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Gau- und Heerverfassung



Die soeben dargestellte Umwä lzung im Stand des Grundbesitzes konnte nicht ohne Einfluß bleiben auf die alte Verfassung. Sie rief in dieser ebenso bedeutende Verä nderungen hervor, und diese wirkten ihrerseits zurü ck auf die Grundbesitzverhä ltnisse. Wir lassen zunä chst die Umbildung der allgemeinen Staatsverfassung beiseite und beschrä nken uns hier auf den Einfluß der neuen ö konomischen Lage auf die noch fortbestehenden Reste der alten Volksverfassung in Gau und Heer.

Unter den Merowingern schon finden wir Grafen und Herzö ge hä ufig als Verwalter von Krongut. Erst im 9. Jahrhundert jedoch finden wir unzweifelhaft gewisse Krongü ter mit dem Grafenamt derart verbunden, daß der zeitweilige Graf ihr Einkommen bezog. Das frü here Ehrenamt war in ein durch Fundierung besoldetes ü bergegangen. Daneben finden wir auch, was sich unter den damaligen Verhä ltnissen von selbst versteht, die Grafen im Besitz kö niglicher, ihnen persö nlich ü berwiesener Benefizien. So wurde der Graf ein mä chtiger Grundherr innerhalb seiner Grafschaft.

Zunä chst ist klar, daß die Autoritä t des Grafen leiden muß te durch das Aufkommen groß er Grundbesitzer unter und neben ihm; Leute, die unter den Merowingern und ersten Karolingern oft genug dem Befehle des Kö nigs spotteten, muß ten dem Gebot des Grafen noch weniger Respekt erweisen. Ihre freien Hintersassen, im Vertrauen auf den Schutz mä chtiger Grundherren, vernachlä ssigten ebenso hä ufig, der Vorladung des Grafen vor Gericht nachzukommen oder seinem Aufgebot zum Heer. Es war dies grade eine der Ursachen, die die Einfü hrung der Verleihung zu Benefizium statt zu Allod herbeifü hrte und die spä tere allmä hliche Umwandlung des meisten, ehemals freien groß en Grundbesitzes in Benefizium.

Damit allein war die Herbeiziehung der auf den Gü tern der Groß en ansä ssigen Freien zu den Staatsleistungen noch nicht gesichert. Eine weitere Ä nderung muß te erfolgen. Der Kö nig sah sich genö tigt, die Groß grundbesitzer fü r das Erscheinen ihrer freien Hintersassen zu Gericht, im Heer und bei sonstigen herkö mmlichen Staatsdiensten verantwortlich zu machen, |486| in derselben Art wie bisher der Graf fü r alle freien Einwohner seiner Grafschaft gehaftet hatte. Und dies konnte nur dadurch geschehn, daß der Kö nig den Groß en einen Teil der grä flichen Amtsbefugnisse ü ber ihre Hintersassen ü bertrug. Der Grundherr oder Benefiziar muß te seine Leute vor Gericht stellen; sie muß ten also durch seine Vermittlung vorgeladen werden. Er muß te sie dem Heer zufü hren; durch ihn muß te also ihr Aufgebot erfolgen; er muß te, um fortwä hrend fü r sie haften zu kö nnen, die Fü hrung und das Recht der Kriegszucht ü ber sie haben. Aber es war und blieb Kö nigsdienst der Hintersassen; den Widerspenstigen strafte nicht der Gutsbesitzer, sondern der kö nigliche Graf; dem kö niglichen Fiskus fiel die Strafe zu.

Auch diese Neuerung fü hrt sich auf Karl Martell zurü ck. Wenigstens finden wir erst seit seiner Zeit die Sitte der groß en kirchlichen Wü rdenträ ger, selbst ins Feld zu ziehn, die nach Roth nur daraus zu erklä ren ist, daß Karl die Bischö fe an der Spitze ihrer Hintersassen zum Heer stoß en ließ, um sich des Erscheinens der letzteren zu versichern. Unzweifelhaft geschah mit den weltlichen Groß en und ihren Hintersassen dasselbe. Unter Karl dem Groß en erscheint die neue Einrichtung schon fest gegrü ndet und allgemein durchgefü hrt.

