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Kapitel 19. Martha und Ferry



Kapitel 19

Martha und Ferry

*Das Anwesen lag im Grü nwald, von hohen Hecken abgeschirmt. Ein Bungalow im Halbrund um einen Swim­mingpool in Nierenform. An den Hauswä nden schmie­deeiserne Mö wen und Rehe.

Auf der Terrasse ein Auß enkamin mit Grill. Dort fand das zwanglose Beisammensein. zwischen Ferry Blanc, seinem Manager, dem Illustriertenreporter, einem Foto­grafen und Martha Guthmann statt.

Sie saß in ihrem guten Braunseidenen in einer Hollywoodschaukel, und neben ihr saj3 ein Stofftier, das ihr gleich bei der Ankunft ü berreicht worden war. Warum, wusste keiner so recht, aber Groß mutter freute sich den­noch darü ber. Jetzt war Kathrinchen zwar noch zu klein fü r einen Teddybä ren, aber spä ter...

" Nun, liebe Frau Guthmann, noch ein Kä ffchen? "

" Nein, danke", sagte Groß mutter, " ich hatte schon zwei. Ich mö cht' ja noch schlafen heute Nacht. "

'Vielleicht ein Likö r? " Die Fragen stellte der Manager des Gesangstars, ein athletischer Typ mit schwindendem Haarwuchs.

" Was Sü ß es? " sagte sie besorgt, denn davon kriegte sie immer Sodbrennen.

" Aber vielleicht einen Whisky, ja? " Es klang so, als ob er bei jedem Wort auf die Uhr schaute und als ob ihm die Liebenswü rdigkeit in den Kiemen wehtat. Alle Anwesen­den spü rten es, nur Martha Guthmann nicht.

Sehr sicher und anmutig saß sie da. Und sehr inte­ressiert, wie es weitergehen wü rde.

Ob sie einen Obstler haben kö nnte? Whisky kenne sie nicht.

Der Manager goss ihr einen Slibowitz ein.

" Also, liebe Frau Guthmann", hob der Reporter an, der sie herbegleitet hatte. " Es wä re nett, wenn Sie Herrn Blanc ein paar Fragen stellten. Fragen Sie frisch von der Leber weg. Nur keine Hemmungen. "

" Ich habe keine", sagte sie mit Wü rde.

" Na, das ist ja prima, Frau Guthmann", rief er bestü rzend munter, " hervorragend. Also, Frau Guthmann? "

Groß mutter ü berlegte einen Augenblick, dann wand­te sie sich an Ferry Blanc, der ihr lä chelnd gegenü ber­saß.

Er hatte ein gefä lliges Gesicht und schö ne brü nette Wellen um den Kopf. Sein Hemd stand bis zum Gü rtel offen. Zwischen seinem Brusthaar lag ein goldenes Amulett, von einem Kettchen gehalten. Sagen sagte er nichts. Aber sein Blick, dieser " Auch-du-bist-ein-Mensch-Blick", hü llte sie ganz ein.

" Sie sind Deutscher, junger Mann? "

Ferry schaute fragend zu seinem Manager auf. Sein Manager sagte: " Herr Blanc ist aus Wuppertal. Warum? "

'Wegen seinem auslä ndischen Namen. Und dann singt er so gebrochen Deutsch. Ich hö r' ihn ja immer im Radio. "

Reporter und Manager wechselten einen Blick.

" Bitte die nä chste Frage, Frau Guthmann. "

" Singen Sie gern den Blö dsinn, den sie manchmal singen? "

Der Manager fragte mit kaum zu zü gelnder Gereiztheit: " Gefallen Ihnen unsere Texte nicht? "

" Nein. Etwa Ihnen? "

(Grä sslicher Kerl, dachte sie. So einer, der mit Vollgas auf Katzen hä lt, wenn sie ü ber die Straß e huschen, und sich freut, wenn er sie erwischt. )

" Ich denke, wir kommen zur nä chsten Frage", sagte er zum Reporter.

