Хелпикс

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 KAPITEL 8



       Gelber Staub steigt um den Pritschenwagen auf, als er ü ber den mit Schlaglö chern ü bersä ten Feldweg rumpelt. Mathilde fä hrt. Sie hat die Fenster runtergekurbelt und versucht so, einen Teil der Hitze zu vertreiben, die sich in der Fahrerkabine im Laufe des Tages aufgebaut hat. Der Kunststoff der Sitze ist eingerissen, und die weiß e Polsterfü llung quillt ü berall hervor. Mein Sitz wurde repariert, wenn man das ü berhaupt so nennen kann, indem schwarzes Isolierband ü ber die Risse geklebt wurde. Trotz der offenen Fenster stinkt es im Innern des Wagens nach Diesel, Hund und schalem Pfeifentabak.

       Nachdem ich mich gewaschen und umgezogen hatte, ging ich zum Haus zurü ck. Mathilde und Gretchen stritten sich in der offenen Haustü r. Ich blieb an der Ecke des Hofs stehen, weil ich nicht dazwischengeraten wollte.

       «Aber das muss nicht gemacht werden! », beharrte Gretchen.

       «Doch, muss es. »

       «Georges hat ihn erst gestern gesä ubert! Das sind nur Schweine, denen ist egal, was sie fressen. »

       «Bitte tu einfach, was man dir sagt. »

       «Papa hat nicht gesagt, dass ich das machen soll. Wieso muss ich immer machen, was du mir sagst? Du willst mich doch nur aus dem Weg haben, um mit ihm in die Stadt zu fahren, deinem …»

       «Tu es einfach! »

       Es war das erste Mal, dass ich hö rte, wie Mathilde die Stimme erhob. Gretchen stolzierte davon und zö gerte nur kurz, als sie mich am anderen Ende des Hofs entdeckte.

       «Ich hoffe, ihr habt viel Spaß! », giftete sie. Ihre Flipflops klatschten auf die Pflastersteine, als sie an mir vorbeimarschierte.

       Ich sah ihr nach, wie sie den Feldweg zum Wald entlangstapfte. Dann schaute ich Mathilde an. Mü de starrte sie auf das Kopfsteinpflaster. Dann aber, als sie mich bemerkte, straffte sie sich. Wortlos ging sie zum Pritschenwagen und ü berließ es mir, ihr hinkend zu folgen.

           

       Sie spricht kein Wort, wä hrend sie dem Feldweg zur Straß e folgt. Als wir das verschlossene Tor erreichen, hä lt sie an und lä sst den Motor laufen, wä hrend sie aussteigt.

       «Ich mach das», biete ich an.

       «Ist schon in Ordnung. »

       Das Vorhä ngeschloss ist offenbar eingerostet, aber schließ lich schafft sie es aufzuschließ en. Sie schiebt das Tor auf und hebt es das letzte Stü ck an, damit es nicht ü ber den Boden schabt. Dann kehrt sie zum Wagen zurü ck, fä hrt auf die Straß e und steigt wieder aus, um das Tor zu schließ en. Im Seitenspiegel sehe ich, wie sie das Vorhä ngeschloss wieder zudrü ckt und das Anwesen hinter uns sichert.

       «Warum hä ltst du das Tor immer verschlossen? », frage ich, als sie einsteigt. Ich weiß noch, wie ich damals auf der Suche nach Wasser das Tor offen vorfand.

       «Meinem Vater ist es so lieber. »

       Sie scheint zu denken, dass es keine weitere Erklä rung braucht. Vielleicht stimmt das auch, aber als sie wieder anfä hrt, frage ich mich, wer das Tor wohl damals offen gelassen hat.

       Drauß en vor den Toren des Bauernhofs zu sein, fü hlt sich fü r mich an, als wü rde ich eine Welt betreten, deren Existenz ich vergessen hatte. Ich bin nicht darauf vorbereitet, wie ungeschü tzt ich mich fü hle und wie sehr ich mich offenbar an das inselartige Universum des Hofs gewö hnt habe. Aber schon bald werde ich von dem warmen Abend und dem bestä ndigen Brummen des Motors eingelullt. Ich beginne, die Fahrt zu genieß en, stü tze den Ellenbogen auf der Fensterlaibung ab und halte mein Gesicht in den Fahrtwind. Die Luft ist warm und riecht nach Sommer, Pollen und Asphalt. Mathilde ist nicht so entspannt. Und sie hat es eilig zurü ckzukommen, wenn ich das Tempo, das den alten Pritschenwagen vibrieren lä sst, richtig deute.

