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Fünfzehntes Kapitel



 

An der Kreuzung der beiden Landstraß en hielten die Reiter ihre Pferde an, unschlü ssig, welche sie einschlagen sollten. Das ä rmliche Dorf Calves lag jetzt ganz nahe, und am Horizont konnte Cathé rine nicht ohne Bewegung den Basaltfelsen von Carlat, gespickt mit Tü rmen und Mauern, aufragen sehen.

Dort hatte sie die quä lendsten Stunden ihres ganzen Daseins durchlebt, war aus der bedrohten Feste geflohen, aber nun, angesichts dieses imposanten, vertraut gewordenen Hintergrunds, fü hlte sie doch, wie ihr der Mut schwand.

Ein von den Feldern kommender Bauer, die Hacke ü ber der Schulter, nä herte sich dem Kreuzweg. Gauthier erkundigte sich vom Sattel aus bei ihm.

»Weiß t du, braver Mann, wo das Haus der Leprakranken ist? «

Der Mann bekreuzigte sich bestü rzt und zeigte auf eine der beiden Straß en.

»Dort hinunter bis zum Fluß … dann werdet Ihr ein groß es, verschlossenes Gebä ude sehen. Das ist es. Aber kommt hinterher nicht ins Dorf! «

Eiligst entfernte er sich in Richtung des Weilers. Cathé rine lenkte den Kopf ihres Pferdes in die angezeigte Richtung.

»Reiten wir! « sagte sie nur.

Die Straß e fiel zur Ebene ab, einem kleinen Fluß, der sich weiter entfernt um den Felsen von Carlat wand. Eine Reihe Weiden bezeichnete seinen Lauf. Cathé rine ritt schweigend voran, sich ganz dem Schritt ihres Pferdes ü berlassend. So dicht bei dem Ort, von dem sie so oft geträ umt hatte, ohne je zu wagen, sich ihm zu nä hern, befiel sie eine beklemmende Erregung. In wenigen Augenblicken wü rde sie Arnaud ganz nahe sein, nur wenige Schritte von der Stelle entfernt, wo er lebte … Vielleicht wü rde es ihr gelingen, ihn zu sehen! Der bloß e Gedanke ließ ihr Herz wild pochen, doch trotzdem fiel es ihr schwer, sich im Geiste von der bö sen Vorahnung loszureiß en, die sie seit dem Morgen mit sich herumtrug …

Der Weg bog jetzt ab und fü hrte durch ein kleines Gehö lz, dessen Zweiggewirr undurchdringlich schien. Der holprige, schwierige, von eingefahrenen uralten Wagenspuren und schlammig gebliebenen Lö chern ausgehö hlte Boden konnte nicht oft betreten worden sein. Der Himmel an diesem Tagesende (Cathé rine und Gauthier hatten wesentlich mehr Zeit gebraucht, als sie glaubten, um Calves zu erreichen) verschwand hinter dem dichten Gewö lbe des Blattwerks. Dieses Gehö lz wirkte, als sei es eine von Menschen errichtete Baumschranke zum Schutz vor den Ausgestoß enen der Leprastation … Und dann plö tzlich, am Fuß des Abhangs, schwenkten die beiden Reiter um einen steilen Felsen herum und befanden sich wieder am Ufer des Flü ß chens.

Ü ber dem hier verengten Tal, in dem nur das melancholische Lied des Wassers zu hö ren war, lastete eine Atmosphä re beklemmender Trauer. Am Rand des Wä ldchens hielt Cathé rine brü sk ihr Pferd an. Gauthier tat es ihr nach, und beide verharrten nebeneinander, bewegungslos, verblü fft. Einige Klafter vor ihnen ragten die Umfassungsmauern einer Art Meierei empor … nur die Umfassungsmauern, denn in der Mitte gab es nichts als geschwä rzte Mauerreste, verkohlte Balken, einen stehengebliebenen Spitzbogen, der der Eingang der Kapelle gewesen sein muß te. Das groß e Portal, herausgerissen und in seinen Angeln hä ngend, gab den Blick auf den Innenhof der Leprastation frei, der voll ausgeglü hten Schuttes lag. Einzig das unheilvolle Krä chzen der Raben, die am Himmel kurvten, und das Rauschen des Flü ß chens stö rten die Stille.

Cathé rine wurde totenblaß, schloß die Augen und schwankte im Sattel, einer Ohnmacht nahe.

»Arnaud ist tot! « stammelte sie. »Es war sein Geist, den ich gestern nacht gesehen habe! «

Mit einem Satz sprang Gauthier zu Boden. Seine starken Arme hoben die junge Frau aus dem Sattel. Besorgt, weil sie erschreckend blaß war und mit den Zä hnen klapperte, bettete er sie auf die Wegbö schung und machte sich daran, ihr krä ftig die erstarrten Hä nde zu massieren.

»Dame Cathé rine! Vorwä rts! … Kommt zu Euch! Habt Mut, ich bitte Euch! « flehte er sie an.

Doch ihr war, als entrinne ihr das Leben, als flö sse es ihr aus dem Kö rper wie Wasser, als schwinde mit ihm ihr Bewuß tsein. Verzweifelt gab er ihr zwei Ohrfeigen, sich mit aller Gewalt beherrschend, um sie nicht durch ein Ü bermaß an Kraft zu tö ten. Die blassen Wangen wurden schnell wieder rot, Cathé rine ö ffnete die Augen und sah ihn verblü fft an. Er lä chelte zerknirscht:

»Verzeiht mir, ich hatte keine andere Wahl! Wartet, ich werde Euch ein wenig Wasser holen. «

Die niedergebrannten Gebä ude umgehend, lief er zum Fluß, fü llte den Becher, den er am Gü rtel trug, und kam zurü ck, um Cathé rine mit der Fü rsorglichkeit einer Mutter zu trinken zu geben. Die Wirkung trat sofort und jä h ein; die junge Frau brach in Trä nen aus.

Vor ihr stehend, ließ er sie weinen, denn er kannte die beruhigende Macht der Trä nen. Er sagte kein Wort, tat nichts, um den schrecklichen Trä nenstrom aufzuhalten, der aus ihr hervorbrach. Und mä hlich beruhigte sich Cathé rine … Nach einer kurzen Weile hob sie ihr versteinertes Gesicht mit den verweinten Augen zu dem Normannen.

»Wir mü ssen herausbekommen, was passiert ist! « sagte sie mit sich festigender Stimme.

Gauthier reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Sie ließ sie nicht los, glü cklich, diese Kraft, diese Wä rme zu spü ren, die sie fü r das Kommende brauchen wü rde. Von ihm gestü tzt, schritt sie zum zerstö rten Portal, ü ber dem noch das Wappen der Abtei Saint‑ Gé raud d'Aurillac zu sehen war, zu der die Leprastation gehö rte. Aber ihr Herzschlag setzte einmal aus, als sie ü ber die Schwelle trat, ü ber die Arnaud eines Tages geschritten war … fü r immer!

Noch liefen ihr Trä nen ü ber die Wangen, schwer, unversiegbar, aber sie kü mmerte sich nicht darum. Die Zerstö rung im Innern war vollkommen, total. Es blieben nur angekohlte, verbogene Trü mmer, die Cathé rine an die Ruinen von Montsalvy erinnerten. Die Feuersbrunst hatte alles verwü stet, ausgenommen einige besonders dicke Mauern, die dem Brand widerstanden hatten. Aber nirgends war mehr ein Dach, keine einzige Tü r, nichts als geborstene Steine, ü ber die Gauthier sich beugte.

»Das Feuer muß erst vor kurzem gewü tet haben«, sagte er. »Die Steine sind noch warm! «

»Mein Gott! « seufzte Cathé rine mit schwacher Stimme. »Wenn ich daran denke, daß er da unten liegt … mein vielgeliebter Mann … meine Liebe! «

Sie ließ sich zwischen den Trü mmern auf die Knie fallen und versuchte, die Steine wegzurä umen, an denen sich ihre zitternden, unbeholfenen Hä nde verletzten. Gauthier hob sie mit Gewalt auf.

»Bleibt nicht hier, Dame Cathé rine, kommt mit mir! «

Aber sie strä ubte sich mit unerwarteter Heftigkeit.

»Laß mich … ich will hierbleiben! Er ist hier, sage ich dir! «

»Ich glaub's nicht und Ihr auch nicht! … Aber selbst wenn er hier wä re, was wü rde es Euch nü tzen, Euch an diesen heiß en Steinen die Finger zu verbrennen? «

»Ich sage dir, er ist tot! « rief Cathé rine auß er sich. »Ich sage dir, daß ich seinen Geist gestern nacht gesehen habe … Er ist mir erschienen, maskiert, im Zimmer meiner Schwiegermutter. Er hat sich ü ber ihr Bett gebeugt, und dann ist er verschwunden! «

»Und er ist nicht zu Euch ins Zimmer getreten? War die Dame Isabelle wach, oder schlief sie? «

»Sie schlief. Sie hat nichts gesehen! Zuerst glaubte ich an einen Traum, aber jetzt weiß ich, daß ich nicht geträ umt habe, daß ich den Geist Arnauds gesehen habe …«

Sie begann wieder zu schluchzen. Gauthier packte sie an den Schultern, schü ttelte sie heftig und brü llte sie an:

»Und ich sage Euch, daß Ihr keinen Geist gesehen habt! Daß Ihr auch nicht geträ umt habt … Ein Geist wä re zu Euch gekommen! Ganz bestimmt wuß te Messire Arnaud nichts von Eurer Rü ckkehr, also hat er gar nicht versucht, sich Euch zu nä hern. «

»Was willst du damit sagen? «

Mit einem Schlag zur Ruhe gebracht, blieb Cathé rine der Mund offen, und sie starrte Gauthier an, als wä re er plö tzlich verrü ckt geworden.

