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LONDON.  KAPITEL 15



LONDON

       Ich stehe hinter dem Tresen in der Bar Zed und spü le Glä ser, als der Typ hereinkommt. Irgendwas kommt mir an ihm bekannt vor, aber nicht so sehr, dass ich lä nger darü ber nachdenke. Er zeigt ebenfalls durch nichts, dass er mich kennt, als Dee ihm ein Bier serviert, das er zu einem Tisch am anderen Ende des Raums mitnimmt.

       Ich habe ihn schon bald wieder vergessen. Das Zed liegt in der Nä he der Canary Wharf, und in den Monaten, seit ich hier arbeite, habe ich irgendwann aufgehö rt, mir die Gesichter merken zu wollen, die ich an der Bar bedient habe. Ich habe hier einen Job bekommen, nachdem ich bei der Sprachenschule meine Kü ndigung eingereicht habe. Ich wollte einen sauberen Schnitt machen, und dort erinnerte mich einfach zu vieles an meine Zeit mit Chloe. Nachdem ich ausgezogen war, habe ich eine Weile bei Callum auf dem Sofa geschlafen, bis ich ein kleines Studioapartment in Hackney fand. Es ist nicht toll, aber es ist wenigstens ein Ort, wo ich meine Filmposter an die Wä nde hä ngen und meine DVD-Sammlung unterbringen kann. Auß erdem ist es nur fü r den Ü bergang, bis ich genug Geld gespart habe, um nach Frankreich zu gehen. Das ist mein Plan und gehö rt zu dem Vorsatz, einen klaren Schnitt zu machen.

       Allerdings scheint irgendwie nie der richtige Zeitpunkt zu kommen. Immer rede ich mich auf nä chste Woche, nä chsten Monat, nä chsten Wasauchimmer heraus. In der Zwischenzeit ist es im Zed gar nicht so ü bel. Es ist eine exklusive Bar, tagsü ber zieht sie die Leute aus dem Finanzdistrikt an, die sich das teure Mittagessen leisten kö nnen. Die Abendgä ste sind nicht weniger reich und scheinen die groß en Spiegel hinter der Bar aus Stahl zu mö gen. Der Besitzer Sergei ist in Ordnung. Er und sein Freund Kai helfen aus, wenn viel los ist. Es gibt schlimmere Arbeitsplä tze.

       Auß erdem ist es ja nur vorü bergehend.

       Der Mann, der vorhin reinkam, steht wieder an der Bar und will ein zweites Bier. Diesmal bediene ich ihn selbst. Immer noch habe ich Probleme, ihn einzuordnen. Er ist groß und hat einen harten Blick, der ihn von den anderen Gä sten im Zed unterscheidet. Als ich ihm das Bier zapfe, schaut er erst zur Tü r und dann auf seine Uhr.

       Das ist der Moment, als ich ihn erkenne.

       Ich halte den Kopf gesenkt, als ich ihm das Wechselgeld gebe. Er kehrt an seinen Tisch zurü ck, und wä hrend ich andere Kunden bediene, behalte ich ihn im Auge. Er erwartet offensichtlich jemanden, und es gefä llt ihm nicht, dass man ihn warten lä sst.

       Es kö nnte wirklich jeder sein. Aber ich weiß mit einer Sicherheit, die fast schwindelerregend ist, auf wen er wartet.

       Ich bringe gerade Eis aus der Kü che, als Jules eintrifft. Er ist mit zwei grell geschminkten, attraktiven Mä dchen gekommen, die betrunken wanken und lachen, als sie den Tisch ansteuern, an dem Lenny sitzt. Sein Anblick lä sst mich abrupt stehen bleiben. Ich spü re atemlos, wie eine Vielzahl Gefü hle mich ü berschwemmt, Wut, Hass und Abscheu, alles auf einmal. Dann drehe ich mich um und gehe zurü ck in die Kü che.

       «Scheiß e, Sean! Pass doch auf, wo du hingehst», knurrt Sergei, als ich mit ihm zusammenstoß e, und versucht, nichts von seinem Tablett zu verschü tten.

       «Tut mir leid. » Hastig mache ich einen Schritt zur Seite. «Ä hm, wä re das okay, wenn ich gerade mal Pause von der Bar mache? Ich kö nnte Geschirr waschen oder so was. »

       «Du machst wohl Witze! Vielleicht mö chtest du auch lieber die Fü ß e hochlegen, wä hrend ich dir einen Kaffee bringe? » Immer noch grollend, stö ß t er mit der Hü fte die Tü r auf und verschwindet in der Bar.

       «Scheiß e», sage ich. Die Tü r schwingt hinter ihm zu.

       «Probleme? » Dee hat Oliven auf Tellerchen verteilt und schaut jetzt auf.

       «Nein, ist schon in Ordnung. »

       Ich schaffe es irgendwie zu lä cheln, bis sie sich abwendet. Dann sinke ich mit dem Rü cken gegen die Wand. Jez hat mir von dem Fitnessstudio erzä hlt, das Jules in den Docklands betreibt, doch nach der Trennung habe ich das alles vergessen. Ich war so sehr darum bemü ht, von unseren alten Stä tten in Westlondon wegzukommen, dass mir nie der Gedanke gekommen war, ich kö nnte in seinem Territorium arbeiten.

       Jetzt ist es zu spä t.

       Ich atme tief durch und gehe wieder nach drauß en. Es ist viel los, und eine Weile sieht es so aus, als kä me ich damit durch. Einmal sehe ich Lenny wieder an der Bar, aber dieses Mal bedient Dee ihn. Er schenkt mir nicht mehr Aufmerksamkeit als vorhin, und ich gebe mich der Hoffnung hin, dass sie vielleicht einfach austrinken und wieder verschwinden, ohne dass Jules mich bemerkt.

       Es passiert, als sie gehen wollen. Durch eine Lü cke im Gedrä nge blicke ich quer durch den Raum und sehe, wie die vier von ihrem Tisch aufstehen. Und in genau diesem Moment, als hä tte ich ihm etwas zugerufen, dreht Jules sich um und entdeckt mich.

       Ich schaue weg und bediene einen anderen Kunden. Zugleich versuche ich, mich so zu verhalten, als wä re nichts passiert. Aber als ich ein Glas vom Regal nehme, stoß e ich zwei weitere herunter, die auf dem Boden zerschellen.

       «Scheiß e! »

       Ich habe laut geflucht, und das bringt mir einen strengen Blick von Sergei ein. Fü r einen Moment verstummt der Lä rm im Raum, wie es immer passiert, wenn ein Glas zerbricht. Dann werden die Gesprä che fortgesetzt. Vom anderen Ende der Bar wirft Sergei mir einen verzweifelten Blick zu. Ich hole unter der Bar die Kehrschaufel hervor und hocke mich hin, um die Scherben aufzufegen. Irgendwie bin ich erleichtert, fü r den Moment auß er Sicht zu sein.

       Als ich mich aufrichte, lehnt Jules an der Bar.

       Ich ignoriere ihn und leere die Kehrschaufel in den Mü lleimer und serviere weiter Drinks. Die ganze Zeit spü re ich, wie er mich beobachtet. Schon bald ist an meinem Ende der Bar niemand ü brig auß er Jules. Ich kann also nicht lä nger so tun, als wü rde ich ihn nicht bemerken.