" Was heiß t nä chste", sagte Martha. " Herr Blanc hat diese ja noch gar nicht beantwortet. "

" Darauf kommt es nicht so sehr an. "

" Wieso soll ich dann fragen, wenn es nicht drauf ankommt? "

" Das mach' ich nachher schon", versicherte der Reporter. Groß mutter sah ihn erstaunt an, " Sie? "

" Unsere Zeit ist begrenzt, gnä ' Frau", sagte der Manager. " Herr Blanc hat heute Abend ein Konzert. Bitte Ihre nä chste Frage. "

Martha Guthmann ü berlegte. Was sollte sie denn die beiden noch fragen, die wie ein Bauchredner (Manager) mit seiner Puppe (Ferry) vor ihr saß en? Eine Antwort kriegte sie eh nicht. Aber dann fiel ihr noch was ein.

" Sie verdienen sicher jetzt viel Geld, Herr Blanc. Haben Sie das auch krisensicher angelegt? Ich meine, haben Sie an die Zeit gedacht, wo Sie keiner mehr hö ren will? "

" Ja, hat er", drä ngelte der Manager.

" Dann ist es ja gut", sagte Martha Guthmann beruhigt. " Der Sohn von meiner Nachbarin nä mlich war Tä nzer im Opernballett. Und eines Tages war er vierzig und hatte es mit dem Knie. Und kein Gespartes. Da wollte ihn keiner mehr. Was nun?! " Sie schaute bedeutungsvoll um sich. " Er hatte nichts anderes gelernt als tanzen. Privat ging auch was Langjä hriges in die Brü che — wenn's mal kommt, kommt es ja immer ganz dick. Na, jedenfalls, jetzt ist er Ausfahrer in einer Wurstfabrik. Nichts gegen Wurst. Aber glü cklich ist er dabei nicht. Ihm fehlt die Bü hne. Er hat noch immer den Applaus im Ohr, sagt meine Nachbarin. Sie macht sich Sorgen um ihn. "

Ferry Blanc spielte mit seinem Kettchen. Manager und Reporter wechselten einen Blick. *

Reporter zum Fotografen: " Jetzt machen wir noch ein Foto von beiden zusammen. Herr Blanc, wenn Sie sich bitte mit Frau Guthmann zum Kamin — ja, so — der Mottenfiffi1 muss auch mit rauf. " Er drü ckte ihr das Stoff­tier in den Arm.

" Und nun noch eine letzte Frage, Frau Guthmann, eine allerletzte: Ist Ferry Blanc zufä llig Ihr Lieblings­sä nger? "

Die Beantwortung dieser Frage brachte Groß mutter in Schwierigkeiten. Sie wollte nicht unhö flich sein, aber auch nicht lü gen. Sie sagte, das Stofftier kraulend: " Er singt ja schö n. Sonst hä tt' er nicht solchen Erfolg, nicht wahr? Aber mein Lieblingssä nger — das war der Hans Moser. "

Ferry Blanc betrachtete irritiert seine Ringe. Sein Manager hielt sich den Magen, drehte sich auf einem Bein und sagte dabei: " Vater! "

Der Fotograf packte seine Kamera ein und griente Nur der Fotograf.

Groß mutter erhielt ihre Handtasche, Handschuhe und zusä tzlich noch eine Langspielplatte in den Arm gedrü ckt, in dem schon der Teddy war, und wurde mit der gleichen Geste dem Gartentor zugeschoben.

Sie hä tte ja gern noch nach der Toilette gefragt, aber sie traute sich nicht. Alle hatten es plö tzlich so eilig.

" Vielen Dank fü r Ihren Besuch, gnä ' Frau", sagte der Manager. " Spieln Se mal die Platte. Is der neuste Hit von Ferry. Super, gnä ' Frau. Haut den zä hesten Steher aus der Wä sche. Harn Se 'n Grammofon, ja? So eins mit Nadel zum Wechseln noch, ja? Nostalgie! Die Stimme deines Herrn! Versuchen Sie 's ma drauf, gnä ' Frau. "

Groß mutter fü hlte sich erschö pft. Sie vergreiste vorü bergehend. Es war zu viel fü r sie. Von allen Seiten zu viel und zu gewalttä tig, selbst das an sich Gutgemeinte.

Mit einem Plü schtier, einer Platte und ihrer Tasche unterm Arm steuerte sie der Straß e zu, wo der Wagen des Reporters parkte.

Hinter ihr her drö hnte Ferry Blancs neuester Hit aus vielen Lautsprechern:

" Rrrussische Omma, du muusstt nicht weinen,

Du bist ja nicht allein.