       Vor uns erstreckt sich das graue Asphaltband. Die Weizenfelder rechts der Straß e werden immer wieder von groß en, fedrigen Pappeln und breiteren Bä umen unterbrochen, die wie Broccolirö schen aussehen.

       Mathildes Hand streift meinen Arm, als sie einen Gang runterschaltet, weil der Wagen eine Anhö he hinaufkeucht. Es passiert zufä llig, aber plö tzlich bin ich mir mehr ihrer Gegenwart bewusst und weniger unserer Umgebung. Sie trä gt ein weiß es Baumwollhemd, bei dem die Ä rmel bis zu den Ellenbogen hochgerollt sind. Ihre Hä nde sehen auf dem Lenkrad verwittert aus, und die Fingerknö chel der Hand am Schaltknü ppel wirken wund. Die kurzgeschnittenen Fingernä gel heben sich rosig und gesund von der gebrä unten Haut ab.

       Die Stille, die mir bis zu diesem Moment gar nicht aufgefallen ist, fü hlt sich allmä hlich unangenehm an.

       «Wo hast du so gut Englisch gelernt? », frage ich schließ lich.

       Sie zwinkert, als wä re sie in Gedanken weit weg gewesen. «Wie bitte? »

       «Du hast Englisch mit mir gesprochen, als ich das erste Mal auf dem Dachboden aufwachte. Hast du das in der Schule gelernt? »

       «Meine Mutter hat es mir beigebracht. Sie war Lehrerin, ehe sie geheiratet hat. Englisch, Deutsch und Italienisch. »

       «Du sprichst all diese Sprachen? »

       «Nicht so richtig. Ein bisschen Italienisch, aber das meiste werde ich inzwischen vergessen haben. »

       «Was ist mit Gretchen? », frage ich, weil ich mich an den leeren Gesichtsausdruck ihrer Schwester erinnere, als ich versehentlich Englisch mit ihr sprach.

       «Leider nicht. Meine Mutter starb, ehe Gretchen alt genug war, um es zu lernen», sagt Mathilde tonlos. Dann fü gte sie hinzu: «Wir sind da. »

       Sie fä hrt auf den Hof einer Tankstelle, die nicht viel mehr ist als eine weiß gestrichene Hü tte mit zwei Tanksä ulen davor. Aber drauß en hä ngt auch das verblasste Schild der Biermarke Stella Artois, und ein paar ramponierte Tische und Stü hle stehen unter einem Wellblechdach. Vermutlich dient die Tankstelle auch als Bar.

       Mathilde parkt neben einer der Zapfsä ulen. Sie wirkt ganz ruhig, aber ich sehe an ihrem Hals direkt ü ber dem Hemdkragen eine Ader wie ein Hä mmerchen pulsieren. Aus irgendeinem Grund tut sie mir leid. Was ich sage, ü berrascht mich mehr als sie.

       «Mö chtest du mit mir reingehen und was trinken? »

       Sie sieht mich an, und eine Sekunde lang flammt etwas auf, das nur Angst sein kann. Der Moment ist schnell vorbei. «Nein, vielen Dank. Aber ich muss tanken. Du kannst dir also Zeit lassen, wenn du was trinken willst. »

       Mein Gesicht ist heiß, als ich den Sicherheitsgurt lö se. Als er ü ber mich hinweggleitet, blitzt die Erinnerung an den blutbefleckten Sicherheitsgurt im Audi wieder auf, und ich steige rasch aus. Das Summen der Zapfsä ule beginnt hinter mir, wä hrend ich die Krü cke unter meinen Arm klemme und ü ber den staubigen Betonhof zu der Bar gehe.

       Im Innern ist es dunkel. Es sind nicht viele Kunden da, nur drei oder vier Mä nner, die an den Tischen sitzen. Ein weiterer an der Bar. Es gibt die ü blichen Schilder fü r Stella, Pernod und Orangina, und ein intensiver Tabakgeruch hä ngt in der Luft.