       Ich blicke ihn ü ber den Stahl der Bar hinweg an. Er sieht sportlich und gebrä unt aus, obwohl ich dunkle Ringe unter den Augen entdecke, als er den Kopf unter der Barbeleuchtung dreht. Vielleicht Blutergü sse. Aber er hat wieder dieses halbe Lä cheln aufgesetzt, an das ich mich noch allzu gut erinnere.

       «Die Lehrtä tigkeit haben Sie wohl aufgegeben? » Er schaut sich gespielt interessiert um. «Nettes Publikum hier. Zahlen die anstä ndiges Trinkgeld? »

       «Was wollen Sie? »

       «Ach, kommen Sie. Sie kö nnen das doch besser. Sollten Sie nicht erst fragen, was ich trinken mö chte? ‹Entschuldigen Sie, Sir, was darf ich Ihnen bringen? › So was in der Art? »

       Ich beiß e die Zä hne so fest zusammen, dass es weh tut. Jules lä chelt mich nur an. Seine Pupillen sind winzig klein wie Stecknadelkö pfe. Ich sage mir, dass er fü r mich keine Bedeutung hat. Er soll einfach sagen, was er will, und dann verschwinden. Aber auf seine nä chsten Worte bin ich nicht vorbereitet.

       «Ich werde Chloe erzä hlen, dass ich Sie getroffen habe. » Er hebt die Augenbrauen. «Sie wussten doch, dass sie wieder bei mir ist, oder? »

       Nein, das wusste ich nicht. Ich habe Chloe nicht mehr gesehen, seit ich ausgezogen bin. Ich hatte darü ber nachgedacht, ihr anzubieten, bis nach der Abtreibung zu bleiben, tat es aber dann doch nicht. Was immer Chloe mit ihrem Leben anstellte, ging mich jetzt nichts mehr an, das hatte sie mir sehr deutlich gemacht. Ich sagte mir, ein klarer Schnitt sei fü r uns beide das Beste.

       Aber ich hatte keine Ahnung, dass sie zu Jules zurü ckgegangen war. Soweit ich wusste, war die Abtreibung allein ihre Entscheidung gewesen, und deshalb war ich davon ausgegangen, sie hä tte sich mit ihm auch ü berworfen. Meine Gefü hle muss er mir deutlich ansehen kö nnen.

       «Warum sollte Sie das auch kü mmern? Sie haben sie schließ lich verlassen, oder? »

       Meine Fingerknö chel treten weiß hervor, weil ich die Hand um das Glas krampfe. Doch dann taucht Lenny auf. Auch wenn Jules ziemlich groß ist, ü berragt der andere Mann ihn.

       «Kommst du? »

       «Ich wollte nur einem alten Freund von Chloe hallo sagen. Du erinnerst dich doch an Sean? »

       Lenny wirft mir einen desinteressierten Blick zu. Bevor er etwas erwidern kann, drä ngt sich ein elegant gekleideter Mann mit einer Frau an die Bar. Er macht mir ein Zeichen. «Ich mö chte ein Glas Chablis und …»

       «Wir unterhalten uns hier gerade», sagt Lenny, ohne sich umzudrehen.

       «Ich wü rde aber gerne bedient werden, also …»

       Er verstummt, als Lenny den Kopf dreht und ihn anstarrt. Obwohl der Gesichtsausdruck des groß en Mannes sich nicht ä ndert, ist die Atmosphä re plö tzlich geladen.

       «Verpiss dich. »

       Der Kunde beginnt zu drohen, aber eher halbherzig. Er lä sst sich von der Frau wegfü hren. Lenny wendet sich wieder an Jules, als wä re ich gar nicht da.

       «Beeil dich. »

       Es ist eher ein Befehl als eine Bitte. Jules wird rot, wä hrend der andere Mann wieder zu den beiden betrunkenen Mä dchen geht.

       «Das Geschä ft ruft. » Er lä chelt hart und versucht, das Gesicht zu wahren. «Ich erzä hle Chloe, dass ich Sie getroffen habe. Sie wird sich freuen. »

       Ich bleibe einfach stehen, bis er endlich gegangen ist. Ein Mann wedelt mit der Kreditkarte in meine Richtung.

       «Hey, Sie! Bedienen Sie hier auch, oder stehen Sie nur rum? »

       Ich drehe mich um und gehe in die Kü che. Sergei sagt irgendwas zu mir, aber ich hö re nicht zu. Durch den Notausgang verlasse ich die Kü che und trete auf die dunkle Gasse hinter der Bar. Der sü ß liche Geruch nach Abfall und Urin beiß t mir in die Nase.

       Ich lasse die Tü r hinter mir ins Schloss fallen, lehne mit dem Rü cken zur Wand den Kopf gegen die Steine und schließ e die Augen.


[zur Inhaltsü bersicht]


 KAPITEL 15

       «Sind Sie da oben schon wach? »

       Die Worte sind wie eine Leine, die mich ins Wachsein zieht. Ich schlage die Augen auf und weiß weder, wer mich da ruft, noch, ob ich das nur geträ umt habe. Das Hä mmern gegen die Falltü r ü berzeugt mich, dass ich es jedenfalls nicht geträ umt habe.

       «Kommen Sie schon! Aufwachen, Sie fauler Scheiß kerl! »

       Es ist Arnaud. Mein erster Gedanke gilt Gretchen. Ich schieß e im Bett hoch und bin fast ü berzeugt, sie noch auf dem Dachboden vorzufinden. Gott sei Dank, ich bin allein. Die Kommode steht auf der Falltü r, wo ich sie gestern Nacht hingeschoben habe. Vielleicht des Guten zu viel, um ein achtzehnjä hriges Mä dchen fernzuhalten, aber genauso effektiv gegen ihren Vater. Panik wallt in mir auf, und fü r einen Augenblick bin ich ü berzeugt, er mü sse wissen, dass seine Tochter hier oben war, aber dann fä llt mir wieder ein, dass ich ihm ja mit den Fallen helfen sollte.

       «Alles in Ordnung! », rufe ich. Mein Kopf hä mmert von dem derben Wein und Arnauds Cognac, und diese rü de Art, mich zu wecken, hilft auch nicht gerade.

       «Das wird verdammt noch mal Zeit! » Ich hö re, wie die Holzstufen unter seinem Gewicht knarzen. «Los, Beeilung! Bewegen Sie Ihren Arsch nach unten! »

       «Geben Sie mir nur fü nf Minuten. »

       «Ich gebe Ihnen zwei! »

       Seine Schritte entfernen sich drö hnend von der Falltü r. Ich stö hne auf und lasse den Kopf sinken. Es kann nicht weit nach Sonnenaufgang sein. Das graue Licht des frü hen Morgens strö mt auf den Dachboden. Ich wü nsche mir nichts sehnlicher, als mich wieder auf die Matratze werfen und eine weitere Stunde schlafen zu dü rfen, ziehe aber gehorsam den Overall an und gehe nach unten. Am Wasserhahn mache ich kurz halt und trinke durstig, ehe ich mir Wasser auf Gesicht und Hals klatsche. Tropfen haften an meinem Bart, und die Kä lte lindert meine Kopfschmerzen zumindest vorü bergehend.