Hiermit war aber eine wesentliche Verä nderung eingetreten auch in der politischen Stellung der freien Hintersassen. Sie, die frü her ihrem Grundherrn rechtlich gleichstanden, wie sehr sie auch wirtschaftlich von ihm abhä ngen mochten, wurden jetzt auch rechtlich seine Untergebenen. Die ö konomische Unterwerfung erhielt politische Sanktion. Der Grundherr wird Senior, Seigneur, die Hintersassen werden seine homines; der " Herr" wird der Vorgesetzte des " Mannes". Die Rechtsgleichheit der Freien ist dahin, der unterste " Mann", dessen Vollfreiheit durch den Verlust des Erbguts schon starken Abbruch erlitten, rü ckt dem Unfreien wieder um eine Stufe nä her. Um soviel mehr erhebt sich der neue " Herr" ü ber das Niveau der alten Gemeinfreiheit. Die ö konomisch bereits hergestellte Grundlage der neuen Aristokratie wird vom Staat anerkannt, wird eins der regelrecht mitwirkenden Triebrä der der Staatsmaschine.

Neben diesen aus freien Hintersassen bestehenden homines gab es aber noch eine andre Art. Dies waren die freiwillig in ein Dienst- oder Gefolgsverhä ltnis zu den Groß en getretenen verarmten Freien. Die Merowinger hatten ihre Gefolgschaft in den Antrustionen, die Groß en jener Zeit werden ebenfalls nicht ohne Gefolge geblieben sein. Unter den Karolingern werden die Gefolgsleute des Kö nigs Vassi, Vasalli oder Gasindi genannt. Ausdrü cke, die in den ä ltesten Volksrechten noch fü r einen Unfreien gebraucht werden, |487| jetzt aber bereits die Bedeutung eines in der Regel freien Gefolgsmanns angenommen haben. Dieselben Bezeichnungen gelten fü r die Gefolgsleute der Groß en, die jetzt ganz allgemein vorkommen und ein immer zahlreicheres und wichtigeres Element in Gesellschaft und Staat werden.

Wie die Groß en zu solchen Gefolgsleuten kamen, zeigen die alten Vertragsformeln. In einer solchen (Form[ulae] Sirmond[icae] 44) heiß t es z. B.:

" Sintemal es mä nniglich bekannt, daß ich nichts habe, wovon ich mich nä hren oder kleiden soll, so bitte ich von Eurer" (des Herrn) " Frö mmigkeit, daß ich mich in Eure Schutzherrschaft" (mundoburdum - gleichsam Vormundschaft) " begeben und kommendieren mö ge, der Art, ... daß Ihr mir mit Nahrung und Kleidung auszuhelfen schuldig, je nachdem ich Euch dienen und solches verdienen werde; ich aber, solange ich lebe, Euch nach Art eines freien Mannes (ingenuili ordine) Dienst und Folge zu leisten schuldig sei; auch zu meinen Lebzeiten Eurer Gewalt und Schutzhoheit zu entziehen nicht die Macht, sondern mein Lebtag unter Eurer Gewalt und Schutz zu bleiben habe. "

