Хелпикс

Главная

Контакты

Случайная статья





Der Sieg. Das Puppenreich



Der Sieg

Nicht lange dauerte es, als Marie in der mondhellen Nacht durch ein seltsames Poltern geweckt wurde, das aus einer Ecke des Zimmers zu kommen schien. Es war, als wü rden kleine Steine hin und her geworfen und gerollt, und recht widrig pfiff und quiekte es dazwischen. " Ach die Mä use, die Mä use kommen wieder", rief Marie erschrocken, und wollte die Mutter wecken, aber jeder Laut stockte, ja sie vermochte kein Glied zu regen, als sie sah, wie der Mausekö nig sich durch ein Loch der Mauer hervorarbeitete, und endlich mit funkelnden Augen und Kronen im Zimmer herum, dann aber mit einem gewaltigen Satz auf den kleinen Tisch, der dicht neben Mariens Bette stand, heraufsprang. " Hi — hi — hi — muß t mir deine Zuckererbsen — deinen Marzipan gehen, klein Ding — sonst zerbeiß ich deinen Nuß knacker — deinen Nuß knacker! " — So pfiff Mausekö nig, knapperte und knirschte dabei sehr hä ß lich mit den Zä hnen, und sprang dann schnell wieder fort durch das Mauerloch. Marie war so geä ngstet von der graulichen Erscheinung, daß sie den andern Morgen ganz blaß aussah, und im Innersten aufgeregt, kaum ein Wort zu reden vermochte. Hundertmal wollte sie der Mutter oder der Luise, oder wenigstens dem Fritz klagen, was ihr geschehen, aber sie dachte: " Glaubt's mir denn einer, und werd ich nicht obendrein tü chtig ausgelacht? " — Das war ihr denn aber wohl klar, daß sie um den Nuß knacker zu retten, Zuckererbsen und Marzipan hergeben mü sse. So viel sie davon besaß, legte sie daher den andern Abend hin vor der Leiste des Schranks. Am Morgen sagte die Medizinairä tin: " Ich weiß nicht, woher die Mä use mit einemmal in unser Wohnzimmer kommen, sieh nur, arme Marie! sie haben dir all dein Zuckerwerk aufgefressen. " Wirklich war es so. Den gefü llten Marzipan hatte der gefrä ß ige Mausekö nig nicht nach seinem Geschmack gefunden, aber mit scharfen Zä hnen benagt, so daß er weggeworfen werden muß te. Marie machte sich gar nichts mehr aus dem Zuckerwerk, sondem war vielmehr im Innersten erfreut, da sie ihren Nuß knacker gerettet glaubte. Doch wie ward ihr, als in der folgenden Nacht es dicht an ihren Ohren pfiff und quiekte. Ach der Mausekö nig war wieder da, und noch abscheulicher, wie in der vorvorigen Nacht, funkelten seine Augen, und noch widriger pfiff er zwischen den Zä hnen. " Muß t mir deine Zucker-, deine Dragantpuppen geben, klein Ding, sonst zerbeiß ich deinen Nuß knacker, deinen Nuß knacker", und damit sprang der grauliche Mausekö nig wieder fort — Marie war sehr betrü bt, sie ging den andern Morgen an den Schrank, und sah mit den wehmü tigsten Blicken ihre Zucker- und Dragantpü ppchen an. Aber ihr Schmerz war auch gerecht, denn nicht glauben magst du's, meine aufmerksame Zuhö rerin Marie! was fü r ganz allerliebste Figü rchen aus Zucker oder Dragant geformt die kleine Marie Stahlbaum besaß. Nä chstdem, daß ein sehr hü bscher Schä fer mit seiner Schä ferin eine ganze Herde milchweiß er Schä flein weidete, und dabei sein muntres Hü ndchen herumsprang, so traten auch zwei Briefträ ger mit Briefen in der Hand einher, und vier sehr hü bsche Paare, sauber gekleidete Jü nglinge mit ü beraus herrlich geputzten Mä dchen schaukelten sich in einer russischen Schaukel. Hinter einigen Tä nzern stand noch der Pachter Feldkü mmel mit der Jungfrau von Orleans, aus denen sich Marie nicht viel machte, aber ganz im Winkelchen stand ein rotbä ckiges Kindlein, Mariens Liebling, die Trä nen stü rzten der kleinen Marie aus den Augen. " Ach", rief sie, sich zu dem Nuß knacker wendend, " lieber Herr Droß elmeier, was will ich nicht alles tun, um Sie zu retten; aber es ist doch sehr hart! " Nuß knacker sah indessen so weinerlich aus, daß Marie, da es ü berdem ihr war, als sä he sie