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& Gelberg 4 страница



len Pullover, eine Schultü te an sich gepresst. Vater bei der Erstkommunion, schwarzer Anzug, weiß es Hemd, Kerze, sehr ernsthaft und feierlich. Vater beim Schul­abgang, Vater bei der Bundeswehr, im Kreis seiner Ka­meraden. Er war auch immer dick gewesen.

»Evachen, komm in die Kü che, das Essen ist fertig. «

Das war Opa. Er legte seine Arme um sie und gab ihr einen feuchten Kuss. Eva strich ihm ü ber das schü t­tere, weiß e Haar.

»Opa, wie geht es dir denn? «

Er war alt, viel ä lter als Oma.

»Es geht, Kind. Wenn man alt wird, ist alles anders. Da wird man bescheiden. Da muss man Gott danken, wenn man noch einigermaß en gesund ist. «

Die Gans war groß und braun und das Fett troff nur so an ihr herab und bildete hell schwimmende Gold­augen auf der Sauce. Die Oma stand am Tisch, hielt ei­nen Teller in der Hand und legte ein Stü ck Gans dar­auf, ein Bein, dann zwei Knö del, goss mit einem kleinen Schö pflö ffel goldä ugige Sauce darü ber, fettä u-gige Sauce, und fü llte die noch verbliebenen Lü cken auf dem Teller mit Rotkraut.

»Danke, Mutter«, sagte der Vater, als sie den Teller vor ihn hinstellte. Er bekam immer zuerst.

»Danke«, sagte Opa.

»Danke«, sagte die Mutter. Oma strahlte.

Berthold hatte schon die Gabel in der Hand und fing sofort an zu essen, als Oma ihm seinen Teller gab.

»Lass es dir schmecken, Evachen. «

Eva spü rte ein kleines, leichtes Wü rgen in ihrer Kehle und trank schnell einen Schluck Apfelsaft.

Die Oma schnitt sich das Fleisch in ganz kleine Stü ckchen. »Meine Zä hne, wisst ihr! « Sie schmatzte beim Essen.

»Die Adelheid hat geschrieben, ihr Sohn ist mit der Schule fertig und hat ein sehr gutes Zeugnis bekom­men. Er wird studieren. «

»Die Eva wird auch immer besser in der Schule«, sagte der Vater. »Sie macht uns viel Freude. «

Eva ä rgerte sich.

»Ja, sie ist ein gutes Mä dchen. « Oma sprach mit vol­lem Mund. Eva konnte den Knö del-Rotkrautbrei zwi­schen ihren Zä hnen sehen.

»Nur der Berthold«, fuhr der Vater fort. »Der Ber­thold ist faul. Nicht dass er etwa dumm wä re! Faul ist er. «

Berthold wurde rot. Er hatte den Mund voll, kaute verzweifelt und wü rgte. Er musste husten und hielt sich schnell die Hand vor den Mund. Eva betrachtete ihren Vater. Er schaute mit finsterem Gesicht zu, wie die Mutter unbeholfen auf Bertholds Rü cken klopfte.

»Trink etwas«, sagte er. Gehorsam griff Berthold nach dem Glas mit Apfelsaft. Seine Hand war gespren­kelt mit Saucenflecken, braun wie Sommersprossen. Er trank hastig.

»Wenn Marianne ihn nicht so verwö hnt hä tte«, sagte der Vater.

»Ja, ja«, antwortete Oma. »Bei Kindern muss man auch mal hart durchgreifen. «

Die Mutter sagte kein Wort.

»Aber die Eva«, wiederholte der Vater, »die Eva macht uns viel Freude. Sie schreibt nur gute Noten. «

»Ja, ja, das Evachen«, sagte die Oma und schob ein Stü ck Knö del in den Mund. »Das Evachen ist ein gutes Kind. Du warst auch immer ein gutes Kind, Fritz. «

Eva aß ihren Teller leer.