Diese Formel gibt vollstä ndigen Aufschluß ü ber die Entstehung und Natur des einfachen, aller fremden Beimischung entkleideten Gefolgsverhä ltnisses, und zwar um so mehr, weil sie den extremen Fall eines ganz heruntergekommnen armen Teufels darstellt. Der Eintritt in den Gefolgsverband des Seniors geschah infolge eines freien Ü bereinkommens beider Teile - frei im Sinn der rö mischen und modernen Jurisprudenz, oft genug ä hnlich wie der Eintritt eines heutigen Arbeiters in den Dienst eines Fabrikanten. Der " Mann" kommendierte sich dem Herrn, und dieser nahm seine Kommendation an. Diese bestand im Handschlag und Eid der Treue. Das Ü bereinkommen war lebenslä nglich und wurde nur durch den Tod eines von beiden Kontrahenten gelö st. Der Dienstmann war verpflichtet zu allen mit der Stellung eines Freien verträ glichen Dienstleistungen, die ihm sein Herr auftragen mochte. Dafü r wurde er von diesem unterhalten und je nach Ermessen belohnt. Eine Ü berweisung von Land war damit keineswegs notwendig verbunden und fand in der Tat auch durchaus nicht in allen Fä llen statt.

Dies Verhä ltnis wurde unter den Karolingern, besonders seit Karl dem Groß en, nicht nur toleriert, sondern direkt begü nstigt und zuletzt, wie es scheint durch ein Kapitular von 847, allen Gemeinfreien zur Pflicht gemacht und staatlich geregelt. So durfte der Dienstmann das Verhä ltnis zu seinem Herrn nur dann einseitig lö sen, wenn dieser ihn tö ten, mit einem Stock schlagen, seine Frau oder Tochter entehren oder sein Erbgut ihm nehmen wollte (Kapit[ular] von 813). Und zwar war der Dienstmann an den Herrn |488| gebunden, sobald er von diesem den Wert eines Solidus erhalten hatte; woraus nochmals klar hervorgeht, wie wenig damals das Vasallitä tsverhä ltnis an Landverleihung notwendig geknü pft war. Dieselben Bestimmungen wiederholt ein Kapitular von 816 mit dem Zusatz, der Dienstmann sei entbunden, wenn sein Herr ihn unrechtmä ß ig in den Unfreienstand bringen wolle oder ihm den versprochnen Schutz zwar leisten kö nne, aber nicht leiste.

Gegenü ber dem Staat bekam nun der Gefolgsherr dieselben Rechte und Pflichten mit Bezug auf seine Gefolgsleute wie der Grundherr oder Benefiziar mit Bezug auf seine Hintersassen. Sie blieben dem Kö nig dienstpflichtig, nur schob sich auch hier zwischen den Kö nig und dessen Grafen der Gefolgsherr. Er stellte die Vasallen vor Gericht, er bot sie auf, fü hrte sie im Krieg an und hielt die Manneszucht unter ihnen aufrecht, er haftete fü r sie und ihre vorschriftsmä ß ige Ausrü stung. Dadurch bekam aber der Gefolgsherr eine gewisse Strafgewalt ü ber seine Untergebnen, und diese bildet den Ausgangspunkt der spä ter sich entwickelnden Gerichtsbarkeit des Lehnsherrn ü ber seine Vasallen.

In diesen weiteren beiden Einrichtungen, in der Ausbildung des Gefolgschaftswesens und in der Ü bertragung grä flicher, also staatlicher, Amtsgewalt an den Grundherrn, Kron-, Benefiziar- und Gefolgsherrn ü ber seine nun bald sä mtlich als Vassi, Vasalli, Homines zusammengefaß ten Untergebnen - Hintersassen wie landlose Gefolgsleute -, in dieser staatlichen Bestä tigung, Verstä rkung der faktischen Macht des Herrn ü ber die Vasallen, sehen wir den in den Benefizien gegebnen Keim des Lehnwesens sich schon bedeutend weiter entwickeln. Die Hierarchie der Stä nde, vom Kö nig abwä rts durch die groß en Benefiziare zu deren freien Hintersassen und endlich den Unfreien herab, wird anerkanntes, in amtlicher Eigenschaft mitwirkendes Element der Staatsordnung. Der Staat erkennt an, daß er ohne ihre Hü lfe nicht bestehn kann. Wie diese Hü lfe tatsä chlich geleistet wurde, wird sich freilich zeigen.