Mausekö nigs sieben Rachen geö ffnet, den unglü cklichen Jü ngling zu verschlingen, alles aufzuopfern beschloß. Alle Zuckerpü ppchen setzte sie daher abends, wie zuvor das Zuckerwerk, an die Leiste des Schranks. Sie kü ß te den Schä fer, die Schä ferin, die Lä mmerchen, und holte auch zuletzt ihren Liebling, das kleine rotbä ckige Kindlein von Dragant aus dem Winkel, welches sie jedoch ganz hinterwä rts stellte. Pachter Feldkü mmel und die Jungfrau von Orleans muß ten in die erste Reihe. " Nein das ist zu arg, rief die Medizinalrä tin am andern Morgen. " Es muß durchaus eine groß e garstige Maus in dem Glasschrank hausen, denn alle schö ne Zuckerpü ppchen der armen Marie sind zernagt und zerbissen. " Marie konnte sich zwar der Trä nen nicht enthalten, sie lä chelte aber doch bald wieder, denn sie dachte: " Was tut's, ist doch Nuß knacker gerettet. " Der Medizinalrat sagte am Abend, als die Mutter dem Obergerichtsrat von dem Unfug erzä hlte, den eine Maus im Glasschrank der Kinder treibe: " Es ist doch aber abscheulich, daß wir die fatale Maus nicht vertilgen kö nnen, die im Glasschrank so ihr Wesen treibt, und der armen Marie alles Zuckerwerk wegfriß t. " " Ei", fiel Fritz ganz lustig ein: " der Bä cker unten hat einen ganz vortrefflichen grauen Legationsrat, den will ich heraufholen. Er wird dem Dinge bald ein Ende machen, und der Maus den Kopf abbeiß en, ist sie auch die Frau Mauserinks selbst, oder ihr Sohn, der Mausekö nig. " " Und", fuhr die Medizinalrä tin lachend fort, " auf Stü hle und Tische herumspringen, und Glä ser und Tassen herabwerfen und tausend andern Schaden anrichten. " " Ach nein doch", erwiderte Fritz, " Bä ckers Legationsrat ist ein geschickter Mann, ich mö chte nur zierlich auf dem spitzen Dach gehen kö nnen, wie er. " " Nur keinen Kater zu Nachtzeit", bat Luise, die keine Katzen leiden konnte. " Eigentlich", sprach der Medizinalrat, " eigentlich hat Fritz recht, indessen kö nnen wir ja auch eine Falle aufstellen; haben wir denn keine? " — " Die kann uns Pate Droß elmeier am besten machen, der hat sie ja erfunden", rief Fritz. Alle lachten, und auf die Versicherung der Medizinalrä tin, daß keine Falle im Hause sei, verkü ndete der Obergerichtsrat, daß er mehrere dergleichen besitze, und ließ wirklich zur Stunde eine ganz vortreffliche Mausfalle von Hause herbeiholen. Dem Fritz und der Marie ging nun des Paten Mä rchen von der harten Nuß ganz lebendig auf. Als die Kö chin den Speck rö stete, zitterte und bebte Marie, und sprach ganz erfü llt von dem Mä rchen und den Wunderdingen darin, zur wohlbekannten Dore: " Ach Frau Kö nigin, hü ten Sie sich doch nur vor der Frau Mauserinks und ihrer Familie. " Fritz hatte aber seinen Sä bel gezogen, und sprach: " Ja die sollten nur kommen, denen wollt ich eins auswischen. " Es blieb aber alles unter und auf dem Herde ruhig. Als nun der Obergerichtsrat den Speck an ein feines Fä dchen band, und leise, leise die Falle an den Glasschrank setzte, da rief Fritz: " Nimm dich in acht, Pate Uhrmacher, daß dir Mausekö nig keinen Possen spielt. " — Ach wie ging es der armen Marie in der folgenden Nacht! Eiskalt tupfte es auf ihrem Arm hin und her, und rauh und ekelhaft legte es sich an ihre Wange, und piepte und quiekte ihr ins Ohr. — Der abscheuliche Mauskö nig saß auf ihrer Schulter, und blutrot geiferte er aus den sieben geö ffneten Rachen, und mit den Zä hnen knatternd und knirschend, zischte er der vor Grauen und Schreck erstarrten Marie ins Ohr: " Zisch aus — zisch aus, geh nicht ins Haus — geh nicht zum Schmaus — werd nicht gefangen — zisch aus — gib heraus, gib heraus, deine Bilderbü cher all, dein Kleidchen dazu, sonst hast keine Ruh — magst's nur wissen, Nuß knackerlein wirst sonst missen, der wird zerbissen — hi hi — pi pi — quiek quiek! " — Nun war Marie voll Jammer und Betrü