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Erich Kästner Die Konferenz der Tiere




Eines schö nen Tages wurde es den Tieren zu dumm. Der Lö we Alois, der sich mit Oskar, dem Elefanten, und dem Giraffenmä nnchen Leopold wie immer freitags zum Abendschoppen am Tsadsee in Nordafrika traf, sagte, seine Kü nstlermä hne schü ttelnd: »O diese Menschen! Wenn ich nicht so blond wä re, kö nnte ich mich auf der Stelle schwarz ä rgern! «
Oskar, der Elefant, drehte sich unter dem eignen hoch erhobenen Rü ssel, woraus er, wie unter einer lauen Badezimmerdusche, den staubigen Rü cken besprengte, rä kelte sich faul und brummte etwas im tiefsten Bass vor sich hin, was die beiden anderen nicht verstanden. Die Giraffe Leopold stand mit gegrä tschten Beinen am Wasser und trank in kleinen hastigen Schlucken. Dann meinte sie, ach nein, er: »Schreckliche Leute! Und sie kö nnten's so hü bsch haben! Sie tauchen wie die Fische, sie laufen wie wir, sie segeln wie die Enten, sie klettern wie die Gä msen und fliegen wie die Adler, und was bringen sie mit ihrer Tü chtigkeit zustande? «
«Kriege! «, knurrte der Lö we Alois. «Kriege bringen sie zustande. Und Revolutionen. Und Streiks. Und Hungersnö te. Und neue Krankheiten. Wenn ich nicht so blond wä re, kö nnte ich mich auf der Stelle... «
«Schwarz ä rgern«, vollendete die Giraffe den Satz.
Denn den kannten die Tiere der Wü ste lä ngst auswendig.
»Mir tun bloß die Kinder Leid, die sie haben«, meinte der Elefant Oskar und ließ die Ohren hä ngen. »So nette Kinder! Und immer mü ssen sie die Kriege und die Revolutionen und Streiks mitmachen, und dann sagen die Groß en noch: Sie hä tten alles nur getan, damit es den Kindern spä ter einmal besser ginge. So eine Frechheit, was? «
»Ein Vetter meiner Frau«, erzä hlte Alois, »war wä hrend des letzten Weltkriegs an einem groß en Zirkus in Deutschland engagiert. Als Balanceakt und Reifenspringer. Hasdrubal, der Wü stenschreck, ist sein Kü nstlername. Bei einem schweren Luftangriff brannte das Zelt ab, und die Tiere rissen sich los... «
»Die armen Kinder«, brummte der groß e Elefant.
»... und die ganze Stadt stand in Flammen, und die Tiere und die Menschen schrien«, fuhr der Lö we fort, »und Hasdrubal, dem Vetter meiner Frau, sengte der glü hende Wind die Mä hne ab, und er trä gt seitdem ein Toupet. « Wü tend schlug Alois den Sand der Sahara mit seinem Schweif. »Diese Dummkö pfe! «, brü llte er. »Immer wieder mü ssen sie Kriege machen, und kaum haben sie alles entzwei gemacht, raufen sie sich die Haare! Wenn ich nicht so blond wä re... «
»Schon gut«, unterbrach ihn die Giraffe. »Aber Schimpfen hilft nichts. Es mü sste etwas geschehen! «
»Jawohl! «, trompetete Oskar, der Elefant. »Vor allem wegen der Kinder, die sie haben – aber was? «
Da ihnen nichts einfiel, trotteten sie betrü bt heim. Als Oskar nach Hause kam, wollten die Elefantenkinder nicht ins Bett, und das Kleinste rief: »Lies uns, bitte, noch was vor! « Da griff der Vater zur »Neuen Sahara-Illustrierten« und las mit lauter Stimme: »Vier Jahre nach dem Krieg gibt es in Europa immer noch viele Tausende von Kindern, die nicht wissen, wo ihre Eltern sind, und unzä hlige Eltern, die... «
»Hö r auf, Oskar! «, sagte da seine Frau. »Das ist nichts fü r kleine Elefanten! «
Als Leopold heimkam, wollten die kleinen Giraffen noch nicht schlafen, und das Jü ngste rief: »Bitte, Papa, lies uns was vor! « Da griff der Vater zum »Tä glichen Sahara-Boten« und las: »Vier Jahre nach dem Kriege hat sich die Zahl der Flü chtlinge in Westdeutschland auf vierzehn Millionen, vorwiegend Greise und Kinder, erhö ht, und ihre Zahl nimmt von Monat zu Monat zu. Niemand will sie... «
»Hö r auf, Leopold! «, sagte da seine Frau. »Das ist nichts fü r kleine Giraffen! «
Als Alois ins Schlafzimmer trat, riefen alle seine Kinder: »Bitte, bitte, lies uns noch was vor! « Da griff der Vater zum »Allgemeinen Sahara-Anzeiger«, sagte: »Seid schon still! «, und las: »Vier Jahre nach dem Krieg, der die halbe Welt zerstö rt hat und dessen Folgen auch heute noch nicht abzusehen sind, kursieren bereits Gerü chte von einem neuen Kriege, der sich heimlich vorbereite und nä chstens... «
»Hö re sofort auf, Alois! «, rief da seine Frau. »Still! Das ist nichts fü r kleine Lö wen! «
Als die Elefä ntchen und alle anderen Tierkinder schliefen, musste Oskar, der groß e Elefant, in der Kü che, wo seine Frau abwusch, das Geschirr abtrocknen. »Es ist zum Ausderhautfahren«, brummte er. »Das bisschen Geschirr! «, maulte sie. »Du wirst tä glich fauler! « »Ich meine doch nicht deine Teller und Tassen«, sagte er, »ich denk an die Menschen! An die Flü chtlinge, an die Atombombe, an die Streiks, an den Hunger in China, an den Ü berfluss in Sü damerika, an den Krieg in Vietnam, an die verlorenen Kinder und Eltern, an die Unruhen in Palä stina, an die Gefä ngnisse in Spanien, an den schwarzen Markt, an die Emigranten... « Er sank erschö pft auf einen Kü chenstuhl. Seine Frau spü lte gerade die Milchtö pfe der Kinder mit ihrem Rü ssel. »Da! «, rief er plö tzlich. Sie ließ vor Schreck eins der Tö pfchen fallen. »Da! «, brü llte er dumpf und schlug mit der Faust auf den Kü chentisch, wo das »Sahara-Abendblatt« lag. »Da! Lies! Wieder eine Konferenz zum Teufel! O diese Menschen! Sie kö nnen nur zerstö ren! Sooft sie aufbauen wollen, wird's ein Turm zu Babel! Mir tun bloß die Kinder Leid! «

telegramm an alle weit: –.. – konferenz der aussenminister in paris abgebrochen –.. – keine resultate –.. – Verstimmung in den Hauptstä dten –.. – Wiederaufnahme der konferenz donnerstag in vier wachen –.. – ü berall geheime kabinettssitzungen anberaumt –.. ––.. –––.. ––––