Die Unterscheidung von Gefolgsleuten und Hintersassen ist nur wichtig fü r den Anfang, um den doppelten Ursprung der Abhä ngigkeit der Freien nachzuweisen. Sehr bald fließ en beide Arten von Vasallen, wie im Namen so auch in der Tat, untrennbar zusammen. Die groß en Benefiziare nahmen mehr und mehr den Brauch an, sich dem Kö nig zu kommendieren, neben seinen Benefiziaren also seine Vasallen zu werden. Die Kö nige fanden es in ihrem Interesse, sich den Treueid der Groß en, Bischö fe, Ä bte, Grafen und Vasallen persö nlich ableisten zu lassen (" Ann[ales] Bertin[iani]" 837 und ö fter im 9. Jahrhundert), wobei dann der Unterschied zwischen dem |489| allgemeinen Untertaneneid und dem besondern Vasalleneid sich bald verwischen muß te. So verwandeln sich nach und nach sä mtliche Groß e in kö nigliche Vasallen. Hiermit aber war die langsam vor sich gegangne Entwicklung der groß en Grundbesitzer zu einem besondren Stand, zu einer Aristokratie, vom Staat anerkannt, der Staatsordnung eingefü gt, einer ihrer amtlich wirkenden Hebel geworden.

Ebenso geht der Gefolgsmann des einzelnen Groß grundbesitzers allmä hlich auf in den Hintersassen. Abgesehn von der direkten Verpflegung am Herrenhofe, die doch nur fü r eine geringe Anzahl von Kö pfen stattfinden konnte, blieb kein andres Mittel, sich Gefolgsleute zu sichern, als indem man sie auf Grund und Boden ansetzte, ihnen Land zu Benefizium ü bertrug. Ein zahlreiches streitbares Gefolge, Hauptbedingung der Existenz der Groß en in jener Zeit ewiger Kä mpfe, war also nur durch Landverleihung an die Vasallen zu erlangen. Daher verschwinden allmä hlich die landlosen Dienstleute des Herrenhofs vor der Masse der auf Herrenland angesessenen.

Je mehr aber dies neue Element in die alte Verfassung sich einschob, desto mehr muß te diese erschü ttert werden. Die alte, unmittelbare Ü bung der Staatsgewalt durch Kö nig und Grafen machte mehr und mehr Platz einer mittelbaren; zwischen die Gemeinfreien und den Staat trat der Senior, dem jene in immer grö ß erem Maß persö nlich zur Treue verbunden waren. Das wirksamste Triebstü ck der Staatsmaschine, der Graf, muß te mehr und mehr in den Hintergrund treten und tat es auch wirklich. Karl der Groß e verfuhr hier, wie er ü berall zu verfahren pflegte. Zuerst begü nstigte er, wie wir sahen, das Ü berhandnehmen des Vasallenverhä ltnisses, bis die unabhä ngigen kleinen Freien fast verschwanden; als dann die hierdurch herbeigefü hrte Schwä chung seiner Macht zutage trat, versuchte er ihr durch staatliches Eingreifen wieder auf die Beine zu helfen. Das mochte in manchen Fä llen unter einem so energischen und gefü rchteten Herrscher gelingen; unter seinen schwachen Nachfolgern brach die Macht der mit seiner Hü lfe geschaffnen Tatsachen sich unaufhaltsam Bahn.