bnis — sie sah ganz blaß und verstö rt aus, als die Mutter am andern Morgen sagte: " Die bö se Maus hat sich noch nicht gefangen", so daß die Mutter in dem Glauben, daß Marie um ihr Zuckerwerk traure, und sich ü berdem vor der Maus fü rchte, hinzufü gte: " Aber sei nur ruhig, liebes Kind, die bö se Maus wollen wir schon vertreiben. Helfen die Fallen nichts, so soll Fritz seinen grauen Legationsrat herbeibringen. " Kaum befand sich Marie im Wohnzimmer allein, als sie vor den Glasschrank trat, und schluchzend also zum Nuß knacker sprach: " Ach mein lieber guter Herr Droß elmeier, was kann ich armes unglü ckliches Mä dchen fü r Sie tun? Gä b ich nun auch alle meine Bilderbü cher, ja selbst mein schö nes neues Kleidchen, das mir der Heilige Christ einbeschert hat, dem abscheulichen Mausekö nig zum Zerbeiß en her, wird er denn nicht doch noch immer mehr verlangen, so daß ich zuletzt nichts mehr haben werde, und er gar mich selbst statt Ihrer zerbeiß en wollen wird? — O ich armes Kind, was soll ich denn nun tun — was soll ich denn nun tun? " — Als die kleine Marie so jammerte und klagte, bemerkte sie, daß dem Nuß knacker von jener Nacht her ein groß er Blutfleck am Halse sitzengeblieben war. Seit der Zeit, daß Marie wuß te, wie ihr Nuß knacker eigentlich der junge Droß elmeier, des Obergerichtsrats Neffe sei, trug sie ihn nicht mehr auf dem Arm, und herzte und kü ß te ihn nicht mehr, ja sie mochte ihn aus einer gewissen Scheu gar nicht einmal viel anrü hren; jetzt nahm sie ihn aber sehr behutsam aus dem Fache, und fing an, den Blutfleck am Halse mit ihrem Schnupftuch abzureiben. Aber wie ward ihr, als sie plö tzlich fü hlte, daß Nuß knackerlein in ihrer Hand erwarmte, und sich zu regen begann. Schnell setzte sie ihn wieder ins Fach, da wackelte das Mü ndchen hin und her, und mü hsam lispelte Nuß knackerlein: " Ach, werteste Demoiselle Stahlbaum — vortreffliche Freundin, was verdanke ich Ihnen alles — Nein, kein Bilderbuch, kein Christkleidchen sollen Sie fü r mich opfern — schaffen Sie nur ein Schwert — ein Schwert, fü r das ü brige will ich sorgen, mag er -" Hier ging dem Nuß knacker die Sprache aus, und seine erst zum Ausdruck der innigsten Wehmut beseelten Augen wurden wieder starr und leblos. Marie empfand gar kein Grauen, vielmehr hü pfte sie vor Freuden, da sie nun ein Mittel wuß te, den Nuß knacker ohne weitere schmerzhafte Aufopferungen zu retten. Aber wo nun ein Schwert fü r den Kleinen hernehmen? — Marie beschloß, Fritzen zu Rate zu ziehen, und erzä hlte ihm abends, als sie, da die Eltern ausgegangen, einsam in der Wohnstube am Glasschrank saß en, alles, was ihr mit dem Nuß knacker und dem Mausekö nig widerfahren, und worauf es nun ankomme, den Nuß knacker zu retten. Ü ber nichts wurde Fritz nachdenklicher, als darü ber, daß sich, nach Mariens Bericht, seine Husaren in der Schlacht so schlecht genommen haben sollten. Er frug noch einmal sehr ernst, ob es sich wirklich so verhalte, und nachdem es Marie auf ihr Wort versichert, so ging Fritz schnell nach dem Glasschrank, hielt seinen Husaren eine pathetische Rede, und schnitt dann, zur Strafe ihrer Selbstsucht und Feigheit, einem nach dem andern das Feldzeichen von der Mü tze, und untersagte ihnen auch, binnen einem Jahr den Gardehusarenmarsch zu blasen. Nachdem er sein Strafamt vollendet, wandte er sich wieder zu Marien, sprechend: " Was den Sä bel betrifft, so kann ich dem Nuß knacker helfen, da ich einen alten Obristen von den Kü rassiers gestern mit Pension in Ruhestand versetzt habe, der folglich seinen schö nen scharfen Sä bel nicht mehr braucht. " Besagter Obrister verzehrte die ihm von Fritzen angewiesene Pension in der hintersten Ecke des dritten Faches. Dort wurde er hervorgeholt, ihm der in der Tat schmucke silberne Sä bel abgenommen, und dem Nuß knacker umgehä ngt.