Oskar zerknü llte die Zeitung und warf sie unter den Tisch. Dabei fiel ihm der Schulranzen seines Ä ltesten ins Auge. Er packte ihn, nahm Malkasten und Zeichenpapier heraus und sagte: »Schau her, Frau! Jetzt zeig ich dir, wie's auf der Erde aussieht! « Dann zeichnete er zwei Kreise. Das waren die Erdhä lften...
»Das ist die eine Erdhä lfte«, sagte der Elefant zu seiner Frau. »Und ü berall herrschen unter den Menschen Not und Unvernunft. Das sieht jedes Tier... «
»Nur ein Tier«, sagte der Elefant, »will das Elend und Durcheinander nicht sehen – das ist der Vogel Strauß. Er steckt den Kopf in den Sand. «
»Das ist die andere Erdhä lfte«, sagte der Elefant zu seiner Frau. »Und ü berall herrschen seit Jahrhunderten Krieg, Not und Unvernunft. Das sieht jeder Mensch... «
»Nur manche Menschen«, meinte der Elefant, »wollen daraus nichts lernen. Sie regieren und reden und machen Konferenzen... «
»Ich weiß «, sagte seine Frau, »und stecken den Kopf in den Sand. «
Nach einer Nacht voller merkwü rdiger Trä ume rannte der Elefant, noch verschlafen und in Pantoffeln, in aller Herrgottsfrü he zum Telefon und meldete sechs Ferngesprä che an: eines mit seinem kleinen Neffen, dem Tapir Theodor, in Sü damerika; eins mit dem Kä nguru Gustav in Australien; eines mit dem alten Eisbä ren Paul am Nordpol; eins mit der Eule Ulrich in Mitteleuropa; das fü nfte mit der Maus Max in Asien und das sechste mit Reinhold, dem Stier, in Nordamerika. Da hatten die Stö rche und Flamingos, die im ä gyptischen Hauptpostamt als Telefonfrä uleins angestellt waren, mä chtig zu tun. Erst gab es ein paar Fehlverbindungen, aber schließ lich klappte es.
»Hö rt bitte genau zu! «, rief Oskar, der Elefant. »Mit den Menschen geht das so nicht weiter! Versteht ihr mich? « »Ja, Oskar! «, antworteten die sechs, so laut sie konnten. »Ich habe eine Idee gehabt! «, brü llte der Elefant. »Es ist ihrer Kinder wegen, bloß deshalb! Eine ausgezeichnete Idee! Das heiß t, mir und meiner Frau gefä llt sie sehr gut... Sie ist bestimmt nicht ü bel... Nein, schlecht ist sie nicht... Es gibt dü mmere Einfalle... Warum sagt ihr denn gar nichts? « »Wir warten auf deine Idee! «, rief der Stier Reinhold in Nordamerika. »Ach so! «, sagte der Elefant, und alle sieben mussten lachen. »Nun, verrate sie uns schon! «, kicherte die Maus Max in Asien. »Also, hö rt zu! «, rief der Elefant. »Die Menschen machen in einem fort Konferenzen, ohne etwas zu erreichen, und so ist meine Idee, dass wir auch – eine Konferenz abhalten! «
Nach diesen Worten blieb es in den sechs Telefonleitungen ziemlich lange still. Schließ lich schnatterten und klapperten die Flamingos und Stö rche ungeduldig mit den Schnä beln und fragten spitz: »Sprechen Sie noch? « »Unterstehen Sie sich, mich zu trennen! «, trompetete der Elefant. Dann brü llte er: »Paul! Theodor! Max! Reinhold! Ulrich! Gustav! Seid ihr plö tzlich taubstumm geworden? « »Das nun nicht gerade«, meinte der Eisbä r und wiegte nachdenklich den weiß en Kopf, »es ist nur ein bisschen merkwü rdig... Erst schimpfst du auf die Konferenzen, und dann... « »Paul hat ganz Recht«, schnarrte die Eule, »erst schimpfst du, und nun sollen wir selber so ein Ding abhalten! « »Hui! «, pfiff Max, die Maus. »Wir werden uns blamieren, passt auf! « »Den Teufel werden wir tun! «, donnerte Oskar. »Es liegt doch nicht an den Konferenzen, sondern an den Menschen! Habt ihr denn gar keine Selbstachtung, wie? Das wä re ja gelacht! Hö rt zu, ihr Angstmeier: Heute in vier Wochen versammeln sich sä mtliche Abordnungen im Hochhaus der Tiere! Verstä ndigt umgehend alle Gattungen und Arten! Termin – heute in vier Wochen! Treffpunkt – Hochhaus der Tiere! Da werden wir ja sehen, ob... «
»Die fü nf Minuten sind um«, schnatterten die Telefonfrä uleins im ä gyptischen Hauptpostamt, »wir mü ssen trennen. « »Dumme Gä nse«, brummte Oskar verä rgert. »Gä nse? «, riefen die Telefonfrä uleins empö rt. »Erlauben Sie mal! Hier werden nur Stö rche und Flamingos beschä ftigt! « »Dann also: Dumme Stelzfü ß ler! «, meinte der Elefant achselzuckend und hä ngte ein. Er war vö llig erschö pft und musste sich die Stirn abtrocknen. (Sein Taschentuch war ü brigens vier Meter lang und vier Meter breit. )
Der Nachrichtendienst klappte wie am Schnü rchen. Die Hunde jagten wie der Wirbelwind durch die Stä dte und Dö rfer. Die Wiesel raschelten durch die Gä rten. Die Hirsche und Rehbö cke galoppierten durch die Wä lder, dass es dü rre Zweige regnete. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Zebras donnerten wie ein Gewitter durch die Wü sten. Die Gazellen und Antilopen schö ssen wie Pfeile ü ber die Steppen. Der Vogel Strauß und der Emu griffen aus, dass der Staub wie Wolken von der Erde aufstieg. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Rentiere trabten dampfend ü ber die Tundra. Die Polarhunde sprangen bellend durch die Mittsommernacht. Die Mö wen gellten es den Pinguinen ins Ohr: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Affen schwangen sich schreiend in den Urwä ldern von Baum zu Baum. Die schillernden Kä fer summten es. Die kleinen bunten Kolibris zirpten es. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Papageien und Kakadus plapperten es wie schnarrende Automaten, wä hrend sie sich in den Lianen wiegten. Die Spechte klopften es wie Morsezeichen gegen die hohlen, drö hnenden Baumstä mme. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Frö sche hockten aufgeplustert in den Sü mpfen und Teichen und quakten die Nachricht unermü dlich in die Lü fte. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Schwalben saß en, wohin man blickte, auf den Telefondrä hten der Ü berlandpost und meldeten die Neuigkeit in alle Lä nder der Erde. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Brieftauben schossen zu Tausenden ü ber die Gebirge und Meere, und in den winzigen Kapseln, die sie am Halse trugen, stand es deutlich zu lesen: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Die Kä ngurus hü pften mit Riesensprü ngen quer durch das Innere Australiens. Sie hatten, als wä ren sie Briefträ ger, die wichtige Post in ihren Beuteln. Und die Post lautete: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Und noch in die dä mmrige Tiefe der Ozeane drang die Kunde zu den absonderlichen, fremdartigen Wesen, die dort unten hausen. Hier schrieben es die Tintenfische mit Riesenbuchstaben ins Wasser. »Heute Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
Ja, sogar die Schnecke Minna kroch aufgeregt aus ihrem Einfamilienhaus heraus und schleppte sich, das Haus auf dem Rü cken, vor lauter Atembeschwerden prustend und schnaufend, durch die Weinberge. Manchmal hielt sie inne, schnappte gierig nach Luft und rief heiser: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «
»Was erzä hlst du da? «, fragte der Regenwurm Fridolin, neben dem Minna zufä llig verschnaufte. »Das ist ja hochinteressant! «, erklä rte er ganz aufgeregt und begann sich auch schon in der Erde einzubuddeln. »Wo willst du denn so eilig hin? «, fragte die Schnecke. Fridolins Kopf war nur noch halb zu sehen. »Dumme Frage! «, brabbelte er. »Die Tiere auf der anderen Seite der Erde mü ssen es ja schließ lich auch erfahren! Heute in vier Wochen Konferenz im Hoch... « Und schon war er verschwunden.
Ehe man sich's versah, wussten alle Tiere Bescheid, ob sie nun in der Wü ste lebten oder im ewigen Eis, ob hoch in den Lü ften oder auf dem Grunde des Ozeans. Sie hielten Versammlungen ab und wä hlten fü r jede Art und Gattung einen Delegierten. Es war fast wie damals vor der groß en Sintflut, als Noah zu ihnen geschickt und sie gebeten hatte, paarweise in seine Arche zu kommen. Die Delegierten trafen auf der Stelle die notwendigsten Reisevorbereitungen. Reinhold, der Stier, lief zum Schuster und ließ sich die Hufe frisch besohlen.
Der Vogel Strauß ließ sich beim Friseur die Pleureusen schwungvoll ondulieren.
Der Bü ffel ließ sich die Stirnlocken mit der Brennschere rollen.
Und in der Nachbarkabine saß der Lö we Alois schwitzend unter der Haube, weil er fü r die Konferenz neue Dauerwellen haben wollte. »Diese Hitze! «, sagte er stö hnend zu dem Frä ulein, das ihm wä hrenddem die Krallen schnitt und feilte. »Die Hitze kö nnte mich rasend machen! Wenn ich nicht so blond wä re... « »Ich schwä rme fü r blonde Mä hnen«, meinte die Manikü re und lä chelte ihn an. Daraufhin sagte Alois seinen berü hmten Satz nicht zu Ende.
Der Pfau stolzierte zu einem berü hmten Kunstmaler und ließ sich von ihm die Radfedern auffrischen.
Paul, der Eisbä r, nahm ein heiß es Bad in einem dampfenden Geysir. Er fand das fast kochende Wasser scheuß lich. Aber hinterher sah er aus wie frisch gefallener Schnee, und seine Familie bewunderte ihn auß erordentlich.
Oskars Frau bü gelte den Sonntagsanzug ihres Mannes. Sie konnte sowieso seine zerknitterten Hosenbeine nicht leiden, und auf der Konferenz sollte er endlich einmal elegant wirken.
Oskar selber saß inzwischen beim Zahnarzt und ließ sich den linken Stoß zahn plombieren. Der Zahnarzt war ein Neger, schwarz wie Ebenholz, und hatte einen kleinen Sohn mit groß en, runden Augen. »Dich nehm ich mit auf die Reise«, sagte Oskar zu dem Jungen. »Denn im Grunde halten wir ja die Konferenz nur wegen der Kinder... « »Wollen Sie bitte mal nachspü len«, meinte der Zahnarzt und hielt ihm einen Eimer voll Wasser hin.
Zu Hause packten die Tierfrauen die Koffer mit Reiseproviant voll. Und mit Wä sche und Thermosflaschen und Moos und Mais und gedö rrtem Fleisch und Fisch und mit Hafer, Wabenhonig, Brathü hnern und gekochten Eiern. Und dann zogen die Delegierten die Mä ntel an, denn es war Zeit, zum Bahnhof zu gehen.
Es war sogar allerhö chste Zeit. Auf den Bahnhö fen in Afrika, Asien, Amerika, Europa und Australien standen schon die Schnellzü ge unter Dampf. Die Lautsprecher brü llten: »Hö chste Eisenbahn – alles Platz nehmen! Abfahrt zum Hochhaus der Tiere – Tü ren schließ en! « Dann ruckten die Lokomotiven an. Oskar und Alois und Leopold und viele andere Delegierte hatten die Wagenfenster heruntergelassen und winkten mit ihren Taschentü chern. Und die Mü tter mit den Elefä ntchen und den anderen Tierkindern winkten zurü ck. »Blamiert euch nicht! «, rief Oskars Frau mit erhobenem Rü ssel. »Keine Bange! «, schrie Oskar zurü ck. »Wir werden die Welt schon in Ordnung bringen! Wir sind ja schließ lich keine Menschen! «
In den Hä fen am Meer ging es nicht weniger lebhaft zu. Die Tiere, die nicht schwimmen konnten, gingen an Bord moderner Schnelldampfer. Es lagen aber auch groß e Walfische am Pier und sperrten ihre riesigen Mä uler auf. Sie hatten sich freiwillig fü r den Transport der Konferenzteilnehmer zur Verfü gung gestellt, und wer den Schiffsmotoren nicht traute, brauchte nur ü ber die Laufplanke in einen der Walfische hineinzuspazieren. »Schiffe gehen zuweilen unter«, sagte der Hase zum Fuchs. »Aber dass ein Walfisch untergegangen ist, habe ich noch nie gehö rt. « – Damit hoppelte er ü ber die Planke in den aufgesperrten Rachen des Ungeheuers. Schließ lich war alles an Bord. Die Schiffssirenen heulten auf. Die Walfische klappten ihre Mä uler zu. Wasserfontä nen spritzten hoch, und die Flottille setzte sich in Bewegung. Die Verwandten am Ufer winkten. Die Delegierten an der Schiffsreling winkten zurü ck. Nur die Abgeordneten im Bauch der Walfische – die winkten nicht. Weil Walfische keine Fenster haben.
Auch auf den Flugplä tzen sä mtlicher Erdteile war Hochbetrieb. Die meisten Delegierten – soweit es nicht Vö gel waren – flogen zum allerersten Mal in ihrem Leben und benahmen sich ein bisschen nervö s und zimperlich. Aber als der Adler, der Geier, der Bussard und der Reiher sie auslachten, nahmen sie sich zusammen und setzten sich ergeben auf ihre Kabinenplä tze. Man konnte ü brigens auch, gegen einen entsprechenden Preiszuschlag, einen fliegenden Teppich mieten. Das tat beispielsweise der Skunk. Als wohlhabendes Pelztier konnte er sich das leisten. Auß erdem blieb ihm gar nichts andres ü brig. Weil er stank, hatte man ihm an der Kasse kein Flugbillett verkauft. Nun ja, schließ lich waren alle untergebracht. Die Luftflottille erhob sich. Die Propeller sausten und blitzten in der Sonne. Die fliegenden Teppiche schimmerten bunt wie groß e Schmetterlinge. Raben und Reiher, Falken, Marabus und Wildenten flogen im Gefolge. Und die Erde unter ihnen wurde immer kleiner und kleiner.
Die Polartiere hä tten um ein Haar Pech gehabt. Denn als sie am Hafen ankamen, waren die Dampfer allesamt eingefroren. Aber der Eisbä r Paul wusste Rat. Erst fuhren sie samt ihrem Gepä ck auf Rentierschlitten sü dwä rts, und dann stiegen sie auf einen Eisberg um: Paul und das schnauzbä rtige Walross und der Pinguin und das Schneehuhn und der Silberfuchs. Ja, und ein kleines pausbä ckiges Eskimomä dchen, das mit Paul schon lange befreundet war. – Der Eisberg hatte einen groß en Nachteil: Er war schrecklich langsam, und sie fü rchteten schon, sie kä men womö glich zu spä t.
Da hatte zum Glü ck das Walross einen ausgezeichneten Einfall. Es bat alle Robben, denen sie begegneten, ihnen vorwä rts zu helfen, und die Seelö wen und Seehunde ließ en sich nicht zweimal bitten. Mit der einen Flosse hielten sie sich am Eisberg fest, mit der anderen ruderten sie im Takt wie tausend gelernte Matrosen, dass der schneeglitzernde, kristallblaue Eisberg fö rmlich dahinflog! Die Ü berseedampfer, die ihnen begegneten, bekamen es mit der Angst und nahmen schleunigst Reiß aus.
Die Tiere, die mit der Eisenbahn fuhren, hatten es am schwersten. Denn die Erde und die Kontinente sind ja bekanntlich in viele, viele Reiche und Lä nder eingeteilt, und ü berall waren Schranken heruntergelassen, und ü berall standen uniformierte Beamte und machten bö se Gesichter.
»Was haben Sie zu verzollen? «, fragten die uniformierten Beamten. »Zeigen Sie sofort Ihre Pä sse! «, sagten sie. »Haben Sie ein Ausreisevisum? « »Haben Sie ein Einreisevisum? « »Was ist los? «, knurrte der Lö we Alois. »Wir kö nnen ja einmal nachsehen«, meinte Oskar, der Elefant.