Auch wenn dein Pjotr tott ist und leer das alte Nest,

Es kehren alle wiederr

zu dainem Wiegenfest.

Rrrussische Omma, du bist ja nicht allein,

einmal im Jahr werden alle bei dir sein.

Rrrussische Omma... "

Martha Guthmann glaubte nicht, dass dieses Lied •ein groß er Erfolg werden wü rde, wenigstens nicht bei Omas, die sich Gedanken ü ber Schlagertexte machten.

Dennoch hatte sie der Besuch bei Ferry Blanc mehr beeindruckt, als sie zugeben mochte. Sie fü hlte sich wichtig, beinah prominent, wä hrend sie — noch den Hut auf dem Kopf —• Kathrinchens Flasche vorbereitete.

Bastian saß am Kü chentisch und sah ihr zu. " Du lä sst dich vielleicht in Sachen ein! "

" Wir mü ssen die Zeitung kaufen, Bub! Mindestens dreiß ig Stü ck mü ssen wir kaufen fü r die Verwandten. Man hat mich ja auch fotografiert. Von unserer Familie hat lebend noch keiner in der Zeitung gestanden. "

" Doch. "

" Wer bitte? "

" Der Alfons, wie sie ihn eingesperrt haben", sagte

Bastian.

" Aber der war nicht mit Bild drin", sagte Groß mutter.

" Ich bin mit Bild. "

" Susi sagt, du hä ttest lieber eine Kü hltruhe gewonnen. "

" Ja, das schon. "

" Wozu denn? "

" Wegen der Sonderangebote, die es bei unserem Metzger gibt. Frier' ich sie ein, hab' ich immer Fleisch im Haus, wenn du kommst. Und spare Geld. Ich kann dann auch verkochen. Suppe. Paprikaschoten. Huhn,

Alles. "

" Knö del auch? "

" Natü rlich. "

Das war ein Grund, der Bastian einleuchtete.

Wenn sie ü brig gebliebene Knö del einfrieren konnte, wü rde sie nicht mehr versuchen, sie umgehend in ihre Lieben hineinzustopfen.

" Aber wenn mal der Strom ausfä llt, Oma! Dann musst du alle auf einmal aufessen. "

Bastian gab ihr einen Kuss auf den Hutrand, denn es wurde Zeit, zum Krankenhaus zu fahren und Kathinka abzuholen.

" Warum soll denn der Strom ausfallen? " fragte sie

hinter ihm her.

" Zum Beispiel bei einem Streik. "

Sie schaute ihn unglä ubig an. " In Mü nchen? "

" Servus, Omi. Wir sehen uns ja ü bermorgen. "

" Ach so, ja. Ü bermorgen! " Sie tat so, als ob sie ihren Geburtstag ganz vergessen hä tte, dabei dachte sie seit Tagen an nichts anderes.

" Wie viele hast du eingeladen? Alle Meschpoche, alle Hausbewohner, die Straß e, das Zugabteil, in dem du neulich gefahren bist, und die gynä kologische Station? "

" Nicht einen, Bub. Nicht einen einzigen. Ich mö chte einmal sehen, wie viele von selbst dran denken werden. "

Bastian schaute sie voll Liebe an und dachte, ach du Gü te. Ach du liebe Gü te!

Susi wusste, wo Karl Guthmann privat wohnte. Schließ lich hatte sie schon Mü ll in seinen Garten befö rdert. Er selbst war ihr nur aus Erzä hlungen bekannt.

Groß mutter sprach selten von ihm, und wenn, dann von seiner Tü chtigkeit — er war der reiche Mann in der Familie. Ihn erwä hnte sie, wenn sie den Eindruck hatte, ä ndern Leuten imponieren zu mü ssen. Sonst sprach sie vor allem von ihm im Zusammenhang mit ihrem Oberstü ck.

" Er hat's mir umsonst gemacht, aber glauben Sie, er hä tte Porzellan genommen? So nobel war er nun wieder nicht. " Bastian nannte seinen Bruder " Klappzahn" und mochte ihn nicht besonders. Was auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie waren zu verschieden.

Da Bastian fü r Susi gleich hinterm lieben Gott kam (allerdings nicht im heiligen Sinne, in dem nicht), war sie sicher, dass ihr Karl Guthmann auch nicht gefallen wü rde.