Vor bangem Grauen konnte Marie in der folgenden Nacht nicht einschlafen, es war ihr um Mitternacht so, als hö re sie im Wohnzimmer ein seltsames Rumoren, Klirren und Rauschen. Mit einemmal ging es: " Quiek! " " Der Mausekö nig! der Mausekö nig! " rief Marie, und sprang voll Entsetzen aus dem Bette. Alles blieb still; aber bald klopfte es leise, leise an die Tü re, und ein feines Stimmchen ließ sich vernehmen: " Allerbeste Demoiselle Stahlbaum, machen Sie nur getrost auf — gute frö hliche Botschaft! " Marie erkannte die Stimme des jungen Droß elmeier, warf ihr Rö ckchen ü ber, und ö ffnete flugs die Tü re. Nuß knackerlein stand drauß en, das blutige Schwert in der rechten, ein Wachslichtchen in der linken Hand. Sowie er Marien erblickte, ließ er sich auf ein Knie nieder, und sprach also: " Ihr, o Dame! seid es allein, die mich mit Rittermut stä hlte, und meinem Arme Kraft gab, den Ü bermü tigen zu bekä mpfen, der es wagte, Euch zu hö hnen. Uberwunden liegt der verrä terische Mausekö nig und wä lzt sich in seinem Blute! — Wollet, o Dame! die Zeichen des Sieges aus der Hand Eures Euch bis in den Tod ergebenen Ritters anzunehmen nicht verschmä hen! " Damit streifte Nuß knackerchen die sieben goldenen Kronen des Mausekö nigs, die er auf den linken Arm heraufgestreift hatte, sehr geschickt herunter, und ü berreichte sie Marien, welche sie voller Freude annahm. Nuß knacker stand auf, und fuhr also fort: " Ach meine allerbeste Demoiselle Stahlbaum, was kö nnte ich in diesem Augenblicke, da ich meinen Feind ü berwunden, Sie fü r herrliche Dinge schauen lassen, wenn Sie die Gewogenheit hä tten, mir nun ein paar Schrittchen zu folgen! — O tun Sie es — tun Sie es, beste Demoiselle! "