»Ich will sagen, daß ein Geist alles, was die Lebenden betrifft, weiß. Er hä tte sich zu Euch umgewandt. Und dann, wozu die Maske? «

»Du glaubst doch nicht, daß ich Arnaud gesehen haben kö nnte … Arnaud in Person? «

»Ich weiß nichts! Aber es geschehen seltsame Dinge. Angenommen, Fortunat ist zu Messire Arnaud gegangen und hat ihm gesagt, seine Mutter liege im Sterben! Selbst auf der Schwelle des Todes, hat sie von Leprakranken nichts mehr zu fü rchten … Vielleicht hat er sie noch ein letztes Mal sehen wollen, wä hrend er nicht zu Euch hinü berging, weil er von Eurer Rü ckkehr nichts wuß te. Fortunat wuß te ja auch nichts davon …«

»Wo kann er also jetzt sein? Und was ist hier vorgegangen? Was bedeuten diese Ruinen, diese Stille, diese Einö de? «

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Gauthier nachdenklich, »aber ich werde versuchen, es herauszubekommen. Und was die Frage betrifft, wo er ist, so habe ich eine Idee, daß Fortunat es uns sagen kö nnte … Wie er uns vielleicht auch sagen kö nnte, wo Morgane und Roland geblieben sind! «

Sanft fü hrte er sie aus den Ruinen heraus. Cathé rine hä ngte sich wie ein ä ngstliches Kind bei ihm ein und sah ihn mit verwunderten Augen an.

»Glaubst du wirklich, was du da sagst? «

»Hab' ich schon etwas gesagt, was ich nicht glaube? Besonders zu Euch? «

Ein zitterndes Lä cheln lag auf ihren Lippen, den Trä nen noch so nahe, daß der Normanne sein Herz vor Mitleid schmelzen fü hlte. Er liebte sie genug, um seine eigene Liebe zu vergessen und nichts anderes zu wü nschen, als sie glü cklich zu sehen. Ach, das Schicksal bestrafte sie allzu hart. Wie viele gegenwä rtige und kommende Trä nen fü r eine Schwä che, deren sie sich schuldig gemacht hatte!

»Mach mir nicht zuviel Hoffnung«, bat sie ihn. »Siehst du, ich kö nnte daran sterben …«

»Bleibt stark, wie Ihr es immer gewesen seid. Und bemü hen wir uns, es herauszubekommen … Brechen wir auf. Wir werden sicher jemand finden, der wissen wird, was sich zugetragen hat. «

Sie nahmen ihre Pferde und verließ en das einsame Tal, kehrten zu den bewohnten Gefilden, zum freieren Himmel zurü ck … Diesmal ritt Gauthier an der Spitze, nach einer Spur von Leben in der verlassenen Landschaft suchend. Cathé rine folgte, den Kopf gesenkt, bemü ht, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen, die gleichermaß en zwischen Hoffnung und Kummer schwankten. Mit einem Schlag war all das, was bislang fü r sie von Wichtigkeit gewesen war, unwichtig geworden. Nur eins zä hlte jetzt noch: herauszubekommen, ob Arnaud tot war oder lebte. Denn es konnte fü r sie keine Ruhe mehr geben, bevor sie sich darü ber nicht Gewiß heit verschafft hä tte.

Als sie das dü stere Gehö lz hinter sich hatten, hob Gauthier sich in den Steigbü geln, sah sich um und wies dann nach Sü den:

»Ich sehe den Rauch eines Bauernhauses auf einer Anhö he … Von da oben muß man die Dä cher des Hospitals sehen kö nnen. Dann mü ß te man auch …«

Es war ein ganz kleines Haus, bescheiden unter seinem verwaschenen Strohdach. Um den Bewohnern keinen Schreck einzujagen, banden Gauthier und Cathé rine ihre Pferde an einen Baum und kletterten zu Fuß den steilen Pfad hinauf, der bis zur Tü r fü hrte. Das Gerä usch ihrer Schritte rief eine alte Bä uerin in gelber Haube auf die Schwelle. Sie muß te sehr alt sein, denn sie war ganz bucklig und stü tzte sich mit der freien Hand auf einen Kornelkirschstock, aber die Augen, die sie zu den Fremden emporhob, waren jung und durchdringend geblieben.

Cathé rine reichte ihr ein Goldstü ck und fragte, ob sie ihr eine Auskunft geben wolle.

»Gold«, sagte sie, »schö nes, gutes Gold! Es ist schon sehr lange her, daß ich das gesehen habe! Was wollt Ihr wissen, mein junger Edelknappe? «

»Wann ist das Hospital abgebrannt? «

Trotz des Goldstü cks wandte die Alte den Kopf zur Seite, sichtlich abgeneigt zu sprechen. Sie zö gerte, umklammerte mit ihrer runzligen Hand das Goldstü ck und entschloß sich endlich.

»Donnerstag nacht. Die Leprakranken sind nä rrisch geworden. Das heiß t … der Mö nch, der sie behü tete und ü ber sie wachte … ein Heiliger! … ist abends zuvor gestorben, am Biß einer Viper. Was fü r einen Heidenlä rm sie gemacht haben! Den ganzen Abend konnte man sie weinen und kreischen hö ren … wie Dä monen! Die Berge hallten davon wider. Es war, als hä tte sich die Hö lle aufgetan … Die Leute vom Dorf hatten Angst. Sie glaubten, die Leprakranken seien ausgezogen, um sie anzugreifen! Sie sind deshalb nach Carlat gelaufen, um die Besatzung um Hilfe zu bitten. Darauf sind die Soldaten gekommen …«

Sie hielt inne und warf, offenbar in Erinnerung an die Schreckensbilder, die sie gesehen hatte, ä ngstliche Blicke in Richtung der Ruinen. Dann bekreuzigte sie sich.

»Und dann? « fragte Cathé rine keuchend.

»In der Nacht sind sie gekommen«, fuhr die Alte mit abnehmender Stimme fort. »Die Leprakranken schrien unaufhö rlich ihren Schmerz hinaus … Es war entsetzlich! Doch danach … war es noch schlimmer! «

Cathé rine wurde ü bel. Sie ließ sich auf eine vor der Hü tte stehende Steinbank sinken und wischte sich mit dem Ä rmel den Schweiß von der Stirn.

»Um Himmels willen … Weiter, weiter! «

»Die Bewaffneten waren alte Landsknechte, richtige Barbaren«, platzte die Alte mit plö tzlicher Heftigkeit heraus. »Sie haben das Portal des Hospitals verbarrikadiert … und dann haben sie das Feuer angelegt! «

Ein doppelter Entsetzensschrei antwortete ihr. Cathé rine, zutiefst getroffen, hatte sich an die Wand gelehnt.

»Arnaud! « flü sterte sie. »Mein Gott! «

Die Alte war jetzt in Fahrt. Mit einer Art Wut fuhr sie fort:

»Die Soldaten waren betrunken, weil die Leute vom Dorf ihnen zu trinken gaben, um ihnen Mut zu machen, zum Hospital zu gehen. Sie brü llten, man mü sse dieses Nest der Ausgestoß enen zerstö ren … das Tal mü sse gesä ubert werden! … Die ganze Nacht hat es gebrannt. Doch schon vor Mitternacht hö rte man nichts mehr schreien … nur noch das Knattern der Flammen! «

Sie schwieg, und es war auch Zeit. Cathé rine war es schwindlig geworden.

Gauthier neigte sich ü ber sie und packte ihren Arm.

»Kommt«, sagte er sanft. »Wir gehen …«

Aber wie teilnahmslos blieb sie unbeweglich sitzen. Die Alte sah sie neugierig an.

»Der junge Herr scheint zu leiden! Kannte er denn einen der Unglü cklichen? «

»Der junge Herr ist eine Frau«, erwiderte Gauthier kurz. »Sie kannte … tatsä chlich einen von ihnen! «

Cathé rine hö rte nichts mehr. Ihr Kö rper schien ihr wie Stein, und in ihrem leeren Kopf hallte ein einziger Gedanke wie der Schlag einer Glocke:

»Er ist tot! Sie haben ihn mir getö tet! «

Sie hatte alles vergessen, was Gauthier ihr gesagt hatte. Vor ihren Augen war nur noch die flammende Feuersbrunst in der Nacht, und ihr Herz schmerzte, als ob Eisenkrallen es ihr aus der Brust reiß en wollten …

Die Alte war still ins Haus zurü ckgegangen und kehrte mit einem Napf wieder zurü ck.

»Da, arme Dame«, sagte sie, »trinkt das! Es sind in Wein eingeweichte Krä uter. Es wird Euch guttun. «

Cathé rine trank, fü hlte sich gleich ein wenig besser und wollte aufstehen, aber die Alte hielt sie zurü ck.

»Nein, bleibt! Die Nacht bricht gleich herein, und die Straß en sind nicht sicher. Wenn Euch niemand erwartet, bleibt hier bis zum Morgen … Ich habe Euch wenig zu bieten, aber ich gebe es Euch gern. «

Gauthier blickte fragend in das blasse Gesicht der jungen Frau, die sich nur mit Mü he aufrecht halten zu kö nnen schien. In dieser Nacht konnte sie auf keinen Fall nach Montsalvy zurü ckreiten.