       Der Barmann zapft gerade ein Bier, als ich hereinkomme, und lä sst geü bt den Hahn nach oben schnellen. Dann wischt er mit einem Holzspatel die Schaumkrone vom Glas. Er stellt das Bier vor den alten Mann an der Bar, der nicht von seiner Zeitung aufblickt. Ich ziehe den einen oder anderen Blick auf mich, als ich hineinhumple, aber es fü hlt sich so gut an, mal wieder in einer Bar zu stehen und in Gesellschaft zu sein, dass ich fast die Todsü nde aller Bargä nger begehe und lä chle. Stattdessen bemü he ich mich, mein Gesicht ausdruckslos wirken zu lassen. Ich trete an die Bar und setze mich auf einen der Hocker.

       «Sechs Pä ckchen Camel und ein Bier», sage ich, als der Barmann fragend das Kinn hebt.

       Er ist ein dü nner Kerl in den Fü nfzigern, der die zurü ckweichenden Haare seitlich kä mmt, um die beginnende Glatze zu kaschieren. Ich weiß jetzt, wie sich John Mills in Eiskalt in Alexandrien gefü hlt haben muss, als ich ihn beim Bierzapfen beobachte. Er hä lt das Glas leicht geneigt, damit die Blume nicht zu groß wird. Ich habe selbst in genug Bars gearbeitet, um seine geü bte Art zu bewundern. Aber die Assoziationen, die mit dieser Erinnerung einhergehen, sind unerwü nscht. Ich schiebe sie weit von mir, als er das Bier vor mir abstellt.

       Das Glas ist kalt und mit Kondenstropfen benetzt. Langsam hebe ich es an die Lippen und trinke. Das Bier ist eisig und frisch und schmeckt dezent nach Hopfen. Ich muss mich zwingen, das Glas nicht auf ex zu kippen und lasse es sinken. Seufzend atme ich aus.

       Der Barmann beobachtet mich. «Gut? »

       «Sehr. »

       «Noch eins? »

       Ich bin versucht, aber ich will Mathilde nicht warten lassen. Von meinem Platz aus kann ich den Pritschenwagen durchs Fenster sehen, aber sie steht auf der anderen Seite auß er Sichtweite. «Lieber nicht. »

       Der Barmann wischt den Tresen ab. «Von weit weg? »

       «Nein, ich bin fü r lä nger in der Gegend. »

       «Wo genau? »

       Ich bereue es schon jetzt, ü berhaupt etwas gesagt zu haben. Aber er sieht mich erwartungsvoll an. «Auf einem Hof an der Straß e. »

       «Bei den Dubreuils? »

       «Nein. » Ich rede mir ein, dass es unwichtig ist. Hier kennt mich keiner. «Bei den Arnauds. »

       Der Barmann hä lt in der Bewegung inne und mustert mich. Dann ruft er jemanden, der hinter mir an einem der Tische sitzt. «Hey, Jean-Claude! Der Typ hier sagt, er wohnt bei den Arnauds! »

       Alle Gesprä che verstummen. Die Zeitung des alten Mannes raschelt, als er sie sinken lä sst und mich ansieht. Verwirrt schaue ich mich um. Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtet sich jetzt auf einen bulligen Kerl in einer Latzhose. Er ist um die vierzig, dunkle Stoppelhaare und schwarze Augenbrauen, die eine waagerechte Linie ü ber seiner Nasenwurzel bilden. Er lä sst die Kaffeetasse sinken und sieht mich an – die roten Haare, den verbundenen Fuß und die Krü cke.

       «Englä nder? » Er klingt knapp, aber nicht angriffslustig. Ich hoffe, das ist ein gutes Zeichen.

       «Das stimmt. »

       «Und Sie arbeiten fü r Arnaud? »

       Ich zucke beilä ufig mit den Schultern. «Bin nur auf der Durchreise. »

       «Sie meinen wohl eher, dass Sie seine Tochter rannehmen», kommentiert jemand von einem anderen Tisch. Er ist jü nger als ich, die Jeans ist ö lig wie sein Grinsen. Die Mä nner, mit denen er da ist, lachen leise, aber der bullige Mann stimmt nicht mit ein.