 

Und nun stiegen die beiden mit dem Tiger und dem Krokodil aus dem Zug und nä herten sich neugierig den Beamten.
Da kriegten die uniformierten Beamten einen groß en Schreck und rannten davon, so schnell sie konnten. »Haben Sie denn ein Ausreisevisum? «, rief Oskar hinter ihnen her. Darü ber mussten alle Tiere im Zug so lachen, dass sie sich fast verschluckten. Und dann fuhren sie ungestö rt weiter.
Obwohl nun doch zu Wasser, zu Lande und in der Luft so viele Tiere auf dem Wege zur Konferenz waren, merkten die wenigsten Menschen etwas davon. Nur die Leute, die an der Eisenbahn wohnten, wunderten sich ein bisschen. Aber wenn dann einer sagte: »Es wird wohl ein Wanderzirkus sein«, gaben sie sich wieder zufrieden. Am erstauntesten waren die kleinen Kinder, die in diesen Tagen in ihren Bilderbü chern blä tterten. Die Bilderbuchtiere waren nä mlich aus den Bü chern verschwunden! Es sah aus, als hä tte sie jemand fein sä uberlich mit der Schere herausgeschnitten! Aber es hatte sie natü rlich gar niemand herausgeschnitten, sondern sie waren mitten in der Nacht aus den Bü chern gesprungen und hatten sich auf die Socken gemacht, um ja rechtzeitig im Hochhaus der Tiere zu sein...
Das Hochhaus der Tiere ist bestimmt das merkwü rdigste und vielleicht das grö ß te Gebä ude der Welt. Es hat einen eignen Hafen, einen eignen Bahnhof und hoch oben auf dem Riesendach seinen eignen Flugplatz. Es enthä lt das Hauptpostamt fü r die Brieftauben, ein Hotel fü r die Zugvö gel, eine Stellenvermittlung fü r Tiere, die in den Zoo wollen, eine Tanzschule fü r Bä ren, eine Akademie fü r Dressurlö wen, eine Reit- und Springschule fü r Pferde, ein Institut zur Fö rderung begabter Affen, ein Konservatorium fü r Singvö gel, eine Technische Hochschule fü r Spinnen, Biber und Ameisen, ein Raritä tenmuseum, eine zahnä rztliche Klinik, ein Sanatorium, einen Kindergarten fü r Tierbabys, deren Eltern tagsü ber arbeiten mü ssen, ein Waisenhaus, einen Optikerladen fü r Brillenschlangen, ein Gefä ngnis fü r Tierquä ler, eine Krebsscherenschleiferei, eine Leuchtfarbenfabrik fü r Glü hwü rmchen, Konzertsä le, Schwimmbassins, Speisesä le fü r Fleischfresser, Speisesä le fü r Pflanzenfresser, Aufenthaltsrä ume fü r Wiederkä uer und vieles, vieles mehr.
Weil nun jeden Tag neue Flugzeuge, Dampfer, Walfische, Zü ge und fliegende Teppiche mit seltsamen Tieren eintrafen, wurden die Menschen immer neugieriger. Schließ lich kamen Zeitungsleute, Rundfunkreporter und Mä nner von der Wochenschau angerü ckt, knipsten, kurbelten, fragten, was das Zeug hielt, und machten sich Notizen. »Was ist eigentlich die Absicht Ihrer Zusammenkunft, meine Herren Tiere? «, fragten sie gespannt.
»Ganz einfach«, meinte die Giraffe von oben herab, »es handelt sich um die Menschen. « »Wenn ich nicht so blond wä re«, rief der Lö we Alois aufgeregt, »kö nnte ich mich ihretwegen auf der Stelle schwarz ä rgern! «
Da lachten die Reporter und notierten sich, dass der Lö we ein ausgesprochen witziger Kopf sei. Oskar rü mpfte hierü ber seinen Rü ssel, dann sagte er ruhig: »Es ist wegen der Kinder, verstehen Sie? « Nein, sie verstü nden ihn nicht, erwiderten sie. Da brummte er nur: »Das wä re ja auch ein wahres Wunder! «
»Also, hö ren Sie gut zu«, sagte Reinhold, der Stier, zu einem jungen Mann, der ihm ein Mikrophon vor die Nase hielt. »Ich hö re«, meinte der junge Mann, »und die ü brige Menschheit hö rt mit! « »Wissen Sie was? «, fuhr der Stier fort. »Es wird besser sein, wenn Sie zuvor Ihre rote Krawatte abbinden. Rot macht mich nervö s, und wenn ich nervö s werde... « Der junge Mann band sich so schnell er konnte die Krawatte ab, und Reinhold, der Stier, sagte nun: »Unsere Konferenz im Hochhaus der Tiere beginnt am gleichen Tage wie die Konferenz der Staatsprä sidenten in Kapstadt, es ist, glaube ich, ihre siebenundachtzigste. « »Ganz recht«, erklä rte der junge Mann, »und bei Ihnen, soviel ich weiß, die erste, nicht wahr? « »Stimmt«, sagte der Stier, »und die letzte! «
Die Photographen machten gerade ein hü bsches Gruppenbild. Mit Oskar, Alois, Leopold, dem Kä nguru Gustav, dem Tapir Theodor und Julius, dem grö ß ten Kamel des 20. Jahrhunderts – da brü llte der Elefant plö tzlich so laut, dass alle miteinander erschraken: »Moment! Wo ist denn Paul?! Hoffentlich ist ihm nichts passiert! « Und schon rannte er, so schnell ihn seine Plattfü ß e trugen, zum Fahrstuhl.
Die Angst hatte Oskar nicht getrogen. Der Eisbä r und die anderen Delegierten des Polarkreises befanden sich in Seenot. Sie waren unversehens in den warmen Golfstrom geraten, und der schneeglitzernde, kristallblaue Eisberg, auf dem sie dahinfuhren, wurde von Stunde zu Stunde kleiner und kleiner. Sosehr Paul und das Walross die rudernden Seelö wen und Seehunde antrieben und sosehr diese sich mü hten und quä lten, aus dem Eisberg, dem gewaltigen, war lä ngst ein unbedeutender, harmloser Eishü gel geworden...
Die Tiere mussten immer mehr zusammenrü cken. Das Schneehuhn wurde noch blasser, als es schon war. Der Silberfuchs klapperte leise mit den Zä hnen. Das Walross ließ den Schnauzbart hä ngen. Und Paul, der Eisbä r, brummte: »Wenn das noch lange so weitergeht, mü ssen wir den Rest zu Fuß zurü cklegen! « Schließ lich zogen sie gar dem kleinen Eskimomä dchen das Hemd aus und schwenkten es in der Luft. Ihr Eisberg war jetzt nur noch so groß wie eine ganz gewö hnliche Eisscholle.
Wä hrend die Ä rmsten auf ihrer schrumpfenden Eisscholle dahintrieben, ging es im Hochhaus, wie sich leicht denken lä sst, ä uß erst lebhaft zu. Viele der Gä ste hatten merkwü rdige, zuweilen schwer erfü llbare Sonderwü nsche. Aus dem Bassinzimmer des Delphins mussten beispielsweise vierzig Kubikmeter Wasser abgelassen werden, damit er fü r seine Luftsprü nge genü gend Platz hatte.
Fü r das Krokodil mussten mehrere Sperlinge besorgt werden, die ihm, wie's das nun einmal gewohnt war, in dem weit aufgesperrten Rachen umherspazieren sollten. Leopold, die Giraffe, verlangte zum Wohnen nicht nur zwei ü bereinander gelegene Zimmer, man musste auch noch in die Decke des unteren ein groß es Loch schlagen, damit das Tier den Kopf hindurchstecken konnte! Ulrich, die Eule, bestand auf einer Dunkelkammer. Die exotischen Schmetterlinge bestellten unbekannte Blumen, und frisch sollten sie ü berdies sein! Max, die Maus, wollte kein Zimmer, sondern ein Mauseloch. Wo sollte man das in einem so modernen Bau hernehmen? Reinhold, der Stier, trieb's am ä rgsten. Er klingelte und sagte, man mö ge ihm, weil er sich so allein fü hle, eine hü bsche, bunte Kuh heraufschicken.
Dem Hoteldirektor, dem Marabu, strä ubte sich das Gefieder.
Aber schließ lich kam alles in die Reihe. Auf der ersten Seite der neuesten Zeitungen erschienen die Photographien der im Hochhaus der Tiere eingetroffenen Delegierten. Daneben waren die Interviews mit ihnen abgedruckt. Der Rundfunk brachte die Unterhaltung zwischen ihnen und den Reportern, und der Kommentator ä uß erte seine Vermutungen ü ber die Absichten und Ziele der Konferenz. Da gab's fü r die Gä ste natü rlich viel zu sehen und zu hö ren.
Auß erdem rü ckte ja auch der Beginn der Konferenz immer nä her, und man hatte mit den Vorbereitungen alle Hä nde voll zu tun! Die Singvö gel ü bten im Konservatorium die feierliche Erö ffnungshymne. Der Specht schlug den Takt. Weil der Pfau – des Glaubens, er habe eine schö ne Stimme – mitkrä chzen wollte, hatte man eine kurze Auseinandersetzung. Dann rauschte er, ein prä chtiges Rad schlagend, aus dem Saale.
Die Spinnen und die Webervö gel woben zwei wundervolle groß e Spruchbä nder. Eines fü rs Portal, mit dem Wortlaute: »Herzlich willkommen! «
Und auf dem anderen, noch schö neren, das fü r den Konferenzsaal bestimmt war, stand zu lesen: »Es geht um die Kinder! «
Im oberen Zimmer der Giraffe, die mit ihrem Kopf aus dem Loch im Fuß boden hereinragte, saß en indessen der Elefant, der Lö we, der Adler, der Fuchs und die Eule, die eine dunkle Brille trug. Sie debattierten darü ber, was man wä hrend der Konferenz sagen wolle. Wie man die Menschen davon ü berzeugen kö nne, dass sie sich, mindestens ihren Kindern zuliebe, vertragen mü ssten. Ob man sie notfalls zur Vernunft zwingen solle, und wie das wohl zu machen sei. Manchmal schaute der Marabu ins Zimmer. »Noch keine Nachricht? «, fragte dann jedes Mal Oskar, der Elefant. Und jedes Mal schü ttelte der Marabu den Kopf.
Wir wissen, auf welche Nachricht die Tiere warteten. Paul, der Eisbä r, war noch immer nicht eingetroffen. Und die Wasserflugzeuge, die das Meer nach ihm absuchten, hatten noch immer keine Spur von ihm und den ü brigen Polardelegierten entdecken kö nnen, obwohl sie flach ü ber den Wellen dahinflogen wie ü ber den grü nwogenden Wipfeln eines unendlichen Waldes.
Nun sahen zwar die Flugzeuge den Eisbä ren nicht, aber der Eisbä r sah die Flugzeuge. Die Eisscholle war schon so winzig, dass Paul und das Walross nebenherschwimmen mussten. »Zustä nde sind das! «, rief das Walross prustend. »Wenn wir wenigstens einen Vogel an Bord hä tten! « »Wir sind doch zwei Vö gel! «, piepsten das Schneehuhn und der Pinguin. »Wirklich? «, fragte das Walross ä rgerlich. »Na, dann fliegt gefä lligst, ehe wir hier absaufen, zu den Flugzeugen hinauf und zeigt ihnen, wo wir stecken! « Da tat das Schneehuhn den Kopf zwischen die Flü gel, und der Pinguin begann leise zu weinen...
Das Leitflugzeug hatte einen Turmfalken als Beobachter mitgenommen. Der stieß plö tzlich einen pfeifenden Schrei aus, schwang sich aus dem Kabinenfenster und fiel, senkrecht wie ein Stein, in die Tiefe. Die Flugzeuge folgten ihm im Sturzflug, und ehe sich's die Schiffbrü chigen versahen, waren sie von Falken, Bussarden, Seeadlern und wassernden Hydroplanen umgeben. »Hö chste Zeit! «, sagte Paul, der Eisbä r, als man ihn aus dem Ozean herauszog. »Steward, bitte einen Grog von Rum! «
Als der Eisbä r – weil er sich erkä ltet hatte, mit einem dicken Wollschal um den Hals – im Hochhaus eintraf, umarmte ihn Oskar und umschlang ihn gerü hrt mit dem Rü ssel. »Vorsicht! «, rief Paul. »Hast du Angst, dass ich dir die Rippen breche? «, brummte Oskar. »Nein«, sagte der Bä r, »ich hab Angst, dass du meinen Schnupfen kriegst. « Da lachten sie beide, bis der Elefant plö tzlich groß e Augen machte. »Nanu! « »Ja, da staunst du, was? «, sagte Paul. »Das ist eine kleine Freundin von mir, ein Eskimomä dchen, gefä llt sie dir? « »Reizend«, meinte Oskar, »ich werde nie begreifen, wie aus so netten Kindern spä ter Erwachsene werden! « Damit trabte er zu der Giraffe und flü sterte dieser etwas ins Ohr.
Nun machte die Giraffe einen ganz, ganz langen Hals, bis sie den Kopf in ein offenes Fenster der sechzehnten Etage des Hochhauses stecken konnte. Nach einer Weile kam ein kleiner kohlrabenschwarzer Negerjunge aus dem Fenster geklettert. »Nanu! «, rief der Eisbä r. »Da staunst du, was? «, meinte Oskar stolz. »Das ist ein kleiner Freund von mir, der Sohn meines Zahnarztes. « Und als die Giraffe den kleinen Jungen vor Paul niedergesetzt hatte, brummte dieser: »Ich werde nie begreifen, wie aus so netten Kindern spä ter Zahnä rzte werden! «
Wä hrend sich die beiden Kinder noch ein bisschen neugierig und von der Seite ansahen, kam der Kö nigstiger lautlos des Wegs, und auf seinem Rü cken saß ein zierliches, braunhä utiges Kind. »Da! «, knurrte der Tiger. »Das ist meine Ü berraschung! Meine kleine Freundin aus dem bengalischen Dschungel! « Er ließ sie sanft nieder. Sie stieg von ihm herunter und kam schwebenden Gangs auf den Negerjungen und das Eskimomä dchen zu. »Reizend! «, meinte Oskar. »Entzü ckend! «, flü sterte Leopold. »Wie eine Eisheilige! «, sagte der Eisbä r hingerissen. »Hoffentlich wird sie spä ter nicht Zahnä rztin! «
»Kleine Tiere haben auch Einfalle! «, piepste es auf einmal hinter ihnen, und als sie sich alle umdrehten, erblickten sie Max, die Maus, die ü bermü tig um einen kleinen Jungen herumsprang. »Ein Chinese! «, riefen die andern und bestaunten einen gelben Knaben, der sie aus seinen schief gestellten Augen verschmitzt anlä chelte. »Da staunt ihr, was? «, quiekte die Maus. »Gefä llt er euch? Er ist mein Freund, und sein Vater ist der Tanzmä usedresseur, bei dem ich mein Diplom als Solotä nzer erworben habe! « »Kinder in allen Farben! «, meinte Paul. »Jetzt fehlt nur noch ein weiß es! «
Kaum hatte der Eisbä r das gesagt, kam das Shetlandpony angetrabt, und auf dem vergnü gt wiehernden Pony ritt ein blonder Bengel, rotbackig, mit blauen Augen!
Mitten im Trab sprang er zur Erde und lief lachend auf die anderen vier Kinder zu. »Wunderbar! «, sagte Oskar, der Elefant. »Nun wissen wir also auch, wer wä hrend unserer Konferenz auf der Tribü ne der Ehrengä ste sitzen wird! « »Da kann ich mich ja beruhigt ins Bett legen und schwitzen«, meinte der Eisbä r. »Wegen des kleinen Schnupfens? «, fragte der Tiger. »Ja«, erwiderte Paul, »der kleine Schnupfen muss weg. Denn wenn ich niese, sprenge ich die Konferenz! «