»Wir bleiben hier«, sagte er einfach. »Habt Dank! «

Die ganze Nacht verbrachte Gauthier am Kopfende der Strohmatratze, auf die Cathé rine, vergebens Schlaf suchend, sich ausgestreckt hatte. Die ganze Nacht versuchte er, der wunden Seele der jungen Frau das Vertrauen einzuflö ß en, das ihn beherrschte. Er sagte es immer wieder, wiederholte unablä ssig dieselben Dinge! Cathé rine hatte keinen Geist gesehen! Sie hatte Arnaud selbst gesehen, der zweifellos mit Hilfe Fortuná is dem Feuer entronnen war … und die beiden Mä nner hatten fliehen und die Pferde nehmen mü ssen. Aber sie wollte ihm nicht glauben. Arnaud hatte keinen Grund, von Montsalvy zu fliehen. Er konnte zumindest bei Saturnin Zuflucht suchen, der ihn trotz der Angst vor der Krankheit aufgenommen hä tte … Nein, erwiderte Gauthier, der Herr fü rchtete, die Seinen zu infizieren. Wenn er sich seiner Mutter genä hert hatte, dann nur, weil er wuß te, daß sie im Sterben lag … und Fortunat hatte ihn vielleicht in ein anderes Hospital gefü hrt. Bei Conques solle es eines geben …

»Verzweifelt nicht, Dame Cathé rine … Wir werden nach Montsalvy zurü ckkehren, und in einigen Tagen werdet Ihr Fortunat wiedersehen. Glaubt mir! «

»Ich mö chte dir gerne glauben«, seufzte Cathé rine, »aber ich wage es nicht! Allzuoft bin ich getä uscht worden! «

»Ich weiß! Aber mit Mut und Zä higkeit kann man die Not ü berwinden! Eines Tages, Dame Cathé rine, werdet Ihr auch noch …«

»Nein. Sag nichts mehr. Ich werde versuchen, vernü nftig zu sein … Ich werde versuchen, dir zu glauben …«

Aber es gelang ihr nicht. Als der Tag anbrach, war sie noch ebenso entmutigt, ebenso verzweifelt. Sie bedankte sich groß zü gig bei der alten Bä uerin fü r ihre Gastlichkeit und schlug dann im herrlichsten Sonnenschein, der gleichermaß en ihren mü den Augen und ihrem schweren Herzen weh tat, mit Gauthier den Weg nach Montsalvy ein.

Von der wundervollen Landschaft des Tals der Truyè re mit ihren grü nen, bewaldeten Bergrü cken bemerkte Cathé rine nichts. Sie ritt mit gebeugtem Rü cken und halbgeschlossenen Augen dahin, in ihre quä lenden Gedanken versunken. Die Vision, die ihr neulich nacht zuteil geworden war, hatte sie so nachhaltig vom Tode Arnauds ü berzeugt, daß die ganze Welt plö tzlich ihre Farbe verloren hatte. Es war, als sei etwas in ihr selbst gestorben. Ihr leerer Geist fand nicht einmal mehr ein Gebet, um den Himmel um Hilfe anzuflehen. Der Gotteslä sterung nahe, dachte Cathé rine nur an Gott, um ihn ungerechter Grausamkeit zu bezichtigen. Welchen Preis ließ er sie fü r jede der Gunstbezeigungen, die er ihr so knausrig gewä hrte, bezahlen!

Auß erdem entdeckte sie, daß sie Arnaud bisher nicht wirklich verloren gegeben hatte. Gewiß, man hatte ihn aus der Liste der Lebenden gestrichen, aber irgendwo unter dem Himmel atmete er, und sie, Cathé rine, hielt es fü r mö glich, ihn wiederzufinden, sobald ihre Aufgabe beendet sein wü rde. Was blieb ihr jetzt? Eine ungeheure Leere und der Geschmack von Asche auf den Lippen … Von Zeit zu Zeit trieb Gauthier sein Pferd neben das ihre und sprach mit ihr, um zu versuchen, sie aus ihrer selbstzerstö rerischen Traurigkeit zu reiß en. Sie antwortete einsilbig, dann gab sie ihrem Pferd die Sporen und ritt einige Klafter voraus. Fü r sie war nur noch die Einsamkeit erträ glich.

Als Cathé rine indessen in den Hof von Montsalvy einritt, regte sich eine Empfindung in ihr, die fast ein wenig wie Freude war, denn auf der Schwelle des Gä stehauses stand Sara, den kleinen Michel auf dem Arm! Sie stand bewegungslos da, hatte das Kind ans Herz gedrü ckt und glich in dieser Haltung einer lä ndlichen Madonna; doch als die Reiter nä her kamen, bemerkten die scharfen Augen der Zigeunerin das verwü stete Gesicht und den schlafwandlerischen Blick Cathé rines. Der anfangs strenge Ausdruck ihrer Zü ge milderte sich. Die fast mü tterliche Liebe, die Sara fü r Cathé rine empfand, erriet ihr Leid allein aus ihrer gedrü ckten Haltung. Ohne die Augen von ihr zu wenden, reichte sie Michel Donatienne, die das Klappern der Hufe herbeigelockt hatte, und ging den Ankö mmlingen entgegen.

Kein Wort wurde gesprochen. Als Sara neben ihrem Pferd angelangt war, ließ Cathé rine sich zu Boden gleiten und warf sich schluchzend in die ihr entgegengestreckten Arme. Wie trö stlich sie ihr schien in diesem Augenblick der Verzweiflung, diese vorü bergehend verlorene Zuflucht! Aber so jammervoll war der Anblick der jungen Frau, daß nun auch Sara in Trä nen ausbrach.

Ohne sich voneinander zu lö sen, kehrten sie zusammen ins Haus zurü ck.

Drinnen bekam Cathé rine ihre Nerven wieder ein wenig in die Gewalt und wandte der alten Freundin ihr trä nenü berströ mtes Gesicht zu.

»Sara! Meine gute Sara! … Daß du zurü ckgekommen bist! Ich bin also doch nicht ganz verflucht! «

»Verflucht? Du? Armes Ding! … Wer hat dir denn diese Idee in den Kopf gesetzt? «

»Sie ist ü berzeugt, daß Messire Arnaud in dem Brand umgekommen ist, der das Hospital von Calves zerstö rt hat! « sagte hinter ihr die ernste Stimme Gauthiers. »Sie will keinen Trost empfangen, will keinen Zweifel gelten lassen! «

»Sieh mal einer an! « sagte Sara, deren Kampflust beim bloß en Anblick ihres alten Feindes sofort wiedererwacht war. »Erzä hlt mir das! «

Und wä hrend Cathé rine ihren Sohn mit einer Heftigkeit umarmte, die auf ihr ü bersprudelndes Herz schließ en ließ, zog Sara den Normannen zum Kaminsims. In wenigen Worten hatte Gauthier alles berichtet: Cathé rines Rü ckkehr, die Krankheit der Dame Isabelle, die seltsame nä chtliche Vision der jungen Frau, das Verschwinden der beiden Pferde und schließ lich das Drama von Calves. Sara hö rte ihn an, ohne ihn zu unterbrechen, mit gerunzelter Stirn, nicht die geringste Einzelheit des Berichts ü bersehend. Als er geendet hatte, verharrte sie einen Augenblick mit verschrä nkten Armen, das Kinn in der Hand, stumm auf den Rost des Kamins starrend, wo man Reisig aufgehä uft hatte.

Schließ lich ging sie zu Cathé rine zurü ck, die sie von ihrem Schemel aus angstvoll beobachtete, wä hrend sie Michel mechanisch auf den Knien wiegte.

»Was haltet Ihr davon? « fragte Gauthier.

»Daß Ihr recht habt, mein Junge! Der Herr ist nicht tot! Das ist nicht mö glich! «

»Wie hä tte er dann entkommen kö nnen? « fragte Cathé rine.

»Ich weiß es nicht! Aber einen Geist hast du nicht gesehen. Geister tragen keine Masken, ich kenne sie! «

»Ich will dir gern glauben«, seufzte Cathé rine. »Aber nun sag, was ich tun soll? «

»Ein paar Tage abwarten, wie Gauthier sagte, um Fortunat Zeit zur Rü ckkehr zu geben. Wenn er nicht kommt …«

»Wenn er nicht kommt? «

»Reiten wir mit Saturnin und ein paar krä ftigen Mä nnern nach Calves zurü ck. Wir werden die Trü mmer durchwü hlen, bis wir Gewiß heit haben. Aber was mich betrifft, habe ich diese Gewiß heit bereits: Es gibt keine Leiche in Calves … zumindest nicht die, an die du denkst …«

Diesmal kehrte ein wenig Hoffnung in Cathé rines Herz zurü ck. So innig waren die Bande, die sie mit Sara vereinten, daß sie, durch mancherlei Erfahrungen bestä rkt, in ihr wenn nicht ein Orakel, so doch einen klaren Verstand sah, der sich selten tä uschte und sich zuweilen sogar zu Momenten seltsamen Scharfblicks aufschwingen konnte … Sie antwortete nicht, sondern nahm die Hand ihrer alten Freundin und hob sie demü tig an ihre Wange wie ein Kind, das um Verzeihung bittet.

Saras Augen waren voll Zä rtlichkeit, als sie auf den blonden, ihr zugeneigten Kopf hinabsah. Im einbrechenden Abend lä utete die Klosterglocke zum Gebet.