Das Puppenreich

Ich glaube, keins von euch, ihr Kinder, hä tte auch nur einen Augenblick angestanden, dem ehrlichen gutmü tigen Nuß knacker, der nie Bö ses im Sinn haben konnte, zu folgen. Marie tat dies um so mehr, da sie wohl wuß te, wie sehr sie auf Nuß knackers Dankbarkeit Anspruch machen kö nne, und ü berzeugt war, daß er Wort halten, und viel Herrliches ihr zeigen werde. Sie sprach daher: " Ich gehe mit Ihnen, Herr Droß elmeier, doch muß es nicht weit sein, und nicht lange dauern, da ich ja noch gar nicht ausgeschlafen habe. " " Ich wä hle deshalb", erwiderte Nuß knacker, " den nä chsten, wiewohl etwas beschwerlichen Weg. " Er schritt voran, Marie ihm nach, bis er vor dem alten mä chtigen Kleiderschrank auf dem Hausflur stehenblieb. Marie wurde zu ihrem Erstaunen gewahr, daß die Tü ren dieses sonst wohl verschlossenen Schranks offenstanden, so daß sie deutlich des Vaters Reisefuchspelz erblickte, der ganz vorne hing. Nuß knacker kletterte sehr geschickt an den Leisten und Verzierungen herauf, daß er die groß e Troddel, die an einer dicken Schnur befestigt, auf dem Rü ckteile jenes Pelzes hing, erfassen konnte. Sowie Nuß knacker diese Troddel stark anzog, ließ sich schnell eine sehr zierliche Treppe von Zedernholz durch den Pelzä rmel herab. " Steigen Sie nur gefä lligst aufwä rts, teuerste Demoiselle", rief Nuß knacker. Marie tat es, aber kaum war sie durch den Ä rmel gestiegen, kaum sah sie zum Kragen heraus, als ein blendendes Licht ihr entgegenstrahlte, und sie mit einemmal auf einer herrlich duftenden Wiese stand, von der Millionen Funken, wie blinkende Edelsteine emporstrahlten. " Wir befinden uns auf der Kandiswiese", sprach Nuß knacker, " wollen aber alsbald jenes Tor passieren. " Nun wurde Marie, indem sie aufblickte, erst das schö ne Tor gewahr, welches sich nur wenige Schritte vorwä rts auf der Wiese erhob. Es schien ganz von weiß, braun und rosinfarben gesprenkeltem Marmor erbaut zu sein, aber als Marie nä her kam, sah sie wohl, daß die ganze Masse aus zusammengebackenen Zuckermandeln und Rosinen bestand, weshalb denn auch, wie Nuß knacker versicherte, das Tor, durch welches sie nun durchgingen, das Mandeln- und Rosinentor hieß. Gemeine Leute hieß en es sehr unziemlich, die Studentenfutterpforte. Auf einer herausgebauten Galerie dieses Tores, augenscheinlich aus Gerstenzucker, machten sechs in rote Wä mserchen gekleidete Ä ffchen die allerschö nste Janitscharenmusik, die man hö ren konnte, so daß Marie kaum bemerkte, wie sie immer weiter, weiter auf bunten Marmorwiesen, die aber nichts anders waren, als schö n gearbeitete Morschellen, fortschritt. Bald umwehten sie die sü ß esten Gerü che, die aus einem wunderbaren Wä ldchen strö mten, das sich von beiden Seiten auftat. ln dem dunkeln Laube glä nzte und funkelte es so hell hervor, daß man deutlich sehen konnte, wie goldene und silberne Frü chte an buntgefä rbten Stengeln herabhingen, und Stamm und Ä ste sich mit Bä ndern und Blumensträ uß en geschmü ckt hatten, gleich frö hlichen Brautleuten und lustigen Hochzeitsgä sten. Und wenn die Orangendü fte sich wie wallende Zephire rü hrten, da sauste es in den Zweigen und Blä ttern, und das Rauschgold knitterte und knatterte, daß es klang wie jubelnde Musik, nach der die funkelnden Lichterchen hü pfen und tanzen mü ß ten. " Ach, wie schö n ist es hier", rief Marie ganz selig und entzü ckt. " Wir sind im Weihnachtswalde, beste Demoiselle", sprach Nuß knackerlein. " Ach", fuhr Marie fort, dü rft ich hier nur etwas verweilen, o es ist ja hier gar zu schö n. " Nuß knacker klatschte in die kleinen Hä ndchen und sogleich kamen einige kleine Schä fer und Schä ferinnen, Jä ger und Jä gerinnen herbei, die so zart und weiß waren, daß man hä tte glauben sollen, sie wä ren von purem Zucker und die Marie, unerachtet sie im Walde umherspazierten, noch nicht bemerkt hatte. Sie brachten einen allerliebsten ganz goldenen Lehnsessel herbei, legten ein weiß es Kissen von Reglisse darauf, und luden Marien sehr hö flich ein, sich darauf niederzulassen. Kaum hatte sie es getan, als Schä fer und Schä ferinnen ein sehr artiges Ballett tanzten, wozu die Jä ger ganz manierlich bliesen, dann verschwanden sie aber alle in dem Gebü sche. " Verzeihen Sie", sprach Nuß knacker, " verzeihen Sie, werteste Demoiselle Stahlbaum, daß der Tanz so miserabel ausfiel, aber die Leute waren alle von unserm