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Hermann Hesse. Märchen vom Korbstuhl



Hermann Hesse

Mä rchen vom Korbstuhl

Ein junger Mensch saß in seiner einsamen Mansarde. Er hatte Lust, ein Maler zu werden; aber da war manches recht Schwierige zu ü berwinden, und fü rs erste wohnte er ruhig in seiner Mansarde, wurde etwas ä lter und hatte sich daran gewö hnt, stundenlang vor einem kleinen Spiegel zu sitzen und versuchsweise sein Selbstbildnis zu zeichnen. Er hatte schon ein ganzes Heft mit solchen Zeichnungen angefü llt, und einige von diesem Zeichnungen hatten ihn sehr befriedigt.

" Dafü r, daß ich noch vö llig ohne Schulung bin", sagte er zu sich selbst, " ist dieses Blatt doch eigentlich recht gut gelungen. Und was fü r eine interessante Falte da neben der Nase. Man sieht, ich habe etwas vom Denker an mir, oder doch so etwas Ä hnliches. Ich brauche nur die Mundwinkel ein klein wenig herunterzuziehen, dann gibt es einen so eigenen Ausdruck, direkt schwermü tig".

Nur wenn er die Zeichnungen dann einige Zeit spä ter wieder betrachtete, gefielen sie ihm meistens gar nicht mehr. Das war unangenehm, aber er schloß daraus, daß er Fortschritte mache und immer grö ß ere Forderungen an sich selber stelle.

Mit seiner Mansarde und mit den Sachen, die er in seiner Mansarde stehen und liegen hatte, lebte dieser junge Mann nicht ganz im wü nschenswertesten und innigsten Verhä ltnis, doch immerhin auch nicht in einem schlechten. Er tat ihnen nicht mehr und nicht weniger Unrecht an, als die meisten Leute tun, er sah sie kaum und kannte sie schlecht.

Wenn ihm wieder ein Selbstbildnis nicht recht gelungen war, dann las er zuweilen in Bü chern, aus welchen er erfuhr, wie es anderen Leuten ergangen war, welche gleich ihm als bescheidene und gä nzlich unbekannte junge Leute angefangen hatten und dann sehr berü hmt geworden waren. Gern las er solche Bü cher, und las in ihnen seine eigene Zukunft.

So saß er eines Tages wieder etwas miß mutig und bedrü ckt zu Hause uns las ü ber einen sehr berü hmten hollä ndischen Maler. Er laß, daß dieser Maler von einer wahren Leidenschaft, ja Raserei besessen gewesen sei, ganz und gar beherrscht von dem einen Drang, ein guter Maler zu werden. Der junge Mann fand, daß er mit diesem hollä ndischen Maler manche Ä hnlichkeit habe. Im Weiterlesen entdeckte er alsdann mancherlei, was auf ihn selbst weniger paß te. Unter anderem las er, wie jener Hollä nder bei schlechtem Wetter, wenn man drauß en nicht malen konnte, unentwegt und voll Leidenschaft alles, auch das Geringste, abgemalt habe, was ihm unter die Augen gekommen sei. So habe er einmal ein altes Paar Holzschuhe gemalt, und ein andermal einen alten, schiefen Stuhl welchen gewiß sonst niemals ein Mensch eines Blickes gewü rdigt hä tte, habe nun der Maler mit so viel Liebe und Treue, mit so viel Leidenschaft und Hingabe gemalt, daß das eines seiner schö nsten Bilder geworden sei. Viele schö ne und geradezu rü hrende Worte fand der Schriftsteller ü ber diesen gemalten Strohstuhl zu sagen.

Hier hielt der Lesende inne und besann sich. Da war etwas Neues, was er versuchen muß te. Er beschloß, sofort - denn er war ein junger Mann von ä uß erst raschen Entschlü ssen - das Beispiel dieses groß en Meisters nachzuahmen und einmal diesen Weg zur Grö ß e zu probieren.