»Die Mö nche gehen jetzt in die Kapelle«, sagte Sara. »Du solltest auch beten gehen …«

Cathé rine schü ttelte den Kopf.

»Ich habe keine Wü nsche mehr, Sara! Was nü tzt es zu beten? Gott erinnert sich meiner nur, um mich zu zü chtigen. «

»Du bist ungerecht! Er hat dir die bitteren Frü chte der Rache und die sü ß eren des Triumphs geschenkt. Du hast Montsalvy das Recht auf seine Existenz zurü ckgegeben. «

»Aber um welchen Preis? «

»Um einen Preis, den du noch nicht kennst … es sei denn, du bedauerst den, den du in Chinon zurü ckgelassen hast«, fü gte sie absichtsvoll hinzu. Sie wollte sehen, wie Cathé rine auf die Erinnerung an den Mann reagieren wü rde, dessentwegen sie beide sich entzweit hatten … Aber sie wurde in dieser Hinsicht sofort beruhigt. Cathé rine hob ungeduldig die Schultern.

»Was soll ich bedauern, solange ich nicht weiß, was Amaud zugestoß en ist? «

Dem gab es nichts hinzuzufü gen.

Das Fieber, das Isabelle verzehrte, schien nachzulassen. Die alte Dame delirierte nicht mehr, sie hustete weniger, aber sie wurde mä hlich schwä cher wie eine heruntergebrannte Ö llampe.

»Wir werden sie nicht retten! « sagte Sara, die Cathé rine am Krankenbett ablö ste, um Donatienne zu erlauben, ein wenig auszuruhen und sich um Saturnin zu kü mmern, den sie seit Beginn der Krankheit sehr vernachlä ssigt hatte.

»Man mö chte meinen«, bemerkte Cathé rine darauf, »daß sie keine Lebenskraft mehr hat. «

Alle Arzneien des Klosters, das ganze medizinische Wissen des Baders von Aurillac, der sie wieder am Krankenlager besucht hatte, waren machtlos, den Lebensfluß in diesem erschö pften Kö rper zu erhalten. Ganz sanft verlosch Isabelle.

Sie blieb jetzt stundenlang auf dem Bett ausgestreckt, die Hä nde um ihren Rosenkranz oder um ein Gebetbuch gefaltet, in dem sie nicht las, schweigend und reglos. Nur ihre Lippen, die sich leise bewegten, deuteten an, daß sie betete.

Eines Abends, drei Tage nach dem Ritt Cathé rines und Gauthiers nach Calves, hob die alte Dame die Lider und sah Cathé rine an, die auf einem Schemel neben ihr saß.

»Ich bete fü r Euch, mein Kind«, sagte sie leise, »fü r Michel … und fü r ihn, meinen Sohn! Laß t ihn in seinem Elend nicht allein, Cathé rine. Da ich nicht mehr lange dasein werde, wacht aus der Ferne ü ber ihn! Es ist ein so schreckliches Unglü ck, das ihn befallen hat! «

Cathé rine preß te die Hä nde zusammen, dann rä usperte sie sich, um zu verhindern, daß ihre Stimme zitterte. Isabelle wuß te nichts von dem Drama in Calves, das man ihr sorgfä ltig verheimlicht hatte; aber wie schwer war es, die Komö die weiterzuspielen, eine beschwichtigende, notwendige Heiterkeit vorzutä uschen, da ihre Seele von Bangigkeit erfü llt war! Jede Minute der drei verflossenen Tage war fü r Cathé rine eine Minute der Qual gewesen. Im Vertrauen darauf, was Sara ihr versichert hatte, wartete sie auf die Rü ckkehr Fortuná is, und diese Rü ckkehr stand noch immer aus … Aber es gelang ihr, der alten Frau zä rtlich zuzulä cheln.

»Seid ohne Furcht, Mutter! Ich werde mich nie von ihm lö sen. Ich mö chte fü r ihn einen Wohnsitz bauen, nicht weit von hier, wo er abseits der anderen leben kann, aber besser, mehr seinem Geschmack, seinem Rang entsprechend … Ich habe immer davon geträ umt, ihn diesem entsetzlichen Hospital zu entreiß en! «

Die Augen der Kranken strahlten vor Freude. Ihre magere Hand streckte sich aus, um die Cathé rines zu drü cken.

»O ja! Tut das! … Holt ihn aus diesem Ort des Schreckens heraus! Da wir jetzt wieder reich sind …«

»Sehr reich, Mutter! « lä chelte Cathé rine, die Trä nen zurü ckhaltend. »Montsalvy wird wiedererstehen, schö ner, mä chtiger als zuvor … Bruder Sebastian, der Architekt des Klosters, hat die Plä ne fü r das neue Schloß schon entworfen, wä hrend Saturnin, von Bruder Placide angeleitet, sich darauf vorbereitet, nahe der Truyè re einen Steinbruch anzuschlagen. Das ganze Dorf wird Arbeit haben, sobald die Feldbestellung beendet ist. Bald werdet Ihr wieder einen Eurer wü rdigen Wohnsitz haben! «

Isabelle schü ttelte mit einem traurigen Lä cheln den Kopf. Ihr Blick glitt zu Cathé rines Hand, an der der Smaragd der Kö nigin Yolande grü n funkelte. Seit sie ihn empfangen hatte, hatte Cathé rine diesen Ring nicht abgestreift. Als sie sah, daß die alte Dame ihn betrachtete, nahm sie ihn vom Finger, legte ihn in die abgemagerte, doch noch schö ne Hand auf dem Laken, eine Hand, deren fast mä nnliche Form an die Arnauds erinnerte.

»Er ist das Unterpfand der Freundschaft Yolandes von Anjou fü r unsere Familie. Seht ihr Wappen, in den Stein eingraviert. Behaltet ihn, Mutter, er steht Euch so gut! «

Isabelle betrachtete das Juwel mit einem entzü ckten Lä cheln, einer fast kindlichen Freude, und warf Cathé rine einen liebevollen Blick zu.

»Ich nehme ihn nur als Leihgabe. Bald … meine Tochter, werde ich ihn Euch zurü ckgeben. Doch, doch … keine Einwä nde! Ich weiß es und bin darauf vorbereitet. Der Tod schreckt mich nicht, im Gegenteil … Er wird mich bald zu denen fü hren, die ich mein Leben lang beweint habe … zu meinem teuren Gatten, meinem kleinen Michel, den Ihr einst habt retten wollen! Und so ist es gut! «

Einen Augenblick blieb sie still, den Smaragd bewundernd, der auf ihre Hand den grü nen Schimmer tiefen Wassers warf. Dann fragte sie:

»Und der fabelhafte schwarze Diamant? Was ist aus ihm geworden? «

Cathé rines Gesicht verriet flü chtig Miß behagen.

»Ich hatte ihn verloren und habe ihn wiedergefunden. Aber er hat noch viel Unheil angerichtet. Ich habe geschworen, daß er keins mehr anrichten soll! «

»Wie das? «

»Bald, in einigen Tagen, werde ich den verfluchten Diamanten der einzigen anbieten, die von seiner teuflischen Macht nichts zu fü rchten hat. «

»Ist er wirklich so verderbenbringend? «

Cathé rine stand auf, ihr Blick irrte durch das kleine Zimmer. Wie in jener ersten Nacht sah sie visionä r die Feuersbrunst vor sich, die Calves verwü stet hatte … Sie biß sich auf die Zä hne, um nicht vor Schmerz zu schreien, und murmelte dann mit einem unü berhö rbaren Ausdruck von Haß und Entsetzen:

»Mehr, als Ihr glaubt! Das Bö se … er hat nie aufgehö rt, es zu bewirken! Er tut es immer noch, fast jeden Tag, den Gott erschafft, aber ich weiß genau, wie ich ihm seine Macht entreiß en kann! Ich werde Satan der zu Fü ß en legen, die einstmals die Schlange unter ihren nackten Sohlen zermalmte. Am Mantel der Schwarzen Jungfrau vom Berge wird der schwarze Diamant machtlos werden! «

Trä nen glitzerten nun in den Augen Isabelles, aber ein Licht funkelte in ihnen.

»Ihr wart uns vom Schicksal bestimmt, Cathé rine! Instinktiv findet Ihr die alte Tradition der Burgfrauen von Montsalvy wieder, die in Zeiten des Krieges und der Gefahr sich zum Berge von Le Poy aufmachen, um gö ttliche Hilfe bitten und ihre schö nsten Kleinode auf den Altar legen! Geht, meine Tochter, Ihr denkt wie eine echte Montsalvy! «

Cathé rine antwortete nicht. Zwischen Isabelle und ihr bedurfte es keiner Worte mehr! Schweigsamkeit genü gte ihnen, sie konnten sich in Zukunft aufeinander verlassen, sie verstanden sich, ü brigens trat in diesem Augenblick der Abt Bernard ins Zimmer, um, wie er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, die Kranke abends zu besuchen. Cathé rine zog sich zurü ck, nachdem sie seinen Hirtenring gekü ß t hatte, und ließ die beiden allein. Sie wollte zu Sara gehen, die in der Kü che Michel badete, doch als sie den Gemeinschaftsraum durchschritt, sah sie den Bruder Pfö rtner herbeieilen.