Nach dem Essen spü lte die Mutter das Geschirr, Eva trocknete ab. »Aber das musst du doch nicht machen, Marianne«, sagte die Oma jeden Sonntag. Und jeden Sonntag antwortete die Mutter: »Aber das mach ich doch gern, Oma, wo du uns doch schon so was Schö ­nes gekocht hast. «

Eva war schlecht von dem vielen Essen.

Zum Kaffeetrinken waren sie dann schon zu Hause. Es gab wieder den besonders guten Kuchen.

»Adelheids Sohn wird studieren«, sagte der Vater bitter. »Und meiner? Mein Sohn geht nicht mal aufs Gymnasium. «

»Hack doch nicht immer auf dem Jungen herum«, sagte die Mutter.

Das Gesicht des Vaters wurde bö se. »Du halt dich da raus! Warum hat er denn die Ü bertrittstests nicht geschafft, wie? Weil er nicht rechnen kann! Und das will mein Sohn sein! «

Eva musste sich auf die Zunge beiß en, um nicht laut zu lachen. Wahrscheinlich, dachte sie, wä re er viel lie­ber der Sohn von jemand anders. Laut sagen konnte sie das natü rlich nicht. Der Vater war Buchhalter und bildete sich viel darauf ein, dass er sehr schnell und sehr sicher rechnen konnte. Fü r ihn war die Note in

Mathematik ein Maß stab fü r die Intelligenz eines Men­schen, und Intelligenz war das, womit man es im Le­ben zu etwas brachte, beispielsweise zu einer gut ein­gerichteten Wohnung, Farbfernseher, Waschmaschine, Spü lmaschine und so weiter.

»Wie willst du es denn im Leben je zu etwas brin­gen, wenn du so faul bist? «

Na bitte, hatte sie es nicht gewusst?

»Ich will Fernfahrer werden«, sagte Berthold in ei­nem Anfall von Trotz. »Da brauche ich kein Gymna­sium. «

»Ich wä re froh gewesen, wenn ich hä tte lernen dü r­fen«, antwortete der Vater bitter. »Aber bei uns war kein Geld da fü r so etwas. Und weil ich das besser be­urteilen kann als du, sage ich dir, dass du im nä chsten Jahr so viel lernen wirst, dass dir die Dummheiten schon vergehen. Und dein Zeugnis wird nach der fü nf­ten Klasse besser, verstanden? «

Berthold senkte die Augen auf den Teller. Eva sah ihm an, dass er am liebsten geweint hä tte. Stattdessen beugte er sich vor und schob ein Stü ck Kuchen in den Mund. Er setzte die Tasse an und trank Kakao nach. Dann schluckte er und biss sofort wieder in den Ku­chen. Eva schaute ihm verstohlen zu. Berthold aß sehr schnell, man konnte eigentlich nur schlingen dazu sa­gen. Er schaute nicht mehr von seinem Teller auf. Ver­bissen stopfte er sich voll.

»Eva, warum isst du nicht? «, fragte der Vater.

Sie merkte erst jetzt, dass das Stü ck Kuchen noch unberü hrt vor ihr auf dem Teller lag. Ohne den Vater anzuschauen, sagte sie: »Bei deiner Meckerei kann ei­nem ja der Appetit vergehen. «

»Eva! « Die Stimme der Mutter klang erschrocken.

»Ist doch wahr! «

»Ach, die junge Dame wird aufmü pfig, wie? «, sagte der Vater. »Bis jetzt habe ich allerdings noch nie ge­merkt, dass dir der Appetit vergangen wä re. Du siehst jedenfalls nicht so aus. «

»Hö rt doch auf! «, sagte die Mutter beunruhigt. »Ich weiß gar nicht, was heute in euch gefahren ist. Beim Essen streitet man nicht. Das ist nicht gesund. «

Eva schwieg. Was hä tte sie auch sagen kö nnen? Wenn es nach der Mutter ging, war es ü berhaupt nie gesund zu streiten. Aber fü r den Vater war es offen­sichtlich gesund, jeden Tag zu meckern. Eva kaute auf ihrem Kuchen herum. Er war trocken und brö sehg. Sie legte ihn wieder auf den Teller.