Das beliebte Mittel Karls war die Aussendung kö niglicher Sendboten (missi dominici) mit auß erordentlicher Machtvollkommenheit. Wo der gewö hnliche kö nigliche Beamte, der Graf, der einreiß enden Unordnung nicht steuern konnte, da sollte ein Spezialgesandter dies tun. (Dies historisch weiter zu begrü nden und entwickeln. )

Nun gab es aber noch ein andres Mittel, und dies bestand darin, den Grafen in eine solche Stellung zu versetzen, daß er auch an materiellen Machtmitteln den Groß en seiner Grafschaft mindestens gleichstand. Dies war nur mö glich, wenn der Graf ebenfalls in die Reihe der groß en Grund- |490| besitzer trat, was wieder auf zwei Wegen geschehen konnte. Gewisse Grundstü cke konnten in den einzelnen Gauen dem Grafenamt als Dotation beigegeben werden, so daß der jeweilige Graf sie von Amts wegen verwaltete und ihre Einkü nfte bezog. Hiervon finden sich viele Beispiele besonders in Urkunden, und zwar schon seit Ende des 8. Jahrhunderts; seit dem 9. ist dies Verhä ltnis ganz gewö hnlich. Solche Dotationen stammen selbstredend meist aus dem kö niglichen Fiskalgut, wie wir schon zur Merowingerzeit hä ufig Grafen und Herzö ge als Verwalter der in ihrem Gebiet liegenden kö niglichen Fiskalgü ter finden.

Merkwü rdigerweise finden sich auch manche Beispiele (sogar ein Formular dafü r), wo Bischö fe das Grafenamt aus dem Kirchengut dotieren, natü rlich, bei der Unverä uß erlichkeit des Kirchenguts, in irgendeiner Form des Benefiziums. Die Freigebigkeit der Kirche ist zu bekannt, um hierfü r einen andern Grund zulä ssig zu halten als die bittere Not. Unter dem wachsenden Druck der benachbarten weltlichen Groß en blieb der Kirche nur der Bund mit den Resten der Staatsgewalt.

Diese mit den Grafenstellen verknü pften Pertinenzen (res comitatus, pertinentiae comitatus), sind anfä nglich noch scharf geschieden von den Benefizien, die dem jeweiligen Grafen persö nlich ü bertragen waren. Auch diese wurden gewö hnlich reichlich erteilt, so daß, Dotation und Benefizien zusammengerechnet, die Grafenä mter, ursprü nglich Ehrenstellen, fetzt sehr einträ gliche Posten und seit Ludwig dem Frommen ganz wie andre kö nigliche Freigebigkeiten an Leute vergeben wurden, die man gewinnen oder deren man sich versichern wollte. So heiß t es von Ludwig dem Stammler, daß er " quos potuit conciliavit [sibi], dans els abbatias et comitatus ac villas" |" sofort suchte, mö glichst viele fü r sich zu gewinnen, indem er Abteien und Gü ter nach jedes Wunsch und Verlangen schenkte" | (" Ann[ales] Bertin[iani]" 877). Die Benennung Honor, womit frü her das Amt mit Beziehung auf die damit verbundenen Ehrenrechte gezeichnet worden, erhä lt im Lauf des 9. Jahrhunderts ganz dieselbe Bedeutung wie Benefizium. Und hiermit vollzog sich notwendig auch eine wesentliche Verä nderung im Charakter des Grafenamts, die mit Recht von Roth (S. 408) hervorgehoben wird. Ursprü nglich war das Seniorat, soweit es einen ö ffentlichen Charakter erhielt, dem Grafenamt nachgebildet, mit grä flichen Befugnissen ausgestattet. Jetzt - in der zweiten Hä lfte des 9. Jahrhunderts - hatte das Seniorat so allgemein um sich gegriffen, daß es das Grafenamt zu ü berwuchern drohte und dieses sich nur in seiner Machtstellung halten konnte, indem es selbst mehr und mehr den Charakter eines Seniorats |491| annahm. Die Grafen usurpierten mehr und mehr, und nicht erfolglos, die Stellung eines Seniors gegenü ber ihren Gaubewohnern (pagenses), und zwar sowohl was deren private wie ö ffentliche Verhä ltnisse betraf. Ganz wie die ü brigen " Herren" die ihnen benachbarten kleinen Leute, so suchten auch die Grafen die weniger bemittelten freien Gaubewohner mit Gü te oder Gewalt dahin zu bringen, sich ihnen als Vasallen zu unterwerfen. Dies gelang um so leichter, als die bloß e Tatsache, daß die Grafen ihre Amtsgewalt derart miß brauchen konnten, der beste Beweis ist, wie wenig Schutz der noch ü brige Rest der Gemeinfreien von der kö niglichen Macht und ihren Organen erwarten durfte. Von allen Seiten der Vergewaltigung preisgegeben, muß ten die kleineren Freien froh sein, selbst gegen Abtretung ihres Allods und Wiedererlangung desselben zu bloß em Benefizium, irgendeinen Schutzherrn zu finden. Schon Kap[itular] 811 klagt Karl der Groß e, daß Bischö fe, Ä bte, Grafen, Richter, Zentenare kleine Leute durch fortwä hrende Rechtsschikanen oder stets wiederholtes Aufgebot zum Heere so weit herunterbringen, bis sie jenen ihr Allod ü bertragen oder verkaufen, daß die Armen sich laut ü ber den an ihrem Eigentum geschehenden Raub beklagen usw. Auf diese Weise war in Gallien bereits Ende des 9. Jahrhunderts der grö ß te Teil des freien Eigentums in die Hä nde der Kirche, der Grafen und andrer Groß en gekommen (Hincmar Rem[ensis] 869), und etwas spä ter gab es in einigen Provinzen schon gar kein freies Grundeigentum kleiner Freier mehr. (Maurer, " Ein[leitung]", S. 212. ) Sobald nun die Benefizien bei der wachsenden Macht der Benefiziare und der verfallenden der Krone allmä hlich erblich wurden, wurden es gewohnheitsmä ß ig die Grafenä mter auch. Sahen wir in der Menge der kö niglichen Benefiziare die Ansä tze zur Bildung des spä teren Adels, so hier den Keim der Territorialhoheit der aus den Gaugrafen hervorgegangnen spä teren Landesherrn.