»Dame Cathé rine«, sagte er, »der alte Saturnin bittet Euch, sich gü tigst zu ihm zu bemü hen. Er sagt, es handle sich um etwas Wichtiges! «

In seiner Eigenschaft als Amtmann von Montsalvy war Saturnin beauftragt, die Arbeiter fü r den Wiederaufbau des Schlosses anzuwerben. In der Annahme, es handle sich um Probleme der Anwerbung oder der Bezahlung, hielt Cathé rine es fü r unnö tig, Sara von ihrer Abwesenheit zu unterrichten.

»Es ist gut, ich komme! « erwiderte sie. »Danke, Bruder Eusebius! «

Nachdem sie sich mit einem schnellen Blick in den Spiegel ihres Zimmers vergewissert hatte, daß ihr blaues Barchentkleid proper und ihre hohe Linnenhaube makellos weiß waren, verließ Cathé rine das Kloster und wandte sich zu dem Hause Saturnins, das sich, nur wenige Schritte entfernt, in der Hauptstraß e befand. Die Bauern kehrten eben nach ihrer Tagesarbeit vom Felde zurü ck, denn man war mitten in der Ernte. Zum erstenmal seit Jahren hatte es keine Katastrophe gegeben, die Weizen und Hafer am Wachsen hä tte hindern kö nnen. Die Leute beeilten sich, die Ernte zu bü ndeln und einzufahren …

Auf der Straß e traf Cathé rine ihre Bauern in frö hlichen Gruppen an, die Gesichter unter den nach hinten geschobenen Strohhü ten sonnverbrannt, die Kittel ü ber der schwitzenden Brust weit geö ffnet. Die Frauen hatten ihre Kleider geschü rzt und gingen mit nackten Beinen, den Rechen oder die Forke auf der Schulter. Alle grü ß ten Cathé rine mit einem Lä cheln, einem Lü pfen des Hutes oder einem kurzen Knicks und einem freundlichen »Le bonsoir, not' dame! «, so daß es ihr warm ums Herz wurde. Diese braven Leute hatten sie spontan unter sich aufgenommen, der Leiden wegen, die sie mit ihnen geteilt hatte, und in Erinnerung an Arnaud … Sie war wirklich zu Hause in Montsalvy!

Das Haus des Amtmanns Saturnin und seiner Frau Donatienne lag dem Sü dtor Montsalvys und seinem viereckigen Wehrturm unmittelbar benachbart. Mit seinem hohen Giebel war es eines der schö nsten Hä user des Dorfs, fast ein Bü rgerhaus, und Donatienne hielt es auf geradezu flä mische Weise sauber. Als Cathé rine es erreichte, erwartete sie schon der alte Saturnin auf der zwei Stufen hohen Schwelle, die Kappe in der Hand. Die Sorge ließ sein Gesicht noch runzliger erscheinen, und das vorspringende Kinn schien sich um ein Haar mit der langen, messerscharfen Nase zu treffen. Er begrü ß te Cathé rine respektvoll und reichte ihr die Hand, um ihr beim Eintreten ins Haus behilflich zu sein.

»Es ist ein Schä fer hier, Dame Cathé rine … Er ist soeben aus Vieillevie eingetroffen, einem Dorf etwa vier Meilen von hier im Tal des Lot, und er hat merkwü rdige Dinge zu berichten. Aus diesem Grunde habe ich es vorgezogen, ihn nicht in die Abtei zu bringen, sondern Euch bitten lassen – ich hoffe, Ihr vergebt mir die Kü hnheit – hierherzukommen. «

»Das habt Ihr gut gemacht, Saturnin«, beeilte Cathé rine sich zu erwidern, der es ein wenig den Atem verschlagen hatte, als er vom Tal des Lot sprach. »Was hat er denn so Merkwü rdiges zu erzä hlen? «

»Ihr werdet es gleich hö ren. Tretet nur ein! «

In der Kü che, in der das Zinn auf dem Kaminsims wie Silber glä nzte und der Steinboden so weiß war, daß er wie Samt aussah, saß ein in einen Kittel aus Schafsfell ü ber grobem Leinen gekleideter junger Mann auf einer Bank neben dem Tisch aus dunklem Kastanienholz. Er aß Brot und Kä se, die Saturnin ihm hingestellt hatte, sprang aber sofort hö flich auf, als er Cathé rine eintreten sah, grü ß te linkisch und erwartete stehend, daß man zu ihm sprechen wü rde.

»Dieser Junge«, sagte Saturnin, »ist einer der Schä fer des Herrn de Vieillevie. Du, mein Junge, stehst vor der Dame de Montsalvy. Sage ihr, was du am Sonntagmorgen gesehen hast. «

Der Schä fer wurde ein wenig rot, zweifellos durch die Anwesenheit dieser groß en Dame verschü chtert, und seine Stimme war zuerst kaum hö rbar; doch schon bei seinen ersten Worten spü rte Cathé rine, wie ihr leidenschaftliches Interesse erwachte.

»Am Sonntagmorgen hü tete ich meine Schafe auf der Ebene ü ber der Garrigue …«

»Sprich lauter! « befahl Saturnin. »Man kann dich schlecht hö ren! «

Der Junge rä usperte sich und hob die Stimme.

»Ich sah zwei Reiter, die aus Montsalvy zu kommen schienen. Der erste, groß und von schö ner Gestalt, war ganz in Schwarz gekleidet: er trug sogar eine schwarze Maske, aber er ritt eine wundervolle schneeweiß e Stute …«

»Morgane! « murmelte Cathé rine gefesselt. »Morgane und …«

»Der andere war ein kleiner, magerer gelber Mann mit kohlschwarzen Augen und einem Spitzbä rtchen. Sie hielten neben mir, und der Kleinere sprach mich an. Von dem anderen … dem Reiter mit der Maske, habe ich kein Sterbenswö rtchen gehö rt. Er sah mich nicht an. Er hielt sich etwas abseits, mit seiner behandschuhten Rechten den Hals seines Tieres tä tschelnd, das ungeduldig auf dem Boden scharrte. «

»Was hat der Kleinere zu dir gesagt? « fragte Saturnin.

»Er hat mich gefragt, ob ich den Amtmann von Montsalvy kenne. Ich habe geantwortet, ich hä tte ihn zwei‑ oder dreimal gesehen und ich sei Schä fer des Herrn de Vieillevie. Dann hat der kleine gelbe Mann gefragt, ob ich bereit sei, Meister Saturnin etwas zu ü berbringen, ob man mir vertrauen kö nne. Ich habe ja gesagt, aber ich brauche einen Vorwand, um hierherzukommen. Zufä llig hatte ich Kä se zu verkaufen. Ich sagte also, daß ich in dieser Woche nach Montsalvy gehen wü rde. Dann hat er mir noch eine Frage gestellt. Er hat mich gefragt, ob ich lesen kö nne. Ich habe geantwortet: Nein …«

»Und dann? « fragte Cathé rine, auf die Folter gespannt. »Was hat er hinzugefü gt? «

»Nicht viel. Er hat aus seinem Wams ein zusammengefaltetes und versiegeltes Pergament gezogen und mir aufgetragen, es so schnell wie mö glich zu Meister Saturnin zu bringen. Und er hat mir einen Taler fü r meine Mü he gegeben! «

»Dieser Brief«, fragte Cathé rine, »wo ist er? «

»Hier! « antwortete Saturnin, Cathé rine die versiegelte Botschaft reichend, die sie mit zitternder Hand in Empfang nahm.

»Ihr habt ihn nicht geö ffnet? «

»Das ist nicht meine Sache«, entgegnete der Amtmann, den Kopf schü ttelnd. »Lest nur! «

Tatsä chlich waren einige Worte auf das Pergament geschrieben: »Fü r Dame Cathé rine de Montsalvy, sobald sie zurü ck ist. «

Plö tzlich schien es Cathé rine, als drehten sich die gekalkten weiß en Wä nde vor ihren Augen. Diese Worte, daran gab es keinen Zweifel, hatte Arnaud selbst geschrieben! Mit einer instinktiven Bewegung drü ckte sie das Pergament ans Herz, wä hrend sie gegen die Erregung ankä mpfte, die in ihr aufstieg. Saturnin bemerkte es, wollte den Schä fer entlassen.

»Du hast deine Botschaft gut ü berbracht, mein Junge. Geh nun und ruh dich aus. «

Doch Cathé rine hielt ihn zurü ck:

»Warte! Auch ich mö chte dir danken, Schä fer …«

Sie wü hlte in ihrem Almosenbeutel, aber der junge Mann machte eine abweisende Bewegung.

»Nein, edle Dame! Ich habe meinen Lohn schon erhalten! Kauft meinen Kä se, wenn Ihr wollt, sonst nehme ich nichts an. «

»Ich kaufe deinen ganzen Kä se, Kleiner! Und Gott segne dich! «

In die Hand des sprachlosen Schä fers leerte sie ihre Bö rse. Der Junge trat zurü ck, sie mit Segenswü nschen ü berhä ufend, die sie nicht einmal mehr hö rte. Sie wollte allein sein, um die kostbare Botschaft zu lesen … Als der Schä fer verschwunden war, hob sie die Augen zu Saturnin.