Ä uß erlich gefiel er ihr schon. Er machte mehr her als Bastian. Und er war sehr liebenswü rdig.

" Vielen Dank, dass Sie mich an Groß mamas Geburtstag erinnern. Ich hä tte ihn glatt vergessen. " Er notierte sofort auf seinem Terminkalender " Groß mama Blumen schicken".

" Nicht schicken. Selber kommen. Es ist der siebzigs­te", sagte Susi, wä hrend sie sich interessiert in Karlis Wohnung umschaute und diese in Gedanken mit Bastians Bude verglich, an die sie nie ohne leichtes Heimweh denken konnte.

Karl hatte sich von einem Architekten einrichten lassen und tunlichst alles vermieden, was diesen unper-

sö nlichen Eindruck durch persö nliche Apercus verwi­schen kö nnte — bis auf die Geweihe natü rlich, die statt Bildern seine Wohnrä ume zierten.

Susi musterte die Wohnung, und Karl Guthmann musterte Susi mit zunehmendem Wohlgefallen.

" Sie sind also Groß mamas Untermieterin? Dass wir uns da noch nicht begegnet sind... Komisch. "

" Gar nicht komisch", sagte Susi. " Sie besuchen sie ja nie. " 'Er bot ihr Platz an und eine Zigarette, die Susi ablehnte. Was ihm gefiel,

Er mochte keine Frauen, die rauchten und tranken und burschikos auftraten. Er liebte sie anschmiegsam, schutzlos und hä uslich. Wie von damals. Bloß in Ohnmacht brauchten sie nicht mehr zu fallen.

" Wissen Sie, Groß mama und ich hatten nie den rechten Kontakt. Sie hat immer den Bastian vorgezogen. " Und damit hatte er ein Thema angeschnitten, das ihn offensichtlich sehr bewegte. " Vielleicht kö nnen Sie mir sagen, was die Frauen an meinem Bruder finden? Sie kennen ihn doch? "

" O ja. "

" Hat er ü berhaupt sein Examen geschafft? "

" Ich weiß nicht. Aber wenn, hä tte Frau Guthmann schon darü ber gesprochen. " Susi lachte. " Was heiß t gesprochen. Sie hä tte es wahrscheinlich ü ber'n Rundfunk bekannt gegeben. "

" Schaun Sie, Frä ulein —? "

" Susi Schulz. "

" Frä ulein Schulz. Das ist so ein Beispiel. Wenn ich als Schü ler Klassenprimus war, fanden das alle selbst­verstä ndlich. Wenn Bastian aber einmal eine Drei schrieb statt einer Vier, wurde das als Ereignis gefeiert. Man kann als Mann, der etwas darstellt und auch nicht eben schielt — man kann ja Komplexe kriegen, Frä ulein Schulz, wenn man sieht, wie die Frauen ihn verteidigen. Ja, was hat er denn? Kann er Kunststü cke? "

Susi ü berlegte. " Kunststü cke? Der Bastian? Ich Wü sste nicht, aber ich kenne ihn auch nicht so gut —"

" Was hat er dann? "

" Er — er ist halt so schö n normal, verstehen Sie? Er braucht weder viele Mä dchen noch ein irres Motorrad, um sich zu beweisen, dass er ein Superkerl ist. Er will gar kein Superkerl sein. Er will auch nicht immerzu was darstellen wie die meisten Mä nner. Er — er gibt seine Schwä chen zu. Ich glaube nicht, dass er jemals Karriere machen wird. "

" Das sage ich ja — er hat keinen Ehrgeiz. "

" Nein. Viel hat er wohl nicht", nickte Susi. " Aber darum ist er auch nicht so egozentrisch wie die Ehrgeizigen. Ich kannte mal einen Referendar... " Sie brach ab und kehrte zu Bastian zurü ck. Man sah ihr an, wie sie geistig arbeitete, um seine Vorzü ge zu formulieren. 'Wissen Sie, die meisten Menschen sind so kompliziert, weil sie Komplexe haben. Die mü ssen sie dann irgendwie abreagieren. Meistens lassen sie andere dafü r leiden. Bastian hat keine Komplexe. "

" Das hab' ich gemerkt, als er neulich auf meine Rechnung gefuttert hat", ä rgerte sich Karl noch immer.