An einem schö nen, sonnigen Donnerstag war es schließ lich so weit. Da wurde in Kapstadt, Sü dafrika, die siebenundachtzigste Konferenz der Staatshä upter, Staatsprä sidenten, Ministerprä sidenten und ihrer Ratgeber erö ffnet. Im Frack, in Uniform, je nachdem, stiegen sie, dicke Aktenmappen tragend, die Stufen zum Konferenzgebä ude empor.

telegramm an alle weit: –.. – konferenz in kapstadt erö ffnet –.. – alle staatshä upter und Staatsoberhä upter gesund eingetroffen –.. – sehen Verstä ndigung aufs zukunftsfroheste entgegen –.. – unbedeutende meinungsverschiedenheiten hinsichtlich tagesordnung –.. – ä nderungsantrag betreffs geschä ftsordnung –.. – erregte debatte wegen Sitzordnung –.. – wetter ausgezeichnet –.. –
Am gleichen schö nen, sonnigen Donnerstag stiegen die Tierdelegierten, vom Zweibeiner bis zum Tausendfü ß ler, die Stufen ihres Hochhauses hinan, um ihren Kongress zu erö ffnen. Der von den Spinnen und Webervö geln angefertigte Begrü ß ungsspruch »Herzlich willkommen! « wehte luftig und duftig im lauen Winde. Aktenmappen trug niemand.

telegramm an alle weit: –.. – konferenz im hochhaus der tiere erö ffnet –.. – alle delegierten pü nktlich eingetroffen –.. – mit kapstadter konferenz in rundfunk- und fernsehverbindung –.. – es geht um die kinder! –.. – nicht siebenundachtzigster, sondern erster und letzter versuch der tiere aller zonen –.. – vernü nftige einigung jetzt oder nie –.. – spä ter zu spä t wetter ausgezeichnet –.. –

Die Versammlung der Tiere im groß en Verhandlungssaal des Hochhauses bot einen denkwü rdigen Anblick. Die Raubvö gel hockten auf Stangen. Die Affen saß en auf Schaukelstü hlen, und der Orang-Utan paffte eine Zigarre. Die Fledermaus und der Fliegende Hund hingen kopfunter am Kronleuchter. Die Singvö gel wiegten sich auf dem Geweih des Hirschs und den spitzen Hö rnern der Antilope. Die Schlangen und Lurche lagen auf Teppichen. Der Skunk hatte aus den auf Seite 31 mitgeteilten Grü nden am offenen Fenster Platz genommen. Die Fische drä ngten sich, groß ä ugig und offnen Munds, hinter der hohen Glaswand des Bassins, das linker Hand den Saal abschloss. Das Marienkä ferchen kauerte, weil es kurzsichtig war, zwischen Oskars Rü ssel und der Prä sidentenglocke auf dem langen, grü n belegten Verhandlungstisch. Die Stille war so feierlich, dass das Kaninchen, weil der Floh auf dem Mandrill umherhü pfte, ä rgerlich »Pst! « machte. Hoch in der Luft wehte das Spruchband »Es geht um die Kinder! «, und drunter saß en, frisch gewaschen und gekä mmt, die fü nf kleinen Ehrengä ste. Auf den Lehnen ihrer Stü hle schillerten bunte Schmetterlinge und Kolibris, und zu ihren Fü ß en spielten Mickymaus, Babar, Ferdinand, Reineke Fuchs, der Gestiefelte Kater und die anderen Bilderbuchtiere. Die Rednertribü ne war von Mikrophonen und Fernsehkameras dicht umstellt, und als Oskar mit dem Rü ssel die Glocke schwang und rief: »Als Erstem erteile ich dem Eisbä ren Paul das Wort! «, ging es wie ein Seufzen der Erleichterung durch den Saal. »Liebe Freunde! «, rief Paul. »Ich will nicht viele Worte machen. Ich halte nichts davon. Auß erdem bin ich erkä ltet. Also – wir sind hier zusammengekommen, um den Kindern der Menschen zu helfen. Warum? Weil die Menschen selber diese ihre wichtigste Pflicht vernachlä ssigen! Wir verlangen einstimmig, dass es nie wieder Krieg, Not und Revolution geben darf! Sie mü ssen aufhö ren! Denn sie kö nnen aufhö ren! Und deshalb sollen sie aufhö ren! « An dieser Stelle brach im Saal ungeheurer Jubel los. Man stampfte mit den Hufen, schlug mit den Flü geln, klatschte mit den Flossen, klapperte mit den Schnä beln, wieherte, krä hte, zwitscherte, bellte, pfiff, rö hrte, trompetete – es war toll!
Wä hrend Pauls Erö ffnungsrede saß en die Staatsprä sidenten, in ihren Frä cken und Uniformen, im Konferenzsaal zu Kapstadt, Sü dafrika, und starrten schweigend auf die groß e, straff gespannte Leinwand des Fernsehsenders, von der aus, als stü nde er leibhaftig vor ihnen, der Eisbä r mit seiner drö hnenden, freilich recht verschnupften Stimme auf sie heruntersprach. »Wenn sich Hindernisse in den Weg stellen«, sagte er, »so kommt man nicht mit kleinen Schritten weiter. Nein, dann muss man springen! Das wissen wir Tiere; und die Menschen, die so gescheit tun, sollten es auch wissen. Heute fordern wir nun in aller Form die Vertreter der siebenundachtzigsten Konferenz der Menschen auf, das wichtigste Hindernis, das es gibt, zu ü berspringen: nä mlich die Grenzen zwischen ihren Lä ndern. Die Schranken mü ssen fallen. Sie sind... sie... sie... sind... Vorsicht... ich muss nie... nie... nie... « Und nun musste Paul, der Eisbä r, so gewaltig niesen, dass die Leinwand zerplatzte! Brillen, Orden, Staub, Stenogrammblö cke, Aschenbecher – alles wirbelte wie bei einem Taifun wild durch die Luft!
An diesem Tage saß en Schulkinder in ihren Klassenzimmern am Radio. Durch die offenen Fenster steckten die Ziegen, Kü he, Pferde und Truthä hne ihre Kö pfe und hö rten zu. Und auf den Fensterbrettern hockten Hunde, Hü hner und Katzen; denn auch sie wollten, wie sich denken lä sst, kein Wort versä umen.

telegramm an alle weit: –.. – konferenz der tiere fordert von kapstadt ende der staatsidee seltsamer Sprengstoffanschlag auf prä sidentenversammlung glimpflich verlaufen –.. – sondergesandter general zornmü ller mit flugzeug und Protestnote unterwegs –.. – sonst erster konferenztag ohne zwischenfä lle –.. –

Am Abend landete das Kapstadter Kurierflugzeug auf dem Hochhaus, und der Herr in Uniform, der aus dem Aeroplan kletterte, wurde sofort zu Oskar und seinen Freunden gebracht. Sie saß en auf dem Dachgarten. Eine Tierkapelle musizierte. Der Eisbä r trank Lindenblü tentee. »Mein Name ist General Zornmü ller«, erklä rte der Herr. Der Elefant sagte gemü tlich: »Machen Sie sich nichts draus! Schließ lich ist es nicht Ihre Schuld! « »Wenn Sie Admiral Wutmaier hieß en«, meinte der Lö we Alois, »war's auch nicht besser. « Weil die Tiere lachten, bekam Herr Zornmü ller einen puterroten Kopf. »Hier ist die Protestnote der Kapstadter Konferenz! « Er legte ein gesiegeltes Schreiben auf den Tisch. »Ich bin ermä chtigt, Ihre schriftliche Antwort entgegenzunehmen. « Die Tiere lasen die Protestnote. »Wenn ich nicht so blond wä re«, knurrte der Lö we, »kö nnte ich mich... « »Hö r auf! «, warnte der Eisbä r. »Sonst niese ich dich samt dem zornigen Herrn Mü ller vom Dach herunter! « Oskar legte das Schreiben auf den Tisch, blickte den General ernst an und sagte ruhig: »So so. Wir sollen uns nicht einmischen. Die Herren sind sich darü ber einig. « Wü tend hieb er auf die Tischplatte. »Zum ersten Mal sind sie sich einig! Und warum? Weil wir wollen, dass sie einig sind! « »Scheren Sie sich nach Kapstadt zurü ck! «, rief Leopold, die Giraffe. »Mit dem grö ß ten Vergnü gen«, meinte Herr Zornmü ller, »ich warte nur auf eine schriftliche Erklä rung Ihrerseits! « »Verschwinden Sie! «, brü llte Oskar. »Wir sind nicht zusammengekommen, um Papier voll zu klecksen, sondern um den Kindern zu helfen, verstanden? « »Gewiss«, antwortete der General, »ich bin ja nicht schwerhö rig! « Da erhob sich der Lö we Alois ganz langsam und fragte: »Soll ich Sie zu Ihrem Flugzeug bringen? « »Nicht nö tig! «, versicherte der General. Und dann hatte er es ziemlich eilig.