       Arnaud wartet drauß en mit Lulu und hat sich einen gerä umigen Leinenrucksack ü ber die Schulter geschwungen. Er trä gt das aufgeklappte Gewehr ü ber dem Arm. Sein Gesicht hat die Blä sse eines verkaterten Mannes, und die weiß en Bartstoppeln wirken auf dem gebrä unten Gesicht wie erster Frost. Er funkelt mich wü tend an.

       «Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen frü h fertig sein. »

       «Ich wusste ja nicht, dass Sie damit bei Tagesanbruch meinen. Was ist mit Frü hstü ck? »

       «Was soll damit sein? » Er marschiert bereits ü ber den Hof. Lulu tä nzelt um mich herum, als wä re ich ein lange vermisster Freund, und ich folge Arnaud. Ich rechne eigentlich damit, er werde dem Feldweg Richtung Straß e folgen, aber stattdessen verschwindet er neben dem Stallgebä ude. Ich hatte gemeint, mich auf dem Hof schon gut auszukennen, aber dort ist ein Pfad, von dem ich bisher nichts wusste. Ich frage mich unwillkü rlich, was da wohl noch ist, das ich nicht weiß ü ber dieses Gelä nde.

       Ich trotte unter dem Gezeter der Vö gel, das klar in der kalten Luft hä ngt, hinter ihm her. Ich wü nschte, ich hä tte mir ein T-Shirt unter dem Overall angezogen, und reibe frö stelnd meine Arme. Dabei berü hre ich auch das Pflaster am Oberarm. Der Morgen fü hlt sich sofort kä lter an, weil ich an Gretchens Amnesie von vergangener Nacht denke. Irgendwie ist das sogar noch verstö render als der ursprü ngliche Angriff mit der Gabel. Es konnte auch nur gespielt gewesen sein; Gott weiß, ihr ist so eine Schauspielerei durchaus zuzutrauen. Aber es passierte ja nicht zum ersten Mal. Nachdem sie mein Foto angezü ndet hatte, erwä hnte sie danach nie auch nur mit einem Wort, was passiert ist. Anfangs dachte ich noch, sie hä tte einfach etwas abgespeichert, das ihr angenehmer ist, und so eine Erinnerung ignoriert, die ihr wohl nicht behagte.

       Jetzt frage ich mich langsam, ob mehr dahintersteckt.

       Der Weg fü hrt uns tief in den Wald oberhalb des Hauses, der als Puffer zwischen dem Hof und dem Rest der Welt dient. Ich versuche, nicht lä nger ü ber Gretchen nachzudenken, und konzentriere mich lieber darauf, nicht ü ber irgendwelche Baumwurzeln zu stolpern. Vor mir ist Arnauds steifer, mit horizontalen Linien ü berzogener Nacken. Er hat das Gewehr lä ssig ü ber den Arm gelegt, und erst jetzt frage ich mich, ob es eine gute Idee war, mit ihm in den einsamen Wald zu gehen. Ich weiß nicht, was Gretchen ihm erzä hlt hat. Ein Schuss bliebe in dieser Einsamkeit vermutlich unbemerkt, und ein Leichnam kö nnte bis in alle Ewigkeit unentdeckt zwischen den Baumwurzeln liegen.

       Ich schü ttle diese morbiden Gedanken ab. Wenn Arnaud eines ist, dann direkt. Wenn er mir also irgendwie schaden wollte, wü sste ist das inzwischen. Auß erdem wü rde er mich nur aus meinem Elend erlö sen, angesichts dessen, wie ü bel die Kopfschmerzen mich heute plagen.

       Im Wald herrscht ein merkwü rdiges Schweigen; eine schmerzliche Stille, durch die jedes Gerä usch noch verstä rkt wird. Etwas raschelt wenige Meter neben uns. Lulu geht hoch und schieß t hinterher, bis Arnaud sie mit einem scharfen Wort zurü ckruft. Der Hund schleicht widerstrebend zu ihm hin und wirft noch so manchen bedauernden Blick zurü ck.

       Als der Weg einen Knick macht, verlä sst Arnaud ihn und verschwindet zwischen den Bä umen. Auf dem Gras glitzert Tau, und mein Overall wird dunkel und feucht, wo ich die Halme streife. Lulu beginnt vorauszulaufen, aber Arnaud ruft sie wieder zurü ck und hä lt sie am Halsband, um sie hinter sich zu halten.

       «Fü rchten Sie nicht, sie kö nnte in ein Fangeisen treten? », frage ich.

       «Ich lasse sie ja nicht mal in die Nä he. »

       «Was passiert, wenn sie allein in den Wald lä uft? »

       «Dann wä re das ihre eigene Schuld. » Er mustert prü fend den Boden vor sich. «Hier. »

       Im Gras versteckt liegt ein Gegenstand mit harten Kanten. Die Bü gel des Tellereisens stehen noch offen, in der Mitte ist ein quadratischer Freiraum. Arnaud hebt einen toten Ast vom Boden auf und stö ß t ihn in die Falle. Die Bü gel schnappen zu und zersplittern das Holz. Er lä sst den Leinenrucksack von der Schulter gleiten und zieht etwas heraus, das aussieht wie die alten Klappspaten von der Armee. Mein erster Impuls ist zurü ckzuweichen. Er klappt den Spaten auf und gibt ihn mir.

       «Graben Sie die Verankerung aus. »

       Ich nehme den Spaten und lehne den Gehstock gegen einen Baum. Manchmal ü berlege ich, ob ich ihn wirklich noch brauche, aber ich fü hle mich noch nicht wieder sicher genug, um ohne ihn auszukommen. Das Tellereisen ist mit einer Kette an der eingegrabenen Verankerung befestigt. Ein Ende meines Klappspatens hat eine Hacke. Ich hacke damit auf den Boden ein, bis er sich gelockert hat, ehe ich die Verankerung herausziehe, wä hrend es dunkle Erde auf meine Hand regnet.

       Arnaud wartet schon mit einem Sack. Ich lasse das Tellereisen hineingleiten und halte ihm den Klappspaten hin.

       «Den kö nnen Sie tragen», sagt er und geht zurü ck zum Waldweg.

       Wir graben zwei weitere Fallen aus, ehe wir zu einem Stü ck Wald kommen, das mir vertraut vorkommt. Ich schaue auf das Bild, das sich unter mir erstreckt: Der Hof, die Bä ume und der See sind mir ins Gedä chtnis gebrannt wie ein Albtraum. Arnaud wartet neben einem Baum. Die nackten Wurzeln sind eingekerbt, weil jemand sie mit einem Messer bearbeitet hat. Daneben liegt eine umgekippte leere Wasserflasche. Die Falle ist noch zusammengeschnappt und befindet sich direkt unter dem Baum. Die Kanten der Fangzä hne an den Bü geln sind mit etwas Schwarzem verklebt.