»Das Stü ck Kuchen wirst du doch noch essen kö n­nen«, sagte die Mutter. »Nur das eine Stü ckchen. «

Eva machte es wie Berthold. Sie trank viel Kakao nach.

Eva und Michel saß en in der Milchbar. Es regnete. Eva trug die Haare wieder offen. Michel hielt ihre Hand und sie schauten sich ü ber den Tisch hinweg an.

»Kö nnten wir nicht nachher in die Diskothek ge­hen? «

»Warum? «, fragte Michel. »Ich wä re viel lieber mit dir allein irgendwo. Kö nnen wir wirklich nicht zu dir nach Hause gehen? «

»Nein«, sagte Eva. »Du kennst meinen Vater nicht. «

»Schade. «

»Ich mö chte so gern einmal in eine Diskothek ge­hen. Ich war noch nie. «

Michel zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Aber es ist sehr laut dort. Und teuer. «

»Ich habe noch Geld. «

»Gut, dann gehen wir in die Disko am Josephs­platz. «

Eva zö gerte. »Ich habe noch nie getanzt. Auß er mit meinem Vater Walzer. «

An Neujahr war das gewesen. Vater hatte Sekt ge­trunken und war sehr lustig gewesen. Aus dem Radio klang laute Tanzmusik.

Plö tzlich rä umte Vater die Sessel und den Tisch zur

 

Seite, ganz aufgekratzt war er, und stellte das Radio noch lauter.

»Komm, Mama, jetzt zeigen wir mal den Kindern, wie man Walzer tanzt. «

Die Mutter wehrte ab. »Ach nein, Fritz. Wir haben schon so lange nicht mehr getanzt. «

»Los«, sagte der Vater und zog die widerstrebende Mutter aus dem Sessel. »Los, Marianne. Keine Mü dig­keit vorschü tzen. «

Und dann tanzten sie und der Vater sang laut mit. »Donau, so blau, so blau, so blau...! «

Sie tanzten Tango und Walzer, Cha-Cha-Cha und Foxtrott, so lange, bis die Mutter rote Backen bekam.

»Eva, jetzt bist du dran«, sagte der Vater, als die Mutter sich schwer atmend in einen Sessel fallen ließ.

»Ich kann doch nicht tanzen«, antwortete Eva.

»Dann wird es Zeit, dass du es lernst. «

Eva war plö tzlich sehr aufgeregt. Sie bewunderte den Vater, der seinen schweren Kö rper so gewandt und sicher bewegte. Er sah anders aus als sonst. Jü nger.

»Euer Vater hat frü her einmal den ersten Preis bei einem groß en Tanzwettbewerb gewonnen. Das war da­mals, als wir uns kennen gelernt haben. «

Eva sah ihren Vater ü berrascht an. »Wirklich? «

Sie fü hlte sich tö lpelhaft und ungeschickt, kam aus dem Takt und trat ihrem Vater auf die Fü ß e.

»Nicht so, Eva. Du darfst nicht an deine Beine den­ken. Achte nur auf

den Takt und lass dich fü hren.

Hö rst du? Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei. «

Und dann war es wirklich ganz leicht. Eva drehte sich und drehte sich, ließ sich in die Musik und in Va­ters Arm fallen und fü hlte sich leicht und glü cklich.

»Das machst du prima, Eva. Wirklich! Mama, wir mü ssen bald mal mit unserer groß en Tochter tanzen gehen. «

Mama nickte gerü hrt. Berthold war ü ber seinem Mickymausheft eingeschlafen.

»Mit meinem Vater habe ich getanzt«, sagte Eva und sah Michel wieder an. »Er hat frü her mal den ersten Preis bei einem Tanzwettbewerb gewonnen. «

»Wirklich? «

»Ja, das war damals, als er meine Mutter kennen lernte. «

Michel sah sie zweifelnd an. »Aber in einer Disko tanzt man keinen Walzer. «

Eva lachte. »Das weiß ich. Ich habe das schon oft im Fernsehen gesehen. « Sie dachte an die heimlichen Tanzversuche in ihrem Zimmer. So schwer konnte das doch nicht sein.