       «Pass lieber auf, was du sagst, Didier. »

       Das Gelä chter verstummt. Ich trinke mein Bier aus, ohne etwas zu schmecken. Dann sehe ich ungeduldig nach drauß en, ob Mathilde schon fertig ist. Sie ist nirgends zu sehen.

       «Was ist mit Ihrem Fuß passiert? », fragt der Mann.

       «Ich bin in einen Nagel getreten. » Das ist das Erste, was mir spontan einfä llt.

       «Muss ein groß er Nagel gewesen sein. »

       «War es auch. »

       Der Barmann legt meine Zigarettenpä ckchen auf den Tresen. Ich spü re, wie mein Gesicht aufflammt, als ich sie in meine Taschen ramme und nach dem Geld krame. Er lä sst das Wechselgeld ü ber dem Tresen fallen. Ich sammle die Mü nzen hektisch auf, als die Tü r aufgeht.

       Es ist Mathilde.

       Ihre Schritte sind das einzige Gerä usch. Sie tritt an die Bar. Ihre Miene wirkt gefasst, doch ihre Wangen und ihr Hals sind gerö tet.

       «Ich will den Sprit bezahlen. »

       Der Barmann schaut zu dem bulligen Mann in der Latzhose rü ber, ehe er schweigend die Summe in die Kasse tippt. Erst dann bemerkt Mathilde ihn, obwohl ich daran, wie sie sich zu ihm umdreht, erkenne, dass sie die ganze Zeit gewusst hat, dass er da ist.

       «Jean-Claude. »

       «Mathilde. »

       Die Begrü ß ung ist quä lend steif. Sie sagen sonst nichts, bis der Barmann ihr das Wechselgeld aushä ndigt. Hö flicher als bei mir, merke ich. Er neigt sogar leicht den Kopf, als sie es entgegennimmt.

       «Danke schö n. »

       Die Stille wird nicht gebrochen, bis wir aus der Tü r sind. Ich lasse ihr den Vortritt, weshalb ich nicht sicher bin, ob sie das Schweinegrunzen von dem Mann namens Didier oder das erstickte Lachen der anderen Mä nner ü berhaupt hö rt. Ich schließ e die Tü r, ohne zurü ckzublicken, und hinke so schnell wie mö glich hinter ihr her. Keiner von uns spricht, als wir in den Pritschenwagen steigen. Ich erwarte, dass sie irgendwas sagt, aber sie schaltet nur den Motor ein und fä hrt wortlos von der Tankstelle.

       «Nette Nachbarn», sage ich.

       Mathilde starrt durch die mit toten Insekten verdreckte Windschutzscheibe. «Sie sind Fremde nicht gewohnt. »

       Ich glaube nicht, dass sie mit mir als Fremdem so groß e Probleme hatten. Ich will fragen, warum Arnauds Name eine so heftige Reaktion hervorgerufen hat und wer dieser Jean-Claude ist. Aber Mathildes Verhalten macht mir deutlich, dass sie nicht reden will.

       Wä hrend wir schweigend zur Farm zurü ckfahren, ü berlege ich, ob ich wohl gerade Michels Vater kennengelernt habe.

           

       Es ist eine Erleichterung, wieder innerhalb der Grenzen des Bauernhofs zu sein. Ein zerbrechliches Gefü hl der Sicherheit kehrt zu mir zurü ck, als Mathilde das Tor hinter uns zuschiebt und das Vorhä ngeschloss wieder vorlegt. Sie hat nicht nur den Tank des Pritschenwagens gefü llt, sondern auch Benzinkanister, aber sie will sich nicht von mir helfen lassen, sie zu verstauen. «Ich bringe dir spä ter das Abendessen», ist alles, was sie sagt.