       «Nun? », fragt Arnaud fordernd. «Worauf warten Sie noch? »

       Ich ramme den Klappspaten in die Erde. «Die hier kö nnen Sie ü bernehmen. »

       In seinen Augen ist ein bö sartiges Funkeln. «Da kommen wohl ü ble Erinnerungen hoch, was? Keine Sorge, jetzt kann sie Ihnen nicht mehr schaden. »

       Ich antworte nicht. Sein Lä cheln verschwindet. Er lä sst Sack und Gewehr fallen und schnappt sich das Werkzeug. Rings um die Verankerung hackt er den Boden auf und reiß t dabei ohne jeden Unterschied Erde und Wurzelwerk auf. Er ist ein starker Mann, aber die Verankerung ist tief eingegraben, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß. Es dauert lä nger als bei den anderen, das Tellereisen auszugraben, und Arnaud gerä t ins Schwitzen dabei. Er ö ffnet sein Hemd und entblö ß t den weiß en und unbehaarten Oberkö rper. Als er sich nach unten beugt, um das Tellereisen aufzuheben, verharrt er mitten in der Bewegung und drü ckt sich die Hand ins Kreuz.

       «Stecken Sie sie in den Sack», sagt er, als er sich aufrichtet. Er ist ganz grau im Gesicht. «Oder verstö ß t das auch gegen Ihre Prinzipien? »

       Er stapft davon und ü berlä sst es mir, die Falle einzupacken. Ich hebe sie an der Verankerung hoch. Man sieht noch die hellen Kratzer, wo ich versucht habe, sie aufzustemmen. Das Tellereisen dreht sich langsam an der Kette wie ein scheuß liches Pendel aus blutbeflecktem Metall.

       Ich lasse es in den Sack gleiten.

       Ü berall im Wald sind weitere Tellereisen versteckt. Jedes Mal, wenn wir einen der Sä cke, die Arnaud mitgebracht hat, voll haben, lassen wir ihn am Weg stehen, um sie spä ter zu holen. Die Fallen sind allesamt gut versteckt unter Baumwurzeln oder Grasbü scheln, und eine ist sogar in einer flachen Kuhle verborgen, die mit Ä sten und Zweigen abgedeckt wurde. Zielsicher geht Arnaud zu jeder einzelnen Falle und lokalisiert sie ohne Zö gern. Der halbvolle Sack schlä gt gegen mein Bein, als ich ihm zur nä chsten folge. Diese ist von dichtem Gras ü berwuchert, weshalb nur noch die Kette zu sehen ist. Er sucht nach einem Ast, um auch diese zu entschä rfen.

       «Warum machen Sie das? », frage ich.

       «Warum mache ich was? »

       Ich lasse den Sack mit den Fallen zu Boden. «Das alles hier. »

       «Sie meinen, warum ich die Leute auf Abstand halte? Was glauben Sie? »

       «Immerhin hat es neulich nicht so gut funktioniert. »

       Arnauds Kiefernmuskel zucken. «Sie hatten Glü ck. »

       «Und Sie nicht? »

       «Was soll das nun wieder heiß en? »

       «Sie glauben, die Polizei hä tte Sie nur verwarnt, wenn von denen einer in ein Tellereisen getreten wä re? »

       «Glauben Sie, das interessiert mich? »

       «Und wieso sammeln wir sie dann ein? »

       «Weil ich denen nicht die Genugtuung gö nne, sie zu finden. In einer oder zwei Wochen, wenn Gras ü ber die Sache gewachsen ist, stelle ich sie wieder auf. » Er wirft mir einen merkwü rdigen Seitenblick zu. «Und wenn ich jemanden in einem Fangeisen erwische … Was lä sst Sie glauben, der kö nnte danach noch der Polizei davon erzä hlen? »

       Er schiebt das Gras ü ber der Falle mit einem Stock beiseite und lacht kurz auf.

       «Die hier brauchen wir nicht zu entschä rfen. »

       Die Ü berreste eines Kaninchens hä ngen zwischen den zugeschnappten Bü geln. Es muss schon seit Monaten da liegen. Die Fliegen und Maden haben bereits ihre Arbeit getan, und es ist nur noch ein vertrocknetes Bü ndel aus Fell und Knochen ü brig.

       Arnaud stö ß t mit dem Fuß dagegen. «Nehmen Sie die auch mit. »

           

       Die morgendliche Kü hle und der Nebel sind von der Sonne weggebrannt, als Arnaud endlich verkü ndet, es sei Zeit fü r eine Pause. Die Sonne sickert durchs Geä st, noch nicht heiß, aber zumindest bedrohlich auf die Hitze hindeutend, die bald folgt. Wir machen an einem flachen Felsen halt, der hier aus dem Boden ragt und eine natü rliche Sitzmö glichkeit bietet. Arnaud lehnt sein Gewehr dagegen und nimmt Platz. Ich setze mich auf den Boden und bin froh um die Verschnaufpause.

       «Wie viele Fallen bleiben noch? »

       «Es sind noch ziemlich viele im Wald unten am See. Warum? Sind Sie schon mü de? »

       «Nein, ich genieß e jede einzelne Minute. »

       Er schnaubt, lä sst sich aber nicht zu einer Erwiderung herab. Wä hrend ich versuche, nicht darü ber nachzudenken, wie lange es noch bis zum Frü hstü ck dauert, kramt Arnaud in seinem Rucksack und fö rdert ein in Butterbrotpapier gewickeltes Pä ckchen zutage. Lulu und ich lassen ihn nicht aus den Augen, als er es auswickelt. Darin sind zwei Stü cke gebratene Hü hnerbrust. Zu meiner Ü berraschung bietet er mir eins an.

       «Hier. »

       Ich nehme es, bevor er seine Meinung ä ndern kann. Er kramt weiter im Rucksack und holt diesmal eine Plastikflasche mit Wasser und ein Stü ck Brot hervor.

       «Das Brot ist von gestern», sagt er abfä llig und bricht es in zwei Hä lften.

       Das ist mir egal. Wir essen schweigend, trinken Wasser aus derselben Flasche, obwohl mir nicht entgeht, wie wir beide die Ö ffnung abwischen, ehe wir trinken. Kleine Hä ppchen werfe ich Lulu zu, die sich inzwischen gebä rdet, als wü rde sie verhungern. Arnaud ignoriert sie.

       Nachdem er aufgegessen hat, zü ckt er die Pfeife und stopft sie. Ich hä tte mich ihm angeschlossen, wenn ich morgens in der Eile nicht vergessen hä tte, meine Zigaretten mitzunehmen.

       «Wie geht es Ihrem Rü cken? », frage ich.

       «Nicht gut genug, um noch mehr zu buddeln. »

       Danach schweigen wir. Arnaud scheint so unerschü tterlich wie der Fels, auf dem er sitzt. Einmal ertappe ich ihn dabei, wie er mich beobachtet, aber er schaut wieder weg, ohne das Wort zu ergreifen. Ich spü re eine Anspannung bei ihm, die sofort meine frü here Paranoia wieder erwachen lä sst. Er nimmt das Gewehr zur Hand und spä ht am Schaft entlang.