»Niemand«, sagte sie, »darf erfahren, wer den Schä fer getroffen hat, niemand in Montsalvy! Und besonders nicht Dame Isabelle! «

»Es war Messire Arnaud, nicht wahr? «

»Ja, Saturnin, er war es! Das Hospital in Calves ist gestern nacht abgebrannt. Er konnte entrinnen, durch welches Wunder auch immer, aber es ist besser, daß sie es nicht erfä hrt. Nur Donatienne, Sara und Gauthier dü rfen es wissen. «

»Seid ohne Furcht. Niemand wird davon erfahren. Fü r jedermann hier, selbst fü r den Abt, ist Messire Arnaud in Carlat gestorben. Sie werden weiter daran glauben! Jetzt lasse ich Euch einen Augenblick allein. «

»Danke, Saturnin … Ihr seid gut! «

Er ging auf Zehenspitzen hinaus und schloß sorgfä ltig die Tü r hinter sich. Cathé rine setzte sich auf den blitzsauberen Stein des gelö schten Kamins und ö ffnete langsam das Pergament. Ihre Hä nde zitterten vor Erregung und Freude, aber die Trä nen brannten ihr derart in den Augen, daß sie zuerst Mü he hatte, die festen Schriftzü ge ihres Gatten zu entziffern. Sie fuhr sich mit der Hand ü ber die Stirn, ü ber die Augen, als wollte sie den Schleier, der sie bedeckte, wegreiß en.

»Mein Gott«, sagte sie mit einem nervö sen Lachen. »Ich werde es nie lesen kö nnen! Ich muß mich beruhigen! «

Sie zwang sich, zwei‑ oder dreimal tief zu atmen, und trocknete sich die Trä nen. Diesmal wurde der Text klar.

»Cathé rine«, lautete das Pergament, »ich bin im Gebrauch der Feder nie sehr geschickt gewesen, aber bevor ich fü r immer verschwinde, wollte ich Dir ein letztes Mal Lebewohl sagen und Dir das Glü ck wü nschen, das Du verdienst. Du hast es gefunden, wie man mir sagt, und mein Wunsch ist belanglos. Bin ich nicht ein Toter, der noch atmet und der – ach! – nicht aufgehö rt hat zu denken? … Aber ich habe noch die Fä higkeit, Dir zu sagen, daß Du von nun an frei bist, kraft meines eigenen Willens! «

Cathé rines Herzschlag setzte einen Augenblick aus. Ihre Finger krampften sich um das Pergament, doch tapfer fuhr sie in ihrer Lektü re fort. Das Folgende war noch schlimmer:

»Der, den Du auserwä hlt hast, wird Dir alles geben, was ich Dir nicht habe geben kö nnen. Er ist tapfer und Deiner wü rdig. Du wirst reich, gefeiert und geehrt sein! Doch ich, Cathé rine, ich, dem es, obwohl tot, noch nicht gelungen ist, die Liebe in meinem Herzen abzutö ten, ich kann nicht mehr in diesem Lande bleiben, in dem Du nicht mehr sein wirst. Was ich ertragen konnte, solange Du in meiner Nä he warst, kann ich nicht mehr, wenn Du Dich entfernst! Ich mö chte nicht mehr wie eine Ratte in ihrem Loch krepieren, mich langsam in einer Hö hle zum Sterben legen. Ich mö chte am hellichten Tage sterben … und allein! Fortunat, der nie aufgehö rt hat, mit mir in Verbindung zu bleiben, hat mir, bei Gefahr seines Lebens und trotz meiner Gegenwehr, geholfen zu fliehen. Er wird mein letzter Freund gewesen sein …

Denkst Du noch an den Pilger, den wir beide getroffen haben? Er hieß Barnabe, glaube ich, und ich hö re noch, wie er uns sagte: ›Erinnert Euch in den schweren Stunden, die Euch bevorstehen, an den alten San‑ Jago‑ Pilger …‹ Erinnere Dich, Cathé rine! An der Gruft des Apostels hat er seine Sehkraft wiedererlangt … So Gott will, werde ich die verfluchte Krankheit in Galicia los. Dann werde ich unter einem angenommenen Namen dem Heiligen Vater meinen Degen gegen die Unglä ubigen anbieten. Sollte jedoch die Gnade der Heilung dem Sü nder, der ich bin, verweigert werden, werde ich trotzdem eine Gelegenheit finden, als Mann zu sterben.

Hier trennen sich unsere Wege fü r immer. Du gehst dem Glü ck, ich meinem Schicksal entgegen. Leb wohl, Cathé rine, meine Kleine …«

Der Brief entglitt den plö tzlich eisigen Fingern Cathé rines. In ihrer Seele mischte sich unerträ glicher Schmerz mit einem Zorn, einem wahnsinnigen Zorn, stü rmisch, mö rderisch, auf Bré zé. Was fü r Unheil hatte sein Geschwä tz angerichtet! Sein groß es Leidenschaftsgeschrei! Der nahe bevorstehende Tod Isabelles, Arnauds Flucht und fü r Cathé rine diese entsetzlichen Gewissensbisse! Arnaud war fortgegangen, weit, weit fort, weil er sie fü r untreu hielt! Er sagte, er liebe sie noch und aus diesem Grunde gehe er fort … aber wie lange wü rde diese Liebe noch anhalten, die sich nicht vom anderen getragen, vom anderen erwidert fü hlte? Zorn auch gegen sich selbst! Wie hatte sie nur den alten Pilger und den Rat, den er ihnen gegeben hatte, vergessen kö nnen? Warum hatte sie nicht alles stehen‑ und liegenlassen, alles aufgegeben, um den Mann, den sie liebte, seiner mö glichen Rettung zuzufü hren, statt einer lä cherlichen Rache nachzujagen! Warum war sie nicht mit ihm fortgegangen, vor Monaten schon, um das Unmö gliche zu versuchen? In ihrer Wut vergaß sie, daß Arnaud niemals eingewilligt hä tte, sie in ein solches Abenteuer zu verwickeln, er, der sie aus Furcht vor Ansteckung nicht einmal zu berü hren gewagt hatte.

Und dann ebbte der Zorn ab, und es blieb nur noch der Schmerz. Auf dem Kaminstein zusammengekauert, schluchzte Cathé rine hemmungslos, immer wieder den Verlorenen rufend … Der Gedanke, daß Arnaud sich verraten und vergessen glauben konnte, war unerträ glich. Er brannte wie glü hendes Eisen. Mit Entsetzen sah sie sich im Obstgarten von Chinon wieder in die Arme Pierre de Bré zé s fallen und verfluchte sich wü tend. Mit welchem unmenschlichen Preis muß te sie diesen Augenblick der Tollheit bezahlen?

Sie hob den Kopf, sah sich allein in diesem geschlossenen Raum, eingefangen wie in einem Spinnennetz. Ihr verstö rter Blick irrte von der Tü r zum Fenster. Sie muß te fliehen, auch sie, muß te sich an die Verfolgung Arnauds machen! Sie brau Ate ein Pferd, sofort, das schnellste Pferd … Sie muß te ü ber Mauern, ü ber Ebenen, ü ber Gebirge fliegen … Sie muß te ihn finden! Das war es, ihn finden, koste es, was es wolle, sich ihm zu Fü ß en werfen, seine Verzeihung erflehen und ihn nicht mehr verlassen … nie mehr!

Wie eine Wahnsinnige stü rzte sie zur Tü r, stieß sie auf und rief:

»Saturnin! Saturnin! … Pferde! «

Der alte Mann eilte herbei, voller Sorge, als er die in Trä nen aufgelö ste Frau mit den roten, brennenden Augen gewahrte.

»Dame! Was habt Ihr? «

»Ich mö chte ein Pferd, Saturnin … und zwar sofort! Ich muß fort … ich muß ihn wiederfinden! «

»Dame Cathé rine, es dunkelt schon, die Tore werden geschlossen … Wo wollt Ihr hin? «

»Ihn finden, meinen Herrn … Arnaud! «

Sie hatte verzweifelt den vielgeliebten Namen hinausgeschrien. Saturnin schü ttelte den Kopf und trat zu der jungen Frau. Noch nie hatte er sie so blaß, so erschü ttert gesehen.

»Ihr zittert! … Kommt mit mir. Ich werde Euch ins Kloster zurü ckbringen! Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber heute abend kö nnt Ihr nichts mehr tun. Ihr braucht Ruhe. «

Er hob das Pergament auf, legte es ihr wie einem Kind in die Hä nde und zog sie sanft hinaus. Gleich einer Schlafwandlerin ließ sie es geschehen, protestierte aber trotzdem wie aus der Tiefe eines Traums.