Drahtballett, die kö nnen nichts anders machen als immer und ewig dasselbe: und daß die Jä ger so schlä frig und flau dazu bliesen, das hat auch seine Ursachen. Der Zuckerkorb hä ngt zwar ü ber ihrer Nase in den Weihnachtsbä umen, aber etwas hoch! — Doch wollen wir nicht was weniges weiterspazieren? " " Ach es war doch alles recht hü bsch und mir hat es sehr wohl gefallen! " so sprach Marie, indem sie aufstand und dem voranschreitenden Nuß knacker folgte. Sie gingen entlang eines sü ß rauschenden, flü sternden Baches, aus dem nun eben all die herrlichen Wohlgerü che zu duften schienen, die den ganzen Wald erfü llten. " Es ist der Orangenbach", sprach Nuß knacker auf Befragen, " doch seinen schö nen Duft ausgenommen, gleicht er nicht an Grö ß e und Schö nheit dem Limonadenstrom, der sich gleich ihm in den Mandelmilchsee ergieß t. " In der Tat vernahm Marie bald ein stä rkeres Plä tschern und Rauschen und erblickte den breiten Limonadenstrom, der sich in stolzen isabellfarbenen Wellen zwischen gleich grü n glü henden Karfunkeln leuchtendem Gesträ uch fortkrä uselte. Eine ausnehmend frische, Brust und Herz stä rkende Kü hlung wogte aus dem herrlichen Wasser. Nicht weit davon schleppte sich mü hsam ein dunkelgelbes Wasser fort, das aber ungemein sü ß e Dü fte verbreitete und an dessen Ufer allerlei sehr hü bsche Kinderchen saß en, welche kleine dicke Fische angelten und sie alsbald verzehrten. Nä her gekommen bemerkte Marie, daß diese Fische aussahen wie Lampertsnü sse. In einiger Entfernung lag ein sehr nettes Dö rfchen an diesem Strome, Hä user, Kirche, Pfarrhaus, Scheuern, alles war dunkelbraun, jedoch mit goldenen Dä chern geschmü ckt, auch waren viele Mauern so bunt gemalt, als seien Zitronat und Mandelkerne daraufgeklebt. " Das ist Pfefferkuchheim", sagte Nuß knacker, " welches am Honigstrome liegt, es wohnen ganz hü bsche Leute darin, aber sie sind meistens verdrieß lich, weil sie sehr an Zahnschmerzen leiden, wir wollen daher nicht erst hineingehen. " In dem Augenblick bemerkte Marie ein Stä dtchen, das aus lauter bunten durchsichtigen Hä usern bestand, und sehr hü bsch anzusehen war. Nuß knacker ging geradezu darauf los, und nun hö rte Marie ein tolles lustiges Getö se und sah wie tausend niedliche kleine Leutchen viele hochbepackte Wagen, die auf dem Markte hielten, untersuchten und abzupacken im Begriff standen. Was sie aber hervorbrachten, war anzusehen wie buntes gefä rbtes Papier und wie Schokoladetafeln. " Wir sind in Bonbonshausen", sagte Nuß knacker, " eben ist eine Sendung aus dem Papierlande und vom Schokoladenkö nige angekommen. Die armen Bonbonshä user wurden neulich von der Armee des Mü ckenadmirals hart bedroht, deshalb ü berziehen sie ihre Hä user mit den Gaben des Papierlandes und fü hren Schanzen auf, von den tü chtigen Werkstü cken, die ihnen der Schokoladenkö nig sandte. Aber beste Demoiselle Stahlbaum, nicht alle kleinen Stä dte und Dö rfer dieses Landes wollen wir besuchen — zur Hauptstadt — zur Hauptstadt! " — Rasch eilte Nuß knacker vorwä rts, und Marie voller Neugierde ihm nach. Nicht lange dauerte es, so stieg ein herrlicher Rosenduft auf und alles war wie von einem sanften hinhauchenden Rosenschimmer umflossen. Marie bemerkte, daß dies der Widerschein eines rosenrot glä nzenden Wassers war, das in kleinen rosasilbernen Wellen vor ihnen her wie in wunderlieblichen Tö nen und Melodien plä tscherte und rauschte. Auf diesem anmutigen Gewä sser, das sich immer mehr und mehr wie ein groß er See ausbreitete, schwammen sehr herrliche silberweiß e Schwä ne mit goldnen Halsbä ndern, und sangen miteinander um die Wette die hü bschesten Lieder, wozu diamantne Fischlein aus den Rosenfluten auf- und niedertauchten wie im lustigen Tanze. " Ach", rief Marie ganz begeistert aus, " ach das ist der See, wie ihn Pate Droß elmeier mir einst machen wollte, wirklich, und ich selbst bin das Mä dchen, das mit den lieben Schwä nchen kosen wird. " Nuß knackerlein lä chelte so spö ttisch, wie es Marie noch niemals an ihm bemerkt hatte, und sprach dann: " So etwas kann denn doch wohl der Onkel niemals zustande bringen; Sie selbst viel eher, liebe Demoiselle Stahlbaum, doch lassen Sie uns darü ber nicht grü beln, sondern vielmehr ü ber den Rosensee hinü ber nach der Hauptstadt schiffen. "



  

© helpiks.su При использовании или копировании материалов прямая ссылка на сайт обязательна.