       «Sie genieß en also die Groß zü gigkeit meiner Tochter? »

       Scheiß e, denke ich. Was hat Gretchen ihm wohl erzä hlt? «Was meinen Sie? »

       Er wirft mir einen gereizten Blick zu. Dann stellt er das Gewehr wieder hin und fingert an der Pfeife herum. «Mathilde. Sie verzä rtelt Sie wie ein Neugeborenes. Kocht Ihnen Essen, wechselt den Verband. »

       «Ja, richtig. Stimmt, sie war sehr … groß zü gig. »

       Er nimmt die Pfeife aus dem Mund und schnipst ein unsichtbares Stä ubchen vom Pfeifenkopf, ehe er sie wieder in den Mund steckt. «Was halten Sie von ihr? »

       «Ich verstehe nicht, was Sie meinen. »

       «Die Frage ist doch ganz einfach. Was halten Sie von Mathilde? Sie ist eine attraktive Frau, nicht wahr? »

       Arnaud ist es zuzutrauen, jede nur denkbare Antwort als Beleidigung aufzufassen, weshalb ich mich fü r die Wahrheit entscheide. «Ja, das ist sie. »

       Das scheint er hö ren zu wollen. Er zieht an der Pfeife. «Es war zuletzt schwer fü r sie. Den Haushalt fü hren. Sich um Gretchen kü mmern, nachdem ihre Mutter starb. Und jetzt muss sie sich auch noch um ihr eigenes Baby kü mmern. Nicht leicht. »

       Ich habe bisher aber auch nicht bemerkt, wie er versucht hat, es ihr leichter zu machen.

       «Ich habe es auch nicht viel besser gehabt, bei Gott», fä hrt er fort. «Zwei Tö chter aufziehen. An einem Ort wie diesem braucht ein Mann einen Sohn. Jemand, der mit anpackt und spä ter alles ü bernimmt. Ich habe immer gehofft, Marie werde mir einen Sohn schenken. Aber nein, nur Mä dchen. Ich dankte Gott, als Michel geboren wurde, das kann ich Ihnen sagen. Ist nicht lustig, nur von Frauen umgeben zu sein. »

       Arnaud klopft die Pfeife auf dem Stein aus und schaut mich nicht an. «Trotzdem, fü r Mathilde ist es noch schlimmer. Eine gutaussehende Frau, noch so jung. Sie braucht einen Mann. Einen Ehemann, wenn’s ideal laufen soll, aber man muss wohl realistisch bleiben. » Er schü rzt die Lippen und betrachtet nachdenklich die Pfeife. «Sie verstehen, was ich damit sagen will? »

       Ich neige unverbindlich den Kopf.

       «Das Problem ist, die Mä nner von hier taugen einfach nicht viel. Wenig Verstand, das ist alles, was sie haben. Die Hä lfte von denen wü rde doch eine Kuh ficken, wenn sie einen Stuhl finden, auf dem sie dabei stehen kö nnen, aber bei einer unverheirateten Frau mit dem Kind eines anderen …» Sein Seufzen ist eine Spur zu theatralisch. «Ich werde nicht ewig leben, und Mathilde ist meine Ä lteste. Michel wird auf Jahre nicht alt genug sein, um diesen Hof zu ü bernehmen, und es ist nicht gesagt, dass ich noch hier sein werde, wenn es so weit ist. Ich scheue mich nicht zuzugeben, wie viel Arbeit dieser Hof macht, aber … Nun ja, ich glaube, das Potenzial sieht man. Sie verstehen mich? », fragt er und sieht mich zum ersten Mal direkt an.

       «Ich glaube schon», sage ich. Mich ü berrascht daran weniger, dass er sie einfach jemandem anbietet, sondern vielmehr, dass er sie mir anbietet.

       Er nickt zufrieden. «Ich wü rde von keinem erwarten, dass er eine schnelle Entscheidung trifft. Aber fü r den richtigen Mann wä re es sicher eine Ü berlegung wert, finden Sie nicht auch? »

       «Was wä re denn in Ihren Augen der richtige Mann? », frage ich mit neutraler Stimme. Aber vielleicht nicht so neutral wie beabsichtigt, denn Arnaud wirft mir einen gerissenen Blick zu.

       «Jemand, der eine Gelegenheit erkennt, wenn sie sich ihm bietet», antwortet er. Und fü gt dann weniger scharf hinzu: «Jemand, dem ich vertrauen kann. »

       «Wie Sie Louis vertraut haben? »

       Arnauds Gesicht verschließ t sich wie eine Falle. Er rammt die Pfeife zurü ck in die Tasche und steht auf.

       «Kommen Sie. Wir haben genug Zeit verschwendet. »

       Erschö pft komme ich auf die Fü ß e und bü cke mich nach dem Sack. Hinter meinem Rü cken das Gerä usch des Gewehrbolzens, der durchgeladen wird. Ich drehe mich um. Arnaud steht mit dem Gewehr in der Hand da, den Lauf gesenkt, aber deutlich in meine Richtung gerichtet.

       Ich bewege mich nicht. Er beobachtet Lulu, erkenne ich. Sie starrt in das Unterholz, und ihre Ohren zucken.

       «Was hat sie …»

       «Psst! » Er bedeutet mir, zur Seite zu gehen. Die Hü ndin ist so angespannt, dass sie zittert. Arnaud hebt das Gewehr zur Schulter und macht sich bereit. «Los! »

       Das Wort ist kaum mehr als ein Wispern, aber Lulu lä uft sehr langsam in den Wald. Nach einem kurzen Stü ck bleibt sie stehen, und eine Vorderpfote schwebt in der Luft. Ich kann immer noch nichts erkennen. Plö tzlich stü rzt sie vor. Zugleich erheben sich zwei Vö gel aus dem Gras vor ihr und flattern wie wild, um zu entkommen.

       Das Peitschen eines Schusses lä sst mich zusammenzucken. Einer der Vö gel taumelt zu Boden. Ein zweiter Schuss. Der verbleibende Vogel dreht ab und steigt hö her. Ein dritter Schuss ertö nt, aber der Vogel ist bereits hinter den hö heren Ä sten auß er Reichweite.

       Ein gemurmelter Fluch kommt von Arnaud. Er lä sst das Gewehr sinken und schnalzt verä rgert mit der Zunge. Lulu kommt zurü ckgetrottet. Sie hä lt den Kopf hoch, und der Vogel baumelt aus ihrer Schnauze. Arnaud nimmt ihn ihr ab und zaust ihre Ohren.

       «Braves Mä dchen. »

       Trotz seiner Enttä uschung hat das Schieß en ihn in bessere Stimmung versetzt. Er packt den Vogel – vermutlich ein Rebhuhn – in seinen Rucksack.

