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Drei Kameraden 13 страница



»Schweizer. «

»Dein Glü ck«, erwiderte Gottfried. »Mit franzö sischen hä ttest du das Spiel nicht unterbrechen dü rfen. «

Wir spielten eine Stunde weiter. Ich gewann ziemlich viel. Bollwies verlor dauernd. Ich trank, aber ich kriegte nur Kopfschmerzen. Die braunen, wehenden Tü cher blieben aus. Es wurde alles nur schä rfer. Mein Magen brannte.

»So, jetzt hö r auf und iß was«, sagte Lenz. »Fred, gib ihm ein Sandwich und ein paar Sardinen. Steck das Geld ein, Robby. «

»Eine Runde noch. «

»Gut. Letzte Runde. Doppelt? «

»Doppelt«, sagten die andern.

Ich kaufte ziemlich sinnlos auf Kreuz zehn und Kö nig drei Karten. Es waren Bube, Dame und As. Ich gewann damit gegen Bollwies, der einen Achter-Vierling in der Hand hatte und bis zum Mond hoch reizte. Fluchend zahlte er mir einen Haufen Geld aus. »Siehst du«, sagte Lenz, »Flushwetter. «

Wir setzten uns an die Bar. Bollwies fragte nach Karl. Er konnte nicht vergessen, daß Kö ster seinen Sportwagen geschlagen hatte. Er wollte Karl immer noch kaufen. »Frag Otto«, sagte Lenz. »Aber ich glaube, er verkauft dir lieber eine Hand. «

»Na, na«, sagte Bollwies.

»Das verstehst du nicht«, erwiderte Lenz, »du kommerzieller Sohn des zwanzigsten Jahrhunderts. « Ferdinand Grau lachte.

Fred auch. Schließ lich lachten wir alle. Wenn man ü ber das zwanzigste Jahrhundert nicht lachte, muß te man sich erschieß en. Aber man konnte nicht lange darü ber lachen. Es war ja eigentlich zum Heulen.

»Kannst du tanzen, Gottfried? « fragte ich.

»Natü rlich. Ich war doch mal Tanzlehrer. Hast du das schon vergessen? «

»Vergessen — laß ihn doch vergessen«, sagte Ferdinand Grau. »Vergessen ist das Geheimnis ewiger Jugend. Man altert nur durch das Gedä chtnis. Es wird viel zuwenig vergessen. «

»Nein«, sagte Lenz. »Es wird nur immer das Falsche vergessen. «

»Kannst du mir's beibringen? « fragte ich.

»Tanzen? An einem Abend, Baby. Ist das dein ganzer Kummer? «

»Hab' keinen Kummer«, sagte ich. »Kopfschmerzen. «

»Die Krankheit unserer Zeit, Robby«, sagte Ferdinand.

»Am besten wä re es, ohne Kopf geboren zu werden. «

Ich ging noch ins Café International. Alois wollte gerade die Lä den 'runtermachen. »Noch wer da? « fragte ich.

»Rosa. «

»Komm, wir nehmen alle drei noch einen. «

»Gemacht. «

Rosa saß neben der Theke und strickte kleine Wollstrü mpfe fü r ihre Tochter. Sie zeigte mir die Muster. Sie hatte auch schon ein Jä ckchen fertig. »Wie war's Geschä ft? « fragte ich.

»Schlecht. Kein Mensch hat mehr Geld. «

»Soll ich dir was leihen? Hier — hab' beim Pokern gewonnen. «

»Spielgeld bringt Handgeld«, sagte Rosa, spuckte darauf und steckte es ein.

Alois brachte drei Glä ser. Nachher, als Fritzi kam, noch eins.

»Feierabend«, sagte er dann. »Bin todmü de. «

Er drehte das Licht aus. Wir gingen. Rosa verabschiedete sich an der Tü r. Fritzi hä ngte sich bei Alois ein. Sie ging frisch und leicht neben ihm her. Er schlurfte mit seinen Plattfü ß en ü ber das Pflaster. Ich blieb stehen und sah ihnen nach. Ich sah, wie Fritzi sich zu dem schmutzigen, krummen Kellner niederbeugte und ihn kü ß te. Er wehrte sie gleichgü ltig ab. Und plö tzlich, ich wuß te nicht, wie es kam, wä hrend ich mich umdrehte und ü ber die leere Straß e und die Hä user mit den dunklen Fenstern und den kalten Nachthimmel hinwegblickte, schlug wie mit Fä usten eine so irrsinnige Sehnsucht nach Pat auf mich ein, daß ich glaubte zu taumeln. Ich verstand nichts mehr — mich nicht und mein Verhalten nicht und den ganzen Abend nicht, nichts mehr.