Nun blickte er in seiner Dachstube umher und merkte, daß er die Sachen, zwischen denen er wohnte, eigentlich noch recht wenig angesehen habe. Einen krummen Stuhl mit einem aus Stroh geflochtenen Sitz fand er nirgends, auch keine Holzschuhe standen da, er war darum einen Augenblick betrü bt und mutlos und es ging ihm beinahe wieder wie schon so oft, wenn er ü ber dem Lesen vom Leben groß er Mä nner den Mut verloren hatte: er fand dann, daß gerade alle die Kleinigkeiten und Fingerzeige und wunderlichen Fü gungen, welche im Leben jener anderen eine so schö ne Rolle spielten, bei ihm ausblieben und vergebens auf sich warten ließ en. Doch raffte er sich bald wieder auf und sah ein, daß es jetzt erst recht seine Aufgabe sei, hartnä ckig seinen schweren Weg zum Ruhm zu verfolgen. Er musterte alle Gegenstä nde in seinem Stü bchen und entdeckte einen Korbstuhl, der ihm recht wohl als Modell dienen kö nnte.

Er zog den Stuhl mit dem Fuß ein wenig nä her zu sich, spitze seinen Kü nstlerbleistift, nahm das Skizzenbuch auf die Knie und fing an zu zeichnen. Ein paar erste Striche schienen ihm die Form genü gend anzudeuten, und nun zog er rasch und krä ftig aus und hieb mit ein paar Strichen dick die Umrisse hin. Ein tiefer, dreieckiger Schatten in einer Ecke lockte ihn, er gab ihn kraftvoll an, und so fuhrt er fort, bis irgend etwas ihn zu stö ren begann.

Er machte noch eine kleine Weile weiter, dann hielt er das Heft von sich weg und sah seine Zeichnung prü fend an. Da sah er, daß der Korbstuhl stark verzeichnet war. Zornig riß er eine neue Linie hinein und heftete dann den Blick grimmig auf den Stuhl. Es stimmte nicht. Das machte ihn bö se. " Du Satan von einem Korbstuhl", rief er heftig, " so ein launisches Vieh habe ich doch noch nie gesehen! " Der Stuhl knackte ein wenig und sagte gleichmü tig: " Ja, sieh mich nur an! Ich bin, wie ich bin, und werde mich nicht mehr ä ndern. " Der Maler stieß ihn mit der Fuß spitze an. Da wich der Stuhl zurü ck und sah jetzt wieder ganz anders aus. " Dummer Kerl von einem Stuhl", rief der Jü ngling. " an dir ist ja alles krumm und schief. " - Der Korbstuhl lä chelte ein wenig und sagte sanft: " Das nennt man Perspektive, junger Herr. "

Da sprang der Jü ngling auf. " Perspektive! " schrie er wü tend. " Jetzt kommt dieser Bengel von einem Stuhl und will den Schulmeister spielen! Die Perspektive ist meine Angelegenheit, nicht deine, merke dir das! "

Da sagte der Stuhl nichts mehr. Der Maler ging einige Male heftig auf und ab, bis von unten her mit einem Stock zornig gegen seinen Fuß boden geklopft wurde. Dort unten wohnte ein ä lterer Mann, ein Gelehrter, der keinen Lä rm vertrug.

Er setzte sich und nahm sein letztes Selbstbildnis wieder vor. Aber es gefiel ihm nicht. Er fand, daß er in Wirklichkeit hü bscher und interessanter aussehe, und das war die Wahrheit.

Nun wollte er in seinem Buche weiterlesen. Aber da stand noch mehr von jenem hollä ndischen Strohsessel und das ä rgerte ihn. Er fand, daß man von jenem Sessel doch wirklich reichlich viel Lä rm mache, und ü berhaupt...

Der junge Mann suchte seinen Kü nstlerhut und beschloß, ein wenig auszugehen. Er erinnerte sich, daß ihm schon vor lä ngerer Zeit einmal das Unbefriedigende der Malerei aufgefallen war. Man hatte da nichts als Plage und Enttä uschungen, und schließ lich konnte ja auch der beste Maler der Welt bloß die simple Oberflä che der Dinge darstellen. Fü r einen Menschen, der das Tiefe liebte, war das am Ende kein Beruf. Und er faß te wieder, wie schon mehrmals, ernstlich den Gedanken ins Auge, doch noch einer frü heren Neigung zu folgen und lieber Schriftsteller zu werden. Der Korbstuhl blieb allein in der Mansarde zurü ck. Es tat ihm leid, daß sein junger Herr schon gegangen war. Er hatte gehofft, es werde sich nun endlich einmal ein ordentliches Verhä ltnis zwischen ihnen anspinnen. Er hä tte recht gern zuweilen ein Wort gesprochen, und er wuß te, daß er einen jungen Menschen wohl manches Wertvolle zu lehren haben wü rde. Aber es wurde nun leider nichts daraus.

(Hermann Hesse 1918)



  

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