Bevor sie sich an diesem Abend gute Nacht sagten, schauten Paul, Alois und Oskar noch einmal ins Kinderzimmer. Sie schlichen auf Zehenspitzen, aber das war gar nicht notwendig. Die fü nf Ehrengä ste schliefen in ihren fü nf Betten wie die Murmeltiere. »Es ist schade um die Kinder«, murmelte der Lö we. Er war ganz gerü hrt. »Verzweifle nicht, du Hä uflein klein«, sagte der Eisbä r leise zu Alois, »wir werden den Herren in Kapstadt unseren Standpunkt schon noch klarmachen. « »Diese Aktenfabrikanten! «, schnaufte Oskar. »Diese Tintenkleckser! Diese Leitzordner! Diese zweibeinigen Bü roschemel! Diese... Nanu, Mä xchen, was machst du denn hier? « »Ich? «, piepste die Maus. »Erst hab ich nachgeschaut, ob mein kleiner Chinese schö n zugedeckt ist, und dann hab ich mich ein bisschen mit der Mickymaus unterhalten. Wenn sie auch nur aus Pappe ist – schließ lich sind wir ja verwandt miteinander! «
Plö tzlich lief Max, die Maus, wie der Blitz an dem Elefanten empor und wisperte ihm etwas ins Ohr. »Donnerwetter! «, sagte der. »Das ist deiner Pappkusine eingefallen? « Dann beugte er sich zu Alois und flü sterte diesem etwas ins Ohr. Dann beugte sich der Lö we zum Eisbä ren und sprach leise auf ihn ein. Und dann lä chelten allesamt verschmitzt. Endlich meinte Oskar: »Wird gemacht! Ich telefoniere sofort mit Sü dafrika! Die Herren werden morgen frü h die Augen nicht schlecht aufreiß en! «

Am nä chsten Morgen bot sich in Kapstadt ein erstaunliches Schauspiel. Aus allen Himmelsrichtungen strö mten Mä use und Ratten in die Stadt. Die Autos und Straß enbahnen blieben stecken. Die Menschen flohen in die Hä user und auf die Dä cher. Es war wie eine Springflut! Die Tiere blickten nicht rechts, noch links. Ihr Ziel war das gewaltige weiß e Gebä ude, in dem gerade die Konferenzmitglieder Platz genommen hatten. Millionenweise strö mten die Nagetiere die Stufen hinauf durch Tü ren und Fenster und ü ber Balkone, endlos und unaufhaltsam, einem unbekannten Befehl gehorchend.
Den Menschen, die es sahen, blieb fast das Herz stehen...
Schon nach wenigen Minuten waren die Zimmer, Korridore und Sä le nicht wieder zu erkennen. Sä mtliche Akten der Konferenzteilnehmer, der Kommissionen, Unterkommissionen, Referenten und Sekretä re lagen in Fetzen am Boden. Kein Stü ck Papier blieb verschont. Im groß en Verhandlungssaal sah es aus, als sei eine Papierlawine niedergegangen. Einige der Anwesenden blickten gerade noch mit der Nasenspitze aus den Aktenschnitzeln heraus. So schnell sie gekommen waren, verschwanden die Mä use und Ratten wieder. Und nun erschien auf der Fernsehleinwand Alois, der Lö we, und seine Stimme sprach: »Es musste sein. Eure Akten waren eurer Vernunft im Wege. Jetzt ist der Weg frei. Wir verlangen, dass ihr euch einigt. Es geht um die Kinder! «

telegramm an alle weit: –.. – gesamtes aktenmaterial der kapstadter konferenz durch mä useplage vernichtet –.. – fortfü hrung der Verhandlungen dadurch ernstlich in frage gestellt –.. – konferenz der tiere stellt ultimative forderung –.. – geheime beratungen im gange –.. – ablehnung des Ultimatums selbstverstä ndlich –.. –..

Nachdem die Mä use in den Kapstadter Palast eingedrungen waren und sä mtliche Akten vernichtet hatten, war es ein paar Photographen auf der Pressetribü ne gelungen, mehrere Aufnahmen von dem merkwü rdigen Durcheinander zu machen. Die Photos erschienen noch in allen Abendblä ttern, und in sä mtlichen Hauptstä dten der Erde sah man vergnü gte Gesichter.
Mittlerweile saß en die Staatsmä nner in Kapstadt zusammen, kauten vor Wut an den Fingernä geln und schä mten sich. Da trat General Zornmü ller, aufrecht wie immer, in den Saal und sagte: »Alles in Ordnung, meine Herren Staatshä upter! Die Flugzeuge mit den Kopien und Abschriften aller vernichteten Akten sind unterwegs. Die morgige Sitzung kann ungehindert stattfinden. « »Wir danken Ihnen, Feldmarschall Zornmü ller! «, antworteten die Prä sidenten.
Wä hrend General Zornmü ller auf diese Weise zum Feldmarschall ernannt wurde, flogen Hunderte von groß en Flugzeugen aus allen Richtungen der Erde nach Kapstadt in Sü dafrika. Und die letzte Radiomeldung des Abends lautete: »Die Kopien der vernichteten Akten sind aus den Staatsarchiven eingetroffen. Militä r wird die Aktenschrä nke bewachen und im Notfalle von den Waffen Gebrauch machen. «
»Das war ein kurzes Vergnü gen«, brummte Paul, der Eisbä r, der mit den anderen im Hochhaus der Tiere am Radio saß. »Sie sind uns ü ber«, klagte der Tapir Theodor. »Kunststü ck! «, trompetete Oskar. »Mit ihren fliegenden Festungen, mit ihrer Infanterie und Artillerie! Fä llt euch nichts ein? Gar nichts? Max, dir auch nicht? Freunde, lasst uns nachdenken! « Und so zogen sie ernste Gesichter und dachten nach...
Darü ber verging eine Stunde. Dann erklä rte die Giraffe Leopold mit hoher, leiser Stimme: »Die meisten Menschen sind, glaub ich, viel netter und vernü nftiger, als wir denken. Es liegt im Grunde an den Akten und am Militä r. « »Dazu hä ttest du nicht so lange nachzudenken brauchen«, sagte Julius, das Kamel, »das wussten wir schon vor einer Stunde! « »Ist den anderen auch nichts eingefallen? «, fragte Oskar. »Freunde, denkt weiter nach! « »Na schö n«, murmelten alle. Und dachten weiter nach...
Darü ber verging wieder eine Stunde. Sie waren schon ganz mü de vor lauter Nachdenken. »Die Akten und die Uniformen«, rief plö tzlich Reinhold, der Stier, »nur daran liegt's! « »Du merkst aber auch alles! «, knurrte der Eisbä r. Und das Kamel sagte: »Das wussten wir schon vor zwei Stunden. « »Freunde«, bat Oskar, »denkt weiter nach! Wenn keinem von uns etwas einfä llt, sind wir... « Plö tzlich zeigte Gustav, das Kä nguru, auf die Motte, die gegen die Lampe flog, und flü sterte: »Ich hab's! «

Am Morgen des dritten Konferenztages war in Kapstadt alles wieder auf seinem Platz: die Staatshä upter, die Akten, die Schrä nke, die Mikrophone, die Fernsehleinwand, die Notizblö cke, die Schreibmaschinen, das Durchschlagpapier und die harten und weichen Radiergummis. An den Aktenschrä nken, ja sogar an jeder Aktenmappe stand ein Soldat mit geladenem Gewehr. An der Tü r, auf den Gä ngen, an den Treppen und vor dem Portal hatten Artilleristen ihre Kanonen postiert. Und Feldmarschall Zornmü ller hatte so viel echtes Gold an der Uniform, dass er sich auf seinen Sä bel stü tzen musste, um nicht zusammenzubrechen. Weil es plö tzlich so dunkel im Saale wurde, als ob ein schweres Gewitter heraufzö ge, steckte der Feldmarschall den Kopf aus dem Fenster. »Was ist denn das schon wieder? «, fragte er ä rgerlich. Der Himmel war voller Wolken, die mit rasender Geschwindigkeit nä her und nä her kamen...
Um es gleich zu sagen: Es waren Motten! Diese sausenden Mottenwolken schwirrten, alles verdunkelnd, durch die Fenster und Tü ren und sanken, sich teilend, wie dichte graue Schleier auf jeden herab, der eine Uniform trug. Denen, doch auch den Zivilisten, die verschont blieben, stockte der Atem. In diesem Augenblick wurde auf der Fernsehleinwand Reinhold, der Stier, sichtbar. »Eure Uniformen«, rief er, »stehen der Einigkeit und der Vernunft im Wege! Nicht nur in diesem Saal, sondern auf der ganzen Welt! Sie mü ssen verschwinden! Nicht nur in diesem Saal, sondern auf der ganzen Welt! Wir verlangen, dass ihr euch einigt! Es geht um die Kinder! « So schnell, wie sie gekommen waren, schwebten die Wolken wieder hoch, fort durch Fenster und Tü ren, empor zum Himmel, immer weiter weg, bis die Sonne wieder schien und man denken konnte, das Ganze sei nur ein Traum gewesen! Wenn man sich aber im Saal umsah und die Soldaten betrachtete, die neben den Kanonen und die mit den Schieß gewehren, merkte man, dass es beileibe kein Traum gewesen war... Sie sahen toll aus... Von Feldmarschall Zornmü ller wollen wir gar nicht erst reden. Er hatte nur noch seinen Sä bel an...
Nicht nur im Konferenzsaal zu Kapstadt, Sü dafrika, sondern auf dem gesamten Planeten mü ssten die Uniformen verschwinden, hatte Reinhold, der Stier, gesagt. Und die Motten hielten, was er versprochen hatte! Kein Land, keine Kaserne, kein Uniformrock blieb verschont. Ü berall sanken die Wolle fressenden Wolken silbergrauer Motten aus dem Himmel auf die Erde herab. Und weil die Motten die Uniformen nicht zu unterscheiden wussten, mussten nicht nur die Soldaten, sondern auch die Briefträ ger, Stationsvorsteher, Hotelportiers und Straß enbahnschaffner dran glauben!

telegramm an alle weit: –.. – kapstadter konferenz zum zweiten Mal unterbrochen –.. – mottenplage vernichtet alle uniformen –.. – zweites ultimatum der tiere –.. – geheime beratungen im gange achtung, achtung! zwanzig uhr erklä rung der konferenz ü ber alle sender –.. – es spricht sonderbeauftragter zornmü ller