Ich lehnte mich an eine Hauswand und starrte vor mich hin. Ich begriff nicht, weshalb ich das alles getan hatte. Ich war da in etwas hineingeraten, das mich durcheinanderriß, das mich unvernü nftig und ungerecht machte, das mich hin und her warf und mir zerschlug, was ich mü hsam geordnet hatte. Ziemlich hilflos stand ich da und wuß te nicht, was ich tun sollte. Nach Hause wollte ich nicht — dann wurde es ganz schlimm. Schließ lich erinnerte ich mich, daß Alfons noch offen haben muß te. Ich ging hin. Ich wollte da bleiben bis zum Morgen.

Alfons sagte nicht viel, als ich kam. Er sah mich kurz an und las seine Zeitung weiter. Ich setzte mich an einen Tisch und dö ste. Es war niemand sonst da. Ich dachte an Pat. Immer wieder an Pat. Ich dachte daran, wie ich mich benommen hatte. Jede Einzelheit fiel mir auf einmal ein. Alles drehte sich gegen mich. Ich allein war schuld. Ich war verrü ckt gewesen. Ich starrte auf den Tisch. Das Blut toste in meinem Schä del. Ich war erbittert und wü tend auf mich und ganz ratlos. Ich war es, ich allein, der alles kaputtmachte.

Es klirrte und knackte plö tzlich. Ich hatte mit aller Kraft mein Glas zerschlagen. »Auch 'ne Unterhaltung«, sagte Alfons und stand auf.

Er zog mir die Splitter aus der Hand. »Tut mir leid«, sagte ich. »Habe es im Moment nicht ü berlegt. «

Er holte Watte und Heftpflaster. »Geh ins Puff«, sagte er, »das ist besser. «

»Schö n«, erwiderte ich. »Ist schon vorbei. War nur so ein Wutanfall. «

»Wut muß man wegamü sieren, nicht wegä rgern«, erklä rte Alfons.

»Stimmt«, sagte ich, »aber kö nnen muß man's, auch. «

»Alles Training. Ihr wollt bloß alle mit dem Kopp durch die Wand. Gibt sich aber mit den Jahren. «

Er legte das »Miserere« aus dem »Troubadour« auf das Grammophon. Es wurde schnell hell.

 

Ich ging nach Hause. Alfons hatte mir noch ein groß es Glas Fernet-Branca zu trinken gegeben. Ich merkte, daß jetzt weiche Beile hinter meiner Stirn klopften. Die Straß e war nicht mehr glatt. In meinen Schultern saß Blei. Ich hatte genug.

Langsam ging ich die Treppe hinauf und suchte in der Tasche nach meinem Schlü ssel. Da hö rte ich im Halbdunkel jemand atmen. Etwas Bleiches, Undeutliches hockte auf der oberen Treppenstufe. Ich machte zwei Schritte. »Pat —«, sagte ich verstä ndnislos — »Pat — was machst du denn hier? «

Sie bewegte sich. »Ich glaube, ich habe etwas geschlafen... «

»Ja aber, wie kommst du denn hierher? «

»Ich habe doch deinen Hausschlü ssel... «

»Das meine ich nicht. Ich meine... « Die Trunkenheit wich, ich sah die abgetretenen Stufen der Treppe, die abgeblä tterte Wand und das silberne Kleid, die schmalen, leuchtenden Schuhe — »ich meine, daß du ü berhaupt hier bist... «

»Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit... «

Sie stand auf und dehnte sich, als wä re es das Selbstverstä ndlichste von der Welt, daß sie in der spä ten Nacht hier auf der Treppe gesessen hatte. Dann schnupperte sie. »Lenz wü rde jetzt sagen — Kognak, Rum, Kirsch, Absinth... «

»Sogar Fernet-Branca«, bekannte ich und faß te erst jetzt alles richtig.