Wä hrend so die gesellschaftliche und staatliche Ordnung vollstä ndig anders wurde, blieb die alte Heerverfassung, gegrü ndet auf Waffendienst - so Recht wie Pflicht - aller Freien, ä uß erlich dieselbe, nur daß, wo die neuen Abhä ngigkeitsverhä ltnisse bestanden, der Senior zwischen seine Vasallen und den Grafen sich einschob. Aber die Gemeinfreien waren von Jahr zu Jahr weniger imstand, die Last des Heerdienstes zu tragen. Diese bestand nicht nur im persö nlichen Dienst; der Aufgebotene muß te sich auch selbst ausrü sten und wä hrend der ersten sechs Monate auf eigene Kosten verpflegen, bis endlich die unaufhö rlichen Kriege Karls des Groß en dem Faß den |492| Boden ausschlugen. Die Last wurde so unerträ glich, daß, um ihr zu entgehn, die kleinen Freien massenweise vorzogen, nicht nur den Rest ihres Besitzes, sondern ihre eigne Person und die ihrer Nachkommen den Groß en, besonders aber der Kirche zu ü bertragen. Dahin hatte Karl die freien kriegerischen Franken heruntergebracht, daß sie lieber Hö rige und Leibeigne wurden, um nur nicht in den Krieg zu ziehn. Das war die Folge davon, daß Karl sich darauf versteifte, eine auf allgemeinen und gleichen Grundbesitz aller Freien gegrü ndete Kriegsverfassung auch dann noch durchzufü hren, und zwar bis auf die ä uß erste Spitze zu treiben, als der groß en Menge der Freien der Grundbesitz ganz oder grö ß tenteils abhanden gekommen war.