Susi ü berhö rte seinen Einwurf und dachte weiter ü ber Bastian nach. " Wenn er zum Beispiel — wie soll ich das erklä ren — also, wenn er zu klein geraten wä re, kö r­perlich, meine ich —, dann wü rde ihm das wahrschein­lich nichts ausmachen. Er wü rde sich sagen, na gut, es muss auch Kleine geben, und wä re so ein frö hlicher und sympathischer Kleiner, dass es keinem auffallen wü rde, dass er klein ist. Er wü rde sich als Dackel wie ein Bernhardiner benehmen und hä tte die ganze Klä fferei der Kleinen gar nicht nö tig. Ich hab' auch noch nie erlebt, dass er auf jemanden neidisch gewesen wä re, weil der was besessen hä tte, was er nicht hat. "

Karl Guthmann hatte ihr mit wachsender Eifersucht zugehö rt. " All diese Eigenschaften passiver Natur be­zeichnen Sie als besondere Vorzü ge? "

" Ja. "

" Oh, Frä ulein Schulz! Ich will Ihnen mal was sagen: Wenn es nur solche Menschen wie meinen Bruder gä be, dann lebten wir heut noch auf den Bä umen. "

" Er hat ja noch andere Vorzü ge", verteidigte Susi den Bastian, und es war ein Jammer, dass er ihr nicht

zuhö ren konnte. Er hä tte wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen gehabt. Denn er war nicht immer freundlich mit ihr umgegangen.

" Der heilige Sebastian! " ä rgerte sich Klappzahn.

" Nein. Heilig ist er nicht. Er will auch gar nicht besonders gut sein. Er kann bloß nicht anders. "

" Sie also auch! "

" Ja, ich auch", sagte Susi. " Und ich hab' allen Grund dazu. Ich weiß nicht, was ohne Bastian aus meinem Baby und mir geworden wä re. "

" Sie haben ein Baby? " fragte er blass. " Wie reizend. "

" Ist es auch. "

" Mö chten Sie einen Drink, Frä ulein Schulz? "

Susi lachte. " Haben Sie einen nö tig? "

Wä hrend er zwei Campari-Soda herrichtete, fragte er: " Sind Sie gekommen, um mir von meinem Bruder vorzuschwä rmen? "

" Nein. Ich bin gekommen, um zu sammeln. Fü r den Geburtstag. Ihre Groß mutter wü nscht sich eine Tiefkü hltruhe, keine groß e. Die kleinste. Ich gebe fü nfzig Mark, Bastian zwanzig. Wir dachten, dass Sie vielleicht den Rest —? "

Karl Guthmann rechnete Kopf. Dann sagte er: " Ja, gut, das lä sst sich machen. Ich kriege das Ding mit dreiß ig Prozent Rabatt. "

" Wie schö n fü r Sie. " Susi stand auf und wollte sich verabschieden.

Karl sah 'sie besorgt an. Er mochte sie noch nicht gehen lassen. Sie gefiel ihm. " Sie haben ja noch gar nichts getrunken, Frä ulein Schulz. Bleiben Sie doch noch ein bisschen. "

Ehe sie antworten konnte, schrillte das Telefon. Karl Guthmann wollte erst nicht 'rangehen, dann ging er doch, weil anhaltendes Klingeln so nervö s macht.

Es war offensichtlich eine Frau am Apparat, zu der er intime Beziehungen unterhielt. Seine Stimme war voll ungeduldiger Zä rtlichkeit. Er log etwas von einem Bielefelder Groß hä ndler, mit dem er heute Abend essen gehen mü sste. Aber morgen wü rde er sich melden. Bestimmt.

Wä hrend des ganzen Gesprä ches lä chelte er Schulz zu.

Sie war Frau genug, um die Situation zu genieß en.

" Was fü r ein Groß hä ndler bin ich denn? "

Karl Guthmann kehrte in seinen Sessel zurü ck. " Keine Ahnung. Eben ein Bielefelder. Und jetzt erzä hlen Sie mir von sich. "

Vori-sich-selbst-erzä hlen bedeutete fü r Susi ihre Handtasche ö ffnen und die ersten sechsunddreiß ig Babyfotos auf den Tisch blä ttern.

