebte sie, und wenn ich zu ihr sagte: Komm, so kam sie, nichts stand zwischen uns, wir konnten uns so nahe sein, wie es Menschen nur kö nnen — aber dennoch war alles manchmal auf eine rä tselhafte Weise verschattet und qualvoll, ich konnte sie nicht lö sen aus dem Ring der Dinge, nicht herausreiß en aus dem Kreise des Daseins, der ü ber uns und in uns war und uns seine Gesetze aufzwang, den Atem und das Vergehen, den fragwü rdigen Glanz der immerfort ins Nichts abstü rzenden Gegenwart, die schimmernde Illusion des Gefü hls, das im Besitzen schon wieder Verlieren war. Nie war es aufzuhalten, nie! Nie war sie zu lö sen, die klirrende Kette der Zeit, nie wurde aus Rastlosigkeit Rast, aus Suchen Stille, aus Fallen Halt. Nicht einmal vom Zufall konnte ich sie lö sen, von dem, was vorher war, ehe ich sie kannte, von tausend Gedanken, Erinnerungen, von dem, was sie geformt hatte, bevor ich da war, nicht einmal von diesen Leuten hier konnte ich sie lö sen — Neben mir sprach die Frau mit ihrer brü chigen Stimme. Sie suchte einen Gefä hrten fü r eine Nacht, ein Stü ck fremdes Leben, um sich aufzupeitschen, um zu vergessen, sich und die allzu schmerzhafte Klarheit, daß nie etwas bleibt, kein Ich und kein Du und am wenigsten ein Wir. Suchte sie im Grunde nicht dasselbe wie ich? Einen Gefä hrten, um die Einsamkeit des Lebens zu vergessen, einen Kameraden, um die Sinnlosigkeit des Daseins zu bestechen?

»Kommen Sie«, sagte ich, »wir wollen zurü ckgehen. Es ist hoffnungslos — das was Sie wollen — und auch das, was ich will. «

Sie sah mich einen Augenblick an. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und lachte.

Wir gingen noch in ein paar andere Lokale. Breuer war erhitzt, redselig und hoffnungsvoll. Pat war stiller geworden. Sie fragte mich nicht, sie machte mir keine Vorwü rfe, sie versuchte nichts aufzuklä ren, sie war einfach da, manchmal tanzte sie, dann schien es, als glitte sie durch einen Schwarm von Marionetten und Karikaturen wie ein stilles, schö nes, schmales Schiff, und manchmal lä chelte sie mir zu.

Die Dö sigkeit der Nachtlokale wischte mit graugelben Hä nden ü ber die Wä nde und die Gesichter. Die Musik schien unter einem glä sernen Katafalk zu spielen. Der Kahlkopf trank Kaffee. Die Frau mit den Eidechsenhä nden sah starr vor sich hin. Breuer kaufte von einem ü bermü deten Blumenmä dchen Rosen und verteilte sie an Pat und die beiden Frauen. Auf den halboffenen Knospen standen kleine, klare Wasserperlen. »Wir wollen einmal miteinander tanzen«, sagte Pat zu mir.

»Nein«, sagte ich und dachte an die Hä nde, die sie heute schon berü hrt hatten, »nein«, und fü hlte mich ziemlich lä cherlich und elend.

»Doch«, sagte sie, und ihre Augen wurden dunkel.

»Nein«, erwiderte ich, »nein, Pat. «

Dann gingen wir endlich. »Ich fahre Sie nach Hause«, sagte Breuer zu mir.

»Gut. «

Er hatte eine Decke im Wagen, die er Pat ü ber die Knie legte. Sie sah auf einmal sehr blaß und mü de aus. Die Frau von der Bar schob mir beim Abschied einen Zettel in die Hand. Ich tat, als sei nichts gewesen, und stieg ein. Unterwegs sah ich aus dem Fenster. Pat saß in der Ecke und regte sich nicht. Ich hö rte sie nicht einmal atmen. Breuer fuhr zuerst zu ihr. Er wuß te ihre Wohnung, ohne zu fragen. Sie stieg aus. Breuer kü ß te ihr die Hand. »Gute Nacht«, sagte ich und sah sie nicht an.

»Wo kann ich Sie absetzen? « fragte Breuer mich.

»An der nä chsten Ecke«, sagte ich.

»Ich fahre Sie gern nach Hause«, erwiderte er etwas zu rasch und zu hö flich.

Er wollte verhindern, daß ich zurü ckging. Ich ü berlegte, ob ich ihm eine herunterhauen sollte. Aber er war mir zu gleichgü ltig. »Schö n, dann fahren Sie mich zur Bar Freddy«, sagte ich.

»Kommen Sie da denn um die Zeit noch 'rein? « fragte er.

»Nett, daß Sie so besorgt sind«, sagte ich, »aber seien Sie versichert, ich komme ü berall noch 'rein. «

Als ich es gesagt hatte, tat er mir leid. Er war sich sicher sehr groß artig und gerissen vorgekommen den ganzen Abend. Man sollte so was nicht zerstö ren.

Ich verabschiedete mich freundlicher von ihm als von Pat.

 

In der Bar war es noch ziemlich voll. Lenz und Ferdinand Grau pokerten mit dem Konfektionä r Bollwies und ein paar anderen. »Setz dich 'ran«, sagte Gottfried, »heute ist Pokerwetter. «

»Nein«, erwiderte ich.

»Sieh dir das an«, sagte er und zeigte auf einen Packen Geld. »Ohne Bluff. Die flushs liegen in der Luft. «

»Schö n«, sagte ich, »gib her. «

Ich bluffte mit zwei Kö nigen vier Mann zum Fenster 'raus.

»So was! « sagte ich. »Scheint auch Bluffwetter zu sein. «

»Das immer«, erwiderte Ferdinand und schob mir eine Zigarette 'rü ber.

Ich hatte nicht lange bleiben wollen. Doch jetzt spü rte ich etwas Boden unter den Fü ß en. Es ging mir nicht besonders; aber hier war die alte, ehrliche Heimat. »Stell mir eine halbe Flasche Rum her«, rief ich Fred zu.

»Tu mal Portwein 'rein«, sagte Lenz.

»Nein«, erwiderte ich. »Hab' keine Zeit fü r Experimente.

Will mich besaufen. «

»Dann nimm sü ß e Likö re. Krach gehabt? «

»Unsinn. «

»Red nicht, Baby. Quatsch deinem alten Vater Lenz nichts vor, der in den Schluchten des Herzens zu Hause ist. Sag ja und sauf. «

»Mit einer Frau kann man keinen Krach haben. Man kann sich hö chstens ü ber sie ä rgern. «

»Das sind zu feine Unterschiede fü r drei Uhr nachts. Ich habe ü brigens mit jeder Krach gehabt. Wenn man keinen Krach mehr hat, ist's bald aus. «

»Schö n«, sagte ich, »wer gibt? «

»Du«, sagte Ferdinand Grau. »Schä tze, du hast Weltschmerz, Robby. Laß dich's nicht anfechten. Das Leben ist bunt, aber unvollkommen. Ü brigens, fü r Weltschmerz bluffst du fabelhaft. Zwei Kö nige sind schon 'ne Frechheit. «

»Ich hab' mal 'ne Partie gesehen, da standen siebentausend Francs gegen zwei Kö nige«, sagte Fred vom Bartisch her.

»Schweizer oder franzö sische? « fragte Lenz.



  

© helpiks.su При использовании или копировании материалов прямая ссылка на сайт обязательна.