»Gottverdammt, du bist ein groß artiges Mä dchen, Pat, und ich bin ein scheuß licher Idiot! «

Ich nahm sie mit einem Ruck hoch, schloß die Tü r auf und trug sie durch den Korridor. Sie lag an meiner Brust, ein silberner Reiher, ein mü der Vogel, ich wandte den Kopf zur Seite, damit sie meinen Schnapsatem nicht spü rte, und ich fü hlte, daß sie zitterte, obwohl sie lä chelte.

Ich setzte sie in einen Sessel, machte Licht und holte eine Decke.

»Hä tte ich doch nur eine Ahnung gehabt, Pat — statt herumzulungern und herumzusitzen, hä tte ich — ach, ich elender Schafskopf — angerufen habe ich von Alfons aus bei dir, und gepfiffen vor deinem Hause — und ich dachte, du wolltest nicht, weil du dich nicht meldetest... «

»Weshalb bist du denn nicht zurü ckgekommen, als du mich nach Hause gebracht hast? «

»Ja, das mö chte ich auch wissen... «

»Es ist besser, wenn du mir nä chstens den Wohnungsschlü ssel auch noch gibst«, sagte sie, »dann brauche ich nicht drauß en zu warten. «

Sie lä chelte, aber ihre Lippen zitterten, und ich wuß te plö tzlich, was das fü r sie war — dies Zurü ckkommen, dies Warten und dieser tapfere, burschikose Ton jetzt...

»Pat«, sagte ich rasch, vö llig verwirrt, »Pat, du frierst sicher, du muß t was trinken, ich habe bei dem Orlow drauß en Licht gesehen, ich gehe rasch mal hin, diese Russen haben immer Tee, ich bin sofort zurü ck —«, ich spü rte, wie es heiß in mir hochstieg — »ich vergesse dir das im Leben nicht«, sagte ich von der Tü r her und ging rasch den Korridor hinunter.

Orlow war noch auf. Er saß vor seinem Muttergottesbild in der Ecke des Zimmers, vor dem ein Lä mpchen brannte, seine Augen waren rot, und auf dem Tisch dampfte ein kleiner Samowar.

»Bitte, entschuldigen Sie«, sagte ich, »ein unvorhergesehener Zufall — kö nnen Sie mir etwas heiß en Tee geben? «

Russen sind an Zufä lle gewö hnt. Er gab mir zwei Glä ser, Zucker und fü llte einen Teller mit kleinen Kuchen. »Ich bin Ihnen sehr gern behilflich«, sagte er, »darf ich Ihnen auch — ich war oft in ä hnlicher — ein paar Kaffeebohnen — zum Kauen... «

»Danke«, sagte ich, »wirklich, ich danke Ihnen. Ich nehme sie gern... «

»Wenn Sie noch etwas brauchen«, sagte er und war in diesem Augenblick von einer wunderschö nen Haltung, »ich bleibe noch eine Zeitlang auf; es wird mir eine Freude sein... «

Ich zermalmte die Kaffeebohnen auf dem Korridor im Munde. Sie nahmen den Schnapsgeruch weg. Pat saß neben der Lampe und puderte sich. Ich blieb einen Augenblick an der Tü r stehen. Es rü hrte mich sehr, daß sie so dasaß und aufmerksam in ihren kleinen Spiegel sah und mit der Puderquaste ü ber die Schlä fen wischte.

»Trink ein biß chen Tee«, sagte ich, »er ist ganz heiß. «

Sie nahm die Tasse. Ich sah zu, wie sie trank. »Weiß der Teufel, was heute abend los war, Pat. «

»Ich weiß es schon«, erwiderte sie.

»So? Ich nicht. «

»Ist auch nicht nö tig, Robby. Du weiß t sowieso schon ein biß chen zuviel, um richtig glü cklich zu sein. «

»Mag sein«, sagte ich. »Aber es geht doch nicht, daß ich immer kindischer werde, seit ich dich kenne. «

»Doch! Besser, als wenn du immer vernü nftiger wü rdest. «

»Auch eine Begrü ndung«, sagte ich. »Du hast eine gute Art, einem aus der Klemme zu helfen. Aber ich glaube, es kam da so allerhand zusammen. «

Sie stellte die Tasse auf den Tisch. Ich lehnte am Bett. Ich hatte ein Gefü hl, als wenn ich von einer langen, schwierigen Reise nach Hause gekommen wä re.