       «Genug Zeit war, um beide zu erwischen. Meine Reaktionszeit ist nicht mehr so gut wie frü her. Automatisch zielen und schieß en, darum geht es letztlich. Man muss den Instinkt die Kontrolle ü bernehmen lassen. Der erste Schuss muss sitzen. » Er wirft mir einen eisigen Blick zu. «Nicht weiter darü ber nachdenken. Sonst verpasst man die Gelegenheit. »

       Ich beschließ e, ihn beim Wort zu nehmen. «Warum benutzen Sie keine Schrotflinte? »

       «Schrotflinten sind was fü r Leute, die nicht schieß en kö nnen. » Er streichelt den Lauf seines Gewehrs. «Das hier ist eine 6 mm Lebel. Gehö rte schon meinem Groß vater. Ä lter als ich, und trotzdem feuert sie die. 22er-Patronen noch bis zu fü nfzig Meter weit. Hier. Fü hlen Sie mal, wie schwer die ist. »

       Widerstrebend nehme ich das Gewehr in die Hand. Es ist erstaunlich schwer. Der hö lzerne Lauf ist vom jahrelangen Gebrauch abgegriffen, ein Riss verlä uft ü ber die halbe Lä nge des Laufs, und schwefeliger Geruch nach Schieß pulver steigt von der Waffe auf.

       «Wollen Sie’s auch mal versuchen? », fragt er.

       «Nein danke. »

       Arnauds Grinsen ist herausfordernd und arrogant. «Schon wieder zimperlich, oder haben Sie nur Angst vor lauten Gerä uschen? »

       «Beides. » Ich werfe mir den Sack ü ber die Schulter. «Wollen wir weiter? »

           

       Es ist bereits spä ter Vormittag, als wir zum Haus zurü ckkehren. Wir haben ein halbes Dutzend Sä cke mit Fallen gefü llt, obwohl wir im Wald am See noch nicht mal angefangen haben.

       «Die machen wir ein anderes Mal», sagt Arnaud und hä lt sich den Rü cken. «Wenn die Polizei zurü ckkommt, werden die zuerst in der Nä he der Straß e suchen. »

       Die Sä cke sind sperrig und schwer, weshalb jeder von uns nur einen zurü ck zum Hof trä gt. Arnaud lä sst seinen im Hof mit einem Scheppern zu Boden fallen und weist mich grimmig an, die anderen spä ter allein zu holen. Das war ja klar, denke ich sauer, als er zum Haus geht. Ich muss mehrmals gehen, um den Rest zu holen, und werfe mir ä chzend jeweils einen Sack ü ber die Schulter wie ein Schrottweihnachtsmann. Bis ich den letzten sicher im Stall verstaut habe, tun mir alle Knochen weh, und ich bin total verschwitzt. Ich sauge an einem Knö chel, den ich mir aufgeschrammt habe, stehe so im Innenhof und versuche, wieder zu Atem zu kommen. An der Kü chentü r entsteht Bewegung, und Mathilde tritt heraus.

       «Ist das der letzte? », fragt sie und beschattet ihre Augen mit der Hand.

       «Das sind alle von hier oben. Unten am See sind noch mehr von den Dingern. »

       Ich kann nicht sehen, ob sie das gutheiß t oder nicht. «Hä ttest du gerne einen Kaffee? »

       «Danke, ja. »

       Ich folge ihr ins Haus. Bis auf Michel, der in einem Holzlaufstall sitzt, sind wir in der Kü che allein. Im letzten Moment denke ich daran, nicht Arnauds Platz zu nehmen, und setze mich.

       «Ist schon in Ordnung, er hat sich hingelegt», sagt Mathilde, die bemerkt hat, dass ich seinen Stuhl meide. «Sein Rü cken. »

       Ich kann leider kein Mitgefü hl fü r ihn aufbringen. «Wo ist Gretchen? »

       «Sie sammelt Eier. Wird nicht lange dauern. » Mathilde lö ffelt Kaffeepulver in die Aluminiumkanne und stellt sie auf den Herd. «Wie kommt ihr mit dem Englischunterricht voran? »

       Sie fragt zum ersten Mal danach. Ich versuche, diplomatisch zu antworten. «Sagen wir einfach, sie ist nicht besonders interessiert daran. »

       Mathilde kommentiert das nicht weiter. Sie beschä ftigt sich an der Spü le, bis die Macchinetta beginnt, keuchende Laute von sich zu geben. Erst dann nimmt sie sie vom Herd und gieß t die schwarze Flü ssigkeit in eine Milchkaffeeschale.

       «Nimmst du keinen? », frage ich, als sie ihn mir hinstellt.

       «Nicht jetzt. »

       Sie steht zö gernd vor dem Tisch, und dann ü berrascht sie mich. Sie setzt sich zu mir. Mü de sieht sie aus, denke ich und nehme einen Schluck von dem brü hend heiß en Kaffee. Ich zerbreche mir den Kopf, was ich sagen kö nnte. «Tut es dir leid, wenn die Fallen verschwinden? »

       Nicht unbedingt der beste Einstieg fü r ein Gesprä ch, aber Mathilde kann gut damit umgehen. «Nein. Ich wollte sie nie da drauß en haben. »

       «Dein Vater scheint zu glauben, euer Hof muss geschü tzt werden. »

       Sie blickt mich an und schaut dann weg. Ihre grauen Augen sind unergrü ndlich. «Niemand kann sich vö llig von der Auß enwelt abschotten. »

       Irgendwie hö rt sich das fü r mich wie ein Vorwurf an. Wir beobachten Michel in seinem Laufstall, als hofften wir beide, er kö nnte das Schweigen brechen. Er spielt weiter vö llig unbeeindruckt.

       «Ich habe mich gefragt … Hö rst du manchmal was von seinem Vater? »

       Ich habe fast erwartet, dass sie ä rgerlich wird. Aber sie schü ttelt nur den Kopf, den Blick weiter auf Michel gerichtet. «Nein. »

       «Wo ist er? »

       Ein kaum wahrnehmbares Schulterzucken. «Ich weiß es nicht. »

       «Will er denn seinen eigenen Sohn nicht sehen? »

       Ich bereue meine Frage schon in dem Moment, als ich sie ausspreche. Von allen Leuten sollte ausgerechnet ich nicht so eine Frage stellen. Einen Herzschlag lang schweigt Mathilde, ehe sie antwortet.

       «Michel war nicht geplant. Und Louis hat nie gern Verantwortung ü bernommen. »

       Ich habe schon jetzt mehr gefragt, als ich sollte. Dennoch hat sich eine gewisse Intimitä t zwischen uns eingeschlichen, von der ich ü berzeugt bin, sie mir nicht nur einzubilden. Etwas daran, wie sie vor mir sitzt, weckt in mir den Wunsch, die Hand nach ihr auszustrecken. Stattdessen lege ich beide Hä nde um die Kaffeeschale.

       «Hast du denn nie darü ber nachgedacht wegzugehen? Nur du und Michel? »

       Sie ist von meiner Unverblü mtheit ü berrascht. Das bin ich auch, aber je mehr ich ihren Vater und ihre Schwester – und sogar Georges – beobachte, umso mehr denke ich, Mathilde ist die einzig vernü nftige Person auf dem Hof. Sie verdient etwas Besseres.

       «Das hier ist mein Zuhause», sagt sie leise.