»Ihr versteht nicht, Saturnin! Ich muß ihn einholen … Er ist schon weit fort … und fü r immer! «

»Er war schon vorher fü r immer fort, Dame Cathé rine! An einem Ort, von dem man nicht wiederkehrt. Kommt mit mir. Im Kloster sind Dame Isabelle, Gauthier, Sara … Sie lieben Euch, sie werden Euch helfen, wenn sie Euch in dieser groß en Not sehen werden. Kommt, Dame Cathé rine …«

Die frische Abendluft tat der jungen Frau gut und gestattete ihr, sich wieder ein wenig zu fassen. Vom Arm Saturnins gestü tzt, vermochte sie wä hrend des kurzen Weges ihr Hirn zu zwingen, den wahnwitzigen Gedankenwirbel zu beenden, sich zu beruhigen. Muß te sie sich nicht beschwichtigen, muß te sie nicht so vernü nftig und kalt denken wie mö glich? Saturnin hatte recht, wenn er sagte, Sara und Gauthier wü rden ihr helfen … Aber es war unumgä nglich, daß sie ihre Nerven in der Gewalt hatte, daß sie versuchte, nicht mehr zu denken, Arnaud habe sich fü r immer von ihr getrennt, habe das Band, das sie noch vereinte, zerschnitten …

Sie richtete sich auf, bemü hte sich, vor den Leuten, die sie auf der Straß e traf, Haltung zu bewahren. Doch als sie im Kloster ankamen, trafen Cathé rine und Saturnin den Abt persö nlich in der Loge des Bruders Pfö rtner an …

»Ich wollte Euch schon suchen gehen, Dame Cathé rine«, sagte er. »Eure Mutter hat einen Rü ckfall gehabt und das Bewuß tsein verloren …«

»Dabei ging es ihr vorhin doch so gut! «

»Ich weiß. Wir sprachen ruhig miteinander, doch plö tzlich sank sie in die Kissen zurü ck, der Atem ging kurz … Sara ist bei ihr und unser Bruder Apotheker. «

Cathé rine war gezwungen, ihren eigenen Schmerz zum Schweigen zu bringen, wä hrend sie an das Krankenbett der alten Frau eilte. Tapfer schob sie den fatalen Brief in ihren Almosenbeutel und ging zu Isabelle hinein. Die Kranke lag immer noch regungslos auf ihrem Lager, ü ber sie gebeugt, versuchte Sara, sie wiederzubeleben, indem sie sie scharfen Duft eines Flä schchens einatmen ließ, wä hrend der Bruder Apotheker ihr die Schlä fen mit einem belebenden Wasser einrieb. Cathé rine beugte sich hinunter:

»Geht es ihr sehr schlecht? «

»Sie kommt wieder zu sich! « flü sterte Sara mit gerunzelter Stirn. »Aber ich habe wahrhaftig geglaubt, es gehe zu Ende. «

»Auf jeden Fall«, meinte der Mö nch, »wird sie es nicht mehr lange machen. Sie hä lt sich nur mit Mü he aufrecht. «

In der Tat kam Isabelle mä hlich wieder zu sich. Mit einem erleichterten Seufzer richtete Sara sich auf und lä chelte Cathé rine zu, doch ihr Lä cheln verschwand so schnell, wie es gekommen.

»Aber … du bist ja blasser als sie! Was ist denn passiert? «

»Ich weiß, wo Arnaud ist! « erwiderte Cathé rine mit tonloser Stimme. »Du hattest recht, Sara, als du sagtest, daß ich es mein Leben lang bereuen wü rde, wenn ich Pierre de Bré zé erhö rte. Die Reue ist sehr schnell gekommen. «

»Sprich doch. Was ist? «

»Nein. Spä ter. Saturnin wird im groß en Saal warten. Bitte ihn zu bleiben. Suche auch Gauthier, schicke jemand zu Ehrwü rden Vater Abt und laß ihn bitten, sich zu uns zu bemü hen. Ich habe ernste Dinge zu berichten! «

Eine Stunde spä ter trat der Rat zusammen, den Cathé rine gewü nscht hatte, zwar nicht im Gemeinschaftssaal des Gä stehauses, sondern im Kapitularsaal der Abtei, in den der Abt seine Gefä hrten hatte bitten lassen. Von Bruder Eusebius gefü hrt, schritten Cathé rine, Gauthier, Saturnin und Sara durch die zu dieser Stunde stille Kirche, in der ein Ö llä mpchen vor einer Statue Unserer Frau brannte, der die Stiftskirche geweiht war. Dann traten sie in den groß en Saal. Er wurde durch vier an zwei das Gewö lbe tragenden Sä ulen angebrachte Fackeln erleuchtet.

Der Abt, ein schmales Schemen in seiner langen schwarzen Kutte, war allein. Langsam ging er vor dem Abt‑ Thron hin und her, die Hä nde in den weiten Ä rmeln vergraben, die Stirn unter dem kurz geschorenen, hellen Haarkranz gesenkt. Das Licht der Fackeln verlieh seinem gelben, asketischen Gesicht die Tö nung alten Elfenbeins. Er war gleichermaß en ein Mann der Tat, denn er leitete sein Kloster mit fester Hand, und ein Mann des Gebetes.

Seine Liebe zu Gott war unermeß lich, sein Leben ohne Fehl, und wenn seine Jugend ihn zwang, strenge Haltung zu bewahren, ernst auszusehen, um seine Autoritä t zu sichern, verbarg er unter seinem fast eisigen Benehmen doch groß es Mitleid mit den Menschen und ein glü hendes Herz.

Als er die von ihm Erwarteten eintreten sah, blieb er stehen, setzte einen Fuß auf die Stufe, die den Thron erhö hte, und wies Cathé rine mit einer Handbewegung einen Schemel an.

»Setzt Euch, meine Tochter! Ich bin hier, Euch anzuhö ren und Euch mit meinem Rat zu helfen, wie Ihr gebeten habt. «

»Seid bedankt, mein Vater, denn ich bin in groß er Not. Ein unvorhergesehenes Ereignis hat mein ganzes Leben in Unordnung gebracht. Auch wollte ich Euch um Eure Unterstü tzung bitten. Dies hier sind meine getreuen Diener, vor denen ich nichts zu verbergen habe. «

»Sprecht, ich hö re Euch zu! «

»Zuerst muß ich Euch die Wahrheit ü ber den angeblichen Tod meines Gatten, Arnaud de Montsalvy, gestehen. Es wird Zeit, daß Ihr sie kennt …«

Die blasse Hand des Abtes hob sich, um Cathé rine zu unterbrechen.

»Spart Euch die Mü he, meine Tochter! Dame Isabelle hat mir in der Beichte dieses schmerzliche Geheimnis bereits anvertraut. Es ist keins mehr, da Ihr nun einmal davon sprechen wollt. «

»Dann, mein Vater, wollt Ihr bitte diesen Brief lesen … und lest ihn bitte laut. Gauthier hier kann nicht lesen; und Sara hat groß e Mü he, ihn zu entziffern. «

Bernard de Calmont neigte zustimmend den Kopf, nahm den Brief und begann ihn vorzulesen. Cathé rine hatte die Hä nde gefaltet und die Augen geschlossen. Die ruhige, ernste Stimme des Abtes verlieh den Abschiedsworten einen aufwü hlenden Zauber, der sie trotz aller Bemü hung, Ruhe zu bewahren, erschü tterte. Hinter ihrem Rü cken hö rte sie die gedä mpften Ausrufe ihrer drei Gefä hrten, wandte sich aber nicht um. Erst als der Abt verstummte, ö ffnete sie wieder die Augen.

Jetzt sah sie, daß aller Augen auf sie gerichtet waren und daß in denen des Abtes tiefes Mitleid lag. Saras Hand legte sich ermutigend auf ihre Schulter.

»Welchen Rat soll ich Euch geben, meine Tochter«, fragte der Abt, »und welche Art Hilfe? «

»Ich werde aufbrechen, mein Vater. Trotz des Kummers, den mir die Trennung von meinem kleinen Sohn bereiten wird, da ich nur noch ihn habe und er nur mich, muß ich fort und um jeden Preis seinen Vater finden! Ein furchtbares Miß verstä ndnis ist zwischen ihm und mir entstanden. Ich kann es nicht ertragen. Messire de Bré zé hat – in gutem Glauben angenommen, weil ich ihm freundschaftlich entgegenkam, daß ich einwilligen wü rde, seine Frau zu werden. Er kannte die Wahrheit nicht und konnte nicht wissen, daß ich mich um keinen Preis bereit finden wü rde, einen anderen Namen als den meinen zu tragen. Er hat aus Naivitä t gehandelt, auch aus Liebe … und hat eine entsetzliche Katastrophe heraufbeschworen. Ich mö chte Euch bitten, Euch meines Sohnes anzunehmen, ü ber ihn zu wachen wie ein Vater, mich vö llig in der Herrschaft ü ber Montsalvy zu ersetzen und Euch fü r den Wiederaufbau des Schlosses zu interessieren. Meine Diener bleiben … ich gehe! «

»Wohin geht Ihr? Ihm nach? «

»Natü rlich. Ich mö chte ihn nicht fü r immer verlieren. «

»Er ist bereits fü r immer verloren! « sagte der Abt streng. »Er wendet sich Gott zu. Warum wollt Ihr ihn auf die Erde zurü ckholen? Die Lepra ist gnadenlos! «

»Nur wenn Gott es will! Muß ich Euch, mein Vater, daran erinnern, daß es Wunder gibt! Wer sagt Euch, daß er am Grab San Jagos von Galicia nicht Heilung finden wird? «

»Dann laß t ihn dort hingehen, wie er es beabsichtigt! Aber allein! «

»Und wenn er gesundet? Soll ich ihn auch dann weiterziehen lassen, fern von mir, um sich im Kampf gegen die Unglä ubigen tö ten zu lassen? «

»Was sonst taten die Frauen der alten Kreuzfahrer? «

»Einige gingen mit ihnen! Ich mö chte den Mann wiederfinden, den ich liebe! « schleuderte Cathé rine in wildem, leidenschaftlichem Ton dem Abt entgegen, der die Augen abwandte und leicht die Stirn runzelte.

»Und … wenn er nicht geheilt wird? « sagte er schließ lich. »Es ist eine seltene Gnade, die einem nicht leicht widerfä hrt. «

Es trat Stille ein. Bis dahin hatten sich die Fragen und Antworten Cathé rines und des Abtes in rascher Folge gekreuzt wie die Degen zweier Duellanten. Aber die letzten Worte beschworen das groß e Entsetzen der verfluchten Krankheit herauf. Ein Frö steln glitt ü ber den Rü cken aller Anwesenden.

Cathé rine erhob sich, schritt zu dem groß en gekreuzigten Christus, der seine entfleischten Arme an der Wand des Kapitularsaales ausbreitete.