 

Die Vö gel begannen zu zwitschern. Drauß en klappte eine Tü r. Das war Frau Bender, die Sä uglingsschwester. Ich sah auf die Uhr. In einer halben Stunde war Frida in der Kü che, dann konnten wir nicht mehr ungesehen hinaus. Pat schlief noch. Sie atmete tief und regelmä ß ig. Es war eine Schande, sie zu wecken. Aber es muß te sein. »Pat... «

Sie murmelte etwas im Schlaf. »Pat —«, ich verfluchte alle mö blierten Zimmer der Welt — »Pat, es wird Zeit. Wir mü ssen dich anziehen. «

Sie schlug die Augen auf und lä chelte, noch ganz warm vom Schlaf, wie ein Kind. Ich war immer wieder ü berrascht ü ber diese Heiterkeit beim Erwachen und liebte das sehr an ihr. Ich war nie heiter, wenn ich erwachte. »Pat — Frau Zalewski bü rstet bereits ihr Gebiß. «

»Ich bleibe heute bei dir... «

»Hier? «

»Ja... «

Ich richtete mich auf. »Glä nzende Idee — aber deine Sachen — das sind doch Schuhe und Kleider fü r abends... « »Dann bleibe ich eben bis abends... « »Und zu Hause? « »Da telefonieren wir, daß ich irgendwo ü ber Nacht geblieben bin. « »Das werden wir schon machen. Hast du Hunger? « »Noch nicht. « »Auf alle Fä lle werde ich mal rasch ein paar frische Brö tchen klauen. Die hä ngen drauß en an der Korridortü r. Jetzt ist's grade noch Zeit dafü r. «

Als ich zurü ckkam, stand Pat am Fenster. Sie trug nur ihre silbernen Schuhe. Das weiche Licht des frü hen Tages fiel wie ein Schleier ü ber ihre Schultern. »Das von gestern haben wir vergessen, was, Pat? « sagte ich.

Sie nickte, ohne sich umzudrehen. »Wir werden einfach nicht mehr mit anderen Leuten zusammen sein. Richtige Liebe verträ gt keine Leute. Dann kriegen wir auch keinen Krach und keine Eifersuchtsanfä lle. Dieser Breuer und die ganze andere Gesellschaft soll zum Teufel gehen, was? « »Ja«, sagte sie, »und die Markowitz auch. « »Markowitz? Wer ist denn das? « »Die, mit der du an der Bar gesessen hast in der Kaskade. « »Aha«, sagte ich, plö tzlich ziemlich vergnü gt, »aha, die. « Ich kramte meine Taschen aus. »Sieh dir das an. Etwas hat die Geschichte wenigstens genü tzt. Ich habe einen Haufen Geld im Poker gewonnen. Dafü r gehen wir heute abend noch einmal aus, was? Aber richtig, ohne andere Leute. Die sind fü r uns vergessen, wie? « — Sie nickte.

Die Sonne ging hinter den Dä chern des Gewerkschaftshauses auf. Die Fenster begannen zu blitzen. Pats Haar war voll Licht, und ihre Schultern waren golden. »Was sagtest du eigentlich, was macht dieser Breuer? Als Beruf, meine ich? «

»Architekt. «

»Architekt«, sagte ich etwas betroffen, denn ich hä tte lieber gehö rt, er wä re gar nichts, »na, Architekt, was ist das schon, was, Pat? «

»Ja, Liebling. «

»Nichts Besonderes, wie? «

»Gar nichts«, sagte Pat ü berzeugt und drehte sich um und lachte, »gar nichts ist das, ü berhaupt nichts. Ein Dreck ist es! «

»Und diese Bude, die ist nicht zu jä mmerlich, was, Pat? Andere Leute haben natü rlich bess... «

»Sie ist wunderbar, diese Bude«, unterbrach mich Pat, »es ist eine ganz herrliche Bude, ich weiß wirklich keine schö nere, Liebling! «

»Und ich, Pat, ich hab' ja meine Fehler und bin nur ein Taxifahrer, aber... «

»Du bist ein ganz Geliebter, ein Brö tchenklauer und Rumsä ufer, ein Liebling bist du! «

Mit einem Schwung warf sie sich mir an den Hals. »Ach, du Dummer, wie schö n ist es zu leben! «

»Nur mit dir, Pat. Wahrhaftig! «

Der Morgen stieg wunderbar und strahlend herauf. Ü ber den Grabsteinen unten lag ein feiner Nebel und zog hin und her. Die Wipfel der Bä ume waren schon voll im Licht. Aus den Schornsteinen der Hä user stieg wirbelnd der Rauch. Die ersten Zeitungen wurden ausgerufen. Wir legten uns zu einem Morgenschlaf nieder, einem Schlafwachen, einem Schlafträ umen an der Grenze, einer im Arm des andern, einem wunderlichen Verschweben, Atem in Atem. Dann, um neun Uhr, telefonierte ich zunä chst als Geheimrat Burkhard mit Oberstleutnant Egbert von Hake persö nlich und darauf an Lenz, damit er meine Morgenfuhre mit der Droschke ü bernahm.