In der Diskothek war es sehr voll. Eva wä re am liebsten wieder hinausgegangen, als sie all die schlan­ken, schö nen Mä dchen sah. Na ja, nicht alle waren so schlank. Es waren auch ein paar Dicke dabei. Eine stand mit einer Colaflasche in der Hand da, mitten zwischen anderen Jungen und Mä dchen, und lachte.

Eva sah sie von der Seite an. Sie lachte wirklich, so, als wä re sie wie die anderen. Und dabei war sie wirklich dick. Nicht so dick, nicht ganz so dick wie Eva, aber immerhin! Und auß erdem trug sie noch eine Brille.

Michel zog Eva an der Hand hinter sich her zu ei­nem Tisch in der Ecke. Eva stellte ihre Tasche hin und wollte sich setzen. »Nein«, sagte Michel. »Jetzt sind wir schon mal da, jetzt tanzen wir auch. «

Er musste sehr laut reden, damit sie ihn ü berhaupt verstand. Die Tanzflä che war voll, aber Michel drä ngte sich einfach dazu und fing an, sich zu bewegen, erst langsam, dann schneller.

Er kann tanzen, dachte Eva, und ihre Knie wurden weich. Ihr wurde schwindelig. Was hatte der Vater ge­sagt? »Nicht so, Eva. Du darfst nicht an deine Beine denken. Hö r auf den Takt und lass dich fü hren. « Aber hier gab es niemand, der sie fü hrte.

Sie machte es wie Michel. Erst langsam, in den Hü f­ten bewegen, wie war bloß der Takt, dann trat sie von einem Fuß auf den anderen. Wie ein kleines Mä dchen, das dringend mal muss, dachte sie und lä chelte. Michel lä chelte auch. Michel, dachte sie, Michel.

Er nahm ihre Hand und schwang sie unauffä llig im Takt hin und her. Und dann war es plö tzlich wieder da, dieses Gefü hl wie an Neujahr, nur noch viel schö ­ner. Eva lachte und schü ttelte ihre Haare, die langen, offenen Haare, und sie vergaß ihren Elefantenkö rper und tanzte.

Irgendwann zog Michel sie von der Tanzflä che und fü hrte sie zu ihrem Stuhl. »Gib mir Geld«, sagte er. »Ich hole eine Cola. «

»Ich mö chte lieber ein Selterswasser. «

Michel nickte. Er kam zurü ck und stellte ein Glas Ü berkinger vor sie auf den Tisch. Dann setzte er sich ganz dicht neben sie und legte den Arm um ihre Hü fte. Ich bin verschwitzt, dachte Eva. Ganz nass ge­schwitzt bin ich. Hoffentlich stinke ich nicht. Sie schob ihn weg.

»Mensch, Eva«, sagte Michel hingerissen. »Du tanzt wirklich ganz toll. Hä tte ich nicht gedacht. Kommst du am Samstag mit mir ins Freizeitheim? Wir haben ein Sommerfest. «

Eva nickte. Papa, dachte sie. Ach, Papa.

Die Bluse klebte an ihrem Kö rper. Und weil es schon ganz egal war, stand sie auf und zog Michel zur Tanzflä che.

»Ich will noch«, sagte sie. Er nickte. Es war schon acht, als sie auf die Uhr sah.

Sie schloss leise die Tü r auf. Aus dem Wohnzimmer drang das Gerä usch des Fernsehers. Halb zehn vorbei. Da ging die Wohnzimmertü r auf. Der Vater betrachte­te sie von oben bis unten, machte zwei Schritte auf sie zu und holte aus. Eva starrte ihn an. Die Ohrfeige brannte auf ihrer Haut.

»Aber Fritz«, sagte die Mutter hilflos, bö se. »Warum

         



  

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