Die Tatsachen waren indes stä rker als Karls Eigensinn und Ehrgeiz. Die alte Heerverfassung war nicht mehr zu halten. Das Heer auf Staatskosten auszurü sten und zu verpflegen, ging erst recht nicht in jener Zeit einer fast geld- und handelslosen Naturalwirtschaft. Karl war also genö tigt, die Dienstpflicht so zu beschrä nken, daß Ausrü stung und Verpflegung des Mannes mö glich blieb. Dies geschah im Aachener Kapitular 807, als die Kriege sich nur noch auf Grenzkä mpfe beschrä nkten und der Bestand des Reichs im ganzen gesichert schien. Vor allem sollte jeder kö nigliche Benefiziar ohne Unterschied sich stellen, dann, wer zwö lf Hufen (mansi) besitzt, geharnischt, also auch wohl zu Pferd erscheinen (das Wort caballarius - Ritter, kommt in demselben Kapitular vor). Besitzer von drei bis fü nf Hufen waren pflichtig. Von zwei Besitzern von je zwei Hufen, von dreien zu einer Hufe, von sechsen zu einer halben Hufe muß te jedesmal einer gestellt und von den andern ausgerü stet werden. Von ganz landlosen, aber Mobiliarvermö gen im Werte von fü nf Solidi besitzenden Freien sollte ebenfalls der sechste Mann ausrü cken und eine Geldunterstü tzung von einem Solidus von jedem der andern fü nf erhalten. Auch wird die Auszugspflicht der verschiednen Landesteile, die bei diesen benachbarten Kriegen voll eintritt, fü r entferntere Kriege je nach der Entfernung auf die Hä lfte bis ein Sechstel der Mannschaft beschrä nkt.

Karl suchte hier offenbar die alte Verfassung der verä nderten ö konomischen Lebenslage der Dienstpflichtigen anzupassen, zu retten, was noch zu retten war. Aber auch diese Konzession half nicht; schon bald darauf war er genö tigt, im Cap[itulare] de exercitu promovendo |Kapitular ü ber das Aufgebot zum Heeresdienst| neue Befreiungen zu gestatten. Dies Kapitular, gewö hnlich frü her als das Aachener datiert, ist seinem ganzen Inhalt nach unzweifelhaft mehrere Jahre spä ter als dies. Es erhö ht die Hufenzahl, von der je ein Mann zu stellen ist, von drei auf vier; |493| die Besitzer von halben Hufen und die Landlosen erscheinen als dienstfrei, und auch fü r Benefiziare ist die Stellungspflicht auf einen Mann fü r je vier Hufen beschrä nkt. Unter den Nachfolgern Karls scheint das Minimum der Hufenzahl, die einen Mann stellte, sogar auf fü nf erhö ht zu sein.

Merkwü rdig ist, daß die Gestellung der geharnischten Zwö lfhufner die grö ß ten Schwierigkeiten gefunden zu haben scheint. Wenigstens wird das Gebot, daß sie gepanzert zu erscheinen haben, unzä hlige Male in den Kapitularien wiederholt.

So verschwanden die Gemeinfreien immer mehr. Hatte ihre allmä hliche Trennung von Grund und Boden einen Teil in die Vasallitä t der neuen groß en Grundherren getrieben, so trieb die Furcht vor direktem Ruin durch den Heerdienst den andern Teil geradezu in die Leibeigenschaft. Wie rasch diese Ergebung in die Knechtschaft vor sich ging, dafü r zeugt das Polyptichon (Grundbesitzregister) des Klosters Saint-Germain-des-Pré s, das damals noch auß erhalb Paris lag. Es ist vom Abt Irminon im Anfang des 9. Jahrhunderts zusammengestellt und weist unter den Hintersassen des Klosters auf: 2. 080 Familien von Kolonen, 35 von Liten, 220 von Sklaven (servi), dagegen nur acht freie Familien. Das Wort Colonus jener Zeit war aber in Gallien entschieden ein Unfreier. Die Heirat einer Freien mit einem Kolonen oder Sklaven unterwarf sie als geschä ndet (deturpatam) dem Herrn (Kap[itular] 817). Ludwig der Fromme befiehlt, daß " colonus vel servus" (eines Klosters zu Poitiers) " ad naturale servitium velit noiit redeat" |" ein Kolone oder Sklave, ob er wolle oder nicht, in seine natü rliche Lage zurü ckkehren solle" |. Sie erhielten Hiebe (capitulare 853, 861, 864, 873) und wurden manchmal freigelassen (Gué rard, " [Polyptyque de l'abbé ] Irminon" ). Und diese leibeignen Bauern waren nicht etwa Romanen, sondern nach Jakob Grimms eignem Zeugnis (" Geschichte] der deutschen] Spr[ache]", I), der die Namen untersuchte, " fast lauter frä nkische, die einer geringen Anzahl romanischer weit ü berwogen".