" Das ist Kathrinchen. Katharina II. von links, hat Bastian sie mal getauft. Katharina I. ist eine Ä rztin. "

" Ich nehme an, Sie meinen Dr. Freude", sagte Karl Guthmann kurzfristig missgestimmt.

" Sie kennen die Freude? "

" Ja. " Er seufzte. " Und somit wä ren wir einmal wieder beim Thema Bastian angelangt. "

Bastian schlief nur noch in seiner Wohnung, wenn Katharina Nachtdienst hatte. Er brachte sie morgens mit ihrem Wagen zum Krankenhaus und holte sie auch wieder ab.

Er kaufte fü r den Haushalt ein und kochte und ver­breitete seine persö nliche Note in Form von genialer Unordnung vor allem in ihrem Bad und in der Kü che.

Katharina rä umte ihm anfangs alles nach, dann mahnte sie ihn, und an dem Morgen vor Groß mutter Guthmanns siebzigstem Geburtstag kam es zwischen beiden zu einem handfesten Krach, in dessen Verlauf sie sä mtliche Synonyma fü r Unordnung verwandte und er sich mit dem Schimpfwort " spieß ige hö here Tochter" revanchierte.

Darauf schleuderte ihm die hö here Tochter einen Pantoffel ins Kreuz, was sehr, sehr wehtat. Denn an dem Pantoffel war ein Hacken dran.

Noch am selben Morgen zog Bastian mit Zahnbü rste' Rasierzeug und Bü chern aus ihrer Wohnung aus, und zwar mit der Tram.

Kathinkas Auto rü hrte er nicht mehr an. Schließ lich hatte er seinen Stolz.

Er rü hrte ihn nicht an, nahm aber aus Versehen das einzigePaar Wagenschlü ssel mit, so dass Katharina trotz endlichen Taxis eine halbe Stunde zu spä t zum Dienst kam, und das ausgerechnet an einem Morgen, an dem mehrere Operationen angesetzt waren.

Bastian war gerade zehn Minuten zu Haus und dabei, sich einen Tee zu brü hen, als es Sturm klingelte.

Vor der Tü r stand Susi.

" Du? Schon so frü h? "

" Ist dein Telefon kaputt? Man erreicht dich ja nie... "

Susi kam herein. " Ich muss gleich weiter ins Bü ro. "

'Was gibt's denn? Ist was passiert? "

" Es passiert noch immer. "

" Etwa mit Groß mutter? " fragte er erschrocken.

Susi nickte. " Sie bä ckt einen Kuchen nach dem ä ndern. "

" Und ich dachte schon, es war was Ernstes. "

" Es ist ernst. Drei Schü sseln Heringsalat stehen schon da und ein Roastbeef und Schweinsbraten... "

" Ich denke, sie hat keinen eingeladen", sagte Basü an und goss Tee auf.

" Sie hofft trotzdem, dass alle dran denken und kom­men. Aber die denken doch nicht! "

" Nein", sagte Bastian, " die Familie denkt bloß an Omi, wenn sie was von ihr will. Was machen wir denn da? "

" Ü berleg dir was. Ich muss los, sonst komm' ich zu spä t. "

Er brachte sie zur Tü r. Hier blieb Susi plö tzlich ste­hen und sah ihn unschlü ssig an.

" Bastian? "

Er war nach dem Streit mit Kathinka viel zu abge­stumpft fü r zarte Zwischentö ne.

" Ist was? "

" Ach nichts", sagte Susi auf der Hö he eines Seufzers und lief davon.

Und gab die Hoffnung auf Bastian endgü ltig auf.

Er fand einen alten Kanten Brot, einen Rest Butter im Eisschrank und Groj3mutters selbst gemachte Vierfruchtmarmelade, stellte alles auf ein Tablett, dazu den Teetopf, eine Tasse und ein Messer. Umrü hren konn­te er mit einem Bleistift und essen vom Tablett — sparte er einen Lö ffel, eine Untertasse und einen Teller ein.

Bastian frü hstü ckte beim Telefonieren.

Zuerst rief er seine Schwestern an. Wie erwartet, hatte keine die Absicht gehabt, zu Groß mutters Siebzig­stem zu kommen.