»Wenn er nicht gesundet, bleibe ich bei ihm, so lange lebend, wie er leben wird, an seiner Krankheit sterbend, aber mit ihm! « sagte sie fest, die Augen auf das Kreuz geheftet, als wollte sie es zum Zeugen anrufen.

»Gott verbietet den Selbstmord! Mit einem Leprakranken leben heiß t willentlich den Tod suchen! « wandte der Abt trocken ein.

»Lieber den Tod mit ihm als das Leben ohne ihn … und selbst die Verdammnis, falls man Gott lä stert, indem man ü ber alle Maß en liebt! «

Die Stimme des Abtes donnerte, wä hrend seine magere Hand sich gen Himmel streckte.

»Schweigt! Die menschliche Leidenschaft lä ß t Euch ganz bestimmt noch einmal lä stern! Bereut, wenn Euch vergeben werden soll, und bedenkt, daß die Stimme der fleischlichen Liebe eine Beleidigung der Reinheit Gottes ist! «

»Verzeiht mir … aber ich kann nicht lü gen, wenn es sich um das handelt, was mein Leben ausmacht. Ich kann nicht anders sprechen! Antwortet mir nur, mein Vater. Seid Ihr einverstanden, mich in Montsalvy zu vertreten und meine Familie weiter zu beschü tzen, gleichzeitig also Herr und Abt bis zu meiner Rü ckkehr zu sein? «

»Nein! «

Das Wort kam geradezu knallend, scharf und endgü ltig.

Von neuem trat dumpfe Stille ein. Hinter Cathé rine hielten die drei stummen Zeugen den Atem an. Die junge Frau sah das schmale, strenge Gesicht unglä ubig an.

»Nein? … Mein Vater! … Warum nicht? «

Es war ein wahrhafter Schmerzensschrei! Langsam ließ sie sich auf die Knie fallen und streckte die Hä nde in der instinktiven Bewegung einer Flehenden aus.

»Warum nicht? « wiederholte sie mit trä nenerstickter Stimme. »Laß t mich gehen! Wenn ich seine Liebe auf immer verliere, wird mein Herz von selbst aufhö ren zu schlagen. Ich kö nnte nicht mehr leben! «

Die starren Zü ge drü ckten plö tzlich tiefe Sanftmut aus. Bernard de Calmont beugte sich zu der jungen Frau hinunter, nahm die ihm entgegengestreckten Hä nde und hob die Kniende behutsam auf.

»Weil Ihr jetzt nicht gehen kö nnt, meine Tochter! Ihr denkt nur an Eure menschliche Leidenschaft, an Euren rechtmä ß igen … und vielleicht auch verdienten Schmerz. Hattet Ihr diesen jungen Herrn nicht ermutigt, Eure Liebe zu erhoffen? Nein, antwortet mir nicht! Sagt mir nur, ob diese Liebe Euch nicht zur Grausamkeit treibt, ob es in diesem so vö llig vergebenen Herzen nicht noch Mitleid fü r andere gibt? «

»Was wollt Ihr damit sagen? «

»Dies: Von Eurem Sohn ganz zu schweigen, der Euch hier zurü ckhalten sollte, werdet Ihr die alte Frau ohne Eure Liebe allein sterben lassen, diese Mutter, die nur noch Euch hat und deren Leid zweifellos schlimmer ist als das Eure, denn Ihr bewahrt in Eurem Inneren zä he die dunkle Hoffnung, Euren Gatten wiederzusehen. Wä hrend sie weiß, daß sie ihren Sohn niemals wiedersehen wird … Werdet Ihr so gefü hllos sein? «

Cathé rine senkte den Kopf. In ihrer Verzweiflung hatte sie Isabelle vergessen, die sich in der schmalen Zelle des klö sterlichen Gä stehauses zum Sterben legte. Nur bei dem Gedanken an die Trennung von Michel hatte sie gelitten. Er war der Grund fü r ihr ganzes Bedenken gewesen, fü r alles, was sie hä tte zurü ckhalten kö nnen. An die alte Frau hatte sie nicht gedacht. Jetzt schä mte sie sich dessen, aber hinter den Vorwü rfen, die ihr Gewissen ihr machte, hö rte sie dennoch ihre Liebe protestieren. Niemand zä hlte, wenn es sich um Arnaud handelte.

Trotzdem gab sie sich ohne Zö gern geschlagen.

»Nein! « sagte sie nur. Aber sie wandte sich um, in Saras Armen Trost suchend, die sie zä rtlich an sich drü ckte. Mit einem Seufzer fü gte sie hinzu: »Ich werde bleiben. «

Darauf erhob sich die rauhe Stimme Gauthiers.

»Ihr mü ß t hierbleiben, Dame Cathé rine, der Sterbenden und Eures Kindes wegen. Aber ich bin frei, wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt zu gehen! Ich kann Messire Arnaud nachreiten! Wer sollte mich daran hindern? « Mit einer heftigen Bewegung wandte er sich an den Abt, den er um einen Kopf ü berragte: »Gebt mir ein Pferd und ein Beil, Mann Gottes! Vor den groß en Landstraß en und den langen Ritten ist mir nicht bang! «

Cathé rine, die dieser Ausbruch wieder belebt hatte, warf dem Normannen einen von Dank ü berfließ enden Blick zu.

»Das ist wahr … Du bist ja da! Du wirst ihm sagen kö nnen, daß ich ihn niemals verraten habe, aber er wird nicht einwilligen, zu mir zurü ckzukehren, das weiß t du sehr gut! Niemand hat je seinen Willen beugen kö nnen! «

»Ich werde tun, was ich kann. Zumindest wird die Pflicht fü r Euch den bitteren Geschmack verlieren, den Ihr jetzt empfindet. Wenn Messire Arnaud gesundet, werde ich ihn zurü ckbringen, wenn nö tig mit Gewalt. Wenn nicht … komme ich allein zu Euch zurü ck! Laß t Ihr mich gehen? «

»Wie kö nnte ich es dir verweigern? Du bist meine einzige Chance. «

»Also gehen wir! « rief Gauthier, der wie alle Mä nner der Tat nicht gern viele Worte machte. »Wir haben so schon genug Zeit verloren! Laß t mir die Stadttore ö ffnen – und aufs Pferd! Bei Odin, ich werde ihn schon zu finden wissen, selbst wenn ich ihm bis zu Mohammed nachreiten mü ß te! «

»Dies ist das Haus Gottes! « empö rte sich der Abt. »Gö tzen haben hier nichts zu suchen! Kommt mit mir, Cathé rine, meine Tochter … Bitten wir Unsere Liebe Frau im Himmel, ü ber diesen Wilden zu wachen, der sie nicht einmal kennt! Und dann werden wir ihn zusammen gehen lassen … Ich werde Euch helfen! «

Eine Stunde spä ter stand Cathé rine zwischen Sara und Saturnin unter dem Sü dtor von Montsalvy und lauschte dem in Richtung des tiefen Tals des Lot verhallenden Hufgeklapper des Pferdes nach, das Gauthier im Galopp davontrug. Mit etwas Mundvorrat versehen, in festen Kleidern und mit einer vollen Bö rse ausgerü stet, im Sattel eines krä ftigen Percheronpferdes, das durch Kraft wettmachte, was ihm an Rasse fehlte, stü rzte sich der Normanne auf die Fä hrte Arnauds und Fortunats.

Als die Huf schlage sich in der Tiefe der von Sternen ü bersä ten Nacht verloren hatten, hü llte Cathé rine sich noch enger in den dunklen Mantel, in den sie sich gewickelt hatte, suchte am Firmament die weiß e Spur der Milchstraß e, die man auch die Straß e San Jagos nannte, und seufzte.

»Wird es ihm gelingen, ihn zu finden? Diese sü dlichen Bereiche werden ihm so fremd sein wie das Land des Groß en Khan. «

»Der Herr Abt hat ihm gesagt, er mü sse der von Muscheln gezeichneten Straß e folgen. Er hat ihm die Namen der ersten Wegstationen eingetrichtert, da er sie ihm ja nicht aufschreiben konnte«, sagte Saturnin. »Ihr mü ß t Vertrauen haben, Dame Cathé rine! Wenn er auch nicht an sie glaubt, weiß ich doch, daß die Heilige Jungfrau ü ber Gauthier wachen wird! … Sie verlä ß t diejenigen nie, die ihre Groß mut auf die groß en Landstraß en treibt! «

»Er hat recht! « meinte Sara zustimmend, Cathé rines Arm nehmend. »Gauthier hat Kraft, Intelligenz und Verschlagenheit auf seiner Seite. Er hat in sich die Fä higkeit, Berge zu versetzen. Komm jetzt, kehren wir wieder zurü ck! Dame Isabelle braucht uns, und wenn du deinen Sohn umarmst, wirst du den Mut finden, dich weiter der Aufgabe zu widmen, die deiner wartet. «

Cathé rine antwortete nicht.

Sie unterdrü ckte den Seufzer des Bedauerns, der ihr auf den Lippen lag, und stieg still wieder zur Abtei hinauf. Aber sie wuß te genau, daß sie sich nur der Vernunft gebeugt hatte und daß der Wunsch, gleichfalls der Spur Arnauds zu folgen, sie nicht so bald verlassen wü rde …!

Lange wiegte sie an diesem Abend Michel in den Armen und erwä rmte ihr schmerzendes Herz an ihrer Liebe zu dem Kind.

 



  

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