       «Die Leute verlassen stä ndig ihr Zuhause. »

       «Mein Vater …» Sie verstummt. Als sie weiterspricht, habe ich den Eindruck, dass sie eigentlich etwas anderes hä tte sagen wollen. «Mein Vater hat an Michel einen Narren gefressen. Ich kann ihn ihm nicht wegnehmen. »

       «Er hä tte immer noch Gretchen. »

       Mathilde schaut aus dem Fenster. «Das ist nicht dasselbe. Er wollte immer einen Sohn. Tö chter waren fü r ihn … eine Enttä uschung. Sogar Gretchen. Jetzt hat er einen Enkelsohn, und er erwartet, dass er auf dem Hof aufwä chst. »

       «Das bedeutet ja nicht, dass du damit einverstanden sein musst. Du hast dein eigenes Leben. »

       Ihre Brust hebt und senkt sich. Das Einzige, was auf ihre innere Erregung hindeutet, ist das Pulsieren ihrer Halsschlagader. «Ich kö nnte Gretchen nicht alleinlassen. Und sie wü rde nicht mit mir kommen. »

       Nein, das wü rde sie vermutlich nicht, denke ich. Allzu lebhaft erinnere ich mich, was ihre Schwester ü ber Mathilde gesagt hat. Trotzdem macht mich diese Schicksalsergebenheit wü tend. Ich will sie fragen, ob sie wohl glaubt, Gretchen werde fü r sie dasselbe tun. Sie verschwendet doch ihr Leben, wenn sie nach der Pfeife eines Mannes tanzt, der gerade heute versucht hat, sie wie beschä digte Ware an mich weiterzureichen. Aber ich habe wirklich schon mehr als genug gesagt, und in diesem Moment geht die Kü chentü r auf, und Gretchen kommt herein.

       «Der Henne mit dem entzü ndeten Auge geht es schlechter», sagt sie und drü ckt die Schü ssel mit den Eiern an ihre Brust. «Ich glaube, wir sollten …» Als sie uns sieht, verstummt sie.

       Mathilde steht auf und entfernt sich rasch von dem Tisch. Ich spü re, wie ich rot werde, als wä ren wir bei etwas Verbotenem erwischt worden.

       «Was hat er hier zu suchen? », fragt Gretchen.

       «Ich mache nur eine Pause», sage ich und stehe auf.

       Mathilde beginnt, die Macchinetta auszuwaschen. «Was hast du ü ber die Henne gesagt? »

       Gretchen antwortet nicht, aber ihr Gesicht verrä t, was sie denkt.

       «Ich gehe wohl lieber wieder an die Arbeit», sage ich und schiebe mich an ihr vorbei zur Tü r. «Danke fü r den Kaffee. »

       Mathilde nickt kurz, aber schaut nicht hoch. Gretchen ignoriert mich gleich ganz, denn ihr Blick ist auf den Rü cken ihrer Schwester geheftet. Ich gehe nach drauß en, aber ich bin nicht weit gekommen, als die erhobenen Stimmen bereits aus dem offenen Kü chenfenster schallen. Sie sind erst nicht zu unterscheiden, aber dann wird eine Stimme – die von Gretchen – schrill und laut, bis man sogar alles versteht.

       «… tun, was du sagst? Warum nur verdirbst du immer alles! »

       Ich kann Mathildes Antwort nicht verstehen, doch sie spricht beruhigend auf ihre jü ngere Schwester ein. Gretchens Stimme wird nur noch schriller.

       «Doch, das machst du! Was gibt dir das Recht, mir zu sagen, was ich zu tun habe? Ich bin es leid, dass du dich wie eine …»

       Das laut klatschende Gerä usch einer Ohrfeige. Im nä chsten Moment fliegt die Tü r auf, und Gretchen kommt herausgestü rmt. Mathilde taucht hinter ihr in der Tü r auf.

       «Gretchen! » Sie klingt verzweifelt. Gretchen wirbelt zu ihr herum, und dabei sehe ich den gerö teten Abdruck einer Hand auf ihrer Wange.

       «Ich hasse dich! » Sie rennt ü ber den Hof. Mathilde macht ein paar Schritte, als wollte sie ihr nach, aber dann bleibt sie stehen, weil Michel heult. Ihr ist deutlich ins Gesicht geschrieben, wie unglü cklich sie ist. Dann bemerkt sie mich. Sie wendet sich ab und verschwindet im Haus.

       Ich trete unter dem Dach des Stalls hervor und versichere mich, dass Gretchen verschwunden ist. Ich mö chte lieber nicht zwischen die Fronten geraten. Als die gewohnte Stille den Hof wieder in Beschlag genommen hat, gehe ich zurü ck zur Scheune und weiß nicht, was ich machen soll. Es hat keinen Sinn, jetzt noch eine neue Wanne Mö rtel zu mischen; es muss schon fast Mittag sein, und nach meinem frü hen Arbeitsbeginn fü hle ich mich nicht in der Lage, sofort wieder aufs Gerü st zu steigen. Der Kaffee hat mich nur noch durstiger gemacht, weshalb ich zum Wasserhahn in der Scheune gehe und trinke. Ich drehe den Hahn auf und halte die Hä nde unter den kalten Strahl. Ü ber dem Plä tschern hö re ich ein anderes Gerä usch. Ich drehe das Wasser ab, trete aus der Scheune und wische meine Hä nde am Overall ab. Krawall dringt aus dem Wald unten am See herauf. Es ist zu weit weg, um allzu viel zu hö ren, aber wenn ich das Quieken richtig deute, trifft wohl gerade eine Sau auf ihren Schö pfer.

       Dann hö re ich den Schrei.

       Das ist Gretchen.

       Ich stü rze zu dem Feldweg und ramme meinen Gehstock halb rennend, halb hü pfend in den Boden. Der Tumult wird lauter, als ich mich den Sanglochonpferchen nä here. Schreie, Bellen, Quieken. Beim Betreten der Lichtung sehe ich Georges, den Keiler und Lulu, die in einen komplizierten Tanz verwickelt sind. Der alte Mann versucht, den Keiler zurü ck in seinen Pferch zu treiben, wä hrend Lulu ihn wie verrü ckt anbellt. Auß er sich vor Wut kreist der Keiler um den Hund und versucht, ihn zu erwischen. Dabei knallt er immer wieder gegen das Brett, mit dem Georges ihn in die Ecke treibt. Fast wirft er den alten Mann dabei um.

       «Hol den Hund! », brü llt Georges Gretchen an und kä mpft gegen den Keiler. Zugleich tritt er den Spaniel von sich weg. «Jetzt nimm ihn schon hoch! »

       Gretchen bewegt sich nicht. Ich sehe, wie der Kampf den alten Mann allmä hlich ermü det. Seine Versuche, die beiden Tiere auseinanderzuhalten, ermatten. Er schaut sich um, als ich die Lichtung betrete, und Lulu nutzt diesen Moment, um hinter seinen Beinen hervorzuschieß en. Er stolpert, verliert das Brett fast aus der Hand. Der Hund versucht, zur Seite auszuweichen, und der Keiler stü rmt nach vorne. Ein schriller Schrei und ein hö rbares Knacken sind zu hö ren, als seine Kiefer sich um den Hinterlauf des Spaniels schließ en.

       Ich werfe mich ohne Zö gern auf den Keiler und hoffe, ihn so von dem Hund abzubringen. Es fü hlt sich an, als wü rde man in einen Baumstumpf rennen. Mein Schwung trä gt mich ü ber seinen Rü cken hinweg, und die Luft wird mir aus den Lungen getrieben, als ich auf der anderen Seite unsanft lande. Ich krieche ein Stü ck weg und trete wie wahnsinnig nach den Hauern des Viehs, das sich jetzt mir zuwendet. Im nä chsten Augenblick ist Georges mit dem Brett zwischen uns gegangen.

       «Holen Sie das andere Brett! », schreit er.

       Ein Brett lehnt am Zaun. Ich renne damit zurü ck und schnappe dabei auch meinen Gehstock, den ich bei meinem Sturz fallen gelassen habe. Neben Georges drü cke ich mein Brett gegen den Keiler, und dann hä mmere ich mit meinem Gehstock auf den Schä del des Tiers ein.

       «Nicht so hart! », faucht Georges.

       Der Keiler scheint es ohnehin nicht zu spü ren. Er stö ß t mit dem Kopf nach uns und wirft sein ganzes Gewicht gegen die Bretter. Der Spaniel kriecht mit einem zerfleischten Hinterlauf davon. Und dann taucht Arnaud neben uns auf, und zu dritt bedrä ngen wir den Keiler und setzen die Bretter gezielt ein, damit er nichts sieht. Endlich schaffen wir es, ihn wieder in den Pferch zu treiben. Er wirft sich gegen den Zaun, aber Arnaud hat das Tor bereits zugeworfen und verschlossen.

       Sein Gesichtsausdruck ist grimmig, als er sich schwer atmend an Georges wendet. «Wie ist er da rausgekommen? »

       «Das Tor stand offen», erklä rt Georges tonlos. Er ist von uns dreien am wenigsten auß er Atem.

       «Allmä chtiger, hast du es denn nicht ü berprü ft? »

       Der alte Mann wirft Arnaud einen tadelnden Blick zu. «Doch. »

       «Er kann das Tor ja wohl kaum selbst geö ffnet haben. »

       «Nein», stimmt Georges zu.

       Arnauds Gesicht wird starr. «Wo ist Gretchen? »

       Sie ist nirgends zu sehen. Allerdings ist Mathilde inzwischen da und hockt neben dem Spaniel. Ein Hinterlauf hä ngt nur noch wie ein blutiger Fetzen an dem Tier. Arnaud schaut mit verkniffenem Mund auf die Hü ndin.

       «Ich hole mein Gewehr. »

       Mathilde versucht, den Hund hochzuheben.

       «Was machst du da? », fragt er.

       «Ich bringe sie zum Tierarzt. »

       «Bleib hier. Ich brauche nicht lange. »

       «In der Stadt gibt es einen Tierarzt. Ich bringe sie dorthin. »

       «Nein, das wirst du nicht tun. Eine Kugel wird das Beste fü r sie sein. »

       Mathilde antwortet nicht. Sie drü ckt Lulu an ihre Brust. Der Hund schreit, als sein Bein gegen ihren Unterleib stö ß t.

       «Hast du nicht gehö rt, was ich gesagt habe? », fragt Arnaud.

       «Doch, habe ich. » Sie macht einen Schritt, und er stellt sich ihr in den Weg.

       «Du gehst nirgendwo hin. Leg sie ab und …»

       «Nein! »

       Ihre Weigerung lä sst ihn innehalten. Zum ersten Mal erlebe ich, wie sie sich gegen ihn auflehnt. Arnaud funkelt sie an, aber Mathilde erwidert den Blick. Blass begegnet sie seinem vor Wut fleckigen Gesicht.

       «Ich werde nicht zulassen, dass du sie umbringst. » Sie hebt nicht die Stimme, aber es kann kein Zweifel an ihrer Absicht bestehen. Einen Augenblick lang glaube ich, Arnaud wird sie schlagen. Dann tritt er beiseite.

       «Mach doch. Erwarte aber nicht, dass ich den Tierarzt bezahle. »

       Mathilde geht an ihm vorbei und schwankt unter dem leblosen Gewicht des Hunds.

       «Lass mich sie tragen», sage ich.

       «Ich schaffe das schon. »

       Aber sie leistet keinen Widerstand. Lulu winselt, als sie von einem Arm auf den anderen wandert. Ich spü re Arnauds Blick. Plö tzlich kommt mir der Gedanke, er kö nnte glauben, dass ich Mathilde nur wegen dem helfe, was er heute frü h gesagt hat. Dass ich damit meinen Teil eines stillschweigenden Handels erfü lle. Der Gedanke verä rgert mich. Ich wende mich ab. Gretchen steht direkt hinter uns.

       Ihr Gesicht ist von Trä nen verschmiert. Sie schaut ü berallhin, nur nicht auf Lulu, obwohl ihre Blicke immer wieder zum Bein des Hunds wandern wollen.

       Arnaud schiebt sich an mir vorbei und packt ihren Arm. «Hast du das Tor geö ffnet? » Sie hat den Kopf auf die Brust gelegt. Er packt sie an den Schultern und schü ttelt sie. «Antworte mir! Hast du das Tor geö ffnet? »

       «Nein! »

       «Und wie ist der Keiler dann rausgekommen? »

       «Ich weiß es nicht! Lass mich in Ruhe. »

       Sie versucht, sich aus seinem Griff zu befreien, doch er dreht sie um und zwingt sie so, den Hund anzusehen. «Schau! Sieh nur, was du getan hast! »

       «Ich habe gar nichts getan! Lass los! » Sie befreit sich aus seinem Griff und rennt in den Wald. Arnaud starrt hinter ihr her, ehe er sich an uns wendet.

       «Geht schon, wenn ihr unbedingt wollt! », grollt er und stapft zurü ck zu den Pferchen.

       Ich gebe mir Mü he, den Hund nicht allzu groß en Erschü tterungen auszusetzen, als ich ihn zum Hof zurü cktrage. Mathilde trä gt meinen Gehstock hinter mir her. Mein Fuß hä lt sich wacker, angesichts der Umstä nde. Als wir zum Pritschenwagen kommen, breitet sie eine alte Decke auf dem Beifahrersitz aus. Der Spaniel zittert, aber er leckt meine Hand, als ich ihn ablege. Sein Hinterlauf sieht aus wie durch den Fleischwolf gedreht. Weiß e Knochensplitter ragen aus dem blutigen Fleisch, und ausnahmsweise bin ich Arnauds Meinung. Wir verlä ngern nur sein Leiden. Aber es ist nicht mein Hund, und deshalb ist es auch nicht meine Entscheidung.

       Mathilde schließ t die Tü ren und geht um den Wagen herum zur Fahrerseite.

       «Mö chtest du, dass ich sie hinbringe? », frage ich, weil ich weiß, wie es ihr bei dem Gedanken an eine Fahrt in die Stadt geht.

       «Ist schon in Ordnung. »

       «Soll ich mitkommen? »

       «Nein danke. Wir kommen schon klar. »

       Sie ist wie eine Fremde. Ich beobachte, wie sie die Auffahrt hinunterfä hrt und durch die Schlaglö cher holpert. Der Pritschenwagen erreicht eine Biegung und verschwindet. Nur eine kleine Staubwolke bleibt, die sich langsam legt. Als das Motorengerä usch verklingt, kö nnte man fast meinen, es wä re nichts passiert.




  

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