" Typisch", kaute er vorwurfsvoll, " wenn sie eure Kinder hü ten soll, erinnert ihr euch an sie. Wenn ihr Geld braucht, soll sie 'ne Hypothek auf ihre Wiese aufnehmen, aber wenn sie ihren Siebzigsten feiert, habt ihr keine Zeit. — Dann ver­schieb doch den Zahnarzt! Na und? Na und? Die anderthalb Stunden Bahnfahrt! — Warum bringst du deinen Wurf nicht einfach mit? Schließ lich ist sie die Uromi. Nun stell dich nicht so an. Morgen bist du hier, verstanden? "

Bastian rief im Laufe des Vormittags alle Verwandten an, die telefonisch zu erreichen waren.

Zwischen zwei Gesprä chen klingelte es bei ihm. Katharina war am Apparat.

" Ach du, Kathinka. " Er hatte vö llig ihren mor­gendlichen Streit vergessen. " Dich wollte ich auch gerad anrufen. Meine Groß mutter bä ckt und kocht, als ob die Gä ste morgen mit Sonderbussen anreisen. Jetzt haben wir Angst, dass sie eine fü rchterliche Enttä uschung erleben wird. Kathinka, du musst mir einen Gefallen tun. Lad deine ganze Unterleibsstation zu Omas Festtag ein. Wenn bloß fü nf davon kommen, bin ich schon froh. "

Sie japste hö rbar nach Luft vor Zorn.

" Hast du keine anderen Sorgen? Weiß t du eigentlich, was du angestellt hast? Nein? — Dann fass mal in deine Hosentasche. "

Bastian fasste hinein und holte ihren Autoschlü ssel hervor.

" Au Backe! 3" sagte er.

" Das ist alles, was du dazu zu sagen hast? Ich eine halbe Stunde zu spä t zum Dienst gekommen.

Chef hat mich angebrü llt. Das hat er noch nie getan. Und du sagst 'au Backe'. Du bist ein hoffnungsloser... " Sie brach mitten im Satz ab, weil jemand ins Zimmer gekom­men war. Bastian hö rte das Klappen der Tü r, eine Mä nnerstimme und dann ein Klicken.

Katharina hatte eingehä ngt.

Er holte darauf ihren Wagen ab und fuhr ihn auf den Parkplatz des Krankenhauses.

Ehe er ihn abschloss und den Schlü ssel bei der Empfangsschwester abgab, schmü ckte er den Fahrersitz mit Blü ten von den spitaleigenen Blumenrabatten.

Und war fest ü berzeugt, dass so viel Aufwand die Kathinka wieder aussö hnen wü rde.

 

Aufgaben zum 19. Kapitel:

  1. Vorlesen und ü bersetzen von  „Das Anwesen lag im…“ bis „…wechselten einen Blick“.
  2. Aufgabe “richtig/falsch”
  3. Wortschatz:
  • Sodbrennen kriegen
  • frisch von der Leber sprechen
  • die Hemmung
  • zü gelnde Gereiztheit
  • huschen
  • grä sslich
  • in die Brü che gehen
  • das Stofftier
  • kraulen
  • grienen
  • vergreisen
  • einleuchten: das leuchtet (mir) ein
  • befö rden
  • das Geweih, -e
  • anschmiegsam
  • burschikos
  • auf j-s Rechnung futtern
  • mahnen
  • aussö hnen
  1. Welche Vorzü ge hatte Bastian aus der Sicht von Susanne? Was unterschied ihn von anderen Mä nnern? Womit sind Sie einverstanden, womit nicht? (все)
  2. Wie fand Karl Susi? Was hä tte Susi Bastian sagen wollen, als sie seine Wohnung verlassen wollte? Warum sagte sie ihm nichts? (все)
  3. Warum kam es zu einem handfesten Krach zwischen Bastian und Katharina? Wer war schuld daran? Hä tte man das vermeiden kö nnen?
  4. Vergleichen Sie Karl und Bastian miteinander. Wer ist Ihnen sympathischer? Warum?
  5. Verfassen Sie einen inneren Dialog parallel zu dem „Auβ en“-Dialog zwischen Karl und Susi.
  6. Bilden Sie drei Gruppen. Schreiben Sie einen Zeitungsartikel ü ber das Treffen zwischen dem Schnulzenstar und Martha Guthmann.
  7. Kreuzworträ tsel  

 



  

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