       Der Abend ist mir vergä llt, als ich zur Scheune zurü ckgehe. Ich weiß, ich kann mich nicht ewig auf dem Hof verstecken. Aber ich wü nschte jetzt, ich hä tte Mathilde nie gebeten, mich zur Tankstelle mitzunehmen. Ich habe unnö tig die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner auf mich gezogen, und das alles nur fü r ein Bier und ein paar Zigarettenpä ckchen. Und ich weiß nicht mal, warum ich das gemacht habe. Ich bin nicht ü berrascht, dass zwischen Arnaud und seinen Nachbarn keine groß e Liebe herrscht. Himmel, es ist schwer vorstellbar, dass er ü berhaupt mit jemandem auskommt. Trotzdem wirkte die Atmosphä re in der Bar auf mich, als ginge es nicht nur um die ü blichen Feindschaften in einer kleinen Gemeinschaft.

       Er muss jemanden ordentlich verä rgert haben.

       Ich nehme die Zigaretten mit auf den Dachboden. So langsam bin ich geü bt darin, die Stufen zu bewä ltigen, und als ich auf der Galerie zwischen Scheune und Dachboden innehalte, tue ich das nicht, weil ich auß er Atem bin.

       Die Falltü r steht offen.

       Ich habe sie verschlossen, ehe ich ging. Ich zö gere und lausche, aber von oben dringt kein Gerä usch zu mir. Ich steige die restlichen Stufen so leise wie mö glich hoch, obwohl mich jeder, der sich da oben aufhä lt, lä ngst gehö rt haben muss. Ich schiebe mich durch die offene Luke nach oben und sehe mich um.

       Gretchen sitzt auf dem Bett. Sie hat mir den Rü cken zugewendet, und neben ihr steht mein Rucksack. Sie hat den halben Inhalt auf der Matratze verstreut. Ich kann das in Plastik gewickelte Pä ckchen nicht entdecken, aber das habe ich ja auch ganz weit unten vergraben. Gretchen hat offensichtlich gefunden, wonach sie gesucht hat, ehe sie so tief vordringen konnte. Sie wippt rhythmisch mit dem Kopf, und die Ohrhö rer verschwinden fast in ihren dichten Haaren. Ich kann das blecherne Flü stern der Musik hö ren und steige die letzten Stufen hinauf. Dann trete ich hinter sie und gebe mir dabei keine Mü he mehr, leise zu sein.

       Sie reiß t ü berrascht die Augen auf, als ich mich zu ihr beuge und den MP3-Player ausschalte. «Oh! Ich hab Sie gar nicht gehö rt. »

       «Was machst du hier? » Ich gebe mir Mü he, nicht wü tend zu klingen, aber es gelingt nicht ganz. Gretchen wirkt sofort schuldbewusst.

       «Nichts. Ich habe nur ein bisschen Musik gehö rt. »

       Ich greife nach meinen Sachen und stopfe sie zurü ck in den Rucksack. Dabei taste ich auch nach dem Pä ckchen, das immer noch ganz weit unten liegt. Ein Teil der Anspannung fä llt von mir ab, aber meine Hä nde zittern immer noch.

       «Du hä ttest mich fragen kö nnen. »

       «Das habe ich! Sie meinten, ich kö nnte jederzeit hier raufkommen. »

       Ich erinnere mich vage daran. Aber damals hatte ich noch geglaubt, ich wü rde am nä chsten Tag abreisen, und danach habe ich es vergessen. Gretchen offensichtlich nicht. «Ich meinte damit, du kannst Musik hö ren, wenn ich hier bin», sage ich milder.

       «Das hier ist unsere Scheune. Ich brauche Ihre Erlaubnis nicht. »

       «Das bedeutet aber nicht, dass du meine Sachen durchwü hlen kannst. »

       «Sie glauben echt, ich wä re an Ihren alten Socken und T-Shirts interessiert? » Jetzt wird sie wü tend. «Ich mag Ihre blö de Musik eh gar nicht. Und wenn Papa wü sste, dass ich hier oben bin, wü rden Sie echt Probleme kriegen! »

       Ihre Logik hat eine kleine Schwä che, aber ich bringe nicht die Energie auf, um zu widersprechen. «Es tut mir leid, dich so angefahren zu haben. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, jemanden hier oben anzutreffen. »

       Gretchen scheint beruhigt. Sie macht keine Anstalten zu gehen, lehnt sich gegen das Schaukelpferd und streichelt die Mä hne, wä hrend ich die Zigaretten und das Feuerzeug aus der Hosentasche ziehe und auf die Matratze werfe.

       «Darf ich eine haben? »

       «Rauchst du denn? »

       «Nein. »

       «Dann solltest du lieber nicht damit anfangen. »

       Ich weiß, ich fü hre mich wie ein Heuchler auf, aber ich kann nicht anders. Gretchen schmollt. «Warum sind Sie denn so mies drauf? »

       «Ich bin einfach mü de. War ein anstrengender Tag. »

       Sie denkt darü ber nach und wickelt eine Strä hne der schwarzen Mä hne um ihren Finger. «Wie lange bleiben Sie noch hier? Bis Sie mit dem ganzen Haus fertig sind? »

       «Ich weiß es nicht. »

       «Papa sagt, Sie laufen vor irgendwas weg. »

       «Dein Papa weiß auch nicht alles. »

       «Er weiß mehr als Sie. Ich bin nicht mal sicher, ob er Sie ü berhaupt mag. Aber wenn Sie nett zu mir sind, lege ich ein gutes Wort fü r Sie ein. »

       Darauf antworte ich lieber nicht. Ich nehme ein T-Shirt vom Bett und hoffe, sie versteht diesen subtilen Hinweis. Etwas fä llt aus dem T-Shirt.

       Es ist das Foto.

       «Was ist das? », fragt Gretchen.

       «Nichts. »

       Ich will es rasch aufheben, aber Gretchens Hand ist schneller. Sie hä lt das Foto herausfordernd von mir weg. «Ich dachte, Sie haben keine Freundin? »

       «Habe ich auch nicht. »

       «Und wieso tragen Sie das Foto mit sich herum? »

       «Ich habe vergessen, es wegzuwerfen. »

       «Dann kann es Ihnen ja egal sein, was damit passiert. » Grinsend hebt sie das Feuerzeug von der Matratze auf und hä lt das Foto knapp darü ber.

       «Tu das nicht», sage ich und strecke vergeblich die Hand danach aus.

       Sie dreht sich von mir weg und hä lt das Foto immer noch direkt ü ber das Feuerzeug. «Na, na, na! Ich dachte, Sie haben vergessen, es wegzuwerfen? »

       «Gib es mir einfach zurü ck. »

       «Nicht, solange Sie mir nicht erzä hlen, wer sie ist. » Sie lä sst das Feuerzeug aufflammen. «Sie sollten sich lieber beeilen …»

       Ich versuche, das Foto zu greifen. Gretchen lacht entzü ckt auf und entreiß t es mir. Bei dieser Bewegung fä ngt eine Ecke Feuer. Eine gelbe Flamme erblü ht auf der glä nzenden Oberflä che, die sofort in Flammen aufgeht. Gretchen kreischt und lä sst das Foto fallen. Ich kicke das Foto von der Matratze weg und versuche, das Feuer zu lö schen, wä hrend das Bild sich schwä rzt und das Fotopapier sich zusammenzieht. Es ist schon voll entflammt, und dieser Dachboden ist wie eine Kiste mit Zunderholz. Ich schnappe mir die Wasserflasche, die neben dem Bett steht, und ersticke die Flammen unter einem Schwall Wasser.

       Es zischt und raucht, als die Flammen ausgehen.

       Es riecht verbrannt. Ich starre auf die Pfü tze aus Asche und Wasser auf dem Boden.

       «Ihretwegen habe ich mir die Finger verbrannt! », schmollt Gretchen.

       Ich stelle die Flasche hin. «Du gehst jetzt besser. »

       «Das war nicht meine Schuld. Sie hä tten nicht danach greifen dü rfen. »

       «Dein Vater fragt sich bestimmt schon, wo du bist. »

       Sie zö gert, aber die Erwä hnung von Arnaud wirkt. Ich schaue mich nicht um, als sie durch die Falltü r verschwindet. Nachdem ihre Schritte verklungen sind, bü cke ich mich und wü hle in der nassen Asche. Von dem Foto ist nichts geblieben bis auf ein kleines Stü ck vom weiß en Rand, das an den Rä ndern verkohlt ist.

       Ich lasse das Stü ck zurü ck auf den Boden fallen und mache mich auf die Suche nach etwas, um die Sauerei aufzuwischen.




  

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