Am Abend, Punkt 20 Uhr, stand Herr Zornmü ller in einer funkelnagelneuen Uniform vor einem Wald von Mikrophonen und erklä rte: »Namens aller in Kapstadt versammelten Staatsmä nner lehnt die Konferenz das Ansinnen der Tiere ab. Schon morgen werden alle Soldaten der Erde neue Uniformen tragen! Und was die Hauptsache ist: In Kanonen und Granaten kö nnen weder Motten, noch Heuschrecken, noch Krokodile Lö cher fressen! Das soll man sich im Hochhaus der Tiere gesagt sein lassen! Und wenn die Welt voll Motten war – uns schreckt das nicht! Wenn wir keine Uniformen mehr besitzen, werden wir uns die Regimentsnummern und Rangabzeichen auf die Haut malen! Verstanden? Die Tiere wollen uns Menschen zur Einigkeit zwingen. Das wird ihnen nicht gelingen! Darin sind sich alle Staatsmä nner in Kapstadt einig! Und der Wille der Staatsmä nner, darü ber sollte keinerlei Zweifel herrschen, ist der Wille der Menschheit! «
Als die Tiere in ihrem Hochhaus diese Erklä rung angehö rt hatten, waren sie sehr niedergeschlagen. Und Julius, das Kamel, sagte: »Es hat keinen Sinn. Wir sollten wieder nach Hause fahren. Ich reise morgen. Was gehen uns die Menschen an! Sollen sie sich doch zugrunde richten, wenn's ihnen Spaß macht! « Da bekam Oskar, der Elefant, einen Wutanfall. »Die Menschen«, brü llte er, »die Menschen kö nnen uns gestohlen bleiben, du Schaf! Es geht doch nur um ihre Kinder! « »Erlaube mal«, sagte Julius gekrä nkt, »ich bin kein Schaf. « »Nein, du Kamel! «, antwortete Oskar und knallte die Tü r ins Schloss... Er ging ins Kinderzimmer, riegelte sich ein und ging stundenlang auf Zehenspitzen zwischen den fü nf kleinen Betten hin und her. Dann setzte er sich auf einen Stuhl, seufzte und dachte die halbe Nacht nach.
Der Tag, der dieser Nacht folgte – der vierte Tag der siebenundachtzigsten Konferenz der Staatsmä nner und zugleich der ersten und letzten Konferenz der Tiere –, dieser Tag wird fü r immer in den Geschichtsbü chern als »der grö ß te Schreckenstag der Menschheit« verzeichnet bleiben und von niemandem, der ihn miterlebt hat, jemals vergessen werden. Was war geschehen? Man wagt es kaum zu sagen: Die Kinder waren verschwunden! Sä mtliche Kinder sä mtlicher Menschen waren fort! Die Babys lagen nicht mehr in der Wiege. Die Kinderbetten waren leer. Die Schulen blieben ausgestorben. Nirgends hö rte man ein Kinderlachen, nirgends ein Weinen. Die Eltern und Lehrer und alle Erwachsenen waren allein auf der Erde. Ganz kinderseelenallein. Da begannen sie zu schreien, zu rufen, auf die Straß en zu rennen, zum Rathaus, einander zu fragen, zu weinen, zu wü ten und zu beten. Aber es nü tzte ihnen nichts. Gar nichts... Herr Wagenthaler, der Nachtwä chter in der Fahrradfabrik, sagte, er habe im Morgengrauen gesehen, wie von Grubers Dach ein groß er Vogel aufgestiegen sei, mit einem Bü ndel in den Fä ngen. Und – ja, auch daran erinnere er sich jetzt – etwas spä ter habe er aus dem Birkenwä ldchen Kinderstimmen herü berklingen gehö rt, die sich allmä hlich entfernt hä tten! Ob es nun stimmte oder nicht, das war alles, was man wusste. Es nü tzte so und so nichts. Die Kinder, alle Kinder auf der ganzen Welt, waren wie vom Erdboden verschwunden...
Vor dem Konferenzgebä ude in Kapstadt, Sü dafrika, stauten sich Zehntausende verzweifelter Menschen. Sie standen stumm. Sie waren viel zu traurig, um zu schreien und zu schimpfen. Doch gerade die unheimliche Stille auf dem ü berfü llten Platz tat ihre besondere Wirkung. Die Artilleristen bewachten zwar noch das Portal. Aber sie hatten ihre Kanonen umgedreht. Die Mü ndungen waren jetzt auf das Gebä ude gerichtet. Denn auch Artilleristen haben Kinder...
Im groß en Verhandlungssaal saß en die Staatsmä nner auf ihren Plä tzen und blickten ratlos auf ihre Notizblö cke. Auch hier fiel kein Wort. Auch ihre Kinder und Enkel waren ja verschwunden! Feldmarschall Zornmü ller biss sich auf den Schnurrbart. Wo mochte jetzt der kleine Philipp sein, sein jü ngster Enkel, der spä ter einmal sein Nachfolger und mindestens Generaladmiral oder Admiralgeneral hä tte werden sollen? Plö tzlich knackte es im Lautsprecher, und eine etwas heisere Stimme rief: »Achtung, Achtung! In einer Minute wird aus dem Hochhaus der Tiere eine wichtige Erklä rung abgegeben. Oskar, der Elefant, spricht ü ber alle Sender zur Menschheit! «
Die Rede, die Oskar, der Elefant, im Kreise der Tierdelegierten hielt und in der er sich an alle Menschen wandte, war kurz und lautete folgendermaß en: »Seit heute frü h sind alle eure Kinder spurlos verschwunden. Diese Maß nahme ist uns nicht leicht gefallen. Denn auch wir sind Eltern, fü hlen mit euch und hä tten euch den Schmerz gern erspart. Aber wir wussten uns keinen anderen Rat mehr. Nicht wir sind schuld, dass es dazu kam, sondern eure Staatsmä nner. Bedankt euch bei ihnen. Unsere Geduld ist erschö pft. Wir wollen und werden nicht lä nger tatenlos zusehen, wie eure Regierungen eure Kinder, die wir lieben, und deren Zukunft, die uns am Herzen liegt, immer von neuem durch Zank, Krieg, Hinterlist und Geiz aufs Spiel setzen und ruinieren. In euren Gesetzbü chern gibt es eine Bestimmung, dass man Eltern, die nichts taugen, entmü ndigen kann, das heiß t: dass man ihnen ihre Kinder fortnehmen und geeigneteren Erziehern ü bergeben darf. Wir haben von diesem Gesetz Gebrauch gemacht und eure Regierungen entmü ndigt. Sie sind ihrer Aufgabe seit Jahrhunderten nicht mehr wü rdig, und nun ist es genug. Wir haben seit heute frü h die Verantwortung fü r eure Kinder ü bernommen, und ihr werdet sie nicht eher zurü ckbekommen, als bis sich eure Regierungen untereinander vertraglich verpflichtet haben, die Welt vernü nftig und anstä ndig zu verwalten. Sollten sich die Staatsmä nner weigern, so werdet ihr wissen, warum ihr eure Kinder nie mehr wieder seht. Mehr habe ich euch nicht zu sagen. Die erste und letzte Konferenz der Tiere hat, so gut sie es vermochte, ihre Pflicht getan. Heute Abend sechs Uhr ist sie zu Ende. Vorschlä ge aus Kapstadt werden nur bis zu diesem Zeitpunkt entgegengenommen, geprü ft und beantwortet. Tut, was ihr wollt. Wir tun, was wir mü ssen. «
Nach diesen Worten verließ Oskar die Rednertribü ne. Die ü brigen Delegierten nickten ihm ernst und anerkennend zu.

telegramm an alle weit: –.. – sä mtliche Kinder spurlos verschwunden –.. – drittes und letztes ultimatum der tiere –.. – konferenz in kapstadt mit sofortverhandlungen einverstanden –.. – sonderflugzeuge bereits unterwegs, um tierdelegation abzuholen –.. – spä testens dreizehn uhr mit eintreffen der delegation in kapstadt zu rechnen –.. – bitte an alle eltern, ruhe zu bewahren –

Der Flug nach Kapstadt verging schneller als hinterdrein die Autofahrt durch die von Menschen bis zum Bersten angefü llten Straß en. Alle wollten Oskar, Paul, Leopold, Alois und Max sehen. Max, die Maus, saß ganz allein im letzten Wagen, hoch auf vier Kissen, und verbeugte sich nach allen Seiten. Im Groß en Verhandlungssaal wurden die fü nf feierlich empfangen. Feldmarschall Zornmü ller war ihnen zu Ehren in Zivil erschienen und fü hrte sie zum Verhandlungstisch. »Meine Herren Menschen«, sagte Oskar, »– nicht so viel Umstä nde, wenn wir bitten dü rfen. Unsere Zeit ist kostbar. Und Ihre Zeit leider auch. « Er nahm Platz. »Wo sind unsere Kinder? «, fragte ein Staatsprä sident schü chtern. Paul, der Eisbä r, gab nur zur Antwort: »Es geht ihnen gut. « Dann begannen die Verhandlungen.