Er unterbrach mich gleich. »Laß nur, Kindchen, dein Gottfried ist nicht umsonst ein Kenner der Variationen des menschlichen Herzens. Hab' schon damit gerechnet. Viel Spaß, Goldbaby. «

»Halt den Schnabel«, sagte ich glü cklich und erklä rte in der Kü che, ich sei krank, ich wü rde bis Mittag zu Bett bleiben. Dreimal muß te ich noch den besorgten Angriff Frau Zalewskis abschlagen, die mir Kamillentee, Aspirin und Umschlä ge offerierte. Dann konnte ich Pat ins Badezimmer schmuggeln, und wir hatten Ruhe.

 

 

XIV

 

Eine Woche spä ter erschien unvermutet der Bä cker mit seinem Ford auf unserm Hof. »Geh mal 'raus, Robby«, sagte Lenz mit einem giftigen Blick durchs Fenster, »der Topfkuchen-Casanova will sicher was reklamieren. «

Der Bä cker sah ziemlich verdrossen aus. »Ist was an dem Wagen? « fragte ich.

Er schü ttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Er lä uft groß artig. Ist ja jetzt auch wieder so gut wie neu. «

»Das ist er«, bestä tigte ich und sah ihn mit mehr Interesse an.

»Es ist —«, sagte er — »also — ich mö chte einen anderen Wagen haben. Grö ß er... « Er blickte sich um. »Hatten Sie nicht damals einen Cadillac? «

Ich begriff im Augenblick, was los war. Die schwarze Person, mit der er zusammen lebte, hatte ihn mü rbe gemacht. »Ja, der Cadillac«, sagte ich schwä rmerisch, »da hä tten Sie damals zufassen sollen! Das war ein Prachtstü ck! Fü r siebentausend Mark ist er weggegangen. Halb verschenkt! «

»Na, verschenkt... «

»Verschenkt! « wiederholte ich nachdrü cklich und ü berlegte, was zu machen wä re. »Ich kann mal nachfragen«, sagte ich dann, »vielleicht braucht der Mann, der ihn damals gekauft hat, Geld. So was geht ja schnell heutzutage. Einen Moment. «

Ich ging in die Werkstatt und erzä hlte rasch, was geschehen war. Gottfried sprang auf. »Kinder, wo kriegen wir nur im Galopp einen alten Cadillac her? «

»Laß das meine Sorge sein«, sagte ich, »paß du lieber auf, daß der Bä cker inzwischen nicht weglä uft. «

»Gemacht! « Gottfried verschwand.

Ich rief Blumenthal an. Viel Hoffnung hatte ich nicht, aber man konnte es ja mal versuchen. Er war im Bü ro. »Wollen Sie Ihren Cadillac verkaufen? « fragte ich geradezu.

Blumenthal lachte.

»Ich habe jemand dafü r«, fuhr ich fort, »mit Barzahlung auf den Tisch. «

»Barzahlung —«, erwiderte Blumenthal nach einer Weile Nachdenken, »das ist in diesen Zeiten ein Wort von reinster Poesie... «

»Das meine ich auch«, sagte ich und wurde plö tzlich munter. »Also wie ist es, kö nnen wir mal darü ber reden? «

»Reden kann man immer«, meinte Blumenthal.