Eine so gewaltige Zunahme der unfreien Bevö lkerung verschob wiederum die Klassenverhä ltnisse der frä nkischen Gesellschaft. Neben die sich damals rasch zu einem eignen Stand ausbildenden Groß grundbesitzer, neben ihre freien Vasallen trat nun eine den Rest der Gemeinfreien mehr und mehr aufsaugende Klasse von Unfreien. Aber diese Unfreien waren teils selbst noch frei gewesen, teils Kinder von Freien; die seit drei und mehr Generationen in erblicher Knechtschaft Lebenden waren weitaus die Minderzahl. Auch waren sie groß enteils nicht von auß en eingeschleppte, |494| sä chsische, wendische etc. Kriegsgefangne; im Gegenteil, die meisten waren einheimische Franken und Romanen. Mit solchen Leuten, wenn sie noch dazu die Masse der Bevö lkerung auszumachen anfingen, war nicht so leicht umzugehn wie mit ererbten oder fremden Leibeignen. Die Knechtschaft war ihnen noch ungewohnt, die Hiebe, die selbst der Kolone erhielt (Kap[itular] 853, 861, 873), wurden noch als Schmach, nicht als selbstverstä ndlich empfunden. Daher die vielen Verschwö rungen und Aufstä nde der Unfreien und selbst der bä uerlichen Vasallen. Karl der Groß e schlug selbst einen Aufstand der Hintersassen des Bistums Reims gewaltsam nieder. Ludwig der Fromme spricht im K[apitular] 821 von Verschwö rungen der Sklaven (servorum) in Flandern und Menapiscus (an der obern Lys). 848 und 866 muß ten Aufstä nde der Dienstleute (homines) des Bistums Mainz unterdrü ckt werden. Die Gebote, solche Verschwö rungen zu unterdrü cken, wiederholen sich in den Kapitularien seit 779. Der Aufstand der Stellinga in Sachsen muß ebenfalls hierher gehö ren. Offenbar eine Folge dieser drohenden Haltung der unfreien Massen war es, wenn seit Ende des 8. und Anfang des 9. Jahrhunderts die Leistungen der Unfreien, selbst der ansä ssigen Sklaven, mehr und mehr auf ein bestimmtes unü berschreitbares Maß gesetzt wurden und Karl der Groß e in seinen Kapitularien dies vorschreibt.

Das also war der Preis, um den Karl sein neurö misches Kaiserreich erkaufte: die Vernichtung des Standes der Gemeinfreien, die zur Zeit der Eroberung Galliens das ganze Frankenvolk umfaß t hatten; die Spaltung des Volks in groß e Grundbesitzer, Vasallen, Leibeigne. Aber mit den Gemeinfreien fiel die alte Heerverfassung, mit beiden fiel das Kö nigtum. Karl hatte die einzige Grundlage seiner eignen Herrschaft vernichtet. Ihn hielt's noch aus; unter seinen Nachfolgern aber trat an den Tag, was in Wirklichkeit das Werk seiner Hä nde war.



  

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