Paul, der Eisbä r, hatte nicht gelogen: Es ging den Kindern rechtschaffen gut. Vom Erdboden waren sie natü rlich nicht verschwunden. So etwas bringen auch die klü gsten Tiere nicht fertig. Man hatte sie ganz einfach versteckt. In Hö hlen und Grotten, die kein Mensch kennt. Auf Inseln und Atollen, die auf keiner Land- oder Seekarte eingezeichnet sind. In halb verwehten Oasen. In versunkenen Stä dten. Auf gestrandeten Schiffen. In zerfallenen Palä sten und Ritterburgen. Auf einsamen Bergwiesen. In Wä ldern und Dschungeln. In Walfischen. In zerborstenen Tempeln. In verlassenen Pfahlbauten, Bergwerken und Weinkellereien. In Adlerhorsten, Taubenschlä gen, Dachsbauten und in den Beuteln der Kä ngurus. Manche Kinder, vor allem die ganz kleinen, hatten zunä chst etwas Angst und ein bisschen Heimweh. Aber die Tiere waren allesamt so nett zu ihnen, dass sogar die Babys ihren Kummer vergaß en. Die Kü he und Ziegen kamen angetrabt und brachten frische, noch warme Milch. Die Bä ren brachten Bienenhonig. Die Affen und Makis schü ttelten Kokosnü sse und Datteln aus den Palmwipfeln, Weintrauben gab's, Bananen, Apfelsinen, Himbeeren, Zuckerrohr, Ananas, Erdbeeren, Brombeeren, wilde Kirschen, Pfirsiche, Sauerampfersalat, Sonnenblumenkerne, Maiskolben, Rettiche, Feigen, Spargelspitzen, Reis, Tomaten, Frikassee aus Jasminblü ten, Thymian und Waldmeister – die Mahlzeiten waren wirklich sehr abwechslungsreich. Und Spiele gab's auch im Ü berfluss. Man spielte mit den Tierjungen, ritt huckepack auf den Eseln, Rehen und Wildschweinen, schwamm mit den Schwä nen und Delphinen, kletterte mit den Affen und Eichhö rnchen schwindelhoch, spielte mit den Bü ffeln und Zebus Blindekuh und mit den Libellen und Zwergnilpferden Schnelle Post. Ehe man sich's versah, war der Tag herum! Und als sie sich im Wald, in den Hö hlen, auf den Schiffen und in den Tempelhö fen schlafen legten, dachten fast alle Kinder: Hoffentlich dauert der Streit zwischen den Tieren und unseren Eltern noch recht lange!
Die Eltern dachten anders. In dieser stummen, kinderlosen Nacht konnte auf der ganzen Erde kein Erwachsener schlafen. Die Vä ter lehnten an den Fenstern und blickten ratlos zum Monde empor, der vom Leid der Menschen unberü hrt ü bers Firmament hinzog. Die Mü tter saß en an den leeren Kinderbetten und Wiegen, und ihre Trä nen tropften die Kissen nass. Und die alten Groß eltern hockten kopfschü ttelnd im Ohrensessel. Es war fü r alle die schlimmste Nacht ihres Lebens.
Die Verhandlung zwischen den Staatshä uptern und den Tieren ging auch wä hrend der Nacht weiter. Die Minister und Prä sidenten sahen blass, verstö rt und unrasiert aus. Aber Oskar hatte kein Mitleid mit ihnen und blieb unerbittlich. Plö tzlich zersplitterte ein Fenster. Ein Stein fiel auf den Verhandlungstisch. An dem Stein war ein Zettel festgebunden. Auf dem Zettel stand: »Es geht um die Kinder, nicht um die Staatshä upter! « »Sehr richtig! «, piepste die Maus.
Wä hrenddem wachten vieltausend Tiere ü ber den Schlaf der Kinder. Der Lö we Hasdrubal, der Vetter von Alois' Frau, saß im Mondschein ü ber einem Rechenbuch fü r die erste Schulklasse und bü ffelte, obwohl er ein Lö we war. Wenn die Kinder lä nger bleiben sollten, musste sie doch jemand unterrichten! »Dass ich, Hasdrubal, der Wü stenschreck, noch einmal Volksschullehrer werden wü rde, hä tte ich bis gestern nicht fü r mö glich gehalten«, sagte er zum Gnu. »Wie viel ist drei mal vier? «

 

»Weiß ich nicht«, antwortete das Gnu, »frag doch die Kinder! Wo ist eigentlich dein Toupet hingeraten? «
»Weiß ich nicht«, sagte der Lö we und grinste. »Frag doch die Kinder! «

Am nä chsten Morgen, als die Sonne heraufkam, saß en die Tiere mit den Staatshä uptern noch immer am Tisch. Alois gä hnte und riss dabei das Maul so weit auf, dass Herr Zornmü ller erschrocken wegrü ckte. Oskar sagte: »Wir geben Ihnen noch zwei Minuten Zeit. Wenn Sie dann nicht unterschreiben, gehe ich auf den Balkon und halte eine kurze Ansprache an die vorm Palast versammelten Menschen. Ich vermute, dass Sie nach meiner kleinen Rede nicht mehr lange regieren werden. « Da endlich zogen die Herren die Fü llfederhalter heraus und unterzeichneten den Vertrag.
Die Tiere hatten gesiegt!
Der Vertrag, den die Staatshä upter unterschrieben, lautete: »Wir, die verantwortlichen Vertreter aller Lä nder der Erde, verpflichten uns mit Leben und Vermö gen zur Durchfü hrung folgender Punkte: 1. Alle Grenzpfä hle und Grenzwachen werden beseitigt. Es gibt keine Grenzen mehr. 2. Das Militä r und alle Schuss- und Sprengwaffen werden abgeschafft. Es gibt keine Kriege mehr. 3. Die zur Aufrechterhaltung der Ordnung erforderliche Polizei wird mit Pfeil und Bogen ausgerü stet. Sie hat vornehmlich darü ber zu wachen, dass Wissenschaft und Technik ausschließ lich im Dienst des Friedens stehen. Es gibt keine Mordwissenschaften mehr. 4. Die Zahl der Bü ros, Beamten und Aktenschrä nke wird auf das unerlä ssliche Mindestmaß herabgeschraubt. Die Bü ros sind fü r die Menschen da, nicht umgekehrt. 5. Die bestbezahlten Beamten werden in Zukunft die Lehrer sein. Die Aufgabe, die Kinder zu wahren Menschen zu erziehen, ist die hö chste und schwerste Aufgabe. Das Ziel der echten Erziehung soll heiß en: Es gibt keine Trä gheit des Herzens mehr! « Wie gesagt, das unterschrieben alle Staatshä upter...
Als die Menschen durch den Rundfunk erfuhren, dass ihre Staatshä upter den Tieren nachgegeben und den ewigen Friedensvertrag feierlich unterzeichnet hä tten, brach ein solcher Jubel auf der Erde aus, dass sich die Erdachse um einen halben Zentimeter verbog. Und als die Eltern hö rten, die Kinder kä men zurü ck, sobald alle Grenzpfä hle beseitigt wä ren, liefen sie im Dauerlauf an die Grenzen und sä gten sä mtliche Pfä hle und Barrieren kurz und klein. Wo frü her die Sperren gewesen waren, errichteten sie Blumenpforten und zogen Girlanden. Sogar die Polizei half tü chtig mit. Und nun gab es kein Hü ben und Drü ben mehr, und alle schü ttelten einander die Hä nde. Und da kamen auch schon alle ihre Kinder wieder! Es war ein Umarmen und Lachen und Weinen, natü rlich vor lauter Freude, wie noch nie auf der Welt. Und als gleich nach den Kindern die Staatshä upter einzogen, wurden auch sie umarmt und geherzt. Es war ein Aufwaschen. Sogar Herr Zornmü ller kriegte einen Kuss auf die Backe. Er tat, als ob ihm das gar nicht recht sei, und gab deshalb dem jungen Mä dchen den Kuss rasch wieder zurü ck. Das junge Mä dchen nahm es ihm aber nicht etwa ü bel, sondern sagte lachend: »Sie sollten nicht Zornmü ller, sondern Schlaumeier heiß en! «

Am Freitag darauf trafen sich Oskar, Alois und Leopold wieder, wie freitags immer, zum Abendschoppen am Tsadsee in Nordafrika. »So eine Konferenz ist eine anstrengende Sache«, brummte Oskar, der Elefant, »alle Wetter! Ich habe mich heute frü h beim Baden gewogen. Wisst ihr, wie viel ich abgenommen habe? Vierhundert Pfund! « »Macht nichts«, meinte die Giraffe, »die schlanke Linie ist modern. « Dabei blickte sie neugierig in die Luft. Denn hoch ü ber ihnen kehrten gerade die letzten Vö gel, Flugzeuge und fliegenden Teppiche von der Tierkonferenz nach Hause zurü ck. »Dass ich mich nicht schwarz geä rgert habe«, knurrte der Lö we, »ist ein wahres Wunder! « »Dass wir die Menschen zur Vernunft gebracht haben, ist ein noch viel grö ß eres Wunder«, sagte Oskar. »Habt ihr auch gehö rt, dass sie uns zu Ehren-Erdenbü rgern ernennen wollen? «, fragte Leopold. »Das wird sich auch so gehö ren! «, erklä rte Alois stolz. »Mir zu Ehren wollen sie eine Straß e Leopoldstraß e nennen«, erklä rte die Giraffe und reckte ihren Hals noch hö her als sonst. »Werdet bloß nicht albern! «, trompetete der Elefant. »Wir taten's ihrer Kinder wegen. Deren Glü ck ist mir Ehre und Ruhm genug! « Dann hustete er verlegen, verabschiedete sich und rannte nach Hause, weil er seine Elefä ntchen ins Bett bringen musste.

Damit ist unsere Geschichte zu Ende. Oder fehlt noch etwas? Natü rlich fehlt noch etwas! Stellt euch vor: Tags darauf, am Sonnabend, kam in Sü daustralien der Regenwurm Fridolin aus der Erde gekrochen, schleppte sich mü de durch den Sand und rief in einem fort: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! « Das hö rte eine Heuschrecke im Vorü bersurren, landete und fragte: »Was faselst du da? « »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere! «, keuchte Fridolin. Die Heuschrecke betrachtete den Regenwurm ironisch. Dann sagte sie: »Das nä chste Mal musst du frü her aufstehen, mein Lieber. Die Konferenz ist ja lä ngst gewesen! « »So ein Pech! «, meinte Fridolin. »Und ich habe mich so beeilt! « Damit begann er sich auch schon wieder in die Erde einzubuddeln. »Wo willst du denn hin? «, fragte die Heuschrecke. Fridolins Kopf war nur noch halb zu sehen. »Dumme Frage! «, brabbelte er. »Nach Hause! Ich wohne doch auf der anderen Hä lfte der... « Und schon war er verschwunden.

 



  

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