»Schö n. Wann kann ich Sie treffen? «

»Heute mittag nach dem Essen habe ich Zeit. Sagen wir um zwei hier im Bü ro. «

»Gut. «

Ich hä ngte auf. »Otto«, sagte ich ziemlich aufgeregt zu Kö ster, »ich hä tte es nie erwartet, aber ich glaube, unser Cadillac kehrt zurü ck! «

Kö ster ließ seine Papiere liegen. »Tatsä chlich? Will er verkaufen? « Ich nickte und blickte durchs Fenster, wo Lenz lebhaft auf den Bä cker einsprach. »Er macht das falsch«, sagte ich beunruhigt, »er redet zuviel. Der Bä cker ist ein Turm von Miß trauen; man muß ihn durch Schweigen ü berreden. Ich will Gottfried mal rasch wieder ablö sen. «

Kö ster lachte. »Hals- und Beinbruch, Robby. «

Ich blinzelte ihm zu und ging hinaus. Aber ich traute meinen Ohren nicht — Gottfried dachte nicht daran, vorzeitige Hymnen auf den Cadillac zu singen —, er erklä rte dem Bä cker lediglich mit groß em Eifer, wie die Indianer in Sü damerika ihr Maisbrot backen. Ich warf ihm einen anerkennenden Blick zu und wandte mich dann an den Bä cker. »Leider will der Mann nicht verkaufen... «

»Das habe ich mir gedacht«, sagte Lenz prompt, als hä tten wir es verabredet.

Ich zuckte die Achseln. »Schade — aber ich kann es verstehen... « Der Bä cker stand unschlü ssig da. Ich sah Lenz an.

»Kannst du es nicht doch noch mal versuchen? « fragte er sofort.

»Das auf jeden Fall«, erwiderte ich. »Ich habe ohnehin wenigstens abmachen kö nnen, daß wir uns heute mittag treffen. Wo kann ich Sie nachher erreichen? « fragte ich den Bä cker.

»Ich bin um vier in der Gegend hier. Da komme ich dann noch mal vorbei... «

»Gut — dann weiß ich auch bestimmt Bescheid. Ich hoffe, daß die Sache doch noch klappt. «

Der Bä cker nickte. Dann bestieg er seinen Ford und dampfte ab.

»Du bist wohl ganz von Gott verlassen«, brach Lenz los, als er um die Ecke war. »Erst soll ich den Knaben mit Gewalt festhalten, und dann lä ß t du ihn ohne weiteres laufen! «

»Logik und Psychologie, mein guter Gottfried! « erwiderte ich und klopfte ihm auf die Schulter. »Das verstehst du noch nicht so... «

Er schü ttelte meine Hand ab. »Psychologie«, erklä rte er wegwerfend. »Die beste Psychologie ist ein guter Zufall! Und der war da! Der Mann kommt niemals wieder... «

»Um vier Uhr kommt er wieder... «

Gottfried sah mich mitleidig an. »Wetten? « fragte er.

»Gern«, erwiderte ich, »aber du fä llst 'rein. Den Mann kenne ich besser als du! Der muß mehrmals aufs Feuer. Auß erdem kann ich ihm doch nicht etwas verkaufen, was wir selbst noch nicht haben... «

»Ach, du lieber Gott, wenn's das nur ist«, sagte Gottfried kopfschü ttelnd, »dann wird aus dir im Leben nichts, Baby! Das sind doch gerade erst die wahren Geschä fte! Komm, ich will dir einen Gratiskurs ü ber modernes Wirtschaftsleben geben... «

 

Mittags ging ich zu Blumenthal. Unterwegs hatte ich das Gefü hl eines jü ngeren Ziegenbocks, der einen alten Wolf besuchen muß. Die Sonne brannte auf den Asphalt, und ich spü rte bei jedem Schritt weniger Lust, von Blumenthal auf dem Rost gebraten zu werden. Es war am besten, kurzen Prozeß zu machen. »Herr Blumenthal«, sagte ich deshalb rasch, als ich eintrat, ehe er beginnen konnte, »einen anstä ndigen Vorschlag unter der Tü r! Fü nftausendfü nfhundert Mark haben Sie fü r den Cadillac bezahlt — ich biete Ihnen sechs wieder —, unter der Bedingung, daß ich ihn wirklich loswerde. Das entscheidet sich heute abend... «

Blumenthal thronte hinter seinem Schreibtisch und aß gerade einen Apfel. Er hö rte auf zu essen und sah mich einen Augenblick an.

»Gut«, schnaubte er dann und aß weiter.

Ich wartete, bis er das Kerngehä use in den Papierkorb warf.

»Sie sind also einverstanden? « fragte ich dann.

»Moment! « Er holte einen neuen Apfel aus der Schreibtischschublade.

»Wollen Sie auch einen? «

»Danke, nicht gerade jetzt... «

Er biß krachend hinein. »Viel Ä pfel essen, Herr Lohkamp! Ä pfel verlä ngern das Leben! Jeden Tag ein paar Ä pfel — und Sie brauchen nie einen Arzt! «

»Auch nicht, wenn ich mir den Arm breche? «

Er grinste, warf das zweite Kerngehä use weg und stand auf. »Sie brechen sich dann eben keinen Arm! «

»Das ist praktisch«, sagte ich und wartete ab, was jetzt kommen wü rde. Dieses Apfelgesprä ch war mir zu verdä chtig.

Blumenthal holte eine Zigarrenkiste aus einem kleinen Schrank und bot sie mir an. Es waren die Coronas, die ich schon kannte. »Verlä ngern die auch das Leben? « fragte ich.

»Nein, die verkü rzen es. Das gleicht sich dann aus mit den Ä pfeln. «

Er blies eine Wolke Rauch aus und sah mich mit schiefem Kopf wie ein nachdenklicher Vogel von unten herauf an. »Ausgleichen, Herr Lohkamp, immer ausgleichen — das ist das ganze Geheimnis im Leben... «

»Wenn man's kann... «

Er blinzelte. »Ja, kö nnen, das ist das Geheimnis. Wir wissen zuviel und kö nnen zuwenig. Weil wir zuviel wissen. «

Er lachte. »Entschuldigen Sie — nach Tisch werde ich immer etwas philosophisch... «

»Das ist auch die beste Zeit«, sagte ich. »Also mit dem Cadillac sind wir dann auch ausgeglichen, nicht wahr? «

Er hob die Hand. »Sekunde... «

Ich senkte ergeben den Kopf. Blumenthal sah es und lachte. »Nicht, wie Sie meinen! Ich wollte Ihnen nur ein Kompliment machen. Ü berrumpelung von der Tü r aus, mit offenen Karten!

Das war gut berechnet auf den alten Blumenthal. Wissen Sie, was ich erwartet habe? « — »Daß ich mit viertausendfü nfhundert anfangen wü rde zu bieten... «

»Genau das! Aber es wä re Ihnen schlecht bekommen. Sie wollen doch mit sieben verkaufen, nicht wahr? «

Ich zuckte vorsichtigerweise die Achseln. »Warum gerade sieben? «

»Weil das damals Ihre erste Forderung bei mir war... «

»Sie haben ein glä nzendes Gedä chtnis«, sagte ich.

»Fü r Zahlen. Nur fü r Zahlen. Leider. Also um zum Schluß zu kommen: Sie kö nnen den Wagen fü r den Preis haben. «

Er hielt mir die Hand hin und ich schlug ein. »Gott sei Dank«, sagte ich aufatmend, »das erste Geschä ft seit langer Zeit. Der Cadillac scheint uns Glü ck zu bringen. «

»Mir auch«, sagte Blumenthal. »Ich habe ja auch fü nfhundert Mark dran verdient. «

»Das schon. Aber weshalb haben Sie ihn eigentlich so bald wieder verkauft? Gefä llt er Ihnen nicht? «

»Einfacher Aberglaube«, erklä rte Blumenthal. »Ich mache jedes Geschä ft, bei dem ich verdiene... «

»Fabelhafter Aberglaube«, erwiderte ich.

Er wiegte den glä nzenden Schä del. »Sie glauben es nicht — aber es stimmt. Damit mir nichts schiefgeht — bei anderen Sachen. Heute ein Geschä ft auslassen, ist eine Herausforderung des Schicksals. Und das kann sich keiner mehr leisten. «

Um halb fü nf Uhr nachmittags stellte Gottfried Lenz mit ausdrucksvollem Gesicht eine leere Ginflasche vor mich auf den Tisch. »Die mö chte ich gerne von dir gefü llt haben, Baby! Kostenlos! Du erinnerst dich an unsere Wette? «

»Ich erinnere mich«, sagte ich, »aber du kommst zu frü h. «

Gottfried hielt mir wortlos seine Uhr vor die Nase.

»Halb fü nf«, sagte ich, »Sternwartezeit sogar wahrscheinlich. Verspä ten kann sich jeder mal. Ich biete dir ü brigens die Wette doppelt, zwei zu eins an... «

»Angenommen«, erklä rte Gottfried feierlich. »Macht vier Flaschen Gratis-Gin fü r mich. So was nennt man Heldenmut auf verlorenem Posten. Ehrenvoll, Baby, aber falsch... «

»Abwarten... «

Ich war lä ngst nicht so sicher, wie ich tat. Im Gegenteil, ich nahm schon ziemlich bestimmt an, daß der Bä cker nicht mehr kommen wü rde. Ich hä tte ihn vormittags festhalten mü ssen. Er war zu unzuverlä ssig.

Als die Sirene von der Bettfedernfabrik gegenü ber fü nf Uhr tutete, stellte Gottfried schweigend drei weitere leere Ginflaschen vor mich auf den Tisch. Dann lehnte er sich ans Fenster und starrte mich an.

»Ich bin durstig«, sagte er nach einer Weile mit Betonung.

In diesem Augenblick hö rte ich das unverkennbare Rasseln eines Fordmotors auf der Straß e, und gleich darauf bog der Wagen des Bä ckers in unsere Einfahrt ein. »Wenn du durstig bist, lieber Gottfried«, erwiderte ich mit groß er Wü rde, »so lauf schnell, die beiden Flaschen Rum einkaufen, die ich mit meiner Wette gewonnen habe. Du darfst einen Gratisschluck daraus nehmen. Siehst du drauß en den Bä ckermeister? Psychologie, mein Junge! Und nun rä ume die leeren Ginflaschen hier weg! Nachher kannst du dann mit dem Taxi losfahren. Fü r das feinere Geschä ft bist du noch zu jung. Servus, mein Sohn! «

Ich ging hinaus und erzä hlte dem Bä cker, daß der Wagen wahrscheinlich zu haben sein werde. Der Kunde verlange allerdings noch siebentausendfü nfhundert Mark, aber wenn er Bargeld sehe, werde er schon auf siebentausend heruntergehen.

Der Bä cker hö rte so zerstreut zu, daß ich stutzte. »Um sechs Uhr werde ich den Mann noch mal anrufen«, sagte ich schließ lich.

»Um sechs? « Der Bä cker wachte aus seiner Abwesenheit auf. »Um sechs muß ich... « Er wandte sich mir plö tzlich zu. »Wollen Sie mitgehen? «

»Wohin? « fragte ich erstaunt.

»Zu Ihrem Freund, dem Maler. Das Bild ist fertig. «

»Ach so, zu Ferdinand Grau... «

Er nickte. »Kommen Sie doch mit. Wir kö nnen dann nachher auch ü ber den Wagen sprechen. «

Es schien ihm etwas daran zu liegen, nicht allein zu gehen. Mir dagegen lag ebensoviel daran, ihn nicht mehr allein zu lassen. »Gut«, sagte ich deshalb, »es ist ja ziemlich weit — wir fahren am besten gleich los. «

 

Ferdinand Grau sah schlecht aus. Sein Gesicht war graugrü n, verschattet und verquollen. Er begrü ß te uns an der Tü r zum Atelier. Der Bä cker sah ihn kaum an. Er war merkwü rdig unsicher und aufgeregt. »Wo ist es? « fragte er sofort.

Ferdinand zeigte mit der Hand zum Fenster. Das Bild lehnte dort auf einer Staffelei. Der Bä cker ging rasch hinein und blieb dann ohne Bewegung dicht vor dem Bilde stehen. Nach einer Weile nahm er den Hut ab. Er war so eilig gewesen, daß er das vorher ganz vergessen hatte.

Ferdinand und ich blieben an der Tü r stehen. »Wie geht es, Ferdinand? « fragte ich.

Er machte eine vage Handbewegung.

»Ist was los? « — »Was soll los sein? «

»Du siehst schlecht aus... «

»Weiter nichts? «

»Nein«, sagte ich, »weiter nichts... «

Er legte mir seine groß e Hand auf die Schulter und lä chelte mit einem Gesicht wie ein alter Bernhardiner.

Wir warteten noch eine Zeitlang. Dann gingen wir zu dem Bä cker hinü ber. Ich war ü berrascht, als ich das Bild sah. Der Kopf war sehr gut geworden. Ferdinand hatte nach dem Foto von der Hochzeit und der zweiten, sehr verhä rmten Aufnahme eine noch junge Frau gemalt, die mit ernsten, etwas ratlosen Augen vor sich hin schaute.

»Ja«, sagte der Bä cker, ohne sich umzudrehen, »das ist sie. « Er sagte das mehr fü r sich, und es schien mir, als wü ß te er nicht einmal, daß